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Anschluss an Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Februar 2025 – 4 B 976/24 –, juris.
Aus der historischen Auslegung ergibt sich, dass Warenautomaten nicht vom Anwendungsbereich des LÖG NRW erfasst sind. Das Aufstellen mehrerer Warenautomaten in einem Automatenkiosk führt nicht dazu, dass diese unter das LÖG NRW fallen.
Die Ziffern 1 und 5 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 20. August 2024 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Tatbestand
2Der Kläger betreibt in der C.-straße N01, 00000 Z. ein Ladenlokal „U.“, in dem er 15 einzelne Warenautomaten mit jeweils 40 bis 50 verschiedenen Artikeln aufgestellt hat. Das Geschäftslokal ist während des ganzen Jahres täglich an 24 Stunden geöffnet und wird auf der Fassade sowie dem Schaufenster entsprechend beworben („24/7 geöffnet“; „einfach alles zu jeder Zeit“). Verkaufspersonal wird an Sonn- und Feiertagen nicht eingesetzt.
3Mit Schreiben vom 27. Juni 2024 gab die Beklagte dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Untersagung der Ladenöffnung und des damit verbundenen gewerblichen Anbietens von Waren zum Verkauf an Jedermann mit den im Ladenlokal C.-straße N01, 00000 Z. befindlichen Automaten an Sonn- und Feiertagen ganztägig sowie am 24. Dezember, sofern dieser auf einen Werktag fällt, ab 14 Uhr. Außerdem gab sie ihm mit gleichem Schreiben Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Aufforderung der Entfernung von in den Warenautomaten befindlichen alkoholischen Getränken und der Untersagung des Feilhaltens von Alkohol oder überwiegend alkoholhaltigen Lebensmitteln mittels der Warenautomaten.
4Mit Stellungnahme vom 1. August 2024 wandte sich der Kläger lediglich gegen die beabsichtigte Untersagung der Ladenöffnung und des damit verbundenen gewerblichen Anbietens von Waren zum Verkauf an Jedermann mit den im Ladenlokal C.-straße N01, 00000 Z. befindlichen Automaten an Sonn- und Feiertagen ganztägig sowie am 24. Dezember, sofern dieser auf einen Werktag fällt, ab 14 Uhr. Die Untersagung würde unverhältnismäßig in sein Grundrecht aus Art. 12 GG eingreifen. Warenautomaten seien keine Verkaufsstelle i.S.d. Gesetzes zur Regelung der Ladenöffnungszeiten (fortan: LÖG NRW). Schutzgegenstand des Verbots der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen sei letztlich der allgemein wahrnehmbare Charakter eines für jedermann verbindlichen Tages der Arbeitsruhe. Das LÖG NRW enthalte keine Regelung zur Behandlung von Warenautomaten. Der Bundesgesetzgeber habe Warenautomaten 2003 aus der Begriffsdefinition in § 1 Gesetzes über den Ladenschluss (fortan: LadSchG) herausgenommen, da er ihre Einbeziehung für nicht mehr zeitgemäß hielt. Das Land NRW habe die Systematik des LadSchlG für das LÖG NRW übernommen und damit auch die Herausnahme von Warenautomaten. Der Umstand, dass im Ladenlokal des Klägers 15 einzelne Warenautomaten stünden, ändere nichts daran, dass es sich um Warenautomaten handele.
5Mit Ordnungsverfügung vom 20. August 2024 untersagte die Beklagte dem Kläger unverzüglich, spätestens nach Ablauf dreier Werktage nach Zustellung der Ordnungsverfügung, das gewerbliche Anbieten von Waren zum Verkauf an Jedermann durch seine in dem Ladenlokal „U.“ C.-straße N01, 00000 Z., befindlichen Verkaufsmodule („Automaten“) an Sonn- und Feiertagen ganztägig sowie am 24. Dezember, sofern dieser auf einen Werktag fällt, ab 14 Uhr (Ziffer 1). Ferner forderte sie den Kläger auf, den in seinen in dem genannten Ladenlokal befindlichen Automaten angebotenen Alkohol im Sinne des § 1 Abs. 2 Nummer 1 des Alkoholsteuergesetzes vom 21. Juni 2013 unverzüglich, spätestens nach Ablauf dreier Tage nach Zustellung dieser Ordnungsverfügung zu entfernen (Ziffer 2). Sie untersagte dem Kläger unverzüglich, spätestens nach Ablauf dreier Tage nach Zustellung der Ordnungsverfügung, Alkohol in dem unter Ziffer 2 aufgeführten Sinn oder überwiegend alkoholhaltige Lebensmittel in Verkaufsmodulen in dem vorgenannten Ladenlokal feilzuhalten (Ziffer 3). Hinsichtlich der Ziffern 1 bis 3 ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung an (Ziffer 4). Im Falle der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 der Ordnungsverfügung drohte die Beklagte dem Kläger ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro an (Ziffer 5). Im Falle der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 2 oder 3 drohte sie im jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro an (Ziffern 6 und 7).
