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Der Abänderungsantrag des Beigeladenen wird abgelehnt.
Die Gerichtskosten des Abänderungsverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Abänderungsverfahren tragen die Antragsgegnerin und der Beigeladene je zur Hälfte. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre im Abänderungsverfahren angefallenen Kosten jeweils selbst.
Gründe
2Der (sinngemäße) Antrag des Beigeladenen,
3unter Aufhebung des Beschlusses vom 4. Juli 2023 (Az. 8 L 1771/22) den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 31. Oktober 2022 (Az. 8 K 5998/22) gegen die Baugenehmigung des Bürgermeisters der Beklagten vom 21. September 2022 in der Fassung vom 7. Mai 2024 abzulehnen,
4hat keinen Erfolg. Er ist nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässig, aber unbegründet.
5Der Antrag ist zulässig, wobei die Bezeichnung der Beteiligten im Abänderungsverfahren unabhängig davon, welcher Beteiligter den Abänderungsantrag gestellt hat, jedenfalls dann derjenigen des vorangegangenen Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu entsprechen hat, wenn – wie im vorliegenden Verfahren – um die Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts mit Drittwirkung gestritten wird.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2024 – 2 B 1287/23 –, juris, Rn. 1 f., m. w. N.
7Der Antrag ist aber nicht begründet.
8Voraussetzung für die Abänderung eines nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist, dass gegenüber dem Ausgangsverfahren veränderte Umstände eingetreten sind und diese Umstände eine andere als die zunächst getroffene Entscheidung rechtfertigen.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. November 2012 – 2 B 1095/12 –, juris, Rn. 7.
10Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
11Zu den nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO berücksichtigungsfähigen „veränderten Umständen" zählt zwar eine Nachtragsbaugenehmigung, die dazu führt, dass die Ausgangsbaugenehmigung die gegen diese vorgehenden Nachbarn nicht mehr in ihren Rechten verletzt.
12Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. November 2012 – 2 B 1095/12 –, juris, Rn. 10; VG Ansbach, Beschluss vom 12. Juni 2024 – AN 17 S 24.565 –, juris, Rn. 28, m. w. N.
13Die Nachtragsbaugenehmigung vom 7. Mai 2024 rechtfertigt aber keine andere als die mit Beschluss vom 4. Juli 2023 getroffene Entscheidung.
14Im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO hat das Gericht ebenso wie im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob das Interesse des Beigeladenen am sofortigen Gebrauch der Baugenehmigung das Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung überwiegt, wobei maßgeblich auch auf die Erfolgsaussichten im Klageverfahren unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung in § 212a BauGB, dass Drittanfechtungsklagen gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung haben, abzustellen ist.
15Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage der Antragsteller vom 31. Oktober 2022 (Az. 8 K 5998/22) gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 21. September 2022 unter Einbeziehung der Nachtragsbaugenehmigung vom 7. Mai 2024 voraussichtlich Erfolg haben. Denn die streitige Baugenehmigung verletzt die Antragsteller in eigenen Rechten.
16Bei einer Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung kann offenbleiben, ob diese in jeder Hinsicht mit dem materiellen Recht in Einklang steht. Ein Rechtsanspruch des Nachbarn auf Aufhebung besteht nämlich nicht schon dann, wenn eine Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Hinzukommen muss, dass der Nachbar durch die rechtswidrige Baugenehmigung zugleich in eigenen Rechten verletzt wird. Dies setzt voraus, dass die Baugenehmigung gegen Rechtsnormen verstößt, die nachbarschützenden Charakter haben, und der jeweilige Nachbar auch im Hinblick auf seine Nähe zu dem Vorhaben tatsächlich in seinen eigenen Rechten, deren Schutz die Vorschriften zu dienen bestimmt sind, verletzt wird.
17Vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Urteil vom 30. Mai 2017 – 2 A 130/16 –, juris, Rn. 26, m. w. N.
18Hiervon ausgehend verstößt das durch die angegriffene Baugenehmigung genehmigte Vorhaben des Beigeladenen bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts.
19Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Die Abstandsflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen, § 6 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW. Die Tiefe der Abstandsfläche beträgt grundsätzlich mindestens drei Meter, § 6 Abs. 5 Satz 1 BauO NRW, und bemisst sich nach der Wandhöhe, § 6 Abs. 4 Satz 1 Hs. 1 BauO NRW.
20Diese Vorgaben des Abstandflächenrechts hält das geplante Vorhaben des Beigeladenen nicht ein. Das Vorhaben darf auch nicht ausnahmsweise ohne Einhaltung der vorgenannten Regelungen des Abstandsflächenrechts errichtet werden. Denn jedenfalls das seitlich über die Hauswand hinausragende Podest der Gartentreppe einschließlich des darauf angebrachten Geländers fällt nicht unter den abstandsflächenrechtlichen Privilegierungstatbestand des § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO NRW.
21Nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO NRW bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen Vorbauten außer Betracht, wenn sie insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen, nicht mehr als 1,60 m vor diese Außenwand vortreten und mindestens 2 m von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben.
22Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf den neben die Hauswand tretenden Teil der Gartentreppe, also das umfriedete Podest, nicht erfüllt. Die Tatbestandsvoraussetzung, dass Vorbauten nicht „vortreten“ dürfen, ist dahingehend auszulegen, dass diese sich in dem Sinne „vor“ der jeweils abstandsflächenrechtlich zu betrachtenden Außenwand befinden müssen. Dies ist alleine der Bereich, der durch die auf die beiden seitlichen Wandbegrenzungen gefällten Senkrechten gebildet wird. Diese Betrachtungsweise rechtfertigt sich daraus, dass die 2 m-Regelung des § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO NRW eine den Bauherrn begünstigende, sich zu Lasten des Grundstücksnachbarn auswirkende Ausnahmeregelung darstellt und damit eine eng am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift geboten ist.
23Vgl. zur Vorgängerregelung in § 6 Abs. 7 BauO NRW 2000 OVG NRW, Beschluss vom 3. September 2007 – 7 A 215/07 –, juris, Rn. 6 ff., m. w. N.
24Auch andere Privilegierungstatbestände, die eine Unterschreitung der notwendigen Abstandsflächen erlauben würden, sind nicht ersichtlich.
25Die auf das Abänderungsverfahren bezogene Kostenentscheidung trägt den Rechtsgedanken aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO Rechnung. Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene an den Verfahrenskosten beteiligt wird, weil er den vorliegenden Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gestellt hat und er materiell-rechtlich im Lager der unterlegenen Antragsgegnerin steht. Entsprechend hat er auch seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Insoweit mag offenbleiben, ob dem im Änderungsverfahren beibehaltenen Rubrum entsprechend von einem Unterliegen des Beigeladenen mit einem Sachantrag ausgegangen wird (§ 154 Abs. 3 VwGO) oder der Beigeladene und die Antragsgegnerin kostenrechtlich als Änderungsantragsteller einzustufen sind auf die die §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO als unterliegende Seite unmittelbar anzuwenden sind.
26Der erneuten Festsetzung eines Streitwerts für das Abänderungsverfahren bedurfte es nicht.
27Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2021 – 18 B 1911/20 –, juris, Rn. 11 f., m. w. N.
28Rechtsmittelbelehrung
29Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
30Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
31Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
32Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
33Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
34Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
35Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
36Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
37Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.