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Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Klägerin ist ein slowakisches Speditionsunternehmen. Zu ihrem Fuhrpark gehört unter anderem eine Sattelzugmaschine des Typs MAN TGX mit dem amtlichen Kennzeichen N01 mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 18 Tonnen. Mit diesem befahren Angestellte der Klägerin regelmäßig unter anderem mautpflichtige Strecken in Deutschland. Das Fahrzeug wurde nach den Herstellerangaben in die Schadstoffklasse Euro 5 eingeordnet. Für diese Schadstoffklasse wurde von der Klägerin seit dem 16.06.2015 auch die entsprechende Maut in Deutschland gezahlt.
3Am 22.02.2019 gegen 9:18 Uhr führte die Thüringer Polizei auf dem Tank- und Rastplatz Eichsfeld an der A38, km 43,5 in Richtung Leipzig, eine Fahrzeugkontrolle durch. In dem anschließend verfassten Einsatzbericht beschrieb sie, dass eine Manipulation am digitalen Fahrtenschreiber festgestellt worden sei. Das Fahrzeug sei zur weiteren Untersuchung zu der Fachwerkstatt „D.“ X. GmbH, F. 3 in 00000 H.-X., verbracht worden. Dort habe sich herausgestellt, dass der Vorratsbehälter für AdBlue leer gewesen sei, obwohl im Multifunktionsdisplay des Fahrerhauses die AdBlue Tankanzeige einen Füllstand von dreiviertel angezeigt habe. Zudem habe das Bordsystem eine nicht funktionierende SCR-Anlage (Selective Catalytic Reduction) aufgrund einer Störung in der Abgasreinigung ausgewiesen. Bei der anschließenden SCR-Diagnose sei unter Motorsteuerung die Langzeitfehlergruppe „Dosierung unterbrochen“ erschienen. Zudem sei das Symbol „Motorsteuerung“ (MIL = Malfunction Indicator Light) mit einem Aufkleber überklebt gewesen. Der anschließend ausgeführte OBD-Check (On-Board Diagnose) habe eine „elektrische Fehlfunktion“ als Fehler im AdBlue Dosiermodus ergeben. Im OBD-Fehlerspeicher seien die Fehlerangaben P2048, P2049, P2BA8 (Langzeitfehler) und der Hinweis, dass Langzeitfehler nicht gelöscht werden können, sodass der Fehlerspeichereintrag nach Fehlerbehebung 400 Tage bzw. 9600 Betriebsmotorstunden im System verbleiben, erschienen. Dem Einsatzbericht waren entsprechende Bildbelege beigefügt. Nach der Fehlerdokumentation bedeuten die ausgelesenen Fehler P2048, P2049 „Fehler im Dosiermodus, Monitoring-Strategie: Überwachung des Dosiermodus auf elektrische Fehler, Fehlerkriterium: Kurzschluss nach Masse oder +U bat oder Unterbrechung, OBD-Reaktion: MIL an, Fehlerspeichereintrag ja“. Der Fehler P2BA8 beschreibt eine „NOx Überschreitung – Unterbrechung der Reagensdosierung“.
4Mit Anhörungsschreiben vom 01.04.2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie den Erlass eines Nacherhebungsbescheids beabsichtige. Mangels anderer bekannter und nachgewiesener Umstände gehe sie davon aus, dass die Abgasanlage defekt und manipuliert gewesen sei. Daher entspreche die tatsächliche Schadstoffklasse nicht mehr den Herstellerangaben zur Schadstoffklasse. In Bezug auf die zu entrichtende Maut sei daher auf die Schadstoffklasse Euro 0 (Schadstoffklasse unbekannt) abzustellen. Mit der nachträglichen Festsetzung werde beabsichtigt, die Differenz zwischen der nach der Schadstoffklasse Euro 5 gezahlten Maut und der nach der Schadstoffklasse Euro 0 fälligen Maut geltend zu machen. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, den Zeitraum, in dem die Abgasanlage defekt war zu benennen und die Angaben durch entsprechende Nachweisen zu belegen.