6Zur Begründung der Ziffer 1 führte die Beklagte aus, die durchgängige Ladenöffnung verstoße gegen das LÖG NRW. Es handele sich bei dem Automatenkiosk um eine Verkaufsstelle i.S.d. LÖG NRW. Dies folge aus der Vielzahl der Warenautomaten, die fest in einem Raum untergestellt seien, welcher äußerlich den Schein eines herkömmlichen Ladens erwecke und auch erwecken solle. Der Gesetzgeber habe bei der Ausnahme von Warenautomaten aus dem BLadSchlG Automatenkioske nicht im Blick gehabt. Der Gesetzgeber habe versucht, das gewerbliche Anbieten von Waren möglichst umfassend zu regeln. Der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe habe gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV Verfassungsrang.
7Der Kläger hat am 30. August 2024 Klage gegen die Ziffern 1 und 5 der Ordnungsverfügung erhoben und am 2. September 2024 einen Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Das erkennende Gericht hat den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss vom 24. September 2024 (Az. 1 L 1699/24) abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht für das Land NRW (fortan: OVG NRW) hat auf die dagegen eingelegte Beschwerde hin mit Beschluss vom 12. Februar 2025 (Az. 4 B 976/24) die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt bzw. angeordnet.
8Zur Begründung der Klage wiederholt der Kläger im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und dem Eilverfahren.
9Der Kläger beantragt sinngemäß,
10die Ziffern 1 und 5 der Ordnungsverfügung der Beklagten vom 20. August 2024 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte verweist zunächst auf die Begründung des Bescheids und ihr Vorbringen im Eilverfahren. Mit Blick auf die Entscheidung des OVG NRW im Beschwerdeverfahren 4 B 976/24 ergänzt sie die Klageerwiderung wie folgt: Bei dem vom Kläger betriebenen Automatenkiosk handele es sich um eine Verkaufsstelle im Sinne des § 3 Abs. 1 LÖG NRW. Der Automatenkiosk könne nicht mit den klassischen Warenautomaten gleichgesetzt werden, die von dem Gesetzgeber des Ladenschlussgesetzes im Jahr 2003 aus dessen Anwendungsbereich, herausgenommen wurden. Einzeln betrachtet stellten die Automaten zwar typische Warenautomaten dar. Das gelte aber nicht mehr, wenn sie auf engem Raum kumuliert werden. Denn die Argumente, die gegen die Anwendbarkeit des Ladenschlussgesetzes a. F. auf Warenautomaten sprachen und letztlich von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1962 ausgingen, ließen sich auf eine Ansammlung von mehreren Automaten in einem Raum nicht übertragen. Die Kumulation von Automaten sei geeignet, eine relevante werktägliche Hektik und Betriebsamkeit auszulösen. Wegen des Umfangs des vorgehaltenen Sortiments sei eine Gefährdung kleiner Einzelhandelsgeschäfte nicht auszuschließen. Denn das äußere Erscheinungsbild des Automatenkiosks sei gegenüber herkömmlichen Warenautomaten verändert. Er sei geeignet, eine Versorgungsfunktion zu erfüllen.
14Dieses Verständnis des § 3 LÖG NRW diene außerdem dem grundrechtlich verankerten Sonn- und Feiertagsschutz.
15Auch stünde – entgegen der Auffassung des OVG NRW im diesbezüglichen Beschwerdebeschluss – das in § 3 OWiG enthaltene Bestimmtheitsgebot für bußgeldbewehrte Vorschriften der Subsumierung des klägerischen Automatenkiosks unter § 3 Abs. 1 LÖG NRW nicht entgegen. Auch bußgeldbewehrte Vorschriften müssten eine Vielzahl von Sachverhalten erfassen. Ausreichend sei es, dass die Tragweite eines Verhaltens und der Anwendungsbereich des Bußgeldtatbestandes durch den Rechtsanwender mittels Auslegung zu ermitteln seien. Hier vermittle der Geschäftsraum des Automatenkiosks das Bild eines üblichen Ladens. Nach Ansicht der Beklagten dürften daher für die Frage, ob der Automatenkiosk des Klägers eine Verkaufsstelle im Sinne des § 3 Abs. 1 LÖG NRW sei, nur solche Kriterien herangezogen werden, die objektiv auch auf andere Automatenkioske mit vergleichbarem Konzept und unabhängig von deren Belegenheit übertragbar seien. Als solche Kriterien kämen insbesondere die Außenwahrnehmbarkeit, der Eindruck auf Kunden und Passanten, das Warensortiment und die Eignung, eine werktägliche Betriebsamkeit zu verursachen, in Betracht. Ohne Einfluss auf die Anwendbarkeit des LÖG NRW sei aber, dass sich in den Räumlichkeiten des Automatenkiosks noch eine Packstation befinde.
