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1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
2I.
3Die Antragstellerin wendet sich im Rahmen des Eilrechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer Anordnung zur Vorlage eines Nachweises nach dem Infektionsschutzgesetz.
4Sie ist die Mutter der 2015 geborenen Y. R.; sie teilt sich die elterliche Sorge mit ihrem Ehemann, dem Antragsteller in dem Verfahren 7 L 2500/23.
5Das Kind besucht eine Schule in Bonn. Es hat keine Masernschutzimpfung erhalten und verfügt über keine anderweitige Immunisierung. Unter dem 10.01.2023 bat das Gesundheitsamt die Antragstellerin und ihren Mann, gemäß § 20 Abs. 12 Infektionsschutzgesetz (IfSG) bis zum 24.01.2023 einen Nachweis vorzulegen, gegebenenfalls einen Beratungstermin beim Gesundheitsamt zu vereinbaren.
6Mit Email vom 24.01.2023 übersandte die Antragstellerin dem Gesundheitsamt eine ärztliche Bescheinigung des Herrn Dr. med. U. vom 07.12.2022, wonach die bei ihm in kinderärztlicher Behandlung befindliche Y. R. „wegen familiärer Häufung von Autoimmunerkrankungen und Allergien“ nicht gegen Masern geimpft werden könne. Daraufhin teilte das Gesundheitsamt der Antragstellerin mit, dass das Attest nicht die Kriterien des § 20 Abs. 9 S. 1 Nr. 2 IfSG erfülle. Sodann hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin und ihren Mann mit Schreiben vom 31.05.2023 zum beabsichtigten Erlass einer Ordnungsverfügung und zum Erlass eines Zwangsgeldes an.
7Die Antragstellerin nahm dahingehend Stellung, dass sich im engen Familienkreis („Mutter und Großmutter“) schwere Impfreaktionen und -folgen gehäuft hätten. Darüber hinaus träten im engen Familienkreis Autoimmunerkrankungen auf, deren Ausbruch nach einer Impfung nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden könne. Dies habe auch den Kinderarzt zur Ausstellung des Attestes veranlasst. Mit Blick auf die noch beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden bäten sie und der Kindesvater darum, das Verfahren zunächst ruhen zu lassen.
8Ein Beratungstermin bei dem Gesundheitsamt der Antragsgegnerin kam nicht zustande. Die Antragsgegnerin forderte sodann die Antragstellerin mit der hier streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 17.11.2023 auf, innerhalb von vier Wochen ab Zustellung einen Nachweis über den ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder alternativ die Immunität gegen Masern oder alternativ die Kontraindikation gegen eine Masernschutzimpfung für das Kind vorzulegen (Ziffer 1). Für den Fall, dass sie der Vorlagepflicht aus Ziffer 1 nicht fristgemäß nachkomme, drohte die Antragsgegnerin ihr ein Zwangsgeld i. H. v. 500 Euro an (Ziffer 2). Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, das vorgelegte Attest könne nicht anerkannt werden, da es zu unbestimmt sei. Ein ärztliches Zeugnis bezüglich einer Kontraindikation zur Masernschutzimpfung müsse wenigstens solche Angaben zur Art der Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzten, das ärztliche Zeugnis auf Plausibilität zu überprüfen. An der Durchsetzung der Ordnungsverfügung bestehe ein besonderes öffentliches Interesse, da Rechtsgüter von hohem Rang, nämlich die körperliche Unversehrtheit und das Leben gefährdet seien. Diese Gefährdung betreffe sowohl das Kind der Antragstellerin als auch unbeteiligte Dritte. Bezüglich der Höhe des Zwangsgeldes sei unter Beachtung des Zwecks der Ermächtigung und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Betrag gewählt worden, der die Antragstellerin voraussichtlich dazu veranlassen werde, ihre Pflicht zu erfüllen.
9Eine gleichlautende Ordnungsverfügung erließ die Antragsgegnerin gegenüber dem Kindesvater.
10Die Antragstellerin hat am 11.12.2023 Klage erhoben (7 K 6865/23) und zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt.
11Sie trägt vor, sie lehne - ebenso wie der Antragsteller in dem Verfahren 7 L 2500/23 - eine Impfung gegen Masern kategorisch ab. Der Tochter drohten erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen, wenn sie entgegen der ärztlichen Bescheinigung eine Impfung gegen Masern erhielte. Der Nachweispflicht sei sie bereits nachgekommen, indem sie ein ärztliches Attest vorgelegt habe. Im Übrigen sei Ziffer 1 der Ordnungsverfügung nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 VwVfG NRW. Es werde nicht klar, welchen inhaltlichen Anforderungen eine ärztliche Bescheinigung über eine Impfunfähigkeit genügen müsse. Die Antragsgegnerin verkenne auch, dass gar keine Erkrankungen der Tochter geltend gemacht würden, sondern solche, die im nahen familiären Umfeld vorlägen und gegebenenfalls auch bei der Tochter vorliegen könnten, bis heute aber glücklicherweise nicht zum Tragen gekommen seien. Die eingeräumte vierwöchige Frist sei nicht angemessen. Ein ausreichender Impfschutz liege überhaupt erst nach zwei Impfungen vor, wobei zwischen der ersten und der zweiten Impfung eine Frist von mindestens vier Wochen zu liegen habe. Es sei auch zu berücksichtigen, dass das Kind durch die Jahreszeit bedingt einen Infekt erleiden könnte, der eine Impfung aus medizinischen Gründen unmöglich mache. Es sei auch keine Anhörung erfolgt. Die Zwangsgeldandrohung sei rechtswidrig, da sie sich nicht auf einen rechtmäßigen Verwaltungsakt stützen könne. Zudem habe die Antragsgegnerin das Stufenverfahren gemäß § 20 IfSG nicht beachtet. Die Aufforderung zur Vorlage eines Nachweises, die Ladung zu einem Beratungsgespräch und die Aufforderung zur Vervollständigung des Impfschutzes dienten lediglich der Vorbereitung eines Betretungsverbotes für bestimmte Gemeinschaftseinrichtungen. Ein solches komme hier nicht in Betracht und könne nicht mit Verwaltungszwang durchgesetzt werden. Das Vorgehen laufe auf einen Impfzwang durch die Hintertür hinaus. Jedenfalls müsse der Verwaltungsakt als erledigt angesehen werden, weil sie mitgeteilt habe, dass sie ihr Kind nicht gegen Masern impfen lassen werde und kein weitergehendes ärztliches Zeugnis erlangen könne.