5Die Klägerin gab dazu keine Stellungnahme ab.
6Mit Nacherhebungsbescheid vom 21.08.2019 setzte die Beklagte Mautgebühren in Höhe von 17.730,30 EUR gegenüber der Klägerin fest. Die Höhe der Gebühr ergebe sich aus den nachweislich in der Zeit vom 16.06.2015 bis zum 31.12.2018 mit dem in Rede stehenden Fahrzeug zurückgelegten mautpflichtigen Strecken von insgesamt 274.584,4 km und der Differenz zwischen der Schadstoffklasse Euro 5 und der Schadstoffklasse Euro 0 in Höhe von 0,062 EUR pro km sowie den in der Zeit vom 01.01.2019 bis zum 22.02.2019 zurückgelegten mautpflichtigen Strecken von insgesamt 11.207,6 km und der Differenz zwischen der Schadstoffklasse Euro 5 und der Schadstoffklasse Euro 0 in Höhe von 0,063 EUR pro km.
7Mit Schreiben vom 09.09.2019, der Beklagten zugegangen am 25.09.2019, legte der als Bevollmächtigter der Klägerin auftretende Herr P. J. vom TachoCenter in W. Widerspruch gegen den Nacherhebungsbescheid ein. Als Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Abgasanlage keine technischen Fehler gehabt habe. Dies ergebe sich aus den beigefügten Tankübersichten für die Jahre 2015 bis 2019. Zudem sei die Überprüfung der Abgasanlage fehlerhaft vorgenommen worden, da die Fehlerermittlung ohne Einsatz von Geräten erfolgt sei. Schließlich habe das Fahrzeug die jährlich durchgeführten Umweltschutzprüfungen bestanden, ohne dass die Abgasanlage einen Fehler angezeigt habe.
8Auf Anforderung der Beklagten schickte Herr J. mit Schreiben vom 15.10.2019 verschiedene AdBlue - Tankbelege in slowakischer Sprache. Daraus ging hervor, dass die Klägerin zu bestimmten Zeitpunkten AdBlue bei einem slowakischen Unternehmen getankt hatte. Eine Zuordnung, für welches Fahrzeug AdBlue getankt worden war, ging aus den Belegen allerdings nicht hervor. Einige der slowakischen AdBlue-Tankbelege waren zudem für Zeitpunkte ausgestellt worden, in denen sich das klägerische Fahrzeug in Deutschland aufgehalten hatte. Ferner legte Herr J. Abgasuntersuchungen für die Jahre 2015 bis 2018 in slowakischer Sprache vor. Diese enthielten keine eindeutigen Angaben über eine Überprüfung der OBD oder eine Fehlerüberprüfung. Auch legte die Klägerin keine Reparaturrechnungen vor, aus denen etwa hervorginge, dass die bei der Kontrolle ausgelesenen Langzeitfehler tatsächlich bereits behoben wären.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2020, der Klägerin zugestellt am 20.01.2020, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin habe die Maut aufgrund der defekten Abgasanlage nicht vollständig entrichtet. Die von der Klägerin vorgebrachten Nachweise könnten den festgestellten Defekt und die unterbliebene Betankung mit AdBlue nicht widerlegen. Mangels Nachweises über die Dauer des Defekts der Abgasanlage sowie die Schadstoffklasse bis zum Kontrollzeitpunkt habe eine Einordnung des Fahrzeugs in die Schadstoffklasse Euro 0 erfolgen und die Maut dementsprechend festgesetzt werden müssen.
10Die Klägerin hat am 31.01.2020 Klage erhoben.
11Sie trägt unter anderem vor, dass die Feststellung der Funktionsfähigkeit der AdBlue-Dosieranlage fehlerhaft erfolgt sei. Insbesondere seien etwaige Fehlercodes nicht in einer Werkstatt ausgelesen worden. Das Fahrzeug habe auch keine Fehlercodes angezeigt. Schließlich habe das Fahrzeug die jährlichen Umweltschutzprüfungen bestanden. Der Fahrer des Fahrzeugs habe jedenfalls unvorsätzlich gehandelt.