16Die gesetzlichen Neuerungen der hessischen und schleswig-holsteinischen Landesgesetzgebern unterstrichen, dass bei „digitalen Kleinstsupermärkten“ ein Regelungsbedarf bestünde. Diese Neuerungen wären nicht erforderlich, wenn die betreffenden Einrichtungen aufgrund ihrer Automatisierung gar nicht dem Anwendungsbereich der jeweiligen Gesetze zu den Ladenöffnungszeiten bzw. im Fall von Bayern nicht dem Anwendungsbereich des Ladenschlussgesetzes a. F. unterfallen würden.
17Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 12. Juni 2025 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Juni 2025 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens und des zugehörigen Eilverfahrens 1 L 1699/24 (OVG 4 B 976/24) und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
19Entscheidungsgründe
20Das Gericht konnte ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten gem. § 101 Abs. 2 VwGO ihr Einverständnis damit erklärt haben.
21Die zulässige Klage ist begründet.
22Die Ziffern 1 und 5 der Ordnungsverfügung vom 20. August 2024 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
23Die Warenautomaten des Klägers unterfallen nicht dem Verbot der Öffnung von Verkaufsstellen sowie des gewerblichen Anbietens von Waren zum Verkauf an jedermann außerhalb von Verkaufsstellen außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeit nach § 4 Abs. 2 LÖG NRW.
24Gemäß § 2 LÖG NRW gilt das Ladenöffnungsgesetz NRW für die Öffnung von Verkaufsstellen und das gewerbliche Anbieten von Waren außerhalb von Verkaufsstellen.
25Aus der historischen Auslegung ergibt sich, dass Warenautomaten nicht vom Anwendungsbereich des LÖG NRW erfasst sind. Das Aufstellen mehrerer Warenautomaten in einem Automatenkiosk führt nicht dazu, dass diese unter das LÖG NRW fallen.
26Das OVG NRW hat dazu im Beschluss vom 12. Februar 2025 (Az. 4 B 976/24) ausgeführt:
27„1. Entstehungsgeschichtlich bestehen kaum Zweifel daran, dass Warenautomaten aktuell nicht in den Geltungsbereich des Ladenöffnungsgesetzes NRW fallen, damit die berufliche Tätigkeit freier Automatenaufsteller möglich bleibt. Diese Einschätzung entspricht für die jeweiligen anderen Landesgesetze der nahezu allgemeinen Meinung in der aktuellen Rechtsprechung und Literatur.
28Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15.8.2011 – 9 S 989/09 –, juris, Rn. 34; VG Freiburg, Urteil vom 17.1.2013 – 4 K 1022/12 –, juris, Rn. 24; VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025 – 1 B 61/24 –, juris, Rn. 22; VG Köln, Beschluss vom 24.9.2024 – 1 L 1699/24 –, juris, Rn. 20 ff.; VG Hamburg, Beschluss vom 3.11.2023 – 7 E 3608/23 –, juris, Rn. 21 ff.; VG Augsburg, Beschluss vom 23.7.2024 – Au 8 S 24.1362 –, juris, Rn. 35; Knauff, GewArch 2025, 46 f.; Neumann in: Steuerberater Branchenhandbuch, Stand: Dezember 2024, Einzelhandel B. Recht, III. 5., Rn. 113; Kilic/Schuldt, NVwZ 2024, 891, 892 f.; Beyerlein/Lach, GewArch 2007, 461; siehe auch Hess. VGH, Beschluss vom 22.12.2023 – 8 B 77/22 –, juris, Rn. 15 f., mit krit. Anm. Hippeli, NVwZ 2024, 441, 442, und Hoffmann, GewArch 2024, 348, 349.
29Bis zur Änderung des Grundgesetzes durch die Föderalismusreform im Jahr 2006 war das Recht des Ladenschlusses Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 GG a. F. Der Bund hatte durch Erlass des Gesetzes über den Ladenschluß (LadSchlG) vom 28.11.1956 (BGBl. I S. 875) von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. In § 3 LadSchlG in der bis zum 31.5.2003 gültigen Fassung (LadSchlG a. F.) waren die Ladenschlusszeiten für Verkaufsstellen geregelt. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 LadSchlG a. F. waren Verkaufsstellen u. a. Ladengeschäfte aller Art, Apotheken, Tankstellen, Warenautomaten und Bahnhofsverkaufsstellen. Nach Nr. 2 waren Verkaufsstellen auch sonstige Verkaufsstände und -buden, Kioske, Basare und ähnliche Einrichtungen, falls in ihnen ebenfalls von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten werden.
30Von Anfang an zählten Warenautomaten weder zu den „Ladengeschäften aller Art“ noch zu den sonstigen Verkaufsständen und ähnlichen Einrichtungen, sondern waren einer besonderen Regelung unterworfen. Die im Regierungsentwurf noch enthaltene Legaldefinition, die entsprechend der bis dahin geltenden und im Wesentlichen übernommenen Regelung in § 22 Abs. 6 AZO vom 30.4.1938 (RGBl. I S. 447) bzw. § 24 Abs. 5 AZVO vom 26.7.1934 (RGBl. I S. 803) sowie in den §§ 1 bis 3 des Gesetzes über den Verkauf von Waren aus Automaten vom 6.7.1934 (RGBl. I S. 585) Warenautomaten als selbsttätige Verkaufseinrichtungen umschrieb, war vom Ausschuss für Arbeit nur aus redaktionellen Gründen gestrichen worden.
