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1. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.547,56 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der sinngemäßen Anträge des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage mit dem Aktenzeichen 6 K 2243/24 gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis durch Ziffer 1 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 21. März 2024 wiederherzustellen (hierzu I.) und gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 21. März 2024 anzuordnen (hierzu II.),
4haben keinen Erfolg.
5I. Der nach §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtete Antrag ist statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Antragsgegners in der Entziehungsverfügung vom 21. März 2024 (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entfallen ist.
6Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt zunächst dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil der Antragsgegner zum Ausdruck gebracht hat, dass die weitere Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr ein Gefahrenrisiko darstellt und jederzeit in einen entsprechenden Schaden umschlagen kann. Es genügt insoweit regelmäßig, wenn die Behörde deutlich macht, dass ihr der Ausnahmecharakter der Anordnung der sofortigen Vollziehung vor Augen stand und aus ihrer Sicht die Gründe für die Fahrerlaubnisentziehung zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung begründen. Diese Anforderungen sind hier gewahrt worden. Die hohe Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs und das erhebliche Gefährdungspotential ungeeigneter Verkehrsteilnehmer rechtfertigt in der Regel nicht nur den Erlass gefahrenabwehrender Ordnungsverfügungen, sondern auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit. Denn die für den Bereich des Fahrerlaubnisrechts spezifischen Gefahren liegen nicht in unbestimmter Zukunft, sondern können sich jederzeit – auch sofort – realisieren. Daraus folgt auch, dass sich die Begründung für die Ordnungsverfügung selbst und diejenige für den Sofortvollzug weitgehend decken. Eine gewisse Redundanz und Formelhaftigkeit der Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO ist überdies unvermeidlich und rechtfertigt nicht den Schluss, die Fahrerlaubnisbehörde habe nicht einzelfallbezogen die für oder gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände abgewogen.
7Vgl. grundlegend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 8. April 2014 – 16 B 207/14 –, juris, Rn. 3, und vom 14. März 2017 – 16 B 1300/16 –, n.v.
8Die im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sodann vorzunehmende Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus.
9Im Fall der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen, wenn das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung vorrangig ist. Ein überwiegendes Aussetzungsinteresse ist gegeben, wenn der Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird, das heißt, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist. Hingegen setzt sich das gegenläufige Vollzugsinteresse durch, wenn die angefochtene Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig anzusehen ist und darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse an ihrer Umsetzung vor Abschluss des Rechtsschutzverfahrens in der Hauptsache besteht.
10Die mit Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 21. März 2024 angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis erweist sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.
11Die Entziehung der Fahrerlaubnis findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV).
12Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen, durch die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Voraussetzung der Entziehung ist dabei grundsätzlich, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird. Wenn Tatsachen bekannt werden, die (lediglich) Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde hingegen unter den in den §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (§§ 3 Abs. 1 Satz 3 StVG und 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV) und je nach Ergebnis der Eignungsuntersuchung in einem zweiten Schritt eine Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen. Wenn der Betroffene sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen.
13Vorliegend durfte der Antragsgegner gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV aus dem Umstand, dass der Antragsteller das von ihm geforderte Gutachten nicht innerhalb der vorgegebenen Frist beigebracht hat, auf dessen Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen.
14Eine auf § 11 Abs. 8 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis setzt voraus, dass die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, d.h. die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind, und diese insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war.
15Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. November 2016 – 3 C 20.15 –, juris, Rn. 19 m.w.N.
16Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Gutachtensanordnung ist deren Erlass.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 – 3 C 20.15 –, juris, Rn. 14; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (Bay. VGH), Beschluss vom 11. Februar 2019 – 11 CS 18.1808 –, juris, Rn. 22.
18Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
19Die Gutachtenanordnung vom 28. November 2023 erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig.
20Rechtsgrundlage für die Anordnung ein fachärztliches Gutachten beizubringen, ist vorliegend § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 FeV.
21Nach § 11 Abs. 2 FeV kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung begründen. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung bestehen insbesondere dann, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen.
22Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
23Die Gutachtenanordnung entspricht in formeller Hinsicht zunächst den gesetzlichen Vorgaben. Der Antragsgegner hat die formellen Erfordernisse des § 11 Abs. 6 FeV beachtet, insbesondere hat er den Antragsteller nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Folgen einer Untersuchungsverweigerung bzw. einer Nichtvorlage des Gutachtens innerhalb der gesetzten Frist hingewiesen.
24Die Gutachtenanordnung ist auch materiell rechtmäßig ergangen. Vorliegend sind Tatsachen bekannt geworden, die auf eine Erkrankung nach Anlage 4 zur FeV des Antragstellers hinweisen.
25Nach Ziffer 7.5.1 Anlage 4 zur FeV i.V.m. Ziffer 3.12.4 der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung ist die Fahreignung bei allen Manien und sehr schweren Depressionen, die z.B. mit depressiv-wahnhaften, depressiv-stuporösen Symptomen oder mit akuter Suizidalität einhergehen, nicht gegeben. Denn dann sind die für das Kraftfahren notwendigen psychischen Fähigkeiten so erheblich herabgesetzt, dass ein ernsthaftes Risiko des verkehrswidrigen Verhaltens besteht. Gemäß Ziffer 7.5.2 der Anlage 4 zur FeV i.V.m. Ziffer 3.12.4 der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung ist nach Abklingen einer manischen Phase bzw. wenn die relevanten Symptome einer sehr schweren Depression nicht mehr vorhanden sind und – ggf. unter regelmäßig kontrollierter medikamentöser Prävention – mit ihrem Wiederauftreten nicht mehr gerechnet werden muss, in Bezug auf Fahrzeuge der Gruppe 1 in der Regel von einem angepassten Verhalten bei Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug auszugehen. Demgegenüber ist nach Ziffer 7.5.3 der Anlage 4 zur FeV i.V.m. Ziffer 3.12.4 der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung, wenn mehrere manische oder sehr schwere depressive Phasen mit kurzen Intervallen eingetreten waren und deshalb der weitere Verlauf nicht absehbar ist (besonders wenn keine Phasenprophylaxe erfolgt), nicht von einem angepassten Verhalten bei Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug auszugehen auch wenn z. Zt. keine Störungen nachweisbar sind. Ein angepasstes Verhalten kann nur dann angenommen werden, wenn – ggf. durch eine medikamentöse Prävention – die Krankheitsaktivität geringer geworden ist und mit einer Verlaufsform in der vorangegangenen Schwere nicht mehr gerechnet werden muss. Dies muss durch regelmäßige psychiatrische Kontrollen belegbar sein. Bei Fahrzeugen der Gruppe 2 ist die Kraftfahreignung nur bei Symptomfreiheit gegeben. Nach mehreren depressiven oder manischen Phasen ist in der Regel nicht von einem angepassten Verhalten bei Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug auszugehen.
26Vorliegend sind dem Antragsgegner Tatsachen bekannt geworden, die zunächst auf das – jedenfalls frühere – Bestehen einer sehr schweren Depression und damit eine Erkrankung nach Ziffer 7.5 der Anlage 4 zur FeV beim Antragsteller schließen lassen.
27So ergibt sich aus dem Bericht der Dipl.‑Psych. Dr. X. W. vom 30. März 2023 (Rückseite Bl. 290 Beiakte Heft 1), dass sich aus den Vorbefunden der Verdacht auf („V.a.“) eine schwere depressive Episode ergebe, die aktuell nicht relevant sei. Ferner lässt sich der truppenärztlichen Stellungnahme vom Sanitätsversorgungszentrum Z. der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. A. vom 21. Oktober 2022 (Bl. 120 f. Beiakte Heft 1) entnehmen, dass der Antragsteller aktuell kein Verhalten gezeigt habe, welches auf das derzeitige Vorliegen einer schweren Depression oder einer akuten Psychose hindeute.
