Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Beschluss des Gerichts vom 24. Mai 2024 – 13 L 882/24.A – wird in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 7 VwGO insoweit abgeändert, als der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens 13 K 2656/24.A eine Abschiebung des Antragstellers nicht erfolgen darf.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
2I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung ist abzulehnen.
3Prozesskostenhilfe wird gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem nur dann bewilligt, wenn eine Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufzubringen vermag. Die diesbezüglichen tatsächlichen Angaben sind glaubhaft zu machen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Hieran fehlt es vorliegend.
4Zur Glaubhaftmachung seiner Mittellosigkeit muss ein Antragsteller im Prozesskostenhilfeverfahren gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO seinem Antrag eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beifügen. Der notwendige Inhalt ergibt sich dabei insbesondere auch aus dem nach § 117 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit der Prozesskostenhilfeformularverordnung eingeführten Formular, dessen sich der Antragsteller gemäß § 117 Abs. 4 ZPO bedienen muss. Entsprechende Unterlagen sind indes nicht vorgelegt worden. Bei einem anwaltlich vertretenen Antragsteller muss seitens des Gerichts nicht auf das verfahrensrechtliche Erfordernis des § 117 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO hingewiesen werden.
5Vgl. Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 17. Januar 2001 – XI B 76‑78/00 u.a. –, sowie Beschlüsse vom 1. Dezember 2010 – IV S 10/10 (PKH) ‑, und vom 2. November 1999 – X B 51/99 –; Oberverwaltungsgericht für das Land-Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 20. August 2014 – 18 E 953/13 –, vom 5. Oktober 2006 – 18 E 760/06 –, und vom 10. August 2016 – 18 E 272/16 –, jeweils juris.
6II. Das Gericht versteht den wörtlich gestellten Antrag des Antragstellers,
7nunmehr die aufschiebende Wirkung der erhobenen Hauptsacheklage gem. § 80 Abs. 7 VwGO anzuordnen,
8im Lichte von § 122 Abs. 1, § 88 VwGO, dass er eine Abänderung des im Tenor genannten Beschlusses dahingehend begehrt, dass seinem sinngemäßen Antrag aus dem Verfahren 13 L 882/24.A, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens 13 K 2656/24.A eine Abschiebung des Antragstellers nicht erfolgen dürfe, nunmehr stattgegeben werde.
9Der dementsprechend ausgelegte Antrag hat Erfolg.
10Stellt ein Antragsteller nach einer gerichtlichen Entscheidung, die seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO ablehnt, einen weiteren Antrag, so handelt es sich nach überwiegender Auffassung um einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO analog auf Abänderung der ursprünglichen Entscheidung. Trotz fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ist auch im System der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO angesichts der dringenden praktischen Notwendigkeit hierfür ein Abänderungsverfahren statthaft. Voraussetzung ist allerdings, dass der Antragsteller sich auf geänderte Umstände berufen kann.
11Vgl. Verwaltungsgericht (VG) Köln, Beschluss vom 5. Juni 2023 – 25 L 989/23.A –, juris Rn. 11 ff. m.w.N.; siehe auch VG Köln, Beschluss vom 5. Oktober 2023 – 13 L 1907/23 –, juris Rn. 28 ff.
12Das ist hier der Fall. Die vom Antragsteller vorgetragene Geburt von Zwillingen am 00. 00. 2024, deren Vater er ausweislich der Geburtsurkunden vom 18. September 2024 ist, gibt (im Übrigen auch von Amts wegen) Anlass, den Beschluss vom 24. Mai 2024 – 13 L 882/24.A – abzuändern. Insoweit hat der Antragsteller auch einen diesbezüglichen Anordnungsanspruch sowie einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
131. Zunächst hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn ihm kommt jedenfalls ein Anspruch auf ein isoliertes Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ermessenswege gemäß § 51 Abs. 5 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) hinsichtlich der im Bescheid vom 24. Oktober 2017 enthaltenen Abschiebungsandrohung zu.