31Vgl. BR-Drs. 310/54, S. 3 des Entwurfs sowie S. 17 der Begründung; BT-Drs. 2/1461, S. 2; BT-Drs. 2/2810, S. 4 und 9; Stober, Ladenschlußgesetz, 2. Aufl. 1988, Einführung Rn. 2 f., § 7 Rn. 1; siehe noch zum alten Recht Hieronymus, NJW 1951, 825 f.
32Ursprünglich durften als selbsttätige Verkaufseinrichtungen verstandene Warenautomaten – ebenfalls der bisherigen reichsrechtlichen Regelung folgend – gemäß § 7 Abs. 1 LadSchlG an allen Tagen während des ganzen Tages benutzbar sein, falls sie von dem Inhaber einer Verkaufsstelle in räumlichem Zusammenhang mit dieser aufgestellt und in ihnen nur Waren feilgehalten wurden, die auch in der offenen Verkaufsstelle selbst geführt wurden. Zugleich war und ist in § 17 Abs. 5 LadSchlG bestimmt, dass Arbeitnehmer außerhalb der Öffnungszeiten, die für die mit dem Warenautomaten in räumlichem Zusammenhang stehende Verkaufsstelle gelten, nicht mit dem Beschicken von Warenautomaten beschäftigt werden dürfen. Ein letztlich im Einklang mit einem früheren Vorschlag des Bundesrats aus dem Plenum in den Bundestag eingebrachter Antrag, das Ladenschlussgesetz ausdrücklich nicht für Warenautomaten gelten zu lassen, hatte bei seinem Erlass keine parlamentarische Mehrheit gefunden, um den kleinen Einzelhandel nicht durch eine zunehmende Automatisierung zu schwächen.
33Vgl. BR-Drs. 310/54, S. 3 des Entwurfs sowie S. 17 f. der Begründung unter Hinweis auf Hieronymus, NJW 1951, 825 ff.; BR-Drs. 310/54 (Beschluß), S. 3; BT-Prot. 2/169, S. 9321, 9343, sowie BT-Prot. 2/170, S. 9366 f.
34Bereits im Regierungsentwurf war klargestellt und bald höchstrichterlich bestätigt worden, dass das Ladenschlussgesetz in erster Linie eine arbeitsschutzrechtliche Zielrichtung hat, zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen aber auch Verkaufsstellen ohne Angestellte einbezieht.
35Vgl. BR-Drs. 310/54, S. 1 ff. der Begründung unter Hinweis auf Art. 74 Nr. 12 GG, siehe aber auch den Hinweis auf Art. 74 Nr. 11 GG auf Seite 18 der Begründung des Regierungsentwurfs; so auch BT-Drs. 2/2810, S. 1; BVerfG, Urteil vom 29.11.1961 – 1 BvR 758/57 –, BVerfGE 13, 230 = juris, Rn. 23.
36Mit Urteil vom 21.2.1962 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der zweite Halbsatz von § 7 Abs. 1 LadSchlG in der zuletzt durch das Änderungsgesetz vom 14.11.1960 (BGBl. I S. 845) nur unwesentlich geänderten Fassung („falls sie von dem Inhaber einer Verkaufsstelle oder mit seiner Zustimmung von einem andern in räumlichem Zusammenhang mit dieser aufgestellt und in ihnen nur Waren feilgehalten werden, die auch in der offenen Verkaufsstelle selbst geführt werden“) wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Aufsteller selbständiger Automaten mit Art. 12 GG unvereinbar und daher nichtig sei. Die (tatsächliche) Verwendungsmöglichkeit selbständiger Automaten sei so beschränkt, dass eine Gefährdung selbst kleiner Einzelhandelsgeschäfte nicht zu befürchten sei. Dabei hielt das Gericht fest, dass die Einbeziehung der Warenautomaten in das Ladenschlussgesetz mit dem Wegfall der Einschränkung aus § 7 Abs. 1 Halbsatz 2 LadSchlG in der Fassung vom 14.11.1960 weitgehend seine Bedeutung verliere; es müsse aber dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, ob er sie deshalb aus dem Anwendungsbereich herausnehmen oder – mit Rücksicht auf andere Einzelbestimmungen – vielleicht Anpassungen vornehmen wolle.
37Vgl. BVerfG, Urteil vom 21.2.1962 – 1 BvR 198/57 –, BVerfGE 14, 19 = juris, Rn. 11 ff., 14 f.
