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Der Antrag auf berufsgerichtliche Nachprüfung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Verfahrensgebühr wird auf 200,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
2Der Antragsteller ist niedergelassener Zahnarzt. Er betrieb im Jahre 2020 eine Zahnarztpraxis in 00000 A., T.-straße 00.
3Die Staatsanwaltschaft Aachen leitete im Jahre 2020 gegen den Antragsteller ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren (201 Js 751/20) wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung gem. § 184i StGB ein. Die Einleitung des Verfahrens ging auf eine Strafanzeige der am 00.00.2003 geborenen Frau K. Z. zurück. Frau Z. hatte die Praxis des Antragsstellers am 13.01.2020 zusammen mit ihrer Freundin namens C. F. aufgesucht, die Patientin des Antragstellers ist und die am 13.01.2020 vom Antragsteller behandelt wurde. Der Antragsteller begrüßte Frau Z. und deren Freundin nach Angaben der Frau Z. im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu Beginn der Behandlung mit den Worten „Na Ihr sexy Ladies“. Er habe sie - Frau Z. - umarmt und ihr Komplimente über ihre Strumpfhose und ihre Haare gemacht. Am Ende des Besuchs in der Praxis habe der Antragsteller Frau Z. auf ihre durch Selbstverletzung entstandenen Narben an ihrem Arm angesprochen. Anlässlich ihrer polizeilichen Vernehmung am 27.02.2020 hat Frau Z. hierzu folgendes angegeben (Bl. 6 der Ermittlungsakte):
4„Ich hatte ein kurzärmliges Shirt an. Er hat beim Rausgehen meine Narben gesehen, die kommen von meinen Selbstverletzungen. Er hat mir dann über den Arm gestrichen (zeigt die Bewegung) und gesagt, wenn dann sollte ich das richtig machen. Dann hat er eine senkrechte Linie gezeigt, wie man sich umbringen soll. Und eigentlich bin was länger raus aus der Phase raus, jetzt bald ein Jahr, erst dachte ich, das nimmt mich nicht so mit, aber ich habe angefangen zu weinen, aber ich habe probiert, das zu verstecken, dass sie das nicht merken. Er ist direkt rausgegangen und ich habe ihn nicht mehr gesehen...
5Am Abend habe ich das meinen Eltern erzählt und auch meinem kleinen Bruder, der ist 13. Und dann haben die auch gesagt, dass es gar nicht geht. Wir hatten uns ja auch nicht gesehen zuvor, der Zahnarzt und ich. Er ist ja auch irgendwie eine Autoritätsperson und mein Vater hat das auch noch ein paar Kollegen erzählt. Auch ein paar Freunde von mir, die haben skeptisch reagiert. Da war mir klar, dass ich was dagegen machen muss und zur Polizei gehen muss...
6Aber insgesamt haben mich seine Berührungen nicht so sehr berührt, aber das letzte mit den Narben, das hat mich schon getroffen.“
7Das Amtsgericht Eschweiler erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft Aachen am 05.10.2020 einen Strafbefehl, mit dem es gegen den Antragsteller wegen sexueller Belästigung eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 230,00 € festsetzte. Der Antragsteller legte gegen den Strafbefehl Beschwerde ein und ließ zur Begründung durch seine Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 04.01.2021 in Bezug auf die von ihm zur Narbe der Zeugin Z. gemachten Bemerkung folgendes vortragen.
8„Auch diesbezüglich fehlt es schon objektiv, aber auch subjektiv – und zwar sowohl auf Seiten der Frau Z. als auch auf Seiten meines Mandanten – an jeglichem Sexualbezug.
9Demnach kann auch dahinstehen, ob es auch eine Berührung gegeben hat, oder mein Mandant nicht vielmehr die Bewegung an seinem eigenen Arm vorgenommen hat, was wesentlich plausibler und der Lebenserfahrung entsprechend ist.
10Es handelt sich sicherlich um eine geschmacklose und unangebrachte Äußerung, wenn man die Ironie nicht versteht. Das tut meinem Mandanten aufrichtig leid.
11Ersichtlich hat dies aber mit dem Straftatbestand einer sexuellen Belästigung nicht zu tun...“
12Das Amtsgerichts Eschweiler stellte daraufhin mit Beschluss vom 22.01.2021 das Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen geringer Schuld gem. § 153 Abs. 2 StPO ein.
13Die Antragsgegnerin, der die Staatsanwaltschaft Aachen Mitteilung über den Abschluss des Strafverfahrens gemachte hatte, teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 04.05.2022 mit, dass sie wegen des dem Strafverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts gegen ihn ein berufsrechtliches Verfahren gem. § 58c HeilBerG NRW eingeleitet habe. Sie gab dem Antragsteller Gelegenheit, sich zu einer Entscheidung über den Abschluss des berufsrechtlichen Verfahrens bis zum 22.06.2022 zu äußern.