12Die Klägerin beantragt sinngemäß,
13den Bescheid der Beklagten vom 21.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2020 aufzuheben.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte trägt unter anderem vor, die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass ihr Fahrzeug der Schadstoffklasse Euro 5 oder einer anderen günstigeren Schadstoffklasse als der Klasse Euro 0 zuzuordnen sei. Außerdem habe sie nicht belegen können, dass die manipulierte AdBlue - Dosieranlage und die Abgasanlage in dem klägerischen Fahrzeug ordnungsgemäß funktionierten. Die vorgelegten Dokumente seien dazu nicht geeignet, da sie unter anderem keinen Nachweis über eine Überprüfung der OBD enthielten. Zwar enthalte die Abgasuntersuchung vom 04.03.2019 hinter dem Punkt „chybova pamar systemu OBD“, was übersetzt „Fehlerspeichersystem“ bedeute, den Eintrag „vyhovuje“, was übersetzt „konform“ bedeute. Dies würde jedoch nur besagen, dass das Speichersystem zum Zeitpunkt der Kontrolle ordnungsgemäß funktioniert habe. Daraus lasse sich hingegen nicht entnehmen, ob eine Auslesung des Fehlerspeichers stattgefunden habe. Zudem sei es möglich, dass der Fehlerspeicher zwischen dem 20.02.2019 und dem 04.03.2019 gelöscht worden sei.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Der Berichterstatter kann nach § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Einzelrichter und nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 84 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
20Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Nacherhebungsbescheid vom 21.08.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.01.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
21Rechtsgrundlage für die Erhebung der nachträglichen Maut ist § 8 Abs. 1 S. 1 BFStrMG in der bei Erlass des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung vom 26.11.2019 (im Folgenden: BFStrMG a. F.). Danach kann die Maut auch nachträglich durch Bescheid von jedem Mautschuldner der jeweiligen mautpflichtigen Straßenbenutzung erhoben werden. Eine solche nachträgliche Mautnacherhebung kommt nicht nur in Betracht, wenn die geschuldete Maut nicht geleistet worden ist. Die Nacherhebung erfolgt vielmehr auch, wenn die Maut teilweise, aber nicht unter Zugrundelegung des maßgeblichen Mautsatzes entrichtet wurde,
22vgl. VG Köln, Urteil vom 31.03.2015 – 14 K 4106/11 –, Rn. 15 ff., juris.
23Der auf dieser Grundlage ergangene Nacherhebungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist formell rechtmäßig. Insbesondere hat die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 01.04.2019 angehört, § 28 Abs. 1 VwVfG.
24Die Nacherhebung ist auch materiell rechtmäßig. Maut ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 BFStrMG a. F. für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen mit Fahrzeugen im Sinne des Satzes 2, vorbehaltlich der Ausnahmen in § 1 Abs. 2, Abs. 3 BFStrMG a. F., zu entrichten. Mautschuldner ist unter anderem nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BFStrMG a. F. die Person, die über den Gebrauch des Motorfahrzeugs bestimmt. Diese Voraussetzungen sind gegeben, weil die in Rede stehende Sattelzugmaschine MAN TGX mit dem amtlichen Kennzeichen N01 mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 18 Tonnen dem Grunde nach mautpflichtig ist, mit ihr im streitgegenständlichen Zeitraum mautpflichtige Straßen benutzt wurden und die Klägerin die über den Gebrauch des Fahrzeuges bestimmende Person ist.
25Die hiernach bestehende Mautpflicht wurde nicht in der geschuldeten Höhe erfüllt. Die daher erfolgte Nacherhebung ist berechtigt und der Höhe nach nicht zu beanstanden.