38Eine Anpassung durch den Gesetzgeber erfolgte zunächst nicht. Weiterhin wurden Warenautomaten ladenschlussrechtlich nicht anderen Verkaufseinrichtungen gleichgestellt. Während etwa die Einbeziehung auch nichtgewerblicher Verkaufsstellen in die allgemeinen Ladenschlusszeiten als gerechtfertigt angesehen wurde, um gleiche Wettbewerbschancen zwischen den verschiedenen Arten von Verkaufsstellen herzustellen,
39vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 12.12.1972 – 1 C 4.71 –, BVerwGE 41, 271 = juris, Rn. 15, und vom 23.3.1982 – 1 C 157.79 –, BVerwGE 65, 167 = juris, Rn. 29,
40wurde für Warenautomaten seinerzeit der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts folgend die Ansicht vertreten, selbsttätige Verkaufseinrichtungen tangierten den dem Ladenschlussrecht zugrundeliegenden Arbeitsschutz und den damit zusammenhängenden Wettbewerbsschutz überhaupt nicht, sofern nicht Arbeitnehmer außerhalb der Geschäftszeiten mit dem Auffüllen von Warenautomaten befasst seien (vgl. § 17 Abs. 5 LadSchlG).
41So Stober, Ladenschlußgesetz, 2. Aufl. 1988, § 7 Rn. 5.
42Nachdem Warenautomaten aufgrund verfassungsgerichtlicher Entscheidung seit mehr als 30 Jahren an allen Tagen während des ganzen Tages benutzbar sein durften, ohne dass dies zu Gefährdungen für kleine Einzelhandelsbetriebe geführt hatte, wurde die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Änderungsgesetz vom 30.7.1996 (BGBl. I S. 1186) redaktionell nachvollzogen und § 7 Abs. 1 Halbsatz 2 LadSchlG in der bis dahin geltenden Fassung vom 14.11.1960 gestrichen.
43Vgl. BT-Drs. 13/4245, S. 4 und 9; dazu Stober (Hrsg.), Ladenschlussgesetz, 4. Aufl. 2000, § 7 Rn. 5.
44Seit dem 1.11.1996 lautete § 7 Abs. 1 LadSchlG ausdrücklich:
45„Abweichend von den Vorschriften des § 3 dürfen Warenautomaten an allen Tagen während des ganzen Tages benutzbar sein.“
46Mit Gesetz zur Verlängerung der Ladenöffnung an Samstagen vom 15.5.2003 (BGBl. I S. 658) wurde schließlich der Begriff des „Warenautomaten“ aus § 1 Abs. 1 LadSchlG a. F. gestrichen und § 7 LadSchlG a. F. ganz aufgehoben. In der Begründung zum Gesetzentwurf hieß es insoweit:
47„Aus Gründen der Vereinfachung und Modernisierung werden zehn Regelungen aufgehoben. So werden unter anderem die Vorschriften für Warenautomaten und Friseurbetriebe aus dem Ladenschlussgesetz gestrichen. […] Warenautomaten werden aus dem Anwendungsbereich des Ladenschlussgesetzes herausgenommen, da ihre Einbeziehung nicht mehr zeitgemäß ist.“
48Vgl. BT-Drs. 15/396, S. 1, 8.
49Eine inhaltliche Änderung der zuvor geltenden ausdrücklichen Erlaubnis, Warenautomaten an allen Tagen während des ganzen Tages benutzen zu dürfen, war damit nicht verbunden. Da sich die Streichung des Begriffs der „Warenautomaten“ in § 1 Abs. 1 LadSchlG a. F. und die Aufhebung der Sonderregelung für sie in § 7 LadSchlG a. F. im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen haben und deshalb erfolgt sind, um Warenautomaten ganz aus dem Anwendungsbereich des Ladenschlussgesetzes herauszunehmen, fehlt es an jedem Anknüpfungspunkt für einen realisierten gesetzgeberischen Regelungswillen, Warenautomaten bzw. selbsttätige Verkaufseinrichtungen seit dem 1.6.2003 bei der Rechtsanwendung etwa im Sinne von § 1 Nr. 2 LadSchlG in der seit dem 1.6.2003 geltenden Fassung unter bestimmten Voraussetzungen als ähnliche Einrichtungen anzusehen, in denen „ebenfalls von einer festen Stelle aus ständig Waren zum Verkauf an jedermann feilgehalten werden“. Auf diese Weise würde vielmehr die mit der Streichung der früheren Sonderregelungen für Warenautomaten verbundene Regelungsabsicht umgangen, die weder nach der Zahl der Automaten noch nach ihrem Aufstellungsort unterschied, sondern im Sinne der Begriffsdefinition aus der reichsrechtlichen Vorläuferregelung und dem ursprünglichen Regierungsentwurf alle selbsttätigen Verkaufseinrichtungen einschloss.
50Nachdem im Rahmen der Föderalismusreform im Jahr 2006 das Recht des Ladenschlusses der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG n. F.) entzogen worden war, hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht und das Ladenöffnungsgesetz NRW erlassen. Der Landesgesetzgeber hat damit ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf die Möglichkeit wahrgenommen, die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Öffnung von Verkaufsstellen und das gewerbliche Anbieten von Waren außerhalb von Verkaufsstellen neu zu regeln. Ziel des neuen Gesetzes war es, die Rechtslage an die veränderte Arbeits- und Lebenswelt anzupassen, gleichzeitig aber auch den Sonn- und Feiertagsschutz sowie den Arbeitsschutz an Sonn- und Feiertagen zu gewährleisten. Im Einzelnen hieß es, das wirtschaftliche Umfeld und die Wettbewerbsbedingungen im Einzelhandel hätten sich durch das Aufkommen neuer Verkaufsformen wie Internet- und Versandhandel verändert. In den vergangenen Jahren seien bereits die Ausnahmetatbestände im Ladenschlussgesetz zunehmend ausgeweitet worden. Mit dem Gesetz werde der Handlungsspielraum der Unternehmen erweitert.