14Mit Schreiben vom 19.05.2022 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten für den Antragsteller und baten um Akteneinsicht. Mit Schreiben vom 29.06.2022 beantragten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers, das Verfahren nach § 58d HeilBerG NRW einzustellen, weil die Antragsgegnerin keine eigenen Ermittlungen vorgenommen habe und eine ordnungsgemäße Anhörung nicht erfolgt sei.
15Die Antragsgegnerin wies den Antragsteller mit Schreiben vom 20.12.2022 darauf hin, dass er mit seiner Äußerung gegenüber der Zeugin Z. zur Durchführung eines „richtigen“ Suizids nach ihrer Auffassung gegen die Berufspflicht zur gewissenhaften Berufsausübung verstoßen habe. Dass der Antragsteller nach Erkennen sichtbarer körperlicher Schnittverletzungen am Arm der Zeugin Z. Bemerkungen zur Durchführung eines „richtigen“ Suizids gemacht habe, sei nicht mit dem Berufsstand des Zahnarztes vereinbar. Ein Zahnarzt sei zum Dienst an der Gesundheit der einzelnen Menschen und der Allgemeinheit berufen. Die Antragsgegnerin gab dem Antragsteller Gelegenheit, zu einer Entscheidung über den Fortgang des berufsrechtlichen Verfahrens bis zum 07.02.2023 Stellung zu nehmen.
16In seiner Sitzung am 24.05.2023 beschloss der Vorstand der Antragsgegnerin, dem Antragsteller eine Rüge mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 1.500,00 € zu erteilen. Mit Bescheid vom 14.06.2023, dem Antragsteller zugestellt am 16.06.2023, erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Rüge wegen Verletzung seiner Berufspflichten und verhängte zugleich ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.500,00 €. Zur Begründung wurde angeführt, der Antragsteller habe durch seine Äußerung gegenüber der Zeugin Z. zur „richtigen“ Durchführung eines Suizids gegen die Berufspflicht zur gewissenhaften Berufsausübung gem. § 29 Abs. 1 HeilBerG NRW i.V.m. der Präambel der Berufsordnung für die nordrheinischen Zahnärztinnen und Zahnärzte (BO) verstoßen.
17Der Antragsteller hat am 16.07.2023 einen Antrag auf berufsgerichtliche Nachprüfung gestellt.
18Zur Begründung trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass es keine belastbaren Feststellungen aus dem Strafverfahren gebe. Das Verfahren sei ohne richterliche Vernehmung des Antragstellers oder von Zeugen eingestellt worden. Die Aussagen der Zeuginnen Z. und F. vor der Polizei hätten in weiten Teilen nicht übereingestimmt. Es gebe deshalb keinen Sachverhalt, der einem berufsrechtlichen Verfahren zugrunde gelegt werden könne. Deshalb gebe es auch keine Anhörung zu einem wirklichen Sachverhalt. Im Übrigen sei die berufsrechtliche Generalpflichtenklausel nicht bestimmt genug. Anerkannt sei insoweit lediglich, dass Fälle der sexuellen Belästigung, der tätlichen Auseinandersetzung sowie des Unterlassens eines Hausbesuchs im Notfalldienst hierunter gefasst werden könnten. Eine Verletzung einer Berufspflicht könne auch deshalb nicht angenommen werden, weil es sich bei der Zeugin Z. um keine Patientin des Antragstellers, sondern eine völlig unnötige Begleitperson einer Patientin gehandelt habe.
19Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
20die von der Antragsgegnerin unter dem 14.06.2023 erteilte Rüge und die Verhängung des Ordnungsgeldes in Höhe von 1.500,00 € aufzuheben.
21Die Antragsgegnerin beantragt,
22den Antrag auf berufsgerichtliche Nachprüfung zurückzuweisen.