14Den hierfür erforderlichen Antrag im Verwaltungsverfahren hat der Antragsteller konkludent mit seinem Asylfolgeantrag vom 14. Dezember 2023 gestellt (hierzu unter a)). Die Vorschriften zum isolierten Wiederaufgreifen eines Verfahren nach den §§ 51, 48, 49 VwVfG sind auf die Abschiebungsandrohung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot anwendbar und die Antragsgegnerin ist passivlegitimiert (hierzu unter b)). Jedenfalls besitzt der Antragsteller einen hieraus folgenden Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ermessenswege nach § 51 Abs. 5 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 VwVfG (hierzu unter c)).
15a) Einen Antrag auf ein isoliertes Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich der Abschiebungsandrohung, über den die Antragsgegnerin insbesondere mit dem Bescheid vom 2. Mai 2024 noch nicht entschieden hat, hat der Antragsteller im Verwaltungsverfahren konkludent durch seinen Asylfolgeantrag vom 14. Dezember 2023 gestellt. Zwar hat der zu diesem Zeitpunkt nicht anwaltlich vertretene Antragsteller mit dem Asylfolgeantrag nicht ausdrücklich einen zusätzlichen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG bzw. nach § 51 Abs. 5, § 48, § 49 VwVfG bezüglich der Abschiebungsandrohung gestellt. Dennoch ist der Asylfolgeantrag entsprechend auszulegen.
16Vgl. zum Nachfolgenden insgesamt: VG Hamburg, Urteil vom 12. März 2024 – 2 A 3543/22 –, juris Rn. 20 ff.
17Eine Auslegung des Erklärten ist auf das Ziel gerichtet, den Willen des Erklärenden zu ermitteln. Dabei kommt es nicht auf den inneren, sondern auf den erklärten Willen an. Die Auslegung darf nicht am Wortlaut der Erklärung haften. Der maßgebliche objektive Erklärungswert bestimmt sich danach, wie der Empfänger der Erklärung nach den Umständen, insbesondere nach der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen muss.
18Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. August 2008 – 6 C 32.07 –, juris Rn. 23.
19Betrifft eine Erklärung ein bereits durch Verwaltungsakt abgeschlossenes Verfahren und kommt eine Umdeutung in einen Rechtsbehelf nicht in Betracht, muss eine Behörde gemäß § 24 Abs. 3, § 25 Abs. 1 VwVfG auch prüfen, ob das Begehren auf Rücknahme bzw. Widerruf des Verwaltungsakts oder Wiederaufgreifen des Verfahrens gerichtet ist bzw. eine entsprechende Antragstellung anregen.
20Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 23. Auflage 2022, § 24 Rn. 59.
21Der Antragsteller hat in der Begründung seines Asylfolgeantrags ausdrücklich ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis dargelegt, nämlich die Beziehung zu seiner in der Bundesrepublik lebenden Ehefrau. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seiner Entscheidung vom 15. Februar 2023 – C‑484/22 – betont, dass nach Art. 5 lit.) a und lit. b) der Rückführungsrichtlinie des Europäischen Parlaments (Richtlinie 2008/115/EG) familiäre Belange sowie das Wohl des Kindes bei Erlass einer Rückkehrentscheidung zu berücksichtigen sind bzw. auch zuvor zu berücksichtigen waren. Ob die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung diese Rechtsprechung kannte, ist unerheblich, da es auf ihr Verschulden bei der Auslegung des gestellten Antrags nicht ankommt. Bei hypothetischer unionsrechtskonformer und interessengerechter Auslegung des Asylfolgeantrags hätte die Antragsgegnerin in Erwägung ziehen müssen, dass auch die Abschiebungsandrohung aus dem abgeschlossenen Asylverfahren angegriffen werden soll. Für den Antragsteller war die dogmatische Frage unerheblich, ob die Antragsgegnerin die Beziehung zu seiner Ehefrau – und nunmehr im hiesigen Verfahrensverlauf: auch zu seinen Kindern – in einem Asylfolgeverfahren oder in einem sonstigen Wiederaufgreifensverfahren berücksichtigt, solange das Bundesamt diesen Aspekt einbezieht und ihn vor der Abschiebung schützt. Dementsprechend kann das Begehren des abgelehnten Asylbewerbers interessengerecht nur so verstanden werden, dass er im Zweifel die Überprüfung sämtlicher Bestandteile des ablehnenden, bestandskräftigen Asylerstbescheides begehrte und dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Vortrag im Hinblick auf die relevante Regelung im Asylerstbescheid zu würdigen hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Asylfolgeverfahren (im engeren Sinne) angesichts des neuen Vortrags wenig erfolgversprechend war. Denn das Asylfolgeverfahren nach § 71 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) erfasst nach unionsrechtskonformer Auslegung unter Beachtung der Art. 2 lit. q), Art. 33 Abs. 2 lit. d) und Art. 40 der Asylverfahrensrichtlinie (2013/32/EU) nur Änderungen der Sach- und Rechtslage bezüglich des Schutzstatus des Asylantragstellers.