51Vgl. LT-Drucks. 14/2478 S. 9 f.
52Trotz einiger redaktioneller Änderungen orientiert sich der Geltungsbereich des Ladenöffnungsgesetzes NRW an der früheren Rechtslage, wenn es in § 2 LÖG NRW heißt, dieses Gesetz gelte für die Öffnung von Verkaufsstellen und das gewerbliche Anbieten von Waren außerhalb von Verkaufsstellen. Auch die Definition der Verkaufsstellen in § 3 Abs. 1 LÖG NRW übernimmt mit unwesentlichen Vereinfachungen die früheren Regelungen aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LadSchlG a. F. unter Wegfall des Begriffs „Warenautomaten“. Damit hat der Landesgesetzgeber auch an der bisherigen Herausnahme der Warenautomaten aus dem Geltungsbereich der bundesrechtlichen Regelungen über den Ladenschluss für seinen Zuständigkeitsbereich nichts ändern wollen und auch tatsächlich nichts geändert. Vielmehr hat der Landesgesetzgeber mit dem Ladenöffnungsgesetz NRW ausgehend vom bisherigen Rechtszustand den Handlungsspielraum der Unternehmer erweitern und keinesfalls hinter den Stand zurückfallen wollen, den das Ladenschlussgesetz bis zu seiner Ersetzung in Nordrhein-Westfalen durch das Ladenöffnungsgesetz NRW erreicht hatte.
53Vgl. ähnlich VG Freiburg, Urteil vom 17.1.2013 – 4 K 1022/12 –, juris, Rn. 25 f.; Kilic/Schuldt, NVwZ 2024, 891, 893; anders im Ergebnis Beyerlein/Lach, GewArch 2007, 461, 462 ff.; Hess. VGH, Beschluss vom 22.12.2023 – 8 B 77/22 –, juris, Rn. 12 ff., mit krit. Anm. Hippeli, NVwZ 2024, 441, und Hoffmann, GewArch 2024, 348; VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025 – 1 B 61/24 –, juris, Rn. 22 f.; VG Hamburg, Beschluss vom 3.11.2023 – 7 E 3608/23 –, juris, Rn. 16 ff.; VG Augsburg, Beschluss vom 23.7.2024 – Au 8 S 24.1362 –, juris, Rn. 33.
54Lediglich die frühere Beschränkung aus § 17 Abs. 5 LadSchlG, Arbeitnehmer während der Ladenschlusszeiten nicht mit dem Befüllen von Warenautomaten beschäftigen zu dürfen, war in diesem Zusammenhang in das neue Landesgesetz nicht übernommen worden. Dessen bedurfte es schon deshalb nicht, weil § 9 ArbZG bundesgesetzlich weiterhin auf der Grundlage von Art. 74 Nr. 12 GG generell die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen verbietet.
55Vgl. Stober (Hrsg.), Ladenschlussgesetz, 4. Aufl. 2000, § 17 Rn. 10 f.
56Keine Grundlage im Gesetz findet aber die Annahme, nur klassische oder einzelne Warenautomaten, die der Gesetzgeber „im Blick“ gehabt habe, könnten von der Einhaltung der allgemeinen Ladenschlusszeiten freigestellt sein.
57So aber Beyerlein/Lach, GewArch 2007, 461, 463; Hoffmann, GewArch 2024, 348, 350; VG Hamburg, Beschluss vom 3.11.2023 – 7 E 3608/23 –, juris, Rn. 23 f.; VG Osnabrück, Beschluss vom 14.1.2025 – 1 B 61/24 –, juris, Rn. 22 ff.
58Im Gegenteil waren Warenautomaten schon bei Schaffung des Ladenschlussgesetzes von der Parlamentsmehrheit ausdrücklich zunächst deswegen in das Gesetz einbezogen worden, weil man sich „sehr ernste Gedanken über die beginnende Automation auf allen Gebieten gemacht“ hat.
59Vgl. BT-Prot. 2/169, S. 9321, sowie BT-Prot. 2/170, S. 9366 f.
60Auch der bereits in Nr. 5 der Ausführungsverordnung zum Gesetz über den Verkauf von Waren aus Automaten vom 14.8.1934 (RGBl. I S. 814) aufgeführte Vorbehalt, die Zahl der aufzustellenden Automaten zu beschränken, war schon bei Erstellung des Regierungsentwurfs im Jahr 1954 als überholt angesehen, durch § 31 Abs. 2 Nr. 4 LadSchlG außer Kraft gesetzt und später nicht wieder aufgegriffen worden.
