Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der sinngemäße Antrag,
3dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Spitzenkandidaten der Antragstellerin für die Europawahl 2024, R. zu der Sendung „Wahlarena 2024 Europa“ am 6. Juni 2024 einzuladen und an der dortigen Diskussion mit dem Studiopublikum teilnehmen zu lassen,
4hilfsweise dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, über den auf Einladung und Teilnahme eines Vertreters der Antragstellerin an der Sendung „Wahlarena 2024 Europa“ gerichteten Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,
5weiter hilfsweise nach freiem Ermessen des Gerichts die Anordnungen zur Erreichung des Rechtsschutzziels der Antragstellerin – wenigstens teilweise Wahrung bzw. Wiederherstellung der Chancengleichheit im Ersten Programm (ARD) – zu treffen,
6hat keinen Erfolg.
7Der zulässige Antrag ist unbegründet.
8Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des zugrunde liegenden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Geht es wie hier nicht um eine nur vorläufige Maßnahme, sondern um eine endgültige Entscheidung, die die Hauptsache vorwegnimmt, ist dies im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist und das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Mai 2023 – 15 B 548/22 –, juris, Rn. 3 f. m. w. N.
10Ausgehend von diesen Voraussetzungen kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht.
11Soweit die Antragstellerin mit ihrem Haupantrag begehrt, dass ihr Spitzenkandidat für die Europawahl 2024 zu der streitgegenständlichen Sendung eingeladen wird und an der dortigen Diskussion mit dem Studiopublikum teilnehmen darf, hat sie einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
12Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 21 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG. Denn aus dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Gebot der abgestuften Chancengleichheit politischer Parteien, das seine Grundlage in Art. 21 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG findet, ergibt sich zwar jedenfalls ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gegenüber dem Antragsgegner. Dieser Anspruch ist hier allerdings erfüllt. Denn der Antragsgegner, der sich seinerseits auf die Rundfunkfreiheit berufen kann, hat den Antrag der Antragstellerin ermessensfehlerfrei abgelehnt.
13Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei redaktionell gestalteten Sendungen vor Wahlen das Recht der Bewerber auf gleiche Chancen im Wettbewerb um die Wählerstimmen zu beachten. Sie sind verpflichtet, jeder Partei grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten im Wahlkampf und im Wahlverfahren offen zu halten. Das Recht auf Chancengleichheit der Antragstellerin steht allerdings im Widerstreit mit dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit des Antragsgegners. Der Schutz der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist für das gesamte öffentliche, politische und verfassungsrechtliche Leben von fundamentaler Bedeutung. Sie schützt danach auch das Recht der Rundfunkanstalt, die Teilnehmer an einer redaktionell gestalteten Fernsehdiskussion nach Ermessen selbst zu bestimmen.
14Zwischen den sich gegenüberstehenden Rechten ist ein Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz herbeizuführen. Sie sind in der Weise einander zuzuordnen, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Auswahl des Teilnehmerkreises auch bei redaktionellen Sendungen über das Willkürverbot hinaus, zusätzlich Beschränkungen durch das sog. Prinzip der abgestuften Chancengleichheit unterliegen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben danach die Parteien auch in redaktionellen Sendungen vor Wahlen entsprechend ihrer Bedeutung zu berücksichtigen.
15Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn zwischen einer redaktionellen Wahlsendung und dem korrespondierenden Wahltermin – wie vorliegend – nur wenige Tage liegen. Zwar gebietet der Grundsatz der Chancengleichheit, je enger in zeitlicher Hinsicht die Beziehung der betreffenden Sendung zu der bevorstehenden Wahl und je größer ihr publizistisches Gewicht ist, eine Einschränkung des Ermessens der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Gestaltung der konkreten Sendung und der Auswahl des Teilnehmerkreises. Der Grundsatz der Chancengleichheit ist bei der Bestimmung des Teilnehmerkreises einer konkreten redaktionellen Wahlsendung aber auch in diesen Fällen gewahrt, wenn das Konzept der Sendung seinerseits nicht unter dem Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit zu beanstanden ist und wenn eine Partei im Falle ihrer Nichtberücksichtigung nach diesem Konzept im Gesamtprogramm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten insgesamt entsprechend ihrer Bedeutung angemessen berücksichtigt wird.
