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1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage mit dem Aktenzeichen 6 K 489/24 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 17.01.2024 hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung wiederherzustellen und den abgegebenen Führerschein an den Antragsteller herauszugeben,
4hat keinen Erfolg.
51. Der nach §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtete Antrag ist statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung seitens des Antragsgegners in der Entziehungsverfügung vom 17.01.2024 (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entfallen ist.
6Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt zunächst dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil der Antragsgegner zum Ausdruck gebracht hat, dass die weitere Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr ein Gefahrenrisiko darstellt und jederzeit in einen entsprechenden Schaden umschlagen kann. Insoweit genügt es regelmäßig, wenn die Behörde deutlich macht, dass ihr der Ausnahmecharakter der Anordnung der sofortigen Vollziehung vor Augen stand und aus ihrer Sicht die Gründe für die Fahrerlaubnisentziehung zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung begründen. Diese Anforderungen sind hier gewahrt worden. Die hohe Bedeutung der Sicherheit des Straßenverkehrs und das erhebliche Gefährdungspotential ungeeigneter Verkehrsteilnehmer rechtfertigt in der Regel nicht nur den Erlass gefahrenabwehrender Ordnungsverfügungen, sondern auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit. Denn die für den Bereich des Fahrerlaubnisrechts spezifischen Gefahren liegen nicht in unbestimmter Zukunft, sondern können sich jederzeit – auch sofort – realisieren. Daraus folgt auch, dass sich die Begründung für die Ordnungsverfügung selbst und diejenige für den Sofortvollzug weitgehend decken. Eine gewisse Redundanz und Formelhaftigkeit der Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO ist überdies unvermeidlich und rechtfertigt nicht den Schluss, die Fahrerlaubnisbehörde habe nicht einzelfallbezogen die für oder gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände abgewogen.
7Vgl. grundlegend OVG NRW, Beschlüsse vom 08.04.2014 – 16 B 207/14 –, juris, Rn. 3, und vom 14.03.2017 – 16 B 1300/16 –, n. v.
8Die im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sodann vorzunehmende Interessenabwägung fällt hier zulasten des Antragstellers aus.
9Im Fall der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen bzw. anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung vorrangig ist. Ein überwiegendes Aussetzungsinteresse ist gegeben, wenn der Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird, das heißt, wenn die angefochtene Verfügung offensichtlich rechtswidrig ist. Hingegen setzt sich das gegenläufige Vollzugsinteresse durch, wenn die angefochtene Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig anzusehen ist und darüber hinaus ein besonderes öffentliches Interesse an ihrer Umsetzung vor Abschluss des Rechtsschutzverfahrens in der Hauptsache besteht.
10Die Entziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 17.01.2024 erweist sich nach der hier allein gebotenen summarischen Überprüfung im Ergebnis als offensichtlich rechtmäßig.
11Nach § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 und 3 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Betreffende als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der Fahrerlaubnisverordnung vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Voraussetzung der Entziehung ist dabei grundsätzlich, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird. Wenn Tatsachen bekannt werden, die (lediglich) Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde hingegen unter den in den §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (§§ 3 Abs. 1 Satz 3 StVG und 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV) und je nach Ergebnis der Eignungsuntersuchung in einem zweiten Schritt eine Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen. Wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen.
12Vorliegend durfte der Antragsgegner gemäß § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV aus dem Umstand, dass der Antragsteller das von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht innerhalb der vorgegebenen Frist beigebracht hat, auf dessen Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen.
13Eine auf § 11 Abs. 8 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis setzt voraus, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, d.h. die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind, die Anordnung auch im Übrigen den wesentlichen Anforderungen des § 11 FeV entspricht,
14vgl. grundlegend BVerwG, Urteile vom 05.07.2001 – 3 C 13.01 –, juris, Rn. 20, 24, und vom 09.06.2005 – 3 C 25.04 –, juris, Rn. 19,
15und die nicht fristgemäße Vorlage des Gutachtens ohne ausreichenden Grund erfolgte.
16Vgl. zusammenfassend Dauer, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 11 FeV Rn. 51.
17Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
18Rechtsgrundlage für die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, ist § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV. Nach dieser Vorschrift kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.
19Vor Erlass der Beibringungsordnung war eine Anhörung nach § 28 VwVfG NRW nicht erforderlich, da es sich bei der Beibringungsanordnung mangels Regelung nicht um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 Satz 1 VwVfG NRW handelt.
20Vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 11 FeV Rn. 25 m. w. N.; Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 3 StVG Rn. 84a.