22Relevant ist ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis stattdessen im Rahmen der Abschiebungsandrohung. Die Überprüfung der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung kann zum einen im Rahmen des § 71 Abs. 4 und Abs. 5 AsylG erfolgen, wenn über den Erlass einer neuen Abschiebungsandrohung entschieden wird. In diesem Rahmen wäre auch die Aufhebung der zuvor erlassenen Abschiebungsandrohung von Amts wegen denkbar. Darüber hinaus kann ein isolierter Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bzw. auf Widerruf einer bestandkräftigen Abschiebungsandrohung wegen eines inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung des EuGH erfolgversprechend sein.
23Vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 7. Februar 2024 – A 14 K 3041/21 –, juris Rn. 33; VG München, Beschluss vom 24. August 2023 – M 13 ES 21.32795 –, juris Rn. 44.
24Vor diesem Hintergrund ist ein Asylfolgeantrag, in dem familiäre Bindungen im Bundesgebiet dargelegt werden, interessengerecht auch als ein solcher Antrag auszulegen.
25b) Die Vorschriften zum isolierten Wiederaufgreifen eines Verfahren nach den §§ 51, 48 und 49 VwVfG sind dabei auf die Abschiebungsandrohung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot anwendbar und die Antragsgegnerin ist passivlegitimiert. Hierzu hat das Verwaltungsgericht Hamburg in seinem Urteil vom 12. März 2024 – 2 A 3543/22 – ausgeführt:
26„Da die Abschiebungsandrohung bereits zuvor nach nationalem Recht als anfechtbarer Verwaltungsakt und nicht als reine Vollstreckungsmaßnahme angesehen wurde (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 1.11.2006, 3 Bs 126/05, juris Rn. 17) und dies erst recht gilt, wenn sie nach unionsrechtlichem Verständnis als Rückkehrentscheidung eine materielle Prüfung inlandsbezogener Abschiebungshindernisse beinhaltet, sind die Vorschriften der §§ 51, 48, 49 VwVfG zum Wiederaufgreifen des Verfahrens und zur Aufhebung von Verwaltungsakten unmittelbar auf die Abschiebungsandrohung und ohnehin auf das Einreise- und Aufenthaltsverbot anwendbar.
27Es ist auch nicht systemwidrig bzw. durch die Spezialität der Regelungen zum Asylfolgeantrags gemäß § 71 AsylG ausgeschlossen, ein isoliertes Wiederaufgreifensverfahren unabhängig von einem Asylfolgeverfahren nach § 71 AsylG durchzuführen. Dies ist z.B. dann üblich und anerkannt, wenn mit einem sogenannten „Folgeschutzantrag“ lediglich eine Änderung der Sach- und Rechtslage in Bezug auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse geltend gemacht wird (vgl. Camerer, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, 17. Edition, Stand: 15.10.2023, § 71 AsylG Rn. 48 f.; BVerwG, Urt. v. 22.10.2009, 1 C 26/08, NVwZ 2010, 652 Rn. 19; Urt. v. 20.10.2004, 1 C 15/03, juris). Dasselbe kommt dogmatisch und denklogisch in Bezug auf weitere Regelungen eines bestandskräftig gewordenen Asylerstbescheides in Betracht, die in einem Asylfolgeverfahren nicht überprüft werden.
28Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, die nachträgliche Aufhebung einer Abschiebungsandrohung und des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sei auch bei geänderter Sachlage, d.h. nach der Geburt deutscher Kinder nicht möglich, wenn im Asylfolgebescheid keine neue Abschiebungsandrohung getroffen wurde (ebenso VG Magdeburg, Beschl. v. 27.7.2023, 3 B 150/23 MD, juris Rn. 3). Zum einen kann ein isolierter Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens bzw. auf Widerruf der Abschiebungsandrohung auch unabhängig von einem Asylfolgeantrag gestellt werden (vgl. VG Sigmaringen, a.a.O.), so dass nur die bestandskräftige Abschiebungsandrohung und das Einreise- und Aufenthaltsverbot zum Streitgegenstand werden. So ist es hier nach der Klageänderung geschehen. Auf diesen Streitgegenstand wirken sich asylverfahrensrechtliche Vorgaben zum Erlass einer Abschiebungsandrohung bei einem Folgeantrag nicht aus. Zum anderen wäre, sofern der Asylfolgebescheid Streitgegenstand wäre, zu überprüfen, ob das Bundesamt im Asylfolgebescheid in rechtmäßiger Weise vom Erlass einer neuen Abschiebungsandrohung abgesehen und die frühere Abschiebungsandrohung aufrechterhalten hat. Dies wäre bei neuem Vorbringen zu inlandsbezogenen Vollstreckungshindernissen mehr als fraglich. Denn die Vorschrift des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG erlaubt durch die Formulierung „bedarf es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung“ nach dem Verständnis des Gerichts der Beklagten lediglich, im Asylfolgeverfahren von einer neuen Abschiebungsandrohung abzusehen, die nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG bei der Nichtfeststellung von Abschiebungshindernissen möglich wäre. Die Vorschrift des § 34 AsylG wird jedoch ausdrücklich auch für erfolglose Folgeanträge gemäß § 71 Abs. 4 AsylG für anwendbar erklärt. Hierfür bestünde bei einem zwingenden Ausschluss der Abschiebungsandrohung bei Nichtdurchführung eines Asylfolgeverfahrens keine Veranlassung. Vor diesem Hintergrund zwingt § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG die Beklagte nicht dazu, von einer neuen Abschiebungsandrohung abzusehen und die bisherige aufrechtzuerhalten, sondern stellt diese Entscheidung in das Ermessen des Bundesamtes (ebenso Dickten, BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 40. Edition Stand: 1.10.2023, § 71 Rn. 30). Insbesondere verbietet diese Vorschrift nicht die unionsrechtlich gebotene erneute Überprüfung einer erlassenen Abschiebungsandrohung bei entsprechendem Vortrag. Eine Ermessensentscheidung im Rahmen des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG, die dem Folgeantragsteller trotz entsprechenden Vortrags die Möglichkeit der Überprüfung der erlassenen Abschiebungsandrohung nimmt, wäre rechtswidrig, weil sie die unionsrechtlichen Anforderungen an die Rückkehrentscheidung konterkarierte bzw. umginge. Denn die Beklagte kann sich bei einem Antrag, in welchem auf neue inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse hingewiesen wird, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der das Gericht folgt, nicht dadurch der Überprüfung der Abschiebungsandrohung entziehen, indem sie gemäß § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG im Asylfolgebescheid dazu entscheidet, keine neue Abschiebungsandrohung zu erlassen und die Berücksichtigung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse weiterhin der Ausländerbehörde zu überlassen. Ihre Auffassung, sie sei nach nationalem Recht berechtigt, im Asylfolgeverfahren keine neue Abschiebungsandrohung zu erlassen und auch nicht gehalten, auf entsprechendes Vorbringen die zuvor erlassene Abschiebungsandrohung zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben, perpetuiert die für rechtswidrig erklärte Rechtslage zu Lasten des Klägers und unterläuft in rechtswidriger Weise unionsrechtlichen Vorgaben (ebenso im Ergebnis VG Düsseldorf, Beschl. v. 9.2.2024, 24 L 122/24.A, juris Rn. 14). Denn der Automatismus, dass die von der Beklagten erlassene Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG ohne materielle Prüfung des Art. 5 der Rückführungsrichtlinie regelmäßig der Ablehnung eines Asyl- oder Asylfolgeantrags folgt, wobei inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse (lediglich) von der Ausländerbehörde auf der Vollzugsebene berücksichtigt wurden, wurde vom Europäischen Gerichtshof, der diese als Rückkehrentscheidung ansieht (ebenso BVerwG, Urt. v. 16.2.2022, 1 C 6.21, juris, Rn. 41, 45 und 56 m. w. N.) ausdrücklich als rechtswidrig bewertet (ebenso OVG Weimar, Beschl. v. 7.6.2023, 4 EO 626/22, juris Rn. 13). Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Beschluss vom 15. Februar 2023 (C-484/22, juris Rn. 25-27) ausgeführt:
29„Art. 5 der Richtlinie 2008/115 verwehrt es somit einem Mitgliedstaat, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, ohne die relevanten Aspekte des Familienlebens des betreffenden Drittstaatsangehörigen zu berücksichtigen, die er geltend macht, um den Erlass einer solchen Entscheidung zu verhindern (Urteil vom 8. Mai 2018, K. A. u. a. [Familienzusammenführung in Belgien], C‑82/16, EU:C:2018:308, Rn. 104).
30Konkret muss der betreffende Mitgliedstaat vor dem Erlass einer Rückkehrentscheidung gegenüber einem Minderjährigen eine umfassende und eingehende Beurteilung der Situation des Minderjährigen vornehmen und dabei das Wohl des Kindes gebührend berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Rückkehr eines unbegleiteten Minderjährigen], C-441/19, EU:C:2021:9, Rn. 60).
31Folglich steht Art. 5 Buchst. a und b der Richtlinie 2008/115 einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der die Verpflichtung, beim Erlass einer Abschiebungsandrohung das Wohl des Kindes und dessen familiären Bindungen zu berücksichtigen, als erfüllt gilt, solange die Abschiebung nicht vollzogen wird.“
32Durch eine Verpflichtung, bestandskräftige Abschiebungsandrohungen beim Vortrag neuer inlandsbezogener Abschiebungshindernisse zu überprüfen, würde die Beklagte auch nicht überfordert werden. Auch nach der oben zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Februar 2023 bedarf nicht jede getroffene Rückkehrentscheidung einer Überprüfung; die jeweiligen Adressaten haben ihre relevanten Belange geltend zu machen. In einem solchen Fall – wie hier - hält das Gericht es im Wege der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung für geboten, einem ausreisepflichtigen Drittstaatler, zu dessen Lasten bereits eine bestandskräftige Abschiebungsandrohung der Beklagten auf Grundlage des § 34 AsylG ergangen ist, die Möglichkeit zu eröffnen, nachträglich Belange im Sinne des Art. 5 der Rückführungsrichtlinie geltend machen zu können (ebenso OVG Weimar, Beschl. v. 7.6.2023, 4 EO 626/22, juris Rn. 20).