61Vgl. BR-Drs. 310/54, S. 18 der Begründung.
62Wenn der Gesetzgeber nach der späteren Herausnahme von Warenautomaten aus den Ladenschlussregelungen seit 1962 im Bund und schließlich auch im Land NRW die schon damals für die Parlamentsmehrheit relevanten Sorgen nicht wieder aufgegriffen sowie die Möglichkeit zur Begrenzung aufzustellender Automaten nicht wieder eingeführt hat, so kann daraus nicht abgeleitet werden, er habe mögliche Gefahren zunehmender Vollautomatisierung bzw. die Entwicklung moderner Warenautomaten nicht absehen können. Im Gegenteil waren sie bereits 1934 und 1954 „im Blick“ und umso mehr in der Zeit danach. Auch der technische Fortschritt und die Marktentwicklung im Bund und im Land Nordrhein-Westfalen haben seit 1962 für den Gesetzgeber kein praktisches Regelungsbedürfnis begründet, selbsttätige Verkaufseinrichtungen wieder den Regelungen über den Ladenschluss zu unterwerfen. Diese bewusste gesetzgeberische Entscheidung ist bei der Rechtsanwendung in Nordrhein-Westfalen zu respektieren.
63Eine Einbeziehung von Warenautomaten in den Geltungsbereich des Ladenöffnungsgesetzes NRW lässt sich schließlich nicht dem Befund entnehmen, dass die allgemeinen Ladenschlusszeiten nicht mehr einen arbeitsfreien Abend und ein im Wesentlichen zusammenhängendes Wochenende aus Samstagnachmittag und Sonntag gewährleisten, sondern sich im Wesentlichen nur noch auf Sonn- und Feiertage beschränken und deshalb der nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 139 WRV gebotene Sonn- und Feiertagsschutz die ursprüngliche arbeitsschutzrechtliche Zielrichtung des Ladenschlussrechts weitgehend abgelöst habe.
64Vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 3.11.2023 – 7 E 3608/23 –, juris, Rn. 20.
65Diese Sichtweise erscheint schon entstehungsgeschichtlich unvollständig, auch wenn das Recht des Ladenschlusses verfassungsrechtlich nunmehr nur noch zum Recht der Wirtschaft im Sinne von Art. 74 Nr. 11 GG gezählt wird. Bereits die erste reichsrechtliche Regelung des Ladenschlusses durch das sogenannte Arbeiterschutzgesetz vom 1.6.1891 (RGBl. S. 261) hatte eine ausschließlich arbeitsschutzrechtliche Zielrichtung, obwohl sie sich lediglich auf Sonn- und Feiertage bezog, an diesen die Arbeitszeit der Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter grundsätzlich auf höchstens fünf Stunden beschränkte (§§ 41a, 105b GewO a. F.) und weder arbeitsfreie Abende noch Samstagnachmittage gewährte.
66Vgl. dazu im Einzelnen den Überblick im Regierungsentwurf, BR-Drs. 310/54, S. 1 ff. der Begründung.
67Ungeachtet dessen statuiert der derzeit maßgebliche verfassungsrechtliche Schutzauftrag an den Gesetzgeber für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen unter anderem ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, hindert den Gesetzgeber aber nicht, im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auf eine geänderte soziale Wirklichkeit Rücksicht zu nehmen. Sofern weder ein Arbeitseinsatz von Arbeitnehmern erfolgt, noch die Wahrung des Charakters des grundsätzlich arbeitsfreien Sonn- und Feiertags oder Wettbewerbsgesichtspunkte die Einhaltung der allgemeinen Ladenöffnungszeit für Verkaufseinrichtungen gebieten, bestehen hiergegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
68Vgl. BVerfG, Urteil vom 1.12.2009 – 1 BvR 2857/07 –, BVerfGE 125, 39 = juris, Rn. 152 ff., 165.
69Die Herausnahme von Warenautomaten aus dem Gebot, die allgemeinen Ladenschlusszeiten einzuhalten, beruht – wie ausgeführt – letztlich gerade auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich freigestellt hat, ob er Warenautomaten – wie schließlich geschehen – aus dem schon damals auch dem Sonn- und Feiertagsschutz dienenden Ladenschlussrecht herausnehmen oder – möglicherweise auch mit Blick auf neuere Entwicklungen des Marktgeschehens – Anpassungen vornehmen will.
70Vgl. BVerfG, Urteil vom 21.2.1962 – 1 BvR 198/57 –, BVerfGE 14, 19 = juris, Rn. 15.
71Dem Gesetzgeber ist auch die Antwort auf die Frage vorbehalten, ob auf eine wachsende Bedeutung neuerer Erscheinungsformen selbsttätiger Verkaufseinrichtungen in Gestalt von Automatenkiosken oder automatisierten Läden ohne Arbeitnehmereinsatz an Sonn- und Feiertagen mit einer Korrektur der bisher unter Wettbewerbsgesichtspunkten seit Jahrzehnten unbedenklichen Herausnahme von Warenautomaten aus dem Geltungsbereich des Ladenschlussrechts zu reagieren ist.