16Vgl. zum gesamten Vorstehenden OVG NRW, Beschlüsse vom 30. April 2012 – 13 B 528/12 –, juris, Rn. 8 ff., und vom 15. August 2002 – 8 B 1444/02 –, juris, Rn. 22 ff.; OVG Saarland, Beschluss vom 13. März 2017 – 2 B 340/17 –, juris, Rn. 16; VerfGH Saarland, Beschluss vom 16. März 2017 – Lv 3/17, juris, Rn. 24 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Mai 2003 – 1 B 201/03 –, juris, Rn. 6 ff.; VGH BW, Beschluss vom 16. Oktober 1996 – 10 S 2866/96 –, juris, Rn. 14 ff.; VG Köln, Beschlüsse vom 26. April 2012 – 6 L 502/12 –, juris, Rn. 12 ff., vom 13. September 2005 – 6 L 1479/05 –, juris, Rn. 12 ff., und vom 19. Juli 2002 – 6 L 1634/02 –, juris, Rn. 14 f., 51 ff.
17Gemessen an diesen Maßstäben ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner zwar jeweils einen Vertreter von AfD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU, CSU, FDP, Die Linke und SPD, aber nicht den Spitzenkandidaten der Antragstellerin für die Europawahl 2024 zu der Sendung „Wahlarena 2024 Europa“ eingeladen hat. Die Bestimmung und Begrenzung des Teilnehmerkreises beruht auf einem schlüssigen journalistischen Konzept, das mit dem Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit im Einklang steht.
18Der Antragsgegner hat mittels eidesstattlicher Versicherung des für die streitgegenständliche Sendung verantwortlichen Redakteurs glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass für die Gästeauswahl insbesondere zwei Aspekte maßgeblich seien. Zum einen seien lediglich Politiker eingeladen, die Parteien angehörten, die bereits in der Wahlperiode 2019 bis 2024 mit Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten gewesen seien. Dieses Kriterium finde deshalb Anwendung, weil die Moderatoren nach dem vorgesehenen journalistischen Konzept innerhalb der Sendung u. a. auch die Errungenschaften und Versäumnisse der Parteien in der vergangenen Legislaturperiode in den Blick nehmen würden, um „Rechenschaft“ der jeweiligen Vertreter zu verlangen. Zum anderen sei eine Begrenzung der Teilnehmerzahl erforderlich, damit noch eine für das Fernsehpublikum informationsgewinnende, verarbeitbare und lebendige Diskussion erfolgen könne. Es sei zu berücksichtigen, dass Gesprächsendungen – zumal dann, wenn sie wie die streitgegenständliche Sendung als interaktives „Town Hall“‑Format konzipiert seien – zwangsläufig eine gewisse Begrenzung der Teilnehmerzahl mit sich brächten. Schließlich sei bei einer zu großen Teilnehmerzahl eine geordnete Gesprächsführung durch die Moderation nicht mehr möglich.
19Dass der Antragsgegner sich auf Grundlage dieser – aus Sicht der Kammer jedenfalls plausiblen Erwägungen – für den redaktionellen Ansatz entschieden hat, nur Vertreter derjenigen Parteien zu beteiligen, die bislang schon in relevanter Größe im Europäischen Parlament vertreten waren und darüber hinaus in Deutschland auch bereits über ein gewisses politisches Gewicht verfügen, begegnet im hier zu beurteilenden Einzelfall im Ausgangspunkt mit Blick auf den Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit keinen durchgreifenden Bedenken. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass es nach diesem Grundsatz geboten ist, Parteien in redaktionellen Sendungen vor Wahlen entsprechend ihrer Bedeutung zu berücksichtigen, und dass hinsichtlich der Bedeutung einer Partei vor allem auf das letzte Wahlergebnis – insbesondere gleichartiger Wahlen – abzustellen ist.
20Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. April 2012 – 13 B 528/12 –, juris, Rn. 18, und vom 15. August 2002 – 8 B 1444/02 –, juris, Rn. 53; OVG M‑V, Beschluss vom 6. September 2006 – 2 M 131/06 –, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1962 – 2 BvR 158/62 –, juris, Rn. 45; Ipsen, in: ders., PartG, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 40 m. w. N.
21Dass der Antragsgegner durch die konzeptionelle Eingrenzung auf bereits im Europaparlament vertretene Parteien solche Parteien ausschließt, die – wie die Antragstellerin – erstmals an der betreffenden Wahl teilnehmen, erweist sich hier noch nicht als rechtswidrig. Denn aufgrund des für die Europawahl 2024 in Deutschland geltenden Wahlsystems ohne Sperrklausel können sich voraussichtlich mindestens 10, vermutlich sogar mehr Parteien realistische Hoffnungen auf einen Einzug ins Europaparlament machen. Eine daran ausgerichtete Besetzung der Sendung wäre – worauf der Antragsgegner aus Sicht der Kammer zu Recht hinweist – kaum geeignet, den Zuschauern in der begrenzten Zeit möglichst viele wahlrelevante Informationen zu vermitteln, ohne auszuufern. Die in redaktioneller Freiheit getroffene Entscheidung des Antragsgegners, die Teilnehmenden auch danach auszusuchen, ob sie „Rechenschaft“ über die Leistungen ihrer Partei im Europaparlament ablegen und insbesondere zur Umsetzung früherer Wahlversprechen Stellung nehmen können, ist daher als eines der Kriterien zur gebotenen Begrenzung des Teilnehmerfeldes nicht zu beanstanden. Würde die Antragstellerin mit den eingeladenen, bisher im Europaparlament vertretenen Parteien an der Sendung teilnehmen, müsste sie nicht befürchten, dass die Glaubhaftigkeit ihrer Wahlaussagen durch die Konfrontation mit nicht erfüllten Versprechen aus dem vorherigen Europawahlkampf beeinträchtigt werden könnte. Die Kammer sieht diesen auf die ablaufende Wahlperiode zurückblickenden Ansatz – anders als die Antragstellerin – auch nicht als untauglich an, den Zuschauern wahlrelevante Informationen zu vermitteln. Auch wenn der Rückblick nach dem offen gelegten Konzept der Sendung nicht der einzige Sendungsinhalt sein wird, vermag die Kammer zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erkennen, dass dieser Aspekt nur eine so untergeordnete Rolle spielen wird, dass eine auch hierauf gestützte Begrenzung der Teilnehmerzahl mit dem Recht der ausgeschlossenen Parteien auf Chancengleichheit nicht zu vereinbaren wäre.
22Kritisch zum retrospektiven Konzept allerdings OVG Bremen, Beschluss vom 20. Mai 2003 – 1 B 201/03 –, juris, Rn. 16 ff.
23Der Antragsgegner war auch nicht gehalten, von seinem redaktionellen Konzept abzurücken und einen Vertreter der Antragstellerin wegen ihrer Bedeutung zur Sendung einzuladen. Denn es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Antragstellerin ihrer Bedeutung nach aktuell für noch nicht mit den übrigen teilnehmenden Parteien vergleichbar hält. Dies gilt auch in Bezug auf die Parteien FDP und Die Linke, deren Einladung die Antragstellerin vor dem Hintergrund ihrer Nichteinladung in besonderer Weise als gleichheitswidrig moniert.
24In dieser Hinsicht ist wiederum einzustellen, dass die Bedeutung von Parteien sich zuvörderst nach dem Ergebnis der letzten gleichartigen Wahl bemisst und darüber hinaus vor allem objektiv überprüfbare Kriterien, wie die Zeitdauer ihres Bestehens, ihre Kontinuität, ihre Mitgliederzahl, der Umfang und Ausbau ihres Organisationsnetzes, ihre Vertretung in den Parlamenten und ihre Beteiligung an der Regierung in Bund oder Ländern, anzulegen sind.
25Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Mai 1962 – 2 BvR 158/62 –, juris, Rn. 46; OVG M‑V, Beschluss vom 6. September 2006 – 2 M 131/06 –, juris, Rn. 4; Ipsen, in: ders., PartG, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 42.
26Ferner können hinsichtlich der Bewertung der Bedeutung einer Partei auch valide Wahlprognosen ein weiteres Kriterium darstellen,
27vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. April 2012 – 13 B 528/12 –, juris, Rn. 18, und vom 15. August 2002 – 8 B 1444/02 –, juris, Rn. 53; OVG Saarland, Beschluss vom 13. März 2017 – 2 B 340/17 –, juris, Rn. 17; OVG M‑V, Beschluss vom 6. September 2006 – 2 M 131/06 –, juris, Rn. 9,
28wobei aber wohl Überwiegendes dafür spricht, Wahlprognosen wegen der ihnen zwangsläufig anhaftenden Volatilität und ihrer mangelnden Verfestigung sowie Kontinuität nicht als alleiniges Kriterium heranzuziehen.
29Vgl. VerfGH Saarland, Beschluss vom 16. März 2017 – Lv 3/17 –, juris, Rn. 29; Sächs. OVG, Beschluss vom 1. März 2011 – 5 B 43/11 –, juris, Rn. 2; Wahlprognosen als Kriterium der Bedeutungsermittlung von Parteien gänzlich ablehnend Ipsen, in: ders., PartG, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 43. Kritisch hierzu auch Streinz, in: Huber/Voßkuhle, GG, 8 Aufl. 2024, Art. 21 Rn. 128 m. w. N.
30In Anwendung dieser Grundsätze steht die Antragstellerin ihrer Bedeutung nach sowohl hinter der FDP als auch hinter der Partei Die Linke zurück. Dies folgt insbesondere daraus, dass bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament 5,4 % der in Deutschland abgegebenen Stimmen auf die FDP und 5,5 % auf Die Linke entfielen, während die Antragstellerin erst seit Januar 2024 als Partei existiert und mithin an der vorangegangenen Wahl zum Europäischen Parlament nicht teilgenommen hat.
31Hinzukommt, dass die FDP seit 1948 und Die Linke seit 2007 als Parteien bestehen, seitdem kontinuierlich auf Kommunal‑, Landes-, Bundes- und Europaebene an Wahlen teilnehmen, in Fraktions‑ bzw. Gruppenstärke im Bundestag sowie in einer Vielzahl von Landesparlamenten in Fraktionsstärke vertreten und zudem jeweils an mehreren Landesregierungen beteiligt sind. Eine im Vergleich zur Antragstellerin größere Bedeutung wird überdies auch daran erkennbar, dass Die Linke im Bundesland Thüringen derzeit den Ministerpräsidenten stellt und die FDP Teil der aktuellen Bundesregierung ist.
32Bei summarischer Würdigung der vorgenannten Kriterien vermag die Kammer daher derzeit eine mit der FDP und der Partei Die Linke vergleichbare Bedeutung der Antragstellerin nicht festzustellen. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass der Antragstellerin in diversen Wahlprognosen zur Europawahl und auch zu anderen Wahlen aussichtsreiche Wahlchancen attestiert werden, die sich im Moment z. T. besser darstellen als jene von FDP und Die Linke. Eine im Vergleich zu den beiden vorgenannten Parteien überragende oder auch nur gleichwertige Bedeutung kann allein daraus aber nicht abgeleitet werden. Schließlich handelt es sich bei der Antragstellerin um eine Partei, die erst seit Januar 2024 besteht, laut eigener Auskunft derzeit nur ca. 600 Mitglieder hat, lediglich über zehn Abgeordnete im Bundestag und insgesamt nur drei Abgeordnete in sämtlichen deutschen Landesparlamenten verfügt und bisher nicht an überregionalen Wahlen teilgenommen hat. Der Verweis auf eine die aktuelle Mitgliederzahl deutlich übersteigende Anzahl von (unbearbeiteten) Mitgliedsanträgen und registrierten Unterstützern verfängt nicht, da sich aus diesen Zahlen aus Sicht der Kammer eine belastbare Aussage über die Akzeptanz der Antragstellerin in der Bevölkerung nicht treffen lässt. Aus den gleichen Gründen, aus denen sich die Antragstellerin für ein kontrolliertes Wachstum entschieden hat (insbesondere zur Vermeidung einer Unterwanderung durch Personen mit anderer Agenda und Anziehung von für Parteineugründungen typischen „Glücksrittern“), kann aus der bloßen Anzahl von Mitgliedsanträgen und Registrierungen als Unterstützer nicht auf den tatsächlichen Rückhalt im Wahlvolk geschlossen werden. Im Falle der Antragstellerin lässt sich der Bürgerzuspruch auch nur bedingt am Parteivermögen messen, da von den angegebenen rund 7 Millionen Euro allein knapp 5 Millionen Euro auf Spenden einer Privatperson zurückgehen (vgl. Anlage K 06 zur Antragsschrift vom 17. Mai 2024). Der Umstand, dass die Antragstellerin als neue politische Kraft noch keine Ergebnisse bei überregionalen Wahlen vorweisen kann, und damit für sie ein klar feststellbares und gegen Manipulationen geschütztes Kriterium für den relativen Bürgerzuspruch fehlt, bedingt, dass für die Bemessung ihrer Bedeutung auf Kriterien zurückgegriffen werden muss, die in Bezug auf die hier interessierende Aussage bestenfalls prognostischer, bisweilen aber auch spekulativer Natur sind. In der Gesamtschau der für die Antragstellerin ins Feld geführten Bedeutungskriterien und unter Ausklammerung spekulativer Elemente vermag die Kammer die Antragstellerin daher aktuell nicht als mit den Parteien FDP und Die Linke gleichsam bedeutend anzusehen.
33Soweit die Antragstellerin darauf abhebt, insbesondere Die Linke könne aus vorangegangenen Wahlerfolgen keine Bedeutung als Partei mehr ableiten, weil diese Erfolge vor allem auf Personen zurückgingen, die nunmehr Mitglieder der Antragstellerin seien, sind diese Ausführungen vorliegend unerheblich, weil sie ebenfalls spekulativer Natur sind und sich damit einer objektiven Überprüfung entziehen. Aus denselben Gründen führt auch der von der Antragstellerin geltend gemachte Bekanntheitsgrad verschiedener Vertreter bzw. einzelner ihrer Mitglieder und deren vorgetragene Resonanz in den sog. sozialen Medien zu keiner anderweitigen Bewertung. Denn auch diese Aspekte sind – wenn überhaupt – nur teilweise objektiv überprüfbar und weisen zudem keinen Grad der Verfestigung auf, der ihre Heranziehung neben oder gar anstelle der hergebrachten Grundsätze zur Bewertung der Bedeutung von Parteien rechtfertigen würde.
34Eine Verletzung des Rechts der Antragstellerin aus Chancengleichheit sieht die Kammer auch nicht darin, dass die CSU als eine nur in Bayern wählbare Partei neben der CDU zu der bundesweit ausgestrahlten Sendung „Wahlarena 2024 Europa“ eingeladen ist. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist vielmehr geklärt, dass CDU und CSU nicht als eine Partei anzusehen sind, sondern der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien gerade gebietet, auch die beiden nicht miteinander konkurrierenden Parteien als eigenständige Parteien anzusehen.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1986 – 7 C 79.85 –, juris, Rn. 31 f.
36Der Ausschluss der Antragstellerin von der streitgegenständlichen Sendung erweist sich trotz des voraussichtlichen Einzugs der Antragstellerin ins Europaparlament als zulässig, da für die Antragstellerin durch das über die betroffene Sendung hinausweisende redaktionelle Gesamtkonzept ausreichend Gelegenheit besteht, die Wähler zu erreichen. Insoweit entspricht das wahlbezogene Gesamtprogramm des Antragsgegners, in das die streitgegenständliche Sendung eingebettet ist, dem Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit. Der Anspruch der Antragstellerin auf Chancengleichheit ist erfüllt, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie im Gesamtprogramm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht gemäß ihrer Bedeutung angemessen berücksichtigt wird. Der Antragsgegner hat insoweit zum einen unter namentlicher Nennung einzelner Formate zutreffend auf ebenfalls von ihm verantwortete Sendungen im Ersten Programm (ARD) verwiesen, die die Antragstellerin und deren Bemühungen im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament zum Gegenstand haben. Soweit die Antragstellerin rügt, die Teilnahme ihres Spitzenkandidaten an der Sendung „Hart aber fair“ am 27. Mai 2024 stelle wegen des unterschiedlichen Sendungskonzepts eben keine Kompensation für die Nichtberücksichtigung im Rahmen der vorliegend streitgegenständlichen Sendung dar, verkennt die Antragstellerin die grundrechtlich verbürgte redaktionelle Gestaltungsfreiheit des Antragsgegners und den Umstand, dass sie lediglich einen Anspruch darauf hat, im wahlbezogenen Gesamtprogramm der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Kontext der Wahl zum Europäischen Parlament berücksichtigt zu werden. Einen Anspruch darauf, zu einem Format des Antragsgegners, das jenem der Sendung „Wahlarena 2024 Europa“ am 6. Juni 2024 konzeptionell im Wesentlichen identisch ist, eingeladen zu werden, steht ihr indes nicht zu. Darüber hinaus ist die Antragstellerin mit ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl 2024 im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) sowohl in der Sendung „Wie geht’s, Europa? – Der große Kandidatencheck“ am 30. Mai 2024 um 20.15 Uhr als auch am 31. Mai 2024 im ZDF Morgenmagazin in einem für die Europawahl konzipierten „moma vor der Wahl“ mit einem Einzelinterview vertreten.
37Vgl. https://presseportal.zdf.de/pressemitteilung/wie-gehts-europa-zdf-mit-grossem-kandidatencheck-zur-europawahl, zuletzt abgerufen am 29. Mai 2024.
38Die Kammer verkennt nicht, dass es sich bei der hier streitgegenständlichen Sendung, die kurz vor der Wahl ausgestrahlt wird, um den Höhepunkt der auf die Wahl bezogenen Sendungen des Antragsgegners handelt. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dürfte die Antragstellerin dann wohl kaum noch Gelegenheit haben, auf die Äußerungen der eingeladenen Parteivertreter zu reagieren und mit eigenen Positionen noch Aufmerksamkeit zu finden.
39Vgl. zu diesem Aspekt OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2002 – 8 B 1444/02 –, juris, Rn. 60.
40Allerdings wird die Antragstellerin nach dem bereits dargestellten redaktionellen Gesamtkonzept zu diesem Zeitpunkt bereits in mehreren unterschiedlichen Formaten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Gelegenheiten gehabt haben, sich mit den anderen Parteien auseinanderzusetzen, ihre eigenen Positionen zu vermitteln und auf sich aufmerksam zu machen. Vor diesem Hintergrund muss der Antragstellerin zur Kompensation ihres Ausschlusses von der hier betroffenen Sendung nicht das letzte Wort in den Wahlsendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingeräumt werden.
41Die Antragstellerin hat auch hinsichtlich ihres Hilfsantrags, dem Antragsgegner aufzugeben, über den auf Einladung und Teilnahme eines Vertreters seiner Partei an der Sendung „Wahlarena 2024 Europa“ gerichteten Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Auch dieser Anspruch scheitert daran, dass der Antragsgegner die beantragte Einladung und Teilnahme eines Vertreters der Antragstellerin ermessensfehlerfrei abgelehnt hat. Der der Antragstellerin zweifellos zustehende Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung ist vorliegend erfüllt. Schließlich rechtfertigt das schlüssige journalistische Konzept des Antragsgegners nicht nur die ausgebliebene Einladung und Teilnahmemöglichkeit des Spitzenkandidaten, sondern auch übriger Vertreter der Antragstellerin.
42Ferner hat die Antragstellerin auch hinsichtlich des weiter hilfsweisen gestellten Antrags keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Anspruch der Antragstellerin auf – wenigstens – teilweise Wahrung bzw. Wiederherstellung der Chancengleichheit käme nur dann in Betracht, wenn der Antragsgegner den Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit im Hinblick auf die Antragstellerin verletzt hätte. So liegen die Dinge hier – wie dargelegt – jedoch nicht.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
44Die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird entgegen dem Antrag der Antragstellerin nicht gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt, weil bereits kein Vorverfahren i. S. v. §§ 68 ff. VwGO geschwebt hat und es der Durchführung eines Vorverfahrens mit Blick auf den streitgegenständlichen Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch nicht bedurfte.
45Vgl. Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 162 Rn. 93.
46Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Der Streitwert ist vorliegend nicht zu halbieren. Denn das Verfahren hat keine bloß vorläufige Regelung zum Gegenstand, sondern ist auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet (Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
47Rechtsmittelbelehrung
48Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entscheidet, falls das beschließende Gericht ihr nicht abhilft.
49Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster eingeht. In Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.
50Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
51Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der VwGO im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
52Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
53Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
54Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.