26Nach § 3 Abs. 1 BFStrMG a. F. bestimmt sich die geschuldete Maut nach der auf mautpflichtigen Straßen zurückgelegten Strecke und einem Mautsatz je Kilometer. Letzterer berechnet sich gemäß § 3 Abs. 3 BFStrMG a. F. nach Maßgabe der Anlage 1 a. F. bzw. für Alt-Sachverhalte nach § 14 BFStrMG a. F. nach Maßgabe der dort genannten Anlagen. Die Mautteilsätze für den Zeitraum vom 16.06.2015 bis zum 30.09.2015 ergeben sich aus § 14 Abs. 4 BFStrMG a. F. i. V. m. Anlage 5, für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 31.12.2018 aus § 14 Abs. 5 BFStrMG a. F. i. V. m. Anlage 6 und für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 22.02.2019 aus § 3 Abs. 3 BFStrMG a. F. i. V. m. Anlage 1 a. F. Der in den jeweiligen Anlagen geregelte Mautteilsatz für die Luftverschmutzungskosten ist unter anderem von der Emissionsklasse abhängig.
27Nach § 5 S. 1 a. F. BFStrMG hat der Mautschuldner auf Verlangen des Bundesamtes "für Güterverkehr" [seit 1. Januar 2023: Bundesamtes für Logistik und Mobilität] die ordnungsgemäße Entrichtung der Maut nachzuweisen. Zum Nachweis der ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut gehört auch der Nachweis der Voraussetzungen für die zu berücksichtigende Emissionsklasse durch den Mautpflichtigen, weil diese nach der Differenzierung in den genannten Anlagen die Höhe der Maut mitbestimmt. Der Nachweis der ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut ist daher nur dann erbracht, wenn auch der Nachweis erbracht wurde, dass die Voraussetzungen derjenigen Emissionsklasse vorliegen, die der bisherigen Mautentrichtung zugrunde liegen. Die Nachweispflicht bzgl. der zugrunde zu legenden Emissionsklasse trifft demnach den Mautschuldner,
28vgl. VG Köln, Beschluss vom 24.10.2022 – 14 L 1394/22 –, Rn. 24, juris.
29Die Nachweispflicht des Mautschuldners gilt anlassbezogen auch für die Vergangenheit, wobei dieser Zeitraum von der Festsetzungsfrist nach § 4 Abs. 2 S. 1 BFStrMG a. F. i. V. m. § 13 Abs. 3 BGebG begrenzt ist. Diese beträgt vier Jahre und beginnt mit dem Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Gebührenanspruch entstanden ist. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 BFStrMG a. F. hat der Mautschuldner die Maut spätestens bei Beginn der mautpflichtigen Benutzung oder im Fall einer Stundung zu dem festgesetzten Zeitpunkt zu entrichten.
30Der Nachweis der Emissionsklasse erfolgt gem. § 5 S. 2 BFStrMG a. F. i. V. m. § 8 Abs. 1, Abs. 2 Lkw-MautV in der Fassung vom 18.07.2018 (im Folgenden: Lkw-MautV a. F.) für im Ausland zugelassene Fahrzeuge entweder durch Vorlage des Kraftfahrzeugsteuerbescheids bzw. eines speziellen Nachweises über die Erfüllung bestimmter Umweltanforderungen in deutscher Sprache oder nach dem Zeitpunkt ihrer Zulassung, wenn keine geeigneten oder widersprüchliche Bescheinigungen vorgelegt werden. Fahrzeuge, die nach dem 30.09.2009 und vor dem 01.01.2014 zugelassen wurden, sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 Lkw-MautV a. F. in Schadstoffklasse S 5 (Euro 5) einzuordnen. Nach § 8 Abs. 3 S. 1 Lkw-MautV a. F. kann die Beklagte verlangen, dass der Mautschuldner auf eigene Kosten nachweist, dass das Fahrzeug tatsächlich der Emissionsklasse angehört, die ihm zugeschrieben wurde, wenn ein mautpflichtiges Fahrzeug bei einer Kontrolle durch besonders hohe Geräusch- oder überdurchschnittliche Abgasentwicklung auffällt oder erhebliche gegenteilige Anhaltspunkte zu der Vermutungsregelung nach Absatz 2 bestehen. Die erforderlichen Unterlagen sind nach § 8 Abs. 3 S. 3 Lkw-MautV a. F. in deutscher Sprache vorzulegen. Ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen Widersprüche hinsichtlich der Emissionsklasse, so entscheidet gem. §§ 8 Abs. 4, 7 Abs. 4 S. 1 Lkw-MautV a. F. die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen, ob die Emissionsklasse ordnungsgemäß nachgewiesen ist und bestimmt die für die Einstufung geltende Emissionsklasse sowie den Zeitraum, für den von dieser auszugehen ist. Dies gilt nach § 7 Abs. 4 S. 2 Lkw-MautV a. F. auch, wenn Tatsachen auf eine eingeschränkte oder fehlende Funktionsfähigkeit des Abgasreinigungs- oder Partikelminderungssystems schließen lassen. Gem. §§ 8 Abs. 4, 7 Abs. 5 S. 1 Lkw-MautV a. F. i. V. m. § 5 Satz 4 BFStrMG a. F. wird im Fall des nicht ordnungsgemäßen Nachweises der Emissionsklasse des Fahrzeuges der Mautteilsatz für die verursachten Luftverschmutzungskosten nach dem Höchstsatz berechnet,
31vgl. zum Ganzen VG Köln, Beschluss vom 14.03.2023 – 14 L 1343/22 –, Rn. 22, juris.
32Gemessen an diesen Grundsätzen ist der festgesetzte Nacherhebungsbetrag nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat den ihr obliegenden Nachweis für das Vorliegen einer für sie günstigeren Emissionsklasse (5) und damit für die ordnungsgemäße Errichtung der Maut nicht erbracht. Grundsätzlich ist die Sattelzugmaschine MAN TGX mit dem amtlichen Kennzeichen N01 mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 18 Tonnen bei funktionierender Abgasbehandlung der Emissionsklasse Euro 5 zuzuordnen. Die Verkehrskontrolle am 22.02.2019 ergab jedoch, dass das Abgasreinigungssystem nicht ordnungsgemäß funktionierte. Ausweislich des Einsatzberichts hat sich im Zuge der Überprüfung herausgestellt, dass der Behälter für den Zusatzstoff AdBlue leer gewesen ist, obwohl im Multifunktionsdisplay des Fahrerhauses die entsprechende Tankanzeige einen Füllstand von drei Vierteln des möglichen Volumens angezeigt hatte. Zudem hatte das Bordsystem eine nicht funktionierende SCR-Anlage aufgrund einer Störung in der Abgasreinigung ausgewiesen. Bei der anschließenden SCR-Diagnose war unter der Rubrik Motorsteuerung die Langzeitfehlergruppe „Dosierung unterbrochen“ erschienen. Zudem war das MIL-Symbol ausweislich einer zur Akte genommenen Fotografie mit einem Aufkleber überklebt gewesen. Der anschließend ausgeführte OBD-Check habe eine „elektrische Fehlfunktion“ als Fehler im AdBlue - Dosiermodus ergeben. Im OBD-Fehlerspeicher waren die Fehlerangaben P2048, P2049, P2BA8 (Langzeitfehler) und der Hinweis, dass Langzeitfehler nicht gelöscht werden können zu erkennen, sodass der Fehlerspeichereintrag nach Fehlerbehebung 400 Tage bzw. 9600 Betriebsmotorstunden im System verbleiben, erschienen.
33Die Klägerin kann dem nicht entgegenhalten, dass den Mitarbeitern der Beklagten bzw. den tätig gewordenen Polizeibeamten die hinreichende Sachkunde für die Feststellung der maßgebenden Tatsachen fehlten. Nach Entdeckung der Anhaltspunkte für eine Manipulation wurde das Fahrzeug umgehend der Fachwerkstatt „D.“ X. GmbH, F. 3 in 00000 H.-X. vorgeführt, wo die weiteren Fakten ausgelesen wurden und das Fahrzeug geprüft worden ist.