12Die Antragstellerin beantragt,
13die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 17.11.2023 anzuordnen,
14Die Antragsgegnerin beantragt,
15den Antrag abzulehnen.
16Sie trägt im Wesentlichen vor, dass sich das Vorliegen eines individuellen Gesundheitsrisikos des Kindes durch die Masernimpfung auf Grundlage der pauschalen und unspezifischen Angaben in dem Attest durch das ärztliche Personal des Gesundheitsamtes nicht auf seine Plausibilität hin überprüfen lasse. Dies sei aber eine zwingende Voraussetzung für die Anerkennung einer Kontraindikation. Im Übrigen stellten selbst Autoimmunerkrankungen (z.B. Myasthenia gravis, Multiple Sklerose) oder chronisch entzündliche Erkrankungen keine Kontraindikation für die Schutzimpfung dar. Studien hätten bisher keine ursächlichen Zusammenhänge zwischen einer Impfung und einer neu aufgetretenen Autoimmunerkrankung bzw. einer chronisch entzündlichen Erkrankung oder einem Schub einer bereits bestehenden Erkrankung belegt. Internationale Studien hätten zudem gezeigt, dass nur Kinder, die an einer sehr schweren Hühnereiweißallergie litten, unter besonderen Schutzmaßnahmen geimpft und anschließend beobachtet werden sollten. Der Impfstoff selbst enthalte zudem kaum oder gar keine nachweisbaren Spuren von Hühnereiweiß. Es erscheine allenfalls auf den ersten Blick plausibel, dass im Falle von freiwillig nicht geimpften Schulkindern der Behörde die Hände gebunden seien, weil der Erlass eines Betretungsverbotes nicht vorgesehen sei. Bei näherer Betrachtung sprächen aber zwingende Gründe dagegen, dass die Behörde es zu dulden habe, dass nicht immunisierte Kinder die Schule besuchen. Die Zulassung einer nicht unerheblichen Anzahl nicht immunisierter Kinder im Schulbetrieb führte zu einem nicht hinnehmbaren Gesundheitsrisiko für die unfreiwillig nicht immunisierten Lehrer und Mitschüler und liefe damit dem Sinn und Zweck des Masernschutzgesetzes zuwider. Auch wenn das Gesundheitsamt nicht befugt sei, eine Masernimpfung unmittelbar per Bescheid anzuordnen und gegebenenfalls mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen, so müsse es der Behörde doch möglich sein, die von nicht immunisierten Schülern ausgehende Gesundheitsgefahr dadurch zu beseitigen, dass auf die Eltern Druck ausgeübt werde, der Nachweispflicht Genüge zu tun und zwar durch den Erlass eines entsprechenden Bescheides sowie dessen zwangsweise Durchsetzung, etwa durch Festsetzung von Zwangsgeld. Es sei zutreffend, dass ein erheblicher Druck zur Impfung ausgeübt werde. Dies widerspreche aber nicht dem Willen des Gesetzgebers. Die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit bei Personen, die ihren Lebensunterhalt in einer entsprechenden Einrichtung verdienten, für die ein Betretungsverbot ausgesprochen werden könne, (Erzieher, Lehrer, Ärzte, Pfleger etc.) einerseits und bei impfunwilligen Eltern andererseits sei zumindest vergleichbar. Für die erste Gruppe komme ein Betretungsverbot einem Berufsverbot nahe. Es stelle sich die Frage, warum impfunwillige Eltern von Kindern, die der Schulpflicht unterliegen, nicht ebenso einem mittelbaren Impfzwang ausgesetzt sein sollten, wie die anderen betroffenen Personengruppen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Eil- und Hauptsacheverfahrens sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin Bezug genommen.
18II.
19Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.
20Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zulässig. Er ist insbesondere statthaft, weil die Antragstellerin die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage begehrt. Namentlich die Anordnung, einen Nachweis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen, stellt auch einen Verwaltungsakt dar,
21siehe nur BayVGH, Beschluss vom 7. Juli 2021 – 25 CS 21.1651 –, juris, Rn. 9,
22gegen den gerichtlicher Rechtsschutz im Wege der Anfechtungsklage begehrt werden kann.
23Der Antrag ist jedoch unbegründet.
24Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn diese kraft Gesetzes entfällt. Vorliegend entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anforderung eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 20 Abs. 12 Satz 7 IfSG und gegen die Zwangsgeldandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 112 Satz 1 JustG NW.
25Dem privaten Interesse der Antragstellerin, von der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben, ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegenüberzustellen, wobei die gesetzgeberische Wertung des Entfallens der aufschiebenden Wirkung der Klage zu beachten ist. Ausgangspunkt dieser Interessenabwägung ist eine – im Rahmen des Eilrechtsschutzes allein mögliche und gebotene – summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ergibt diese Prüfung, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und ist deshalb die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen. Denn an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kann grundsätzlich kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Erweist sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig, überwiegt hingegen das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, ist die Entscheidung schließlich auf der Grundlage einer umfassenden Folgenabwägung zu treffen.
26Vorliegend fällt die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Die streitgegenständliche Verfügung ist nach der gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
27Die Anforderung eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG gemäß Ziffer 1 der streitgegenständlichen Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 12 Satz 1, Abs. 13 Satz 1 IfSG.
28Nach § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 IfSG müssen Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren sind und in einer Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, entweder einen nach den Maßgaben von § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder ab der Vollendung des ersten Lebensjahres eine Immunität gegen Masern aufweisen. Ein ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht nach § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG, wenn ab der Vollendung des ersten Lebensjahres mindestens eine Schutzimpfung und ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres mindestens zwei Schutzimpfungen gegen Masern bei der betroffenen Person durchgeführt wurden. Gemäß § 20 Abs. 8 Satz 4 IfSG besteht die Pflicht nach § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können.
29Nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG haben insbesondere Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden sollen, der Leitung der jeweiligen Einrichtung vor Beginn ihrer Betreuung folgenden Nachweis vorzulegen: 1. eine Impfdokumentation nach § 22 Abs. 1 und 2 IfSG oder ein ärztliches Zeugnis, auch in Form einer Dokumentation nach § 26 Abs. 2 Satz 4 SGB V, darüber, dass bei ihnen ein nach den Maßgaben von § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG ausreichender Impfschutz gegen Masern besteht, 2. ein ärztliches Zeugnis darüber, dass bei ihnen eine Immunität gegen Masern vorliegt oder sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können oder 3. eine Bestätigung einer staatlichen Stelle oder der Leitung einer anderen in § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG genannten Einrichtung darüber, dass ein Nachweis nach § 20 Abs. 9 Nr. 1 oder Nr. 2 IfSG bereits vorgelegen hat. Eine Person, die ab der Vollendung des ersten Lebensjahres keinen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorlegt, darf gemäß § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG nicht in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden. In Abweichung davon darf gemäß § 20 Abs. 9 Satz 9 IfSG eine Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 3 IfSG betreut werden.
30Nach § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorzulegen. Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, kann das Gesundheitsamt gemäß § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen Masern geimpft werden kann. Personen, die über die Echtheit oder inhaltliche Richtigkeit des vorgelegten Nachweises Auskunft geben können, sind verpflichtet, auf Verlangen des Gesundheitsamtes die erforderlichen Auskünfte insbesondere über die dem Nachweis zugrundeliegenden Tatsachen zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und Einsicht zu gewähren; § 15a Abs. 2 Satz 2 IfSG gilt entsprechend. Wenn der Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt wird, kann das Gesundheitsamt gemäß § 20 Abs. 12 Satz 3 IfSG die zur Vorlage des Nachweises verpflichtete Person zu einer Beratung laden und hat diese zu einer Vervollständigung des Impfschutzes gegen Masern aufzufordern. Das Gesundheitsamt kann einer Person, die trotz der Anforderung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt oder der Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nach § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG nicht Folge leistet, gemäß § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG insbesondere untersagen, dass sie die dem Betrieb einer in § 20 Abs. 8 Satz 1 IfSG genannten Einrichtung dienenden Räume betritt. Einer Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, kann gemäß § 20 Abs. 12 Satz 5 IfSG in Abweichung von § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG nicht untersagt werden, die dem Betrieb einer Einrichtung nach § 33 Nr. 3 IfSG dienenden Räume zu betreten. Sobald ein Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG vorgelegt wird, ist gemäß § 20 Abs. 12 Satz 8 IfSG die Maßnahme nach § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG aufzuheben und das Verwaltungszwangsverfahren mit sofortiger Wirkung einzustellen.
31Wenn eine nach § 20 Abs. 9 bis 12 IfSG verpflichtete Person minderjährig ist, so hat gemäß § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG schließlich derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den § 20 Abs. 9 bis 12 IfSG treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht.
32Zunächst hat die Kammer keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschriften.
33Vgl. bereits VG Köln, Beschluss vom 14. Februar 2024 – 7 L 1981/23 und vom 23. Februar 2024 – 7 L 2500/23; ebenso OVG NRW, Beschluss vom 15.08.2024 – 13 B 1280/23 -, juris Rn. 18 ff.
34Hält ein Gericht eine für seine Entscheidung maßgebliche Gesetzesnorm für verfassungswidrig, so ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch Art. 100 Abs. 1 GG zwar nicht gehindert, vor einer im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsache dadurch nicht vorweggenommen wird.
35Grundlegend etwa BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1992 – 1 BvR 1028/91 –, juris, Rn. 29.
36Voraussetzung dafür ist allerdings, dass ein Grundrechtsverstoß offenkundig ist.
37Allgemein dazu schon BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 1988 – 1 BvR 482/84 –, juris, Rn. 59.
38Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass das Bundesverfassungsgericht § 20 Abs. 8, 9, 12 und 13 IfSG bereits für verfassungsgemäß erklärt hat.
39BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 1 BvR 469/20 –, juris.
40Diese Entscheidung hat gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung für alle Gerichte und Behörden. Eine erneute Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit dieser Frage und damit eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG wäre allenfalls dann veranlasst, wenn rechtserhebliche tatsächliche oder rechtliche Veränderungen oder ein Wandel der allgemeinen Rechtsauffassung festzustellen wären. Die Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG umfasst den Entscheidungsausspruch und die ihn tragenden Entscheidungsgründe.
41Ausgehend von diesen Maßstäben sieht die Kammer im vorliegenden Verfahren keinen Anlass, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen.
42Soweit das Bundesverfassungsgericht den seinerzeitigen Beschwerdegegenstand lediglich in den Regelungen des Masernschutzgesetzes erblickt hat, soweit diese Kinder betreffen, die gemäß § 33 Nr. 1 und 2 IfSG in einer Kindertageseinrichtung oder in einer nach § 43 Abs. 1 SGB VIII erlaubnispflichtigen Kindestagespflege betreut werden,
43BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 1 BvR 469/20 –, juris, Rn. 49,
44erstreckt sich die Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG zwar nicht auf eine Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt. Für die Kammer deutet aber auch diesbezüglich nichts auf die Verfassungswidrigkeit des sich § 20 Abs. 8, 9, 12 und 13 IfSG hin.
45Im Hinblick auf das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sowie das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG,
46zur Unzulässigkeit einer Geltendmachung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft im Verwaltungsprozessrecht VG Ansbach, Beschluss vom 21. Februar 2023 – AN 18 S 22.2541 –, BeckRS 2023, 8348, Rn. 11,
47fehlt es nämlich bereits an einem Grundrechtseingriff.
48Soweit die Regelungen des § 20 Abs. 8, 9, 12 und 13 IfSG die Betreuung in Kindertageseinrichtungen oder in der Kindertagespflege betreffen, hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass diese deswegen in mehrfacher Hinsicht zielgerichtet mittelbar in das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG eingreifen, weil die Entscheidung gegen eine Impfung mit nachteiligen Konsequenzen verbunden ist.
49BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 1 BvR 469/20 –, juris, Rn. 73 f.
50Daran fehlt es gemäß § 20 Abs. 9 Satz 9 IfSG im Falle eines – wie hier – schulpflichtigen Kindes, das gemäß § 20 Abs. 9 Satz 9 IfSG gerade auch ohne Nachweis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG in Abweichung von § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 3 betreut werden darf. Einer Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, kann gemäß § 20 Abs. 12 Satz 5 IfSG in Abweichung von § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG auch nicht untersagt werden, die dem Betrieb einer Einrichtung nach § 33 Nr. 3 IfSG dienenden Räume zu betreten.
51Zwar mag der Gesetzgeber auch insoweit eine möglichst vollständige oder zumindest nahezu vollständige Immunisierung der Bevölkerung gegen Masern intendiert haben.
52Dazu mit Blick auf die Betreuung in Kindertageseinrichtungen oder der Kindertagespflege BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 1 BvR 469/20 –, juris, Rn. 75.
53Es fehlt indes gerade an Wirkungen einer Kombination aus der Pflicht zum Nachweis der Masernimpfung und einem Verlust der Möglichkeit der Inanspruchnahme staatlicher Betreuungsangebote,
54dazu mit Blick auf die Betreuung in Kindertageseinrichtungen oder der Kindertagespflege BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 1 BvR 469/20 –, juris, Rn. 76,
55die einer zwangsweisen, gegen den Elternwillen durchgeführten Masernimpfung von Kindern weitgehend äquivalent sind.
56Siehe dazu auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. September 2022 – 1 BvR 336/21 –, juris, Rn. 6: „[…] der Regelungsinhalt der angegriffenen Vorschriften wesentlich verkannt, weil angenommen wird, bei Ausbleiben des Auf- und Nachweises einer Masernimpfung trete ein Betreuungs- und Aufnahmeverbot ein.“
57Auch im Hinblick auf das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht betreffend die Betreuung in Kindertageseinrichtungen oder der Kindertagespflege ausgeführt, dass Eltern nicht daran gehindert würden, auf die Masernschutzimpfung bei ihren Kindern zu verzichten. Allerdings seien mit dieser Disposition über die körperliche Unversehrtheit der Kinder wegen des in § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG angeordneten Betreuungsverbots ebenfalls erhebliche nachteilige Folgen für diese verbunden. Der intendierte Druck auf die Eltern, die Gesundheitssorge für ihre Kinder in bestimmter Weise auszuüben, komme in seiner Wirkung dem unmittelbaren Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gleich.
58BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 1 BvR 469/20 –, juris, Rn. 81.
59Auch daran fehlt es ausgehend von § 20 Abs. 9 Satz 9, Abs. 12 Satz 5 IfSG im Falle einer Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt.
60Ein zielgerichteter mittelbarer Eingriff in das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sowie das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergibt sich auch nicht daraus, dass § 20 Abs. 12 Satz 1, auch in Verbindung mit Absatz 13 IfSG, gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 7a IfSG bußgeldbewehrt ist.
61Siehe dazu auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. September 2022 – 1 BvR 336/21 –, juris, Rn. 6: „[…] nicht wie bei Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 und 2 IfSG durch ein drohendes Betreuungsverbot, sondern durch eine Bußgeldbewehrung zur Vornahme der Masernimpfung veranlasst werden sollen, gehen die Beschwerdeführenden in der Verfassungsbeschwerde selbst nicht ein.“
62Derartigen Regelungen hat das Bundesverfassungsgericht allenfalls dahingehend Bedeutung beigemessen, dass sie den auf den Betroffenen liegende Entscheidungs- und Handlungsdruck erhöhen.
63Zu der vormals gemäß § 20a IfSG bestehenden Pflicht, eine COVID-19-Schutzimpfung nachzuweisen, BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris, Rn. 86, 114.
64Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass Bußgeldvorschriften für sich genommen eine mittelbar faktische Wirkung im Hinblick auf das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sowie das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zukommt, die einem direkten Eingriff als funktionales Äquivalent gleichsteht,
65anders wohl VG Berlin, Beschluss vom 11. September 2023 – 14 L 231/23 –, juris, Rn. 33,
66zumal das Bundesverfassungsgericht Bußgeldtatbestände als eigenständigen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 103 Abs. 2 GG bewertet.
67Ebenfalls mit Blick auf die vormals gemäß § 20a IfSG bestehenden Pflicht, eine COVID-19-Schutzimpfung nachzuweisen, BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris, Rn. 267 ff.
68Entsprechendes gilt nach Auffassung der Kammer, soweit der Gesetzgeber ausweislich der Vorschrift des § 20 Abs. 12 Satz 8 IfSG davon ausgeht, dass Anforderungen im Sinne von § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden können.
69Auch insoweit anders VG Berlin, Beschluss vom 11. September 2023 – 14 L 231/23 –, juris, Rn. 33.
70Es kommt hinzu, dass ohnehin die zuständige Behörde erst über die Ergreifung von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung im Ermessenswege zu entscheiden hat.
71Eingehend dazu BayVGH, Beschluss vom 21. September 2023 – 20 CS 23.1432 –, juris, Rn. 9.
72Soweit die Vorschrift des § 20 Abs. 8, 9, 12 und 13 IfSG im Hinblick auf eine Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, hingegen zumindest in die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG eingreift, ist dieser Grundrechtseingriff ersichtlich verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Bundesverfassungsgericht die betreffenden Regelungen selbst im Falle eines bei Ausbleiben eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG von Gesetzes wegen bestehenden Betreuungsverbots nach § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG aus Gründen des Schutzes von Leben und Gesundheit durch eine Masernerkrankung gefährdeter Personen als verfassungsrechtlich gerechtfertigte Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bewertet hat.
73BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 1 BvR 469/20 –, juris, Rn. 147 ff.
74Nichts anderes kann im Hinblick auf die allgemeine Handlungsfreiheit gelten, wenn das Ausbleiben eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG gemäß § 20 Abs. 9 Satz 9 IfSG gerade kein von Gesetzes wegen geltendes Betreuungsverbot oder auch der Möglichkeit nach § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG impliziert, ein Betretungsverbot anzuordnen. Denn die Intensität der Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit bleibt in diesem Fall ersichtlich hinter derjenigen zurück, die mit einem von Gesetzes wegen geltenden Betreuungsverbot gemäß § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG sowie der Möglichkeit der Anordnung eines Betretungsverbots nach § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG einhergeht und vom Bundesverfassungsgericht gleichwohl nicht zum Anlass einer verfassungsrechtlichen Beanstandung des § 20 Abs. 8, 9, 12 und 13 IfSG genommen wurde.
75Des Weiteren kann mit Blick auf die Vorschrift des § 20 Abs. 9 Satz 9, Abs. 12 Satz 5 IfSG, wonach bei einer Person, die der Schulpflicht unterliegt, ein Betretungsverbot nicht in Betracht kommt, auch nicht etwa eine Ungeeignetheit der Pflicht zur Vorlage eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG einschließlich der Ermächtigung des § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG zur Anforderung eines entsprechenden Nachweises behauptet werden. Denn jedenfalls bildet eine Anforderung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG die Grundlage für weitere Maßnahmen im gestuften Regelungssystems des § 20 Abs. 12 IfSG,
76siehe dazu auch Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 20, Rn. 112,
77und den Anknüpfungspunkt für ein etwaiges Bußgeldverfahren auf der Grundlage von § 73 Abs. 1a Nr. 7d IfSG.
78Selbst wenn auch in Ansehung der Vorschrift des § 20 Abs. 9 Satz 9, Abs. 12 Satz 5 IfSG schließlich ein zielgerichteter mittelbarer Eingriff in das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sowie das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auch im Falle einer Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, deswegen anzunehmen sein sollte, weil die Regelungen des § 20 Abs. 9 Satz 9, Abs. 12 Satz 5 IfSG nicht auch für Betreuungsangebote gelten, die von der gesetzlichen Schulpflicht nicht umfasst sind,
79siehe dazu BT-Drs: 19/15164, S. 56: „Eine Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, kann in Abweichung von [§ 20 Abs. 9] Satz 6 [IfSG] in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 […] [Nr.] 3 [IfSG] betreut werden […]. Durch die Umformulierung soll klargestellt werden, dass schulpflichtige Personen, die keinen Nachweis nach [§ 29 Abs. 9] Satz 1 [IfSG] erbringen, zwar in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 […] [Nr.] 3 [IfSG] zur Betreuung aufgenommen werden können, diesen Personen aber Tätigkeiten (die nicht der Schulpflicht unterfallen) nicht übertragen werden dürfen und auch eine Aufnahme in anderen Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 […] [Nr.] 1 und 2 [IfSG] nicht möglich sein soll.“; ferner auch BayVGH, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 20 CS 23.1910 –, juris, Rn. 32,
80und sich die Bindungswirkung der Feststellung der Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs. 8, 9, 12 und 13 IfSG durch das Bundesverfassungsgericht gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG hierauf nicht erstrecken sollte, bestünden jedenfalls im Hinblick auf die Tochter des Antragstellers ebenso wenig Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift.
81Allgemein dazu auch VG Minden, Beschluss vom 6. November 2023 – 7 L 883/23 –, juris, Rn. 38; VG Berlin, Beschluss vom 11. September 2023 – 14 L 231/23 –, juris, Rn. 37, 49; VG München, Beschluss vom 20. Juli 2023 – M 26b S 23.564 –, juris, Rn. 35.
82Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf das gemäß § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG von Gesetzes wegen bestehende Betreuungsverbot in Kindertageseinrichtungen oder der Kindertagespflege nicht auch dann gelten, wenn ein solches Betreuungsverbot eine Person betrifft, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, das Betreuungsangebot aber außerhalb dieser Schulpflicht liegt. Insbesondere ist nämlich nicht erkennbar, dass im Falle der Tochter der Antragstellerin insoweit von einer höheren Eingriffsintensität auszugehen wäre als im Falle eines bei Nichtvorlage eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG von Gesetzes wegen bestehenden Betreuungsverbots in Kindertageseinrichtungen oder der Kindertagespflege.
83Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung in Ziffer 1 der angefochtenen Verfügung der Antragsgegnerin bestehen nicht. Insbesondere ist die Antragstellerin mit Schreiben vom 31.05.2023 (Bl. 12 ff. BA) angehört worden.
84Die Verfügung ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG liegen vor.
85Eine Aufforderung zur Vorlage eines Nachweises nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG setzt nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG voraus, dass Personen in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden. Dies trifft auf die Tochter der Antragstellerin zu, da diese eine Schule im Sinne des § 33 Nr. 3 IfSG besucht. Insoweit ist die Tochter gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG zur Vorlage eines Nachweises im dortigen Sinne verpflichtet. Die Antragstellerin selbst und der Kindesvater haben gemäß § 20 Abs. 13 IfSG für die Einhaltung dieser Verpflichtung zu sorgen, da ihre Tochter minderjährig ist und ihnen die Sorge für ihre Tochter zusteht. Die Antragstellerin hat auch keinen Nachweis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG in Gestalt eines ärztlichen Zeugnisses im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 2. Alt. IfSG darüber vorgelegt, dass ihre Tochter aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann.
86Ein ärztliches Zeugnis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 2. Alt. IfSG muss wenigstens solche Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzen, das ärztliche Zeugnis auf seine Plausibilität hin zu überprüfen.
87Zusammenfassend nur BayVGH, Beschluss vom 7. Juli 2021 – 25 CS 21.1651 –, juris, Rn. 14; eingehend ferner VG Berlin, Beschluss vom 18. Dezember 2023 – 14 L 99.23 –, juris, Rn. 33.
88Diesen Anforderungen wird die im Januar 2023 vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 07.12.2022 nicht gerecht. Sie ermöglicht dem Gesundheitsamt keine Plausibilitätsprüfung. In der Bescheinigung ist lediglich die Rede von einer Häufung von Autoimmunerkrankungen und von multiplen Allergien in der Familie. Es fehlt an einer Mitteilung dazu, inwiefern sich aus diesen Umständen eine Kontraindikation ableiten ließe und die Bescheinigung enthält keinerlei nachvollziehbare, auf die Tochter der Antragstellerin bezogene Ausführungen.