28Weitere Anhaltspunkte für eine schwere Depression ergeben sich aus Verdachtsmomenten für eine Suizidalität. Nach den Begutachtungsleitlinien handelt es sich bei Suizidalität um ein beispielhaftes Symptom einer sehr schweren Depression. Es spricht alles dafür, dass der Antragsteller jedenfalls am 3. August 2022 einen Suizidversuch begangen hat. Darüber hinaus ist der Verdacht eines versuchten Suizids am 25. Oktober 2018 nachvollziehbar gegeben.
29In dem polizeilichen Bericht zum „Selbsttötungsversuch“ (Bl. 63 ff. Beiakte Heft 1) am 3. August 2022 wird ausgeführt, dass die Polizeibeamten am 3. August 2022 um 3.54 Uhr den Einsatz „Suizidversuch“ an der Örtlichkeit C.-straße 0 in 00000 E. erhalten hätten. Der Antragsteller solle bei dem Bundeswehrkrankenhaus in P. angerufen und dort mitgeteilt haben, dass er eine Überdosis Tabletten genommen habe. Die ehemalige Lebensgefährtin habe den Beamten mitgeteilt, dass sie sich kürzlich vom Antragsteller getrennt habe und am heutigen Tag ein längeres Gespräch zwischen ihnen beiden stattgefunden habe. Daraufhin sei er nachts in ihrem Schlafzimmer erschienen und habe ihr gestanden, eine Überdosis Antidepressiva eingenommen zu haben. Sie sei auf die Aussage jedoch nicht eingegangen und habe weitergeschlafen, weil sie die Aussage lediglich als „Erpressungsversuch“ verstanden habe, die Beziehung weiterzuführen. Als die Zeugin von den Beamten gebeten worden sei, den Tabletten- und Medikamentenbestand zu kontrollieren, habe diese angegeben, dass das ihr durch einen Arzt verschriebene Antidepressivum fehle. Des Weiteren hätte eine Vielzahl an leeren Tablettenblistern gefunden werden können, worunter sich mitunter leere Blister der Marke Vomex und von Tabletten gegen Epilepsie befunden hätten. Der Antragsteller habe durch die Beamten schließlich auf einem Feld aufgefunden werden können. Er sei nicht ansprechbar gewesen. Ein Rettungswagen und NEF seien durch die Leitstelle zum Fundort bereitgestellt worden.
30In dem Entlassungsbrief des St. K. Krankenhauses vom 4. August 2022 (Bl. 114 ff. Beiakte Heft 1) ist als Diagnose u.a. „Mischintoxikation mit 700 mg Amitryptilin und Amphetaminen in suizidaler Absicht“ aufgeführt. Darüber hinaus wird in dem Entlassungsbrief angegeben, dass es sich um eine notärztliche Vorstellung nach einem Suizidversuch mit der Einnahme von Vomex, Amitriptylin und Amphetaminen gehandelt habe. Der Antragsteller habe der Freundin mitgeteilt, sich umbringen zu wollen und sei dann auf einem Feld aufgefunden worden.
31Auch in truppenärztlichen Stellungnahme vom Sanitätsversorgungszentrum Z. der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. med. A. vom 21. Oktober 2022 (Bl. 120 f. Beiakte Heft 1) ist davon die Rede, dass sich der Antragsteller Anfang August in medizinischer Behandlung nach Mischintoxikation in suizidaler Absicht aufgrund einer Ausnahmesituation befunden habe.
32Gegen den Vortrag des Antragstellers, er habe sich nicht um einen Suizidversuch gehandelt, spricht auch seine eigene Aussage zu den Umständen des 3. August 2022 in der Hauptverhandlung in der Sache 53 Ds-182 Js 838/22-377/22 am 1. Juni 2023 (Bl. 287 ff. Beiakte Heft 1). Denn dort hat er u.a. Folgendes ausgesagt:
33„Ich war früher bei der Spezialeinheit in der Bundeswehr. Durch einen Vorfall habe ich eine PTBS erlitten. Ich habe dann 2013 die Bundeswehr verlassen und bin zu Feuerwehr im Rettungsdienst gewechselt. Dort kam die PTBS wieder hervor und bin dort auch gegangen und dann ging der Kampf erst los. Es wurde alles überprüft. Dann wurde ich auf Medikamente eingestellt. Das war so 2020. Es hatte sich alles bei der Bundeswehr auch geklärt. Dann kam es dazu, dass ich nach N. sollte. Das war im Mai 21. Ich habe dann eine Traumatherapie begonnen. Meine Frau ist lebensbedrohlich erkrankt. Unsere Tochter musste vorzeitig geholt werden. Ich sollte mich darauf einstellen, dass ich alleinerziehend werde. Sie hatte es überlebt, wir hatten uns aber dann getrennt. Am Anfang wurde alles noch einvernehmlich geklärt, doch dann begann der Rosenkrieg, und mir wurde das Kind quasi entzogen. Die Traumatherapie wurde abgebrochen. Es hatte sich dann aber alles irgendwie dann wieder geklärt. Auch wenn es immer wieder Vorfälle gibt, die so nicht planbar waren. Kurz vor diesem Vorfall hatte sich dann meine Lebensgefährtin getrennt. Ich habe gemerkt, es geht nicht mehr und ich wollte zurück ins Krankenhaus. Ich habe noch versucht, bei der Bundeswehr jemanden zu erreichen, beim Feldwebelnotruf konnten sie aber nichts damit anfangen. Ich habe meine Sachen gepackt und wollte einfach nichts mehr spüren. Beim Packen habe ich dann die Sachen gefunden und ja …“
34Auch in Bezug auf den Vorfall am 25. Oktober 2018 spricht alles für die Annahme, dass es sich dabei um einen Suizidversuch des Antragstellers gehandelt hat.
35Denn in dem Polizeibericht zum 4. Oktober 2018 (Bl. 174 ff. Beiakte Heft 1) ist festgehalten, dass die Streifenwagenbesatzung am 4. Oktober 2018 um 15.25 Uhr den Einsatzanlass „Suizidversuch“ in der St. M. Klinik in der Q.-straße 000 in 00000 G. erhalten habe. Vor Ort hätten die Beamten den leitenden Chefarzt der Notaufnahme Herrn Dr. V. angetroffen, der die Beamten zu einem Waldstück des Friedhofs geführt habe, in dem sie den bewusstlosen Antragsteller aufgefunden hätten. In ca. 4 Metern Entfernung neben dem Auffindeort des Antragstellers hätten die Beamten eine leere 5 ml Ampulle des Beruhigungsmittels „Midazolam“ aufgefunden. Zudem hätte ein Beamter bei der Durchsuchung des Antragstellers in dessen Tasche ein Päckchen mit ca. fünf Einwegkanülen gefunden. Herr Dr. V. habe gegenüber den Beamten angegeben, dass der Antragsteller vor ca. einer halben Stunde von einem Rettungswagen und einem Notarzt aus F. zu ihnen in die St. M. Klinik gebracht worden sei, nachdem dieser krampfend aufgefunden worden sei. Der Antragsteller habe gegenüber dem Notarzt wohl angegeben, dass er häufiger Suizidgedanken habe, sich aber nicht umbringen könne, da er noch einen Sohn habe. Er nehme jedoch regelmäßig Medikamente. Der Antragsteller sei in der Klinik dann auch ganz ruhig gewesen. Er habe von dem Notarzt auch ein Beruhigungsmittel verabreicht bekommen. Sie hätten ihn bevor er geflüchtet sei jedoch noch nicht untersucht und wüssten daher nicht, wodurch der Krampfanfall ausgelöst worden sei. Er sei dann im Behandlungsraum drei gewesen und habe angegeben, auf die Toilette zu müssen. Vorher habe man ihn wohl aber auch beobachtet, wie er am Medikamentenschrank gewesen sei. Es könne sein, dass das Beruhigungsmittel von ihnen sei. Es sehe so aus, als hätte er das getrunken. Es handele sich bei dem Medikament Midazolam um ein starkes Beruhigungsmittel. Der Antragsteller würde nun durch den Rettungswagen in die St. M. Klinik gebracht. Morgen werde man sich darum kümmern, dass der Antragsteller in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werde.
36Mit Blick auf die Äußerung von Suizidgedanken gegenüber dem Notarzt bevor der Antragsteller sich das starke Beruhigungsmittel zugeführt hat, sprechen die Umstände für das Vorliegen eines Suizidversuchs und entgegen des Vortrags des Antragstellers nicht nur für einen Versuch, den Leidensdruck durch die PTBS zu betäuben.
37Den vorliegenden aktuelleren ärztlichen Berichten lässt sich jedoch nicht hinreichend entnehmen, ob Symptomfreiheit besteht (Gruppe 2) bzw. ob – ggf. unter medikamentöser Behandlung – nicht mehr mit einem Wiederauftreten der relevanten Symptome einer sehr schweren Depression gerechnet werden muss (Gruppe 1).
38Zu diesen Fragen verhalten sich der Bericht der Dipl.-Psych. Dr. X. W. vom 13. Juni 2023 (Bl. 247 Beiakte Heft 1) und vom 30. März 2023 (Rückseite Bl. 290 Beiakte Heft 1) schon nicht. Auch soweit in der truppenärztlichen Stellungnahme des Sanitätsversorgungszentrums O. vom 18. April 2023 (Bl. 190 Beiakte Heft 1) davon die Rede ist, dass der Antragsteller seit 6 Wochen engmaschig an einer ambulanten traumaspezifischen Therapie (2 x wöchentlich jeweils 2 h) teilnehme, worunter sich der Patient „gut stabilisiert“ habe, ergibt sich hieraus nichts Durchgreifendes für die in Rede stehenden Fragestellungen. Ähnliches gilt in Bezug auf das fachärztliche Attest des Bundeswehrzentralkrankenhauses N. vom 6. April 2023 (Bl. 189 Beiakte Heft 1), wonach der Antragsteller „mit seiner Dauermedikation Mirtazapin 30 mg zur Nacht) aus psychiatrischer Sicht seit Monaten gut und stabil eingestellt“ sei.
39Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner das ihm gemäß § 11 Abs. 2 FeV eingeräumte Ermessen für die Gutachtenanordnung fehlerhaft ausgeübt hat, § 114 Satz 1 VwGO.
40Ein hinreichender Grund für die Nichtvorlage des Gutachtens ist schließlich nicht gegeben.
41Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung folgt daraus, dass das Interesse an der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer Vorrang vor den Interessen des Antragstellers hat. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis für den Antragsteller mit Härten verbunden sein kann. Dieser Gesichtspunkt muss hier jedoch zurückstehen. Die Allgemeinheit hat ein dringendes Interesse daran, dass Kraftfahrer, von deren mangelnder Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen ist, sofort von einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen werden.
42II. Der nach §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Gebührenbescheid ist bereits unzulässig, weil der Antragsteller entgegen § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO keinen vorherigen Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 4 VwGO beim Antragsgegner gestellt hat und dieses Erfordernis eine im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachholbare Zugangsvoraussetzung darstellt. Anhaltspunkte dafür, dass es eines vorherigen Aussetzungsantrags aufgrund der Ausnahmen in § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO nicht bedurfte, sind nicht ersichtlich.
43III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
44IV. Der gemäß § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) festgesetzte Streitwert entspricht in Bezug auf die Entziehung der Fahrerlaubnis in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Hälfte des Betrags, der im Hauptsacheverfahren anzusetzen ist. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist der Streitwert in Hauptsacheverfahren wegen der Entziehung einer Fahrerlaubnis regelmäßig auf den Auffangbetrag festzusetzen. Ein streitwerterhöhendes besonderes Interesse liegt nicht vor. In Bezug auf den Gebührenbescheid war der Streitwert gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit insoweit auf ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes festzusetzen.
45Rechtsmittelbelehrung
46Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
47Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
48Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
49Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
50Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
51Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
52Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
53Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
54Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.