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Die Beklagte wird unter Aufhebung der Ziffer 3 des Abhilfebescheids des Bundesverwaltungsamts vom 10.07.2023 verpflichtet, der Klägerin die Gebühren und Auslagen ihres Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren in Höhe von 818,20 € zu erstatten.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
2Die im Jahr 1991 in Hoyerswerda geborene Klägerin lebt seit dem Jahr 2016 in Australien.
3Im Juni 2020 stellte sie bei der Beklagten einen Antrag auf die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung. Sie brachte im Wesentlichen vor: Sie wolle die australische Staatsangehörigkeit erwerben, aber die deutsche Staatsangehörigkeit nicht verlieren. Der Hauptgrund für den beabsichtigten Erwerb der australischen Staatsangehörigkeit sei die Umsetzung ihrer beruflichen Ziele. Nach dem Abschluss ihres Studiums mit dem Schwerpunkt „Event Management“ in den Niederlanden im Jahr 2016 habe sie ihre berufliche Karriere in diesem Bereich in Sydney begonnen. Nach vier Jahren Berufserfahrung beabsichtige sie den Erwerb eines Masterabschlusses an einer australischen Hochschule, um sich für höhere Positionen bewerben zu können. Das sei ihr mit ihrem niederländischen Bachelorabschluss derzeit nicht möglich. Konkret plane sie den Erwerb eines Masters in „Event Management and Marketing“ an der University of New South Wales in Sydney. Bei einer derartigen Hochschulausbildung entstünden ihr als ausländischer Staatsbürgerin hohe Kosten, die sich durch den Erwerb der australischen Staatsangehörigkeit vermeiden ließen.
4Im Folgenden forderte die Beklagte von der Klägerin verschiedene Unterlagen an, u.a. einen Studiennachweis wie etwa eine Immatrikulationsbescheinigung und einen Zahlungsbeleg zu den Studiengebühren. Hierzu brachte die Klägerin im Wesentlichen vor: Es sei ihr unmöglich, eine Immatrikulationsbescheinigung vorzulegen. Um sich für den betreffenden Studiengang einzuschreiben, wäre es erforderlich, zumindest die kompletten Gebühren für das erste Semester zu entrichten, was für sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation gerade nicht möglich sei und weshalb sie eine Beibehaltungsgenehmigung begehre. Die Beklagte habe in mehreren Parallelverfahren zur Glaubhaftmachung einer Studienabsicht bloß einen Nachweis darüber verlangt, dass die betroffene Person die Zugangsvoraussetzungen für das beabsichtigte Studium erfüllt. Das entspreche auch der allgemeinen Verwaltungspraxis des Bundesverwaltungsamts. Sie habe bereits dargelegt, dass sie die Immatrikulationsvoraussetzungen für den beabsichtigten Studiengang erfülle. Ebenso habe sie ihre Motivation für das Studium erläutert.
5Die Beklagte hielt an ihrer Auffassung fest und bat die Klägerin erneut um eine Immatrikulationsbescheinigung sowie um einen Zahlungsbeleg für die Studiengebühren. Hierzu erklärte sie, auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen der Klägerin könne ein konkreter Nachteil ohne den Erwerb der australischen Staatsangehörigkeit nicht angenommen werden. Bei dem angestrebten Studium handle es sich um ein momentan noch nicht eingetretenes Ereignis, das nur möglicherweise in der Zukunft eintreten könne. Die Klägerin teilte daraufhin mit, sie könne den von der Beklagten geforderten Nachweis nicht vorlegen. Sie könne jedoch eine Bestätigung ihres Arbeitgebers vorweisen, der ihr ein Studium nahelege und ihr Vorhaben unterstütze. Dies sei nach der Verwaltungspraxis des Bundesverwaltungsamts zur Glaubhaftmachung einer Studienabsicht ausreichend.
6Mit Bescheid vom 16.09.2022 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Ein konkreter Nachteil liege erst vor, wenn die Klägerin für das Studium eingeschrieben und somit unmittelbar von den Studiengebühren betroffen sei. Sie habe eine Immatrikulationsbescheinigung und einen Zahlungsbeleg für die ersten Studiengebühren entgegen der entsprechenden Aufforderung nicht vorgelegt. Demnach sei eine konkrete Benachteiligung zurzeit nicht gegeben. Die Bestätigung des Arbeitgebers könne nicht als ein Nachweis über eine konkrete Studienabsicht angesehen werden.