23Sie führt zur Begründung unter anderem aus, die Berufspflicht eines Zahnarztes umfasse nicht nur die Verpflichtung des Zahnarztes zu einem verantwortungsvollen Umgang mit seinen Patienten, sondern auch zu einem angemessenen Umgang mit deren Begleitpersonen. Die Verpflichtung zu einem angemessenen Umgang verbiete nicht nur jegliche körperlichen Annäherungen, sondern bereits auch jegliche Form unangemessener Äußerungen. Zahnärztinnen und Zahnärzte genössen zudem in der Öffentlichkeit ein hohes Maß an Vertrauen und Verantwortungsbewusstsein. Jeder Zahnarzt habe daher jegliche Verhaltensweisen zu unterlassen, die diesem Ansehen und Vertrauen der Bevölkerung abträglich sei. Insoweit sei es offensichtlich nicht tragbar, wenn ein Zahnarzt im Kontext mit seiner Berufsausübung gegenüber einer minderjährigen Begleitung seiner Patientin im Anschluss an die Behandlung Äußerungen zur Durchführung eines ,,richtigen‘‘ Suizids tätige. Dass die Zeugin Z. hier nicht die eigentliche Patientin des Antragstellers gewesen sei, sei unerheblich, da der Antragsteller ohne Zweifel in seiner Funktion als Zahnarzt in dessen beruflichen Kontext und im Zusammenhang mit der Behandlung der Patientin gegenüber der Zeugin Z. aufgetreten sei. Darüber hinaus habe er mit seiner Äußerung das ihm im Zusammenhang mit seinem Beruf entgegengebrachte Vertrauen erheblich verletzt, da die Allgemeinheit von einem Zahnarzt erwarte, dass er gegenüber niemanden Äußerungen zur Durchführung eines „richtigen“ Suizids tätige.
24Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin sowie der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Aachen (201 Js 751/20) Bezug genommen.
25II.
26Über den Nachprüfungsantrag kann das Gericht ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entscheiden, weil die Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 Satz 1 Heilberufsgesetz NRW (HeilBerG NRW) vorliegen.
27III.
28Der nach § 58 a Abs. 4 HeilBerG NRW statthafte Antrag auf gerichtliche Nachprüfung der erteilten Rüge ist in der Sache unbegründet.
29Nach § 58 a Abs. 1 S. 1 HeilBerG NRW kann ein Kammervorstand Kammerangehörige, die die ihnen obliegenden Berufspflichten verletzt haben, rügen, wenn die Schuld gering ist und der Antrag auf Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint. Die Rüge kann gem. § 58 e Abs. 3 HeilBerG NRW mit einem Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 € verbunden werden.
30Davon ausgehend ist vorliegend die mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 1.500,00 € verbundene Rüge rechtlich nicht zu beanstanden.
31Der Antragsteller hat die ihm obliegende Berufspflicht aus § 29 Abs. 1 HeilBerG NRW i.V.m. der Präambel der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein vom 26.11.2005 i.d.F. vom 18.05.2019 (BO) verletzt. Nach § 29 Abs. 1 HeilBerG NRW sind die Kammerangehörigen verpflichtet, ihren Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen. Die Präambel der BO konkretisiert die gesetzliche Berufspflicht des § 29 Abs. 1 HeilBerG NRW für die Mitglieder der Zahnärzteschaft dahingehend, dass sie ihren Beruf würdig, gewissenhaft und nach den Gesetzen der Menschlichkeit zum Wohle der Patienten auszuüben sowie dem ihnen im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen haben. Eine gewissenhafte ärztliche Berufsausübung erfordert zunächst, dass der Zahnarzt beim Umgang mit Patienten deren Würde und Selbstbestimmungsrecht respektiert, ihre Privatsphäre achtet und Rücksicht auf die Situation des Patienten nimmt. Um dem seinem Berufsstand in der Bevölkerung entgegenbrachten Vertrauen und Ansehen zu genügen, umfasst die Berufspflicht des Zahnarztes nicht nur einen gewissenhaften Umgang mit seinen Patienten; ein Zahnarzt hat bei Ausübung seines Berufes auch das Persönlichkeitsrecht und die gesundheitlichen Interessen von Nichtpatienten – etwa Begleitpersonen von Patienten - zu beachten, mit denen er bei Ausübung seines Berufes Kontakt erhält. Als Mitglied der Zahnärzteschaft, deren Dienst sich an der Gesundheit der einzelnen Menschen auszurichten hat (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BO), hat der Zahnarzt bei Ausübung seines Berufes auch die gesundheitlichen Interessen von Nichtpatienten angemessen zu berücksichtigen.
32Davon ausgehend hat der Antragsteller gegen die ihm obliegende Berufspflicht zum Nachteil der Nichtpatientin Z. verstoßen. Der Antragsteller hat die Frau Z., die die Patientin F. während ihres Behandlungstermins am 13.01.2020 in die Praxis des Antragstellers begleitet hatte, am Ende der Behandlung der Patientin F. auf ihre durch Selbstverletzung am Arm vorhandenen Narben angesprochen und ihr gegenüber dann – unter Ausführung einer senkrechten Handbewegung – Ausführungen dazu gemacht, wie man einen Suizid „richtig“ durchführt.