21Im Hinblick darauf, dass eine Gutachtensanordnung mit erheblichen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht und/oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit verbunden ist, aber nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann, kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden. In materieller Hinsicht setzt die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Untersuchung vor allem voraus, dass sie den Grundsätzen der Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit genügt.
22Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17.11.2016 – 3 C 20.15 –, juris, Rn. 19 m. w. N.
23In formeller Hinsicht begegnet die Begutachtungsanordnung vom 23.08.2023, ausweislich der Zustellurkunde zugestellt am 25.08.2023, keinen Bedenken. Sie entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Der Antragsgegner hat die formellen Erfordernisse des § 11 Abs. 6 FeV beachtet, insbesondere hat er den Antragsteller nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Folgen einer Untersuchungsverweigerung bzw. einer Nichtvorlage des Gutachtens innerhalb der gesetzten Frist hingewiesen.
24Die materiellen Voraussetzungen für die Anforderungen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV lagen auch vor. Die der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners bekannt gewordenen Tatsachen reichten aus, um Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen, welche die Behörde zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung berechtigten.
25Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2014 – 3 C 3.13 –, juris, Rn. 17 ff.
27Diese Voraussetzungen sind im Falle des Antragstellers erfüllt. Nach den vorliegenden Erkenntnissen ist von einem gelegentlichen, also mehr als einmaligen Konsum von Cannabis durch den Antragsteller auszugehen. Zunächst keine Zweifel daran, dass er am 03.07.2023 unter Drogeneinfluss am Straßenverkehr teilgenommen hat. Dies ergibt sich aus dem in seinem Blut festgestellten THC-Wert. Durch das rechtsmedizinische Gutachten zur chemisch-toxikologischen Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin der Uniklinik A. vom 12.07.2023 wurde anhand der am 03.07.2023 entnommenen Blutprobe nachgewiesen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Verkehrskontrolle Cannabis konsumiert hatte. Die THC-Konzentration lag bei 3,6 ng/ml und die THC-Carbonsäure Konzentration (THC-COOH) bei 85 ng/ml. Die Konzentration lässt darauf schließen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des Vorfalls unter der Wirkung von Cannabis stand.
28Dass beim Antragsteller die Blutentnahme polizeilich anstatt richterlich angeordnet wurde, macht diese weder rechtswidrig, noch unterliegen deren Ergebnisse einem Verwertungsverbot.
29Das Recht zur polizeilichen Anordnung einer Blutentnahme bei einem Beschuldigten zum Zwecke der Feststellung von Tatsachen folgt aus § 46 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 OWiG. Danach bedarf die Entnahme einer Blutprobe abweichend von § 81a Abs. 2 Satz 1 StPO keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 24a und 24c StVG begangen worden ist. Mit der Einfügung des Satzes 2 durch Gesetz vom 17.08.2017 (BGBl I S. 3202) bedarf es ab dem 24.08.2017 keiner richterlichen Anordnung für Blutentnahmen beim Verdacht auf Verkehrsstraftaten aufgrund Alkohol- bzw. Drogenauffälligkeit oder dem Verdacht auf eine Ordnungswidrigkeit nach den §§ 24a, 24c StVG mehr.
30Vgl. Siegmund in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 2 StVG (Stand: 21.03.2024), Rn. 135.
31Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 OWiG liegen hier vor. Den anordnenden Polizeibeamten durfte sich der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG, auf den es für die Anordnung allein ankommt, aufdrängen.
32Ausweislich der – insoweit unbestritten gebliebenen – Sachverhaltsfeststellungen der Polizei (vgl. Owi-Anzeige, Bl. 4 ff. d. BA) hatte der Antragsteller beim Vorbeifahren Probleme beim Schalten und lies den Motos laut aufheulen. Beim Öffnen des Kofferraums hatte er starke Probleme, des Schlüsselloch mit dem Autoschlüssel zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt der Verkehrskontrolle wies der Antragsteller wechselnde Stimmungen auf. Bei der Überprüfung der Fahrtüchtigkeit wurde u.a. festgestellt, dass die Pupillen verkleinert waren und auf Lichtreiz nicht adäquat / kaum reagierten. Der Antragsteller schwitzte, insbesondere im Gesicht, stark, seine Hände und Lider zitterten und sein Kiefer war stark zusammengepresst. Zudem schien der Mund des Antragstellers augenscheinlich ausgetrocknet. Einen freiwilligen Urinvortest verweigerte der Antragsteller. Gegenüber dem Antragsteller wurde dann um 14.50 Uhr die Blutentnahme angeordnet.
33Dieser Geschehensablauf bildet die hinreichende Grundlage für die Anordnung. Die Beamten konnten mit Blick auf die Fahrauffälligkeiten, das Verhalten während der Verkehrskontrolle und den drogentypischen Ausfallerscheinungen annehmen, dass der Antragsteller unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stand und durch seine Teilnahme am Straßenverkehr eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 OWiG vorlag.
34Einer Verwertbarkeit des Ergebnisses der Blutprobe steht schließlich auch nicht die Behauptung des Antragstellers entgegen, die Dokumentation im Zusammenhang mit der Blutprobenentnahme sei nicht ordnungsgemäß. Ausweislich der im Verwaltungsvorgang befindlichen Dokumentation wurde der Antragsteller mit dem Tatvorwurf konfrontiert und ihm ein freiwilliger Urinvortest zur Ausräumung des Verdachts angeboten. Diesen lehnte der Antragsteller laut Dokumentation ab (Bl. 12. d. BA). Hinsichtlich der Blutentnahme ist der Antragsteller ausweislich der Dokumentation über deren Notwendigkeit belehrt worden und auf die Möglichkeit der Zustimmung zu einer freiwilligen Blutentnahme belehrt worden. Der Blutentnahme hat der Antragsteller allerdings ausdrücklich widersprochen und seine Unterschrift auf dem entsprechenden Dokumentationsbogen verweigert. Gleichwohl bestehen seitens des Einzelrichters keine Zweifel an der Richtigkeit der dortigen Eintragungen, nachdem auch der Antragsteller solche Zweifel nicht aufgezeigt und insbesondere nicht dargetan hat, wie die Blutentnahme entgegen der Dokumentation abgelaufen sein soll.
35Ausgehend von dem durch die Blutanalyse zweifelsfrei nachgewiesenen Konsumakt ist auch davon auszugehen, dass es sich bei dem Konsum von Cannabis durch den Antragsteller im zeitlichen Vorfeld der Polizeikontrolle vom 03.07.2023 nicht um dessen ersten und einzigen Cannabiskonsum gehandelt hat. Bei der Wertung, dass der Antragsteller mehr als einmal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat, handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Zwar ist die Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trägt, mit der Folge, dass eine etwaige Nichterweislichkeit zu ihren Lasten geht. Allerdings liegt ein einmaliger Konsum nur dann vor, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurückliegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat. Dies plausibel darzulegen, obliegt dem Betroffenen.
36Vgl. BayVGH, Beschluss vom 25.06.2020 – 11 CS 20.791 –, juris, Rn. 23.
37Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch von der Polizei kontrolliert wird, ist im Rahmen der Beweiswürdigung die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.03.2027 – 16 A 432/16 –, juris, Rn. 47 f. m. w. N.; BayVGH, Beschluss vom 06.11.2018 – 11 CS 18.821 –, juris, Rn. 16 m. w. N
39Hier behauptet der Antragsteller – allerdings auch nur vorgerichtlich –, dass es sich um einen einmaligen Probierkonsum gehandelt habe. Sein Bruder sei ins Krankenhaus gebracht worden und seine Frau habe Schwierigkeiten in der Schwangerschaft gehabt. Am Vortag der Verkehrskontrolle sei ihm mitgeteilt worden, dass sein Bruder ins Koma versetzt werde. Dem Antragsteller sei alles zu Kopf gestiegen und er habe Leute gekannt, die regelmäßig Cannabis konsumierten. Er habe es mal ausprobieren wollen, weil ihm gesagt worden sei, es wirke beruhigend. Das Leben von drei Familienmitgliedern (Ehefrau, Kind und Bruder) habe auf der Kippe gestanden. Er habe Cannabis probiert, aber schnell gemerkt, dass es nichts für ihn sei. Sein Hals habe gebrannt und der Geschmack und die Wirkung hätten zu wünschen übrig gelassen.
40Diese Erklärung stellt keine substantiierte und plausible Darlegung eines einmaligen Probierkonsums dar. So fehlt es bereits an einer zeitlichen Einordnung des Konsumaktes am 02.07.2023 ebenso wie an einer Beschreibung der eigentlichen Konsumform. Auf welche Weise der Antragsteller einmalig Cannabis geraucht haben will, bleibt offen. Ebenso legt er nicht dar, in welcher Mengen er die Droge konsumiert hat, ob er sie alleine oder zusammen mit anderen Personen zu sich genommen hat und in welchem Rahmen der Konsum erfolgt ist. Auch seine Motivation zur Drogeneinnahme aufgrund einer familiären Ausnahmesituation erscheint lebensfremd, nachdem der Antragsteller zuvor keine Erfahrungen mit Cannabis gesammelt haben will und er daher nicht auf eine beruhigende Wirkung des Konsums auf ihn vertrauen konnte. Gerade mit Blick auf den wegen der Auswirkungen eines Missbrauchs von Alkohol und Zigaretten ins Koma versetzten Bruder erscheint es wenig naheliegend und daher besonders erklärungsbedürftig, dass der in großer Sorge um seinen Bruder befindliche Antragsteller zu einem für ihn fremden Rauschmittel greift. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtsprechung, der sich der erkennende Einzelrichter anschließt, musste die Fahrerlaubnisbehörde daher nicht von einem einmaligen Konsum ausgehen.
41Nur der Vollständigkeit halber weist der Einzelrichter darauf hin, dass die zusätzliche Begründung des Antragsgegners, wonach der festgestellte THC-Abbauwert auf einen mehr als einmaligen Konsum von Cannabis hinweist, nicht trägt. Aus dem bei der Blutuntersuchung ermittelten THC-COOH-Wert von 85 ng/ml kann nicht auf die Häufigkeit der Einnahme von Cannabis geschlossen werden. Nach gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist eine Abgrenzung zwischen einmaligem und gelegentlichem Konsum von Cannabis bei anlassbezogener Blutentnahme (zeitnah zur Verkehrsteilnahme) im Bereich eines THC-COOH-Wertes bis 100 ng/ml nicht möglich.
42Vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 2 StVG Rn. 58 m. w. N.
43Durch seine Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss ist auch von einem fehlenden Trennungsvermögen des Antragstellers auszugehen. Das Trennungsvermögen fehlt, wenn im Blutserum die Konzentration von mindestens 1,0 ng/ml THC festgestellt wurde. Denn bei dieser Konzentration ist eine cannabisbedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit möglich oder kann nicht mehr ausgeschlossen werden.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.04.2019 – 3 C 14.17 –, juris, Rn. 17 ff.; OVG NRW, Urteil vom 15.03.2017 – 16 A 551/16 –, juris, Rn. 47 m. w. N.
45Dieser THC-Wert konnte in der Blutprobe des Antragstellers nachgewiesen werden.
46Der Antragsteller hat das von ihm rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten auch aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht beigebracht. Die Erklärung des Antragstellers, aus finanziellen Gründen sich der Begutachtung nicht unterziehen zu können stellt keinen ausreichenden Grund für die Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens dar.
47Vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 11 FeV Rn. 53 m. w. N.
48Soweit der Antragsteller zudem Terminschwierigkeit anführt, ist weder ersichtlich, worin diese genau gelegen hätten, noch inwieweit der Antragsteller diese nicht zu vertreten hat.
49Nach alledem war auf die Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen und ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 3 FeV i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV.
50Auch die auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V. m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV gestützte Anordnung der Ablieferung des Führerscheins ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen dieser Regelungen liegen ersichtlich vor, nachdem die Entziehung der Fahrerlaubnis für sofort vollziehbar erklärt wurde und es nach den vorstehenden Ausführungen beim Sofortvollzug verbleiben muss. Für die geforderte Rückgabe des sodann abgelieferten Führerscheins besteht nach dem oben Gesagten daher kein Raum.
51Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins folgt daraus, dass das Interesse an der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer Vorrang vor den Interessen des Antragstellers hat. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis für den Antragsteller mit Härten verbunden ist. Dieser Gesichtspunkt muss hier jedoch zurückstehen. Denn die Allgemeinheit hat ein dringendes Interesse daran, dass Kraftfahrer, von deren mangelnder Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei summarischer Überprüfung auszugehen ist, sofort von einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen werden. Im Interesse der Verkehrssicherheit gilt dies auch dann, wenn dem Antragsteller durch die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis berufliche Nachteile entstehen.
52Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53Der Streitwert ist hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung auf 2.500,- Euro festzusetzen (vgl. § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG), weil der Antragsteller nicht in qualifizierter Weise auf die Fahrerlaubnis angewiesen ist (etwa als Berufskraftfahrer).
54Rechtsmittelbelehrung
55Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
56Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
57Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung ausein-ander setzen.
58Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
59Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
60Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
61Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
62Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
63Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.