7Die Klägerin erhob Widerspruch, wobei sie zur Begründung vollumfänglich auf ihr Vorbringen im Ausgangsverfahren Bezug nahm. Nachdem die Beklagte von ihr im Januar 2023 eine Gebühr für einen zurückweisenden Widerspruchsbescheid anforderte, legte sie im Februar 2023 verschiedene Unterlagen vor. Danach hatte sie sich nunmehr an der Monash University in Melbourne für einen Masterstudiengang eingeschrieben. Das Semester solle im März 2023 beginnen und die Klägerin habe bereits Studiengebühren in Höhe von ca. 4 000 AUD bezahlt. Daraufhin hielt die Beklagte an ihrer Ablehnung nicht mehr fest und erteilte die beantragte Beibehaltungsgenehmigung, die sie im März 2023 an eine von der Klägerin bevollmächtigte Person aushändigte.
8Mit Schreiben vom 11.04.2023 machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten eine Erstattung seiner Gebühren und Auslagen in Höhe von 818,20 € geltend.
9Mit Abhilfebescheid vom 10.07.2023 hob die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 16.09.2022 auf (Ziffer 1) und gab dem Antrag der Klägerin auf die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung statt (Ziffer 2). Zu den Kosten des Widerspruchsverfahrens erklärte sie, sie erstatte die mit Schreiben vom 11.04.2023 geltend gemachten Kosten in Höhe von 818,20 € für das Widerspruchsverfahren nicht (Ziffer 3). Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die Kostenentscheidung beruhe auf § 72 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 80 Abs. 1 Satz 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Der Widerspruch sei zwar erfolgreich. Die geltend gemachten Aufwendungen seien aber von der Kostenerstattungspflicht ausgeschlossen. Der Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 Satz 4 VwVfG sei nach der Rechtsprechung eröffnet, wenn die Widerspruchsführerin im Ausgangsverfahren einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei. Dies sei der Fall. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) i.V.m. § 82 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) obliege der Klägerin die grundlegende Beweis- und Darlegungspflicht bei staatsangehörigkeitsrechtlichen Entscheidungen. Bereits im Mai 2021 habe man u.a. Studiennachweise angefordert. Daraufhin habe die Klägerin mehrfach deutlich gemacht, dass sie eine Immatrikulationsbescheinigung und einen Zahlungsbeleg nicht vorlegen werde. Obwohl sie gewusst habe, dass ihr Antrag bei dieser Sachlage abgelehnt werden würde, habe sie auf eine Entscheidung gedrängt. Auch im Widerspruchsverfahren habe die Klägerin zunächst erklärt, nicht weiter vortragen zu wollen. Erst nach dem Gebührenbescheid habe sie überraschenderweise den erforderlichen Studiennachweis nachgereicht. An keiner Stelle des Verfahrens habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass mit einem Studienbeginn im Frühjahr 2023 zu rechnen sei. Dies wäre aber zumutbar und geboten gewesen. Bei entsprechender Kenntnis hätte man das Verfahren bis zur Einreichung der erforderlichen Nachweise aussetzen können und es wäre nicht zu einer Ablehnung und zu einem Widerspruchsverfahren gekommen.
10Die Klägerin hat am 17.07.2023 Klage erhoben.
11Sie bringt im Wesentlichen vor: Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens sei ihr nicht zuzurechnen, weil sie aufgrund der bis zum Erlass des Ablehnungsbescheids vorherrschenden Verwaltungspraxis des Bundesverwaltungsamts davon habe ausgehen dürfen, dass man ihr die Beibehaltungsgenehmigung auf der Grundlage der vorgetragenen und glaubhaft gemachten Gründe erteilen werde. Zum Zeitpunkt des Antragsverfahrens habe die Beklagte Beibehaltungsgenehmigungen für Personen aus Australien, die sich wesentlich auf eine Studienabsicht berufen hätten, regelmäßig ohne die Vorlage einer Immatrikulationsbescheinigung erteilt. Die Beklagte habe in mehreren Parallelverfahren zur Glaubhaftmachung der Studienabsicht lediglich einen Nachweis über die Erfüllung der Zugangsvoraussetzungen für das beabsichtige Studium gefordert. Es sei also gerade nicht erforderlich gewesen, dass man das Studium bereits begonnen habe und durch die Beibehaltungsgenehmigung nur weitere höhere Kosten vermieden würden. Sie könne über ihren Prozessbevollmächtigten neun konkrete Verfahren nennen, in denen die Beklagte zwischen Februar 2021 und September 2022 eine Beibehaltungsgenehmigung erteilt und zur Glaubhaftmachung der Studienabsicht keine Immatrikulationsbescheinigung verlangt habe. Im Rahmen des § 80 Abs. 1 Satz 4 VwVfG komme es zudem nicht auf ein dahingehendes Verschulden an, ob sie den Erlass des erfolgreich angefochtenen Bescheids zumutbar hätte vermeiden können. Die Regelung betreffe einzelne, selbständig ausscheidbare Aufwendungen, die im Widerspruchsverfahren entstanden seien. Nur ein darauf bezogenes Verschulden könne den Erstattungsanspruch mindern oder ausschließen. Eine solche Konstellation liege jedoch nicht vor.
12Die Klägerin beantragt wörtlich,
13die Beklagte zu verurteilen, die Kostenentscheidung aus dem Abhilfebescheid vom 10.07.2023 (Ziff. 3) aufzuheben und dahingehend zu ergänzen, dass ihr die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren erstattet werden.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie bringt im Wesentlichen vor: Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin meine, sie hätte auf eine positive Entscheidung vertrauen können. Wenn man explizit angeforderte Unterlagen nicht einreiche, müssten sich jeder vernünftigen Person Zweifel an den Erfolgsaussichten des Antrags aufdrängen. Sie zweifle nunmehr an, ob der Widerspruch trotz der Aufhebung des Ausgangsbescheids überhaupt erfolgreich im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gewesen sei. Es sei zwar ohne Belang, was die betroffene Person zur Begründung des Widerspruchs vorgebracht habe und welche Gründe zur Stattgabe geführt hätten. Zwischen dem Widerspruch und der begünstigenden Entscheidung müsse jedoch eine ursächliche Verknüpfung bestehen. Ein Widerspruch sei demnach nicht erfolgreich, wenn die abhelfende Entscheidung der Behörde nicht dem Widerspruch, sondern einem anderen Umstand zuzurechnen sei wie etwa der nachträglichen Erfüllung einer Mitwirkungspflicht. Hier sei die abhelfende Entscheidung allein darauf zurückzuführen, dass die Klägerin erst im Widerspruchsverfahren ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen sei. Es scheine ferner zweifelhaft, ob ein Rechtsanwalt notwendig im Sinne des § 80 Abs. 2 VwVfG gewesen sei. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts sei nur notwendig, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten gewesen sei, das Widerspruchsverfahren selbst zu führen. Juristische Fachkenntnisse seien für das schlichte Erfüllen einer sehr konkret benannten Anforderung eigentlich nicht notwendig. Zugleich erkenne sie an, dass das Staatsangehörigkeitsrecht keine einfache Rechtsmaterie sei und juristischer Rat durchaus sinnvoll sein könne. Sie wolle indes darauf hinweisen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin von Anfang an und nicht erst im Widerspruchsverfahren mit der Vertretung beauftragt gewesen sei. Die Frage nach der Notwendigkeit eines Rechtsanwalts für das Widerspruchsverfahren scheine sich also für die Klägerin praktisch nicht gestellt zu haben. Daher scheine fraglich, inwieweit es durch das Widerspruchsverfahren tatsächlich zu zusätzlichen Kosten und Auslagen für die Klägerin gekommen sei. Die Erstattungsfähigkeit scheitere spätestens an § 80 Abs. 1 Satz 4 VwVfG. Aufwendungen, die durch das Verschulden der erstattungsberechtigten Person entstanden seien, habe diese selbst zu tragen. Das betreffe sowohl einzelne Streitgegenstände als auch den Anspruch insgesamt, wenn sich das Verschulden hierauf beziehe.
17Mit Schriftsätzen vom 14.08.2024, vom 15.08.2024 und vom 18.09.2024 haben sich die Beteiligten jeweils mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Der Berichterstatter kann gemäß § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO anstelle der Kammer entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben. Er kann zudem gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auch hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.
21Die Klage ist entgegen der wörtlichen Fassung des Klageantrags nach dem Begehren der Klägerin (vgl. § 88 VwGO) dahin auszulegen, dass sie im Rahmen einer Verpflichtungsklage eine unmittelbare gerichtliche Aufhebung der negativen Kostenentscheidung der Beklagten sowie eine Erstattung der konkreten Anwaltskosten in Höhe von 818,20 € begehrt. Sie wendet sich gegen die Ziffer 3 des Abhilfebescheids der Beklagten vom 10.07.2023, in der eine solche Erstattung abgelehnt wird.
22Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
23Die Ziffer 3 des Abhilfebescheids der Beklagten vom 10.07.2023 ist rechtswidrig und die Klägerin durch sie in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Erstattung der Gebühren und Auslagen ihres Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren in Höhe von 818,20 €.
24Dieser Anspruch ergibt sich aus § 80 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwVfG. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind dabei gemäß § 80 Abs. 2 VwVfG erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
25Die Beklagte ist der Klägerin nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG dem Grunde nach zur Kostenerstattung verpflichtet, weil der Widerspruch erfolgreich war.
26Die Vorschrift des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG stellt allein auf den äußeren Erfolg des Widerspruchs ab. Der Erfolg eines erhobenen Widerspruchs ist also am tatsächlichen bzw. äußeren Verfahrensgang zu messen. Ein Widerspruch ist erfolgreich, wenn die Ausgangsbehörde ihm abhilft bzw. wenn die Widerspruchsbehörde ihm stattgibt, weil sie ihn für begründet hält. Auf die Gründe für diese abhelfende bzw. stattgebende Entscheidung der Behörde kommt es demgegenüber nicht an.
27Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18.04.1996 – 4 C 6.95 –, juris, Rn. 14 f.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 14.08.2020 – 19 A 3182/19 –, juris, Rn. 4; Baer, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 80 Rn. 32 f.
28Aus dieser am äußeren Verfahrensgang orientierten Betrachtung folgt, dass ein Widerspruch nicht immer schon dann erfolgreich im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist, wenn zeitlich nach seiner Erhebung eine die widerspruchsführende Person begünstigende Entscheidung ergeht. Es ist vielmehr auch erforderlich, dass zwischen der Erhebung des Widerspruchs und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne besteht. Daran fehlt es, wenn die begünstigende Entscheidung außerhalb des Widerspruchsverfahrens ergeht, auch die Gründe hierfür außerhalb des Widerspruchsverfahrens liegen und die Behörde wegen Erledigung nicht mehr über den Widerspruch und auch nicht mehr über die Kosten entscheidet (vgl. §§ 72, 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
29Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.08.2020 – 19 A 3182/19 –, juris, Rn. 6 ff. m. w. N.
30Nach diesem Maßstab war der Widerspruch der Klägerin erfolgreich. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 10.07.2023 den Ausgangsbescheid aufgehoben und dem Antrag der Klägerin auf die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung auch formell stattgegeben, nachdem sie ihr die Beibehaltungsgenehmigung bereits ausgehändigt hatte. Insbesondere besteht die erforderliche ursächliche Verknüpfung zwischen dem Widerspruch und der begünstigenden Entscheidung der Beklagten. Die Klägerin hat im Rahmen des Widerspruchsverfahren neue Unterlagen vorgelegt, woraufhin die Beklagte an ihrer Ablehnung nicht mehr festgehalten und aufgrund dieser im Verfahren vorgelegten Unterlagen auf den Widerspruch der Klägerin eine abhelfende Entscheidung getroffen hat. Soweit die Beklagte meint, es fehle an einer ursächlichen Verknüpfung, weil die Klägerin erst im Widerspruchsverfahren ihre Mitwirkungspflicht erfüllt habe, kann offenbleiben, ob die Klägerin tatsächlich ihrer Mitwirkungspflicht aus § 34 Satz 2 StAG i.V.m. § 82 AufenthG nicht nachgekommen ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde das die ursächliche Verknüpfung zwischen dem Widerspruch der Klägerin und der begünstigenden Entscheidung der Beklagten nach den vorstehenden Ausführungen nicht entfallen lassen.
31Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 14.08.1987 – 8 C 129.84 –, juris, Rn. 9; a.A. Verwaltungsgericht (VG) Dresden, Urteil vom 18.04.2017 – 2 K 341/15 –, juris, Rn. 17 und Kunze, in: BeckOK VwVfG, VwVfG, § 80 Rn. 27 a.E.
32Es soll wesentlich auf das Ergebnis des Verfahrens und damit nicht auf die behördliche Begründung für die abhelfende bzw. stattgebende Entscheidung ankommen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf verzichtet, zwischen einer Aufhebung wegen einer Rechtswidrigkeit oder wegen einer Unzweckmäßigkeit des Ausgangsbescheids oder wegen einer Änderung der Sach- und Rechtslage, wozu auch die nachträgliche Erfüllung einer Mitwirkungspflicht gezählt werden kann, zu unterscheiden.
33Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 15.05.1991 – 22 A 1809/90 –, juris, Rn. 44.
34Die Kostenerstattungspflicht der Beklagten ist auch nicht auf der Grundlage der Vorschrift des § 80 Abs. 1 Satz 4 VwVfG ausgeschlossen. Danach hat eine erstattungsberechtigte Person Aufwendungen, die durch ihr Verschulden entstanden sind, selbst zu tragen. Diese Vorschrift betrifft nur konkrete, selbständig ausscheidbare Aufwendungen, die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens entstanden sind. Sie stellt demgegenüber nicht darauf ab, ob die widerspruchsführende Person bei sachgerechtem Verhalten den Erlass des ihr ungünstigen Ausgangsbescheids und damit das gesamte Widerspruchsverfahren hätte verhindern können.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.08.1987 – 8 C 129.84 –, juris, Rn. 11; Sächsisches Oberverwaltungsgericht (SächsOVG), Beschluss vom 25.02.2014 – 3 A 651/13 –, juris, Rn. 7; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (NdsOVG), Urteil vom 29.05.1992 – 12 L 219/90 –, juris, Rn. 4; VG Bremen, Gerichtsbescheid vom 04.01.2021 – 4 K 2472/19 –, juris, Rn. 27; VG Augsburg, Urteil vom 20.12.2005 – Au 1 K 05.542 –, juris, Rn. 32; VG Berlin, Urteil vom 31.07.1998 – 20 A 455.96 –, juris, Rn. 20; Kallerhoff/Keller, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 80 Rn. 72; a.A. VG Dresden, Urteil vom 18.04.2017 – 2 K 341/15 –, juris, Rn. 18.
36Die Kostenerstattungspflicht umfasst vorliegend auf der Grundlage des § 80 Abs. 2 VwVfG auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, weil die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
37Nach der in § 80 Abs. 2 VwVfG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung ist eine anwaltliche Vertretung im Vorverfahren anders als im gerichtlichen Verfahren nicht grundsätzlich üblich oder erforderlich, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalls veranlasst. Dabei ist die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich eine vernünftige Person mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand wie die den Widerspruch erhebende Person bei der gegebenen Sachlage einer Rechtsanwältin bzw. eines Rechtsanwalts bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung dann, wenn es der Person nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen. Die Notwendigkeit der Zuziehung wird zudem durch die Bedeutung der Streitsache für die den Widerspruch erhebende Person bestimmt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Bevollmächtigung.
38Vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.05.2012 – 2 A 5.11 –, juris, Rn. 2; Beschluss vom 27.02.2012 – 2 A 11.08 –, juris, Rn. 5 m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 15.07.2020 – 1 E 185/19 –, juris, Rn. 32.
39Nach diesem Maßstab war die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig. Es konnte der juristisch nicht näher vorgebildeten Klägerin nicht zugemutet werden, das Verfahren ohne einen Rechtsanwalt zu führen. Zum einen ist das Staatsangehörigkeitsrecht auch nach der Auffassung der Beklagten eine komplexe Materie und insbesondere die Rechtslage zur Beibehaltungsgenehmigung konnte nicht anhand leicht verständlicher rechtlicher Regelungen übersehen werden. Stattdessen war angesichts des wenig konkreten Inhalts des § 25 Abs. 2 StAG in der bis zum 26.06.2024 gültigen Fassung (a.F.) etwa erforderlich, den Fall unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung zu prüfen. Zum anderen handelte es sich für die Klägerin um eine Angelegenheit von erheblicher persönlicher Bedeutung. Sie begehrte die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung, um ihre deutsche Staatsangehörigkeit nicht zu verlieren. Soweit der bevollmächtigte Rechtsanwalt im Ergebnis zur Begründung des Widerspruchs bloß vollumfänglich auf das Vorbringen aus dem Ausgangsverfahren Bezug genommen hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit ist die aus der Sicht der Klägerin zu beurteilende Frage der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten zu trennen von der Frage, wie dieser Bevollmächtigte anschließend das Verfahren für die Klägerin führt.
40Diese Anwaltskosten sind auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls von den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen erfasst. Insbesondere kann offenbleiben, inwieweit es sich bei entstehenden Anwaltskosten noch um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen handeln kann, wenn eine widerspruchsführende Person – ggf. auf Veranlassung ihres bevollmächtigten Rechtsanwalts – einen vorhandenen Nachweis im Ausgangsverfahren gezielt nicht vorlegt, um Widerspruch erheben und nach einer abhelfenden Entscheidung der Behörde weitere Anwaltskosten geltend machen können. Für ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten bestehen vorliegend jedenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Klägerin hat die Vorlage eines Studiennachweises nicht etwa ohne Angabe von Gründen verweigert, sondern sich wesentlich auf eine entgegenstehende Verwaltungspraxis berufen. Insoweit hat sie substantiiert vorgetragen, in welchen weiteren Verfahren, in denen ihr Prozessbevollmächtigter tätig gewesen sei, eine Immatrikulationsbescheinigung zur Glaubhaftmachung einer Studienabsicht nicht erforderlich gewesen sei. Die Beklagte ist dem nicht näher entgegengetreten. Zwar wäre eine frühestmögliche Mitteilung über einen geplanten konkreten Studienbeginn im Frühjahr 2023 wohl zweckmäßig gewesen. Dass die Klägerin hiervon abgesehen und später unmittelbar die Unterlagen über ihre Immatrikulation und die Zahlung der ersten Studiengebühren vorgelegt hat, lässt allerdings noch nicht auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten schließen. Es ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte etwa möglich, dass die Klägerin erst nach dem Ablehnungsbescheid vom 16.09.2022 den konkreten Entschluss zur Aufnahme des Studiums im Frühjahr 2023 gefasst hat.
41Die Höhe der Kostenerstattung beläuft sich auf den im Schreiben vom 11.04.2023 geltend gemachten Betrag von 818,20 € und setzt sich bei Zugrundelegung eines Streitwerts von 10 000 € zusammen aus einer Geschäftsgebühr von 1,3 (Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – VV RVG) in Höhe von 798,20 € und der Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG) in Höhe von 20 €. Soweit die Beklagte die Frage aufwirft, inwieweit es im Widerspruchsverfahren für die Klägerin überhaupt zu zusätzlichen Kosten gekommen sei, wenn sie ihren Prozessbevollmächtigten schon zuvor mandatiert habe, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Bei dem Verwaltungsverfahren und dem Vorverfahren handelt es sich gebührenrechtlich um eigenständige Verfahren (vgl. § 17 Nr. 1a RVG), für die jeweils eine eigene Geschäftsgebühr anfällt. Wenn ein Rechtsanwalt schon im Ausgangsverfahren mandatiert war, hat er die im Ausgangsverfahren verdiente Geschäftsgebühr im Innenverhältnis auf die im Widerspruchsverfahren entstandene Geschäftsgebühr anzurechnen (vgl. Vorbemerkung 2.3 Abs. 4 VV RVG). Dies ändert aber nichts daran, dass die Behörde im Außenverhältnis die volle Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren schuldet.
42Vgl. Baer, in: Schoch/Schneider, VwVfG, § 80 Rn. 80.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
44Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
45Rechtsmittelbelehrung
46Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
47Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
48Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
49Beschluss
50Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
51818,20 €
52festgesetzt.
53Gründe
54Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Der festgesetzte Wert entspricht der beantragten Geldleistung.
55Rechtsmittelbelehrung
56Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.