33Das Gericht stellt sich somit ausdrücklich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts München im Beschluss vom 24. August 2023 (M 13 ES 21.32795, beck-online Rn. 69), wonach auch bei einer Veränderung der Sach- und Rechtslage und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Korrektur der getroffenen, bestandskräftigen Abschiebungsandrohungen aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nicht in Betracht kommen soll und in diesen Fällen die familiären Belange weiterhin durch eine ausländerrechtliche Duldung berücksichtigt werden sollen. Diese Rechtsauffassung widerspricht ausdrücklich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und es kann der oben zitierten Entscheidung nicht entnommen werden, dass die beschriebenen Anforderungen an die Rückkehrentscheidung nach Art. 5 der Rückführungsrichtlinie nur in Asylerstverfahren gelten sollen, nicht aber bei Wiederaufnahmeanträgen. Denn das Bundesamt ist auch nach dem Erlass der Rückkehrentscheidung bis zum Stadium der Abschiebung verpflichtet, die Rechtmäßigkeit seiner Abschiebungsandrohung auch nach deren Bestandskraft weiterhin zu überprüfen (VG Sigmaringen, Urt. v. 7.2.2024, A 14 K 3041/21, juris Rn. 34 unter Bezugnahme auf EuGH, Urt. v. 14.1.2021, C-441/19, juris Rn. 49 ff., 54).
34Die Beklagte ist auch für die Entscheidung über das Wiederaufgreifen und die Rücknahme der Abschiebungsandrohung und des Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig, d.h. passivlegitimiert. Denn sie hat im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nach §§ 34, 75 Nr. 12 AufenthG die Entscheidungen getroffen; die Aufhebung derselben stellt jeweils einen „actus contrarius“ dar, der an die Zuständigkeit für den Erlass einer Maßnahme anknüpft. Der Kläger wendet sich nicht gegen die Abschiebung selbst, welche von der zuständigen Ausländerbehörde vollzogen werden würde.“
35Vgl. VG Hamburg, Urteil vom 12. März 2024 – 2 A 3543/22 –, juris Rn. 26 ff.
36Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich der Einzelrichter vollumfänglich an.
37d) Dahinstehen kann zumindest im vorliegenden Eilverfahren, ob der Antragsteller bezüglich der Abschiebungsandrohung einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG besitzt. Denn der Antragsteller kann jedenfalls die Aufhebung der Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 24. Oktober 2017 nach § 51 Abs. 5 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 VwVfG beanspruchen.
38Gemäß § 49 Abs. 1 VwVfG, der nach § 51 Abs. 5 VwVfG unberührt bleibt, kann ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Grundsätzlich kommt es dabei für die Frage, ob der Verwaltungsakt in diesem Sinne rechtmäßig ist, auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an.
39Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Auflage 2023, § 48 VwVfG Rn. 49.
40Angesichts des Umstands, dass § 49 Abs. 1 VwVfG auch dann Anwendung finden kann, wenn der aufzuhebende Verwaltungsakt von Anfang an rechtswidrig war,
41vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Auflage 2023, § 49 VwVfG Rn. 6,
42und des Umstands, dass es sich bei der Abschiebungsandrohung nicht um einen sog. Dauerverwaltungsakt handelt,
43vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 1. November 2006 – 3 Bs 126/05 –, juris Rn. 7; VG Hamburg, Urteil vom 12. März 2024 – 2 A 3543/22 –, juris Rn. 36,
44kann allerdings offen bleiben, ob allein § 48 VwVfG auf die – wie hier vorliegende – Situation Anwendung findet, dass ein zum Erlasszeitpunkt rechtmäßiger Verwaltungsakt erst rechtswidrig geworden ist.
45Das Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 in Verbindung mit § 48 Abs. 1, § 49 Abs. 1 VwVfG steht im Ermessen der Behörde. Dies zeigt, dass auch die Rechtswidrigkeit des belastenden Verwaltungsakts allein nicht zu einem Anspruch auf Rücknahme führt. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips den generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Das Gebot der materiellen Gerechtigkeit begründet jedoch ausnahmsweise den Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen belastenden Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung „schlechthin unerträglich“ ist.
46Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 2023 – 2 C 11.22 –, juris Rn. 52 m.w.N.; VG Hamburg, Urteil vom 12. März 2024 – 2 A 3543/22 –, juris Rn. 37.
47Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann „schlechthin unerträglich“, wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich.
48Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2022 – 1 B 63.22 –, juris Rn. 14 m.w.N.; VG Hamburg, Urteil vom 12. März 2024 – 2 A 3543/22 –, juris Rn. 37.
49Im vorliegenden Fall ist die Abschiebungsandrohung unter Berücksichtigung unionsrechtlicher Vorgaben offensichtlich rechtswidrig. Denn sie verstößt einerseits gegen § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG, andererseits gegen Art. 5 lit. a) und lit. b) der Rückführungsrichtlinie (2008/115/EG). Diese Vorschriften verlangen, das Wohl des Kindes und seine familiären Bindungen bereits im Rahmen einer Rückkehrentscheidung zu schützen. Hierbei ist unerheblich, ob sich die Rückkehrentscheidung gegen das Kind selbst oder gegen ein Elternteil richtet.
50Die danach gebotene Berücksichtigung der familiären Bindungen des Antragstellers zu seinen im Juli 2024 geborenen Zwillingen als auch zu seiner Ehefrau steht dem Erlass einer Abschiebungsandrohung im konkreten Einzelfall entgegen.
51Art. 6 Abs. 1 GG schützt die Familie zunächst als tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft der Kinder und ihrer Eltern. Ob zwischen Elternteil und Kind eine familiäre Gemeinschaft besteht, hängt im Wesentlichen von den konkret-individuellen Umständen des Familienlebens ab. Eine geschützte Eltern-Kind-Gemeinschaft lässt sich nicht allein quantitativ etwa nach Daten und Uhrzeiten persönlichen Kontakts oder genau am Inhalt der einzelnen Betreuungshandlungen bestimmen, vielmehr verbietet sich eine schematische Einordnung.
52Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 8. Dezember 2005 – 2 BvR 1001/04 –, juris Rn. 19 ff. sowie im Folgenden auch: VG Hamburg, Urteil vom 12. März 2024 – 2 A 3543/22 –, juris Rn. 41 ff.
53Für eine tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft muss auch nicht notwendiger Weise eine Hausgemeinschaft bestehen. Entscheidend ist die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern.
54Vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 9. Januar 2009 – 2 BvR 1064/08 –, juris Rn. 15.
55Maßgeblich für eine tatsächlich enge Bindung ist insbesondere ein nachweisbares Interesse sowie das Bekenntnis des Elternteils zu dem Kind vor und nach dessen Geburt.
56Vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Urteil vom 3. Dezember 2009 – 22028/04 –, juris Rn. 37.
57Es ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und das Kind beide Eltern braucht.
58Vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 8. Dezember 2005 – 2 BvR 1001/04 –, juris Rn. 26 m.w.N.
59Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt.
60Vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 9. Dezember 2021 – 2 BvR 1333/21 –, juris Rn. 48 m.w.N.
61Im vorliegenden Fall ist der Antragsteller im vergangenen Juli Vater von Zwillingen geworden. Auch ist seine Ehefrau – die Mutter der Kinder – nach Auskunft der zuständigen Ausländerbehörde in der Bundesrepublik aufenthaltsberechtigt (§ 25 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG). Eine Abschiebung des Antragstellers hätte demnach die Trennung von seiner Ehefrau und den nur wenige Monate alten Kindern zur Folge. Angesichts des Umstands, dass seine Ehefrau in der Bundesrepublik subsidiären Schutz erhalten hat, der Antragsteller jedoch in Dänemark anerkannt wurde, ist eine Fortsetzung der Lebensgemeinschaft außerhalb der Bundesrepublik nicht wahrscheinlich. Insbesondere kommt nach der derzeitigen Lage in Syrien auch eine dortige Fortsetzung der Lebensgemeinschaft nicht in Betracht. Es entspricht dabei der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich durch den persönlichen Kontakt zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern bereits eine erhebliche emotionale Bindung entwickelt hat, die durch seine Abschiebung beeinträchtigt oder gar vereitelt wäre. Es ist nicht auszuschließen, dass die Zwillinge trotz oder sogar wegen ihres noch sehr jungen Alters einen Verlust des Antragstellers als endgültig auffassten. Unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls ist eine Ausreise des Antragstellers, die aller Voraussicht nach nicht nur kurzfristiger Natur wäre, daher weder ihm noch seinen Kindern zumutbar. Im Rahmen des hiesigen Eilverfahrens finden sich keine greifbaren Anhaltspunkte – auch nicht in der übermittelten Ausländerakte des Antragstellers –, die gegen eine tatsächlich gelebte familiäre Gemeinschaft sprächen. Eine ggfs. gebotene, weitere Sachverhaltsaufklärung wird allerdings dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
62Das Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses zugunsten des Antragstellers und damit die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist offensichtlich, denn es besteht auch für einen unvoreingenommenen, urteilsfähigen, weder besonders sach- noch rechtskundigen, aber aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter nicht die Möglichkeit, dass sie (noch) rechtmäßig sein könnte.