34Die Beklagte durfte ausgehend von diesen Tatsachen die ungünstigste Emissionsklasse für den Zeitraum ab dem 16.06.2015 zugrunde legen. Die Klägerin hat für diesen Zeitraum nicht den ihr obliegenden Nachweis erbringen können, dass die Abgasbehandlung ordnungsgemäß – also entsprechend den regulären technischen Gegebenheiten - funktionierte.
35Dass die Vorschriften der LKW-MautV, die Einzelheiten zum Nachweis der Emissionsklasse regeln, erst zum 18.07.2018 in Kraft getreten sind und der Nacherhebungszeitraum bereits Fahrten ab dem 16.06.2015 erfasst, ändert nichts an diesem Befund. Die Pflicht zum Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung und damit auch zum Nachweis der geltenden Emissionsklasse bestand bereits zu diesem Zeitpunkt, § 5 S. 1 BFStrMG in der Fassung vom 13.12.2014, Art. 2 Nr. 1 Gesetz vom 05.12.2014, BGBl. I S. 1980.
36Das bei der Kontrolluntersuchung festgestellte Auseinanderfallen der AdBlue-Tankfüllanzeige und des tatsächlichen Tankfüllstands sowie die angezeigten Fehler im AdBlue - Dosiermodus und die NOx - Überschreitung wegen einer Unterbrechung der Dosierung haben nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Beklagten zur Folge, dass ein Fehler im Abgassystem vorlag und die tatsächliche Emissionsklasse daher nicht mehr ermittelt werden konnte. AdBlue ist eine Harnstofflösung, die schädliches Stickoxid fast vollständig in unschädlichen Stickstoff und Wasserstoff umwandelt. Bei größeren Fahrzeugen wird die Lösung von einem separaten Tank aus direkt vor dem SCR-Katalysator in den Abgasstrang gespritzt. Dadurch können auch größere Fahrzeuge in schadstoffärmere Emissionsklassen eingeordnet werden. Ist die AdBlue - Zufuhr in den Abgasstrang jedoch nicht gewährleistet, kann die sichere Einhaltung der maximal zulässigen Emissionswerte einer bestimmten Schadstoffklasse (hier Euro 5) nicht mehr garantiert werden. Die klägerseitig vorgelegten Tankbelege für AdBlue sowie die Umweltuntersuchungen sind allein nicht geeignet, das Funktionieren der Abgasbehandlung nachzuweisen. Die Tankbelege können dem hier fraglichen klägerischen Fahrzeug mangels Angabe des Kfz-Kennzeichens auf den Tankbelegen nicht zugeordnet werden. Die Klägerin hat keinerlei Angaben dazu gemacht, wie viele und welche Fahrzeuge sie betreibt, wie viel AdBlue diese oder das streitbefangene Fahrzeug verbrauchen bzw. wie aus dem allgemeinen AdBlue - Ankauf des Unternehmens auf den Verbrauch im streitgegenständlichen Fahrzeug bei jeder einzelnen Fahrt geschlossen werden könnte. Zudem hat die Beklagte aufgezeigt, dass einige der Tankbelege schon deshalb nicht zu dem in Rede stehenden Fahrzeug gehören können, da sich dieses zum Zeitpunkt des Tankens in Deutschland aufhielt, die Belege aber aus der Slowakei stammen. Darüber hinaus hat die Beklagte zutreffend angenommen, dass die Belege für die Abgasuntersuchungen für die Jahre 2015 bis 2019 keinen Nachweis für eine ordnungsgemäß funktionierende Abgasanlage darstellen, da aus diesen nicht hervorgehe, dass eine Überprüfung der OBD bzw. eine Fehlerauslesung stattgefunden hat. Zwar enthält die Abgasuntersuchung vom 04.03.2019 hinter dem Punkt „chybova pamar systemu OBD“, was übersetzt „Fehlerspeichersystem“ bedeutet, den Eintrag „vyhovuje“, was übersetzt „konform“ bedeutet. Dies bedeutet nach Recherchen der Beklagten jedoch nur, dass das Speichersystem zum Zeitpunkt der Kontrolle ordnungsgemäß funktioniert hat. Daraus lässt sich hingegen nicht entnehmen, ob eine Auslesung des Fehlerspeichers stattgefunden hat. Zudem ist es möglich, dass der Fehlerspeicher zwischen dem 20.02.2019 und dem 04.03.2019 gelöscht worden ist. Dieser Einschätzung ist die Klägerin schon nicht substantiiert entgegengetreten. Sie hat keine geeigneten Unterlagen vorgelegt, die nachweisen können, dass bei den durchgeführten Umweltuntersuchungen eine Überprüfung der OBD bzw. eine Fehlerauslesung stattgefunden hat. Auch konnte sie nicht belegen, dass etwa eine Reparatur der Abgasanlage stattgefunden hatte und der Fehler nur aufgrund der langen Systemspeicherzeit noch im System hinterlegt war.