72Gerade weil ein Verstoß gegen die Einhaltung des Ladenschlusses nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 LÖG NRW bußgeldbewehrt ist, folgt dies angesichts der Entstehungsgeschichte auch aus dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot. In seiner Funktion als Bestimmtheitsgebot enthält Art. 103 Abs. 2 GG, der auf Ordnungswidrigkeitentatbestände anwendbar ist, die Verpflichtung, wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit oder Straffreiheit im demokratisch-parlamentarischen Willensbildungsprozess zu klären und die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, dass der Gesetzgeber im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen und Rechtsvorschriften so genau fassen muss, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist, gelten danach für den grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts besonders strikt. Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG verlangt daher, den Wortlaut von Strafnormen so zu fassen, dass der Normadressat im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen kann, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht. Die Bestimmtheitsanforderungen an bußgeldbewehrte Vorschriften sind gegenüber allgemeinen Vorgaben an die Bestimmtheit von Vorschriften, die Grundrechtseingriffe regeln, gesteigert, erreichen aber regelmäßig nicht das Niveau für den besonders grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts. Auch bei Verwendung unbestimmter, konkretisierungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln muss gewährleistet sein, dass mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden und unter Berücksichtigung gefestigter Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der fraglichen Norm gewonnen werden kann.
73Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a. –, BVerfGE 159, 223 = juris, Rn. 154 ff.
74Nachdem Warenautomaten bewusst und gezielt aus dem Geltungsbereich des Ladenschlussgesetzes herausgenommen worden sind und sich daran auch durch die landesrechtliche Neuregelung nichts ändern sollte, kann eine einen Ordnungswidrigkeitentatbestand begründende erneute Einbeziehung selbsttätiger Verkaufseinrichtungen in die Verpflichtung zur Einhaltung des allgemeinen Ladenschlusses mit der rechtsstaatlich erforderlichen Bestimmtheit nur durch eine korrigierende ausdrückliche gesetzliche Regelung erfolgen.
752. Ausgehend davon spricht Überwiegendes dafür, dass die außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeit ohne Einschaltung von Verkaufspersonal betriebenen Warenautomaten des Antragstellers nicht nur deshalb unter das Ladenöffnungsgesetz NRW fallen, weil mehrere von ihnen in einem Geschäftsraum aufgestellt sind, der sich als „Automatenkiosk“ darstellt. Ungeachtet der technischen Fortentwicklung handelt es sich dabei um selbsttätige Verkaufseinrichtungen, für deren Betrieb an Sonn- und Feiertagen kein Verkaufspersonal eingesetzt wird. Konkret betreibt der Antragsteller in seinem Geschäftslokal 15 einzelne Automaten, die für jeden Kauf einer einzelnen Ware jeweils separat bedient werden müssen. Das Verschließen des Geschäftsraums an Sonn- und Feiertagen kann voraussichtlich ladenöffnungsrechtlich nicht gefordert werden, weil damit der Zugang zu selbsttätigen Verkaufseinrichtungen bzw. Warenautomaten verwehrt würde, gegen deren Benutzung an Sonn- und Feiertagen unabhängig von ihrem Standort in einem Geschäftsraum bei fehlendem Einsatz von Arbeitnehmern keine ladenöffnungs- und arbeitszeitrechtlichen Bedenken bestehen dürften.“
76Diesen Erwägungen schließt sich das erkennende Gericht vollumfänglich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten mit Schriftsätzen vom 9. Mai 2025 und 17. Juni 2025 an.
77Unter dem Gesichtspunkt des auch für Ordnungswidrigkeiten geltenden Bestimmtheitsgebots muss für Betreiber von Automatenkiosken bzw. „digitalen Kleinstsupermärkten“ ohne weiteres deutlich sein, welche Öffnungszeiten für sie gelten und welches Verhalten dementsprechend sanktioniert werden kann.
78Daher sind auch die von der Beklagten in den jüngsten Schriftsätzen aufgestellten Kriterien der Außenwahrnehmbarkeit, des Eindrucks auf Kunden und Passanten, des Umfangs des Warensortiments sowie die Eignung, eine werktägliche Betriebsamkeit hervorzurufen, zu vage und situationsbezogen, um die Abgrenzung eines vom Ladenöffnungsgesetz umfassten Automatenkiosks vom „freien“ Warenautomaten zu ermöglichen.
79Nach Auffassung der Kammer unterstreicht der von der Beklagten aufgeführte Verweis auf gesetzgeberische Tätigkeit anderer Landesgesetzgeber gerade, dass die zuvor bestehenden Regeln nicht ausreichend waren, die durch Automatenkioske aufgeworfenen Fragen zu lösen.
80Die Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 5 der Ordnungsverfügung folgt aus der Rechtswidrigkeit der Ziffer 1 der Ordnungsverfügung.
81Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
82Rechtsmittelbelehrung
83Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
84Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
85Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
86Beschluss
87Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
885.000,- Euro
89festgesetzt.
90Gründe
91Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
92Rechtsmittelbelehrung
93Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.