63Vgl. zum Maßstab: Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 23. Auflage 2022, § 44 Rn. 12; VG Hamburg, Urteil vom 12. März 2024 – 2 A 3543/22 –, juris Rn. 44.
64Die Abschiebungsandrohung dürfte nach den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 lit. a) und lit. b) der Rückführungsrichtlinie aufgrund der familiären Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seiner Ehefrau und seinen erst wenige Monate alten Kindern heute nicht mehr erlassen werden. Auch die Ausländerbehörde bejaht im Übrigen ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, denn der Antragsteller wurde entsprechend der vorherigen deutschen Rechtslage und -praxis spätestens seit der Geburt seiner Kinder fortlaufend von der Ausländerbehörde geduldet. Vor diesem Hintergrund stellen das Wiederaufgreifen des Verfahrens und die Aufhebung der Abschiebungsandrohung die einzige rechtmäßige Entscheidung der Antragsgegnerin dar und reduzieren insoweit ihr Ermessen.
652. Demgegenüber war der Beschluss vom 24. Mai 2024 – 13 L 882/24.A – nicht schon deswegen abzuändern, weil dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch in Gestalt eines Anspruchs auf die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 AsylG zustünde. Stellt der Ausländer insoweit nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden sind, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind und der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande war, die Gründe für den Folgeantrag im früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Weder die familiäre Bindung des Antragstellers noch die vorgetragene Geburt der Zwillinge stellen neue Tatsachen oder Umstände dar, die geeignet wären, zu einer anderen Einschätzung einer Gefahr vor Verfolgung (Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes – GG; § 3 AsylG) bzw. unmenschlicher Behandlung (§ 4 AsylG) zu gelangen.
66Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Oktober 2024 – 3 L 2991/24.A –, juris Rn. 53.
673. Auch hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die im Bescheid vom 24. Oktober 2017 enthaltenen Abschiebungsandrohung ist noch immer grundsätzlich vollziehbar. Da es sich bei dem Folgeantrag vom 14. Dezember 2023 um den ersten Folgeantrag des Antragstellers handelt und er den Antrag nicht allein zur Verzögerung oder Behinderung der Abschiebung gestellt hat, bedarf es nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG grundsätzlich weder einer erneuten Abschiebungsandrohung noch einer Mitteilung des Bundesamtes an die zuständige Ausländerbehörde, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht vorliegen, vgl. dagegen § 75 Abs. 5 Satz 2 AsylG. Vor diesem Hintergrund und insbesondere im Lichte der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH fällt dabei nicht erheblich ins Gewicht, dass die zuständige Ausländerbehörde den Antragsteller aufgrund seiner familiären Situation derzeit dulde und insoweit nicht beabsichtige, ihn abzuschieben. Zudem könne er einen Aufenthaltstitel derzeit nicht erhalten.
68Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
69Wegen des Gegenstandswertes wird auf § 30 RVG hingewiesen.
70Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.