37Fehler bei der konkreten Ermittlung des Differenzbetrages zwischen den Schadstoffklassen 5 und 0 sowie hinsichtlich der im streitigen Zeitraum zurückgelegten Strecken hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Es sind auch keine Fehler ersichtlich.
38Für den Zeitraum vom 16.06.2015 bis zum 30.09.2015 ergibt sich der Differenzbetrag aus § 14 Abs. 4 BFStrMG a. F. i. V. m. Anlage 5. Für diesen Zeitraum betrug die Differenz bzgl. der Schadstoffklassen B und F nach Ziffer 2. Buchst. a) Doppelbuchst. bb) und ff) der Anlage 5 zum BFStrMG 0,062 Euro/km. Für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 31.12.2018 folgt der Differenzbetrag aus § 14 Abs. 5 BFStrMG a. F. i. V. m. Anlage 6. Auch nach deren Ziffer 2. Buchst. a) Doppelbuchst. bb) und ff) betrug die Differenz bzgl. der Schadstoffklassen B und F 0,062 Euro/km. Schließlich folgt der Differenzbetrag für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 22.02.2019 aus § 3 Abs. 3 BFStrMG a. F. i. V. m. Anlage 1 a. F. Danach betrug die Differenz bzgl. der Schadstoffklassen B und F nach Ziffer 2. Buchst. a) Doppelbuchst. bb) und ff) der 0,063 Euro/km.
39Die registrierten gefahrenen Kilometer hat die Beklagte im Einzelnen aufgelistet. Als zurückgelegte Wegstrecke wurden für den Zeitraum 16.06.2015 bis zum 31.12.2018 274.584,4 km und für den Zeitraum 01.01.2019 bis zum 22.02.2019 insgesamt 11.207,6 km zugrunde gelegt. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Daraus ergeben sich für den Zeitraum vom 16.06.2015 bis zum 31.12.2018 nicht entrichtete Mautkosten in Höhe von 17.024,23 EUR. Für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 22.02.2019 betragen die nicht entrichteten Mautkosten 706,07 EUR.
40Schließlich hat die Beklagte auch die Festsetzungsfrist des § 4 Abs. 2 S. 1 BFStrMG a. F. i. V. m. § 13 Abs. 3 BGebG nicht überschritten. Der Gebührenanspruch entstand frühestens am 16.06.2015. Die Festsetzungsfrist begann demnach frühestens mit Ablauf des Jahres 2015 und endete frühestens mit dem Ablauf des Jahres 2019. Die Beklage hat die Gebühr bereits mit Bescheid vom 21.08.2019 festgesetzt.
41Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
42Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.
43Rechtsmittelbelehrung
44Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Gerichtsbescheides kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen.
45Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Gerichtsbescheides sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
46Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
47Wahlweise kann innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Gerichtsbescheides bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden; hierfür besteht kein Vertretungszwang.
48Beschluss
49Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
5017.730,30 Euro
51festgesetzt.
52Gründe
53Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht der Bedeutung der Sache.
54Rechtsmittelbelehrung
55Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.