89§ 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG räumt der zuständigen Behörde schließlich sowohl ein Entschließungs- als auch ein Auswahlermessen ein. Bei der Ermessensausübung ist in besonderem Maße der durch die Vorlage bezweckte Schutz der Gesundheit vor einer Maserninfektion zu beachten.
90Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 20 Rn. 119.
91Gemessen daran sind in Ansehung der Begründung der an die Antragstellerin gerichteten Anforderung eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG Ermessensfehler nicht ersichtlich. Da die gesetzlichen Regelungen betreffend die Vorlage eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG nicht auf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken stoßen, greift insbesondere auch eine diese gesetzliche Pflicht lediglich konkretisierende Anordnung nicht unverhältnismäßig in die Rechte der Antragstellerin ein.
92Allgemein dazu auch VG Minden, Beschluss vom 6. November 2023 – 7 L 882/23 –, juris, Rn. 66.
93Des Weiteren könnte die Antragstellerin auch nicht etwa geltend machen, dass in ihrem Falle lediglich Maßnahmen im Sinne von § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG ergriffen werden können. Bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, so kann danach das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen Masern geimpft werden kann. In Ermangelung der Vorlage eines auf Plausibilität hin überprüfbaren ärztlichen Zeugnisses ist ein Vorgehen nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG indes keinesfalls ausgeschlossen.
94Nach alledem stößt die Anforderung eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG gemäß Ziffer 1 der streitgegenständlichen Verfügung nicht auf durchgreifende rechtliche Bedenken.
95Gleiches gilt für die Zwangsgeldandrohung gemäß Ziffer 2 der streitgegenständlichen Verfügung.
96Ermächtigungsgrundlage der Zwangsgeldandrohung sind §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, 60, 63 VwVG. Nach § 55 Abs. 1 VwVG kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit den in § 57 Abs. 1 VwVG genannten Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Zwangsmittel sind nach Maßgabe der §§ 63, 69 VwVG anzudrohen, § 57 Abs. 2 VwVG.
97Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit bestehen nicht. Insbesondere ist das Zwangsmittel entsprechend § 63 Abs. 1 Satz 1 VwZG schriftlich angedroht worden. Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 VwVG NRW ist dem Betroffenen in der Androhung zur Erfüllung der Verpflichtung zudem eine angemessene Frist zu bestimmen.
98Vgl. insbesondere BayVGH, Beschluss vom 22. Januar 2024 – 20 CS 23.2238 –, juris, Rn. 13 f.
99Die in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung festgesetzte Frist zur Vorlage eines Nachweises über den ausreichenden Impfschutz gegen Masern oder die Immunität gegen Masern oder die Kontraindikation einer Masernschutzimpfung innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides ist angemessen. Zwar weist die Antragstellerin zutreffend darauf hin, dass ein vollständiger Impfschutz nach § 20 Abs. 8 Satz 2 IfSG mindestens zwei Schutzimpfungen voraussetzt, zwischen denen ein Abstand von wenigstens vier Wochen liegen muss.
100Vgl. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2023, EpidBull 4/2023 S. 20.
101Die Pflicht zur Vorlage eines Nachweises nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG besteht aber kraft Gesetzes bereits seit Beginn des Schulbesuchs. Auch hatte die Antragsgegnerin die Antragstellerin bereits im Januar 2023 um die Vorlage eines Nachweises gebeten. Da die Antragstellerin im Verwaltungsverfahren aber geltend machte, die Tochter könne aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden, konnte hier die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass die Tochter auch nicht geimpft werden würde. Dann brauchte sie der Antragstellerin also auch keine Frist einzuräumen, die die Vornahme zweier Schutzimpfung unter Berücksichtigung organisatorischer Gegebenheiten und Verzögerungen erlaubt.
102Das Zwangsmittel ist auch mit der sofortvollziehbaren Grundverfügung verbunden (§ 63 Abs. 2 Satz 2 VwZG) und ordnungsgemäß zugestellt worden (§ 63 Abs. 6 Satz 1 VwGO). Der Antragstellerin ist zudem ein bestimmtes Zwangsmittel, nämlich ein Zwangsgeld in bestimmter Höhe, entsprechend den Vorgaben des § 63 Abs. 3, 5 VwVG angedroht worden.
103Auch in materieller Hinsicht liegen die Voraussetzungen für eine Zwangsmittelanwendung vor, da die auf eine Handlung gerichtete Vorlageverpflichtung – wie gezeigt – sofort vollziehbar ist. In Ansehung der Regelung des § 60 Abs. 1 VwVG ist auch die Höhe des Zwangsgeldes nicht zu beanstanden.
104Schließlich sind auch Ermessensfehler nicht ersichtlich.
105Die Antragstellerin kann sich im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung zunächst nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in ihrem Falle Maßnahmen im Sinne von § 20 Abs. 12 Satz 3 IfSG einer Zwangsgeldandrohung vorzugehen haben.
106Siehe allgemein dazu auch VG Minden, Beschluss vom 6. November 2023 – 7 L 883/23 –, juris, Rn. 74.
107Zum einen tritt nach der gesetzlichen Konstruktion diese Ermächtigung aber neben die Durchsetzung der Anordnung mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung.
108Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.08.2024 - 13 B 1280/23 -, juris Rn. 17.
109Zum anderen hat die Antragstellerin jedenfalls in der Klageschrift angegeben, dass sie eine Impfung „kategorisch“ ablehne; demnach spricht nichts für die Annahme, dass eine ärztliche Beratung in ihrem Fall eine Verhaltensänderung herbeiführen würde.
110Des Weiteren verstößt die Zwangsmittelandrohung auch nicht gegen höherrangiges Recht.
111Der Gesetzgeber ist ausweislich der Vorschrift des § 20 Abs. 12 Satz 8 IfSG erklärtermaßen davon ausgegangen, dass (auch) eine Anforderung im Sinne des § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG der Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwangs zugänglich ist.
112Siehe auch BT-Drs. 19/13452, S. 30: „Bei der Vorlagepflicht an das Gesundheitsamt handelt es sich um eine durch Verwaltungsvollstreckungsrecht und insbesondere mit Zwangsgeld durchsetzbare Pflicht.“
113Die Zwangsgeldandrohung läuft demgemäß zunächst nicht dem Regelungskonzept des Gesetzgebers,
114siehe BT-Drs. 19/13452, S. 27,
115zuwider, keine Impflicht im Sinne einer durch unmittelbaren Zwang durchsetzbaren Pflicht anordnen zu wollen.
116Ausdrücklich schon VG Ansbach Beschuss vom 21. Februar 2023 – AN 18 S 22.2541 –, BeckRS 2023, 8348, Rn. 20: „geht es […] in erster Linie nicht um die zwangsweise Durchsetzung einer Impfpflicht, sondern um die Durchsetzung einer Nachweispflicht“; dazu auch VG Minden, Beschluss vom 6. November 2023 – 7 L 883/23 –, juris, Rn. 54; VG Berlin, Beschluss vom 11. September 2023 – 14 L 231/23 –, juris, Rn. 81; VG Bayreuth, Beschluss vom 14. November 2022 – B 7 S 22.1038 –, juris, Rn. 47; im Ergebnis ebenfalls BayVGH, Beschluss vom 21. September 2023 – 20 CS 23.1432 –, juris, Rn. 5: „Die Anwendung von Verwaltungszwang in Form von Zwangsgeld darf daher bei schulpflichtigen Kindern nicht zu einer faktischen Impfpflicht führen.“; dazu zuletzt auch BayVGH, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 20 CS 23.1910 –, juris, Rn. 14.
117Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass das Gesetz über den Erlass eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots hinausgehende Konsequenzen für den Fall der Nichterfüllung einer Vorlageverpflichtung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG nicht vorsehe. Soweit vertreten wird, dass die Androhung eines Zwangsgeldes die Entscheidungssystematik des § 20 Abs. 12 IfSG nicht beachtet und ein Ermessenfehler deswegen anzunehmen ist, weil eine Behörde, die eine Vorlageverpflichtung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG mit der Androhung eines Zwangsgeldes durchzusetzen versucht, das ihr im Hinblick auf die Androhung von Zwangsmitteln eingeräumte Ermessen in einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Weise ausübt,
118BayVGH, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 20 CS 23.1910 –, juris, Rn. 21 ff.; mit Blick auf eine Person, die ausschließlich nicht will, dass ihr Kind geimpft wird, dazu auch schon VG Regensburg Beschluss vom 20. Dezember 2023 – RN 5 S 23.2196 –, juris, Rn. 36,
119folgt das Gericht dem nicht. Denn der Gesetzgeber hat – wie gezeigt – ausdrücklich klargestellt, dass es sich beim Bestehen eines ausreichenden Impfschutzes oder einer anderweitig erworbenen Immunität gegen Masern „nicht um eine durch unmittelbaren Zwang durchsetzbare Pflicht“ handelt; vielmehr ergäben sich „die Konsequenzen eines nicht ausreichenden Impfschutzes beziehungsweise einer nicht ausreichenden Immunität […] aus den Folgeabsätzen“.
120BT-Drs. 19/13452 S. 27.
121Zwar mag der Gesetzgeber insoweit davon ausgegangen sein, dass die Durchsetzung des grundsätzlichen Erfordernisses eines ausreichenden Impfschutzes oder einer anderweitigen Immunität gegen Masern für bestimmte Personengruppen aus § 20 Abs. 8 IfSG nur nach Maßgabe der Regelungen des § 20 Abs. 9 ff. IfSG erfolgen soll.
122So BayVGH, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 20 CS 23.1910 –, juris, Rn. 29.
123Daraus folgt indes nicht, dass dann, wenn innerhalb einer angemessenen Pflicht trotz einer vollziehbaren behördlichen Anforderung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG kein Nachweis vorgelegt wird, allein der Erlass eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots nach § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG die gesetzlich vorgesehene Konsequenz ist, parallel dazu eine Vollstreckung der Nachweisvorlagepflicht mittels Zwangsgeld grundsätzlich nicht in Betracht kommt und demgemäß auch in Fällen des § 20 Abs. 9 Satz 9, Abs. 12 Satz 5 IfSG der vom Gesetzgeber belassene Freiheitsraum für den Verzicht auf eine Impfung nicht im Einzelfall dadurch geschlossen werden darf, dass im Wege einer Zwangsvollstreckung der Nachweisevorlagepflicht aus § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG im Ergebnis mittelbar die Durchführung der Impfung behördlicherseits durchgesetzt wird.
124So aber BayVGH, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 20 CS 23.1910 –, juris, Rn. 29.
125Denn ausweislich der Regelung des § 20 Abs. 12 Satz 8 IfSG ging der Gesetzgeber erklärtermaßen davon aus, dass eine Anforderung gemäß § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG einer Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwangs zugänglich ist.
126Siehe nochmals BT-Drs. 19/13452, S. 30.
127Selbst wenn der Erlass eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots nach § 20 Abs. 12 Satz 4 IfSG im Regelfall die gesetzlich vorgesehene Konsequenz der Nichtbefolgung einer Anordnung gemäß § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG ist und parallel dazu eine Vollstreckung der Nachweisvorlagepflicht mittels Zwangsgeld grundsätzlich nicht in Betracht kommt, hat in Fällen des § 20 Abs. 9 Satz 9, Abs. 12 Satz 5 IfSG etwas anderes zu gelten. Denn anderenfalls liefe die Regelung des § 20 Abs. 12 Satz 8 IfSG betreffend das Verwaltungszwangsverfahren weitgehend leer.
128Dazu auch BayVGH, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 20 CS 23.1910 –, juris, Rn. 31: „In welchen Konstellationen danach noch Raum für eine selbständige Durchsetzbarkeit der vom Gesetzgeber ausdrücklich als mit den Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchsetzbar angesehene […] Vorlagepflicht verbleibt, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung.“
129Es ist auch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber im Anwendungsbereich des § 20 Abs. 12 Satz 8 IfSG eine Differenzierung zwischen Fällen beabsichtigte, in denen eine Anforderung gemäß § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG entweder eine Impfdokumentation im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 IfSG oder ein ärztliches Zeugnis im Sinne des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG darüber betrifft, dass eine Immunität gegen Masern vorliegt oder aufgrund einer medizinischen Kontraindikation eine Impfung nicht möglich ist. Auch ist eine solche Differenzierung aus grundrechtlichen Gründen nicht geboten.
130Denn die mit einer Aufforderung zur Vorlage eines Nachweises namentlich nach § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 IfSG jedenfalls in Fällen der Verbindung mit der Androhung von Maßnahmen des Verwaltungszwanges einhergehende mittelbare Impfverpflichtung,
131bereits insoweit anders auch Aligbe, in: BeckOK InfSchR, IfSG (2023), § 20, Rn. 259b: „Die Aufforderung zur Vorlage eines Nachweises […] verbunden mit der Androhung von Maßnahmen des Verwaltungszwanges kommt aber einer unmittelbaren Impfpflicht gleich.“,
132verstößt nicht gegen das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sowie das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
133Allgemein zur Zulässigkeit von Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 20, Rn. 124; Gebhard, in: Kießling (Hrsg.), IfSG, 3. Aufl. 2022, § 20, Rn. 61; Sangs, in: Sangs/Eibenstein (Hrsg.), IfSG, 2022, § 20, Rn. 159; Handorn, in: Spickhoff (Hrsg.), IfSG, 4. Aufl. 2022, § 20, Rn. 22; a. A. Aligbe, in: BeckOK InfSchR, IfSG (2023), § 20, Rn. 259b; ebenso wohl BayVGH, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 20 CS 23.1910 –, juris, Rn. 29.
134Selbst wenn eine Zwangsgeldandrohung ein der zwangsweisen, gegen den Elternwillen durchgeführten Masernimpfung von Kindern weitgehendes Äquivalent darstellen sollte, folgte dessen verfassungsrechtliche Rechtfertigung nämlich daraus, dass das Bundesverfassungsgericht ein derartiges, durch bei einem Ausbleiben des Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG gemäß § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG von Gesetzes wegen geltendes Betreuungsverbot in Kindertageseinrichtungen oder der Kindertagespflege im Hinblick auf den Schutz von Leben und Gesundheit durch eine Masernerkrankung gefährdeter Personen als verfassungsrechtlich gerechtfertigte Eingriffe in die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG bewertet hat.
135Nochmals BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 1 BvR 469/20 –, juris, Rn. 147 ff.
136Dafür, dass die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts nicht auch für die Anordnung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung einer Anforderung gemäß § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG zu gelten haben, ist (ebenfalls) nichts ersichtlich.
137Siehe dazu ausführlich auch VG Minden, Beschluss vom 6. November 2023 – 7 L 883/23 –, juris, Rn. 54, 74; VG Berlin, Beschluss vom 11. September 2023 – 14 L 231/23 –, juris, Rn. 49.
138Denn (auch) eine Zwangsgeldandrohung bleibt bereits in ihren Rechtswirkungen hinter einem von Gesetzes wegen bestehenden Betreuungsverbot nach § 20 Abs. 9 Satz 6 IfSG zurück. Dem könnte der Antragsteller auch nicht entgegenhalten, dass die Androhung eines Zwangsgeldes namentlich die für eine Person, die einer gesetzlichen Schulpflicht unterliegt, geltenden Regelungen des § 20 Abs. 9 Satz 9, Abs. 12 Satz 5 IfSG entwertet. Denn im Falle des Antragstellers kann die Pflicht zur Vorlage eines Nachweises im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG nicht nur durch die Vorlage des Nachweises einer bereits erfolgten Impfung sondern auch durch anderweitige Nachweise erfolgen.
139Allgemein dazu auch VG Ansbach, Beschluss vom 21.2.2023 – AN 18 S 22.2541 –, BeckRS 2023, 8348, Rn. 20; siehe allerdings auch BayVGH, Beschluss vom 15. Januar 2024 – 20 CS 23.1910 –, juris, Rn. 30.
140Hinzukommt, dass das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die vormals gemäß § 20a IfSG bestehende Pflicht, eine COVID-19-Schutzimpfung nachzuweisen, gerade auch berufliche Nachteile für verfassungsrechtlich hinnehmbar erklärt hat. Selbst der Umstand, dass Betroffenen infolge der Anordnung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots bei fehlendem Nachweis einer entsprechenden Schutzimpfung der Zugang zu ihrem Beruf versperrt werden konnte, musste hinter den besonders gewichtigen Belang des Schutzes vulnerabler Personen vor einer schwerwiegenden oder sogar tödlich verlaufenden COVID-19-Erkrankung zurücktreten.
141BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris, Rn. 263.
142Entsprechendes hat daher erkennbar für eine Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung einer Anforderung gemäß § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG zu gelten, die trotz der mit der Androhung oder Anwendung von Verwaltungszwang stets intendierten Beugung des Pflichtigen allein finanzielle Interessen betrifft. Dies gilt jedenfalls auch vor dem Hintergrund, dass mit Blick auf die seinerzeit bestehenden Unwägbarkeiten der wissenschaftlichen Erkenntnislage, die Möglichkeiten des Gesetzgebers durchaus begrenzt waren, sich ein hinreichend sicheres Bild in Bezug auf die Gefahrenlage zu machen, deren Beseitigung der legitime Zweck der Regelungen war.
143BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022 – 1 BvR 2649/21 –, juris, Rn. 150 ff.
144Dagegen sind die Masern seit Jahrhunderten bekannt, ihre Kontagiosität und Auswirkungen auf die Gesundheit umfassend erforscht. Impfstoffe stehen seit 1963 zur Verfügung.
145Vgl. insbesondere die Stellungahme des Deutschen Ethikrates, Impfen als Pflicht (2019), S. 13 -20.
146Der Gesetzgeber vermag also die Gefahrenlage für Leib und Leben im Zusammenhang mit den Masern auf einer ungleich sichereren Grundlage zu beurteilen.
147Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
148Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
149Rechtsmittelbelehrung
150Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
151Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
152Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
153Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
154Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
155Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
156Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
157Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
158Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.