33Mit diesem Verhalten hat der Antragsteller die ihm obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme auf gesundheitliche Interessen der Frau Z. verletzt. Selbstverletzungen am Arm einer Minderjährigen – wie die am Arm der Zeugin Z. – sprechen dafür, dass die von diesen Selbstverletzungen betroffene Person an krankhaftem autoaggressiven Verhalten leidet und sich zumindest in einem psychisch labilen Zustand befindet. Von einem Zahnarzt muss erwartet werden, dass er – wenn er bei einer Person Anzeichen für ein selbstverletzendes Verhalten entdeckt - auf deren möglicherweise krankhaften psychischen Zustand Rücksicht nimmt und jegliche Äußerung – namentlich ironische Bemerkungen zur „richtigen“ Durchführung eines Suizids - unterlässt, die den psychischen Zustand der betroffenen Person verschlechtern kann.
34Dass der Antragsteller die beanstandeten Äußerungen zur „richtigen“ Durchführung eines Suizids gegenüber der Frau Z. gemacht hat, steht nach Auswertung der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Aachen (201 Js 751/20) zur Überzeugung des Gerichts fest. Ausweislich des Protokolls ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung vom 27.02.2020 (S. 6) hat Frau Z. die vom Antragsteller zu ihren Narben gemachten Ausführungen ausführlich und detailreich beschrieben. Der Antragsteller hat die Angaben der Frau Z. - soweit diese seine Ausführungen zur „richtigen“ Ausführung eines Suizids betreffen – weder im vorliegenden berufsrechtlichen Verfahren noch im Strafverfahren im Kern bestritten. Vielmehr haben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers die vom Antragsteller gemachten Ausführungen im Strafverfahren in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 04.01.2021 dadurch eingeräumt, dass sie die Äußerungen des Antragstellers als geschmacklos und unangebracht bezeichnet haben. Im Strafverfahren hat der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigten lediglich in Frage gestellt, dass er die demonstrative senkrechte Armbewegung auf dem Arm der Frau Z. durchgeführt hat. Selbst wenn der Antragsteller die demonstrative senkrechte Handbewegung auf seinem und nicht auf dem Arm der Frau Z. ausgeführt hätte, bliebe hiervon die auf die unangemessenen verbalen Äußerungen beruhende Berufspflichtverletzung unberührt.
35Der Antragsteller hat auch bewusst und gewollt und damit vorsätzlich gehandelt.
36Gründe, die das Verhalten des Antragstellers rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
37Die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 1.500,00 € begegnet auch der Höhe nach keinen Bedenken. Der Antragsteller hat sich mit seinen Äußerungen rücksichtslos über die gesundheitlichen Interessen der geschädigten Frau Z. hinweggesetzt. Er hat mit seinen Äußerungen auch das Ansehen das Ansehen der Zahnärzteschaft und das Vertrauen in die Zahnärzteschaft beschädigt. Bei dieser Sachlage ist nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin das ihr mit § 58e Abs. 3 Satz 1 HeilBerG NRW eingeräumte Ermessen verletzt hat, das ihr die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000,00 € erlaubt.
38Die Generalpflichtenklausel des ärztlichen Berufsrechts des § 29 Abs. 1 HeilBerG stellt auch nach dem Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG eine ausreichende Grundlage für eine berufsrechtliche Sanktion wie die hier streitgegenständliche Rüge nebst Ordnungsgeld dar. Es entspricht der Struktur des Standesrechts, dass die Berufspflichten der Standesangehörigen nicht in einzelnen Tatbeständen erschöpfend umschrieben werden können. Eine vollständige Aufzählung sämtlicher mit einem Beruf verbundener Pflichten ist nicht möglich. Deshalb können Berufspflichten in einer Generalklausel zusammengefasst werden, die die Berufsangehörigen zu gewissenhafter Berufsausübung anhält. Dem Bestimmtheitsgrundsatz ist dadurch Genüge getan, dass eine sanktionswürdige Berufspflichtverletzung nach ständiger heilberufsrechtlicher Rechtsprechung erst dann anzunehmen ist, wenn diese – wie im Falle des Antragstellers – die Grenze berufsrechtlicher Relevanz überschreitet,
39vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.03.2014 - 1 BvR 1128/13 – juris Rn. 13; Landesberufsgericht für Heilberufe beim OVG NRW, Beschlüsse vom 29.07.2020 - 6t E 797/18.T – juris Rn. 33 und vom 29.09.2010 – 6t E 1060/08.T – juris Rn. 45 ff. m.w.N.
40Die angefochtene Rüge unterliegt schließlich auch keinen formellen Bedenken. Der Antragsteller wurde insbesondere ordnungsgemäß nach § 58c Abs. 5 HeilBerG NRW angehört. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 04.05.2022 mitgeteilt, dass sie gegen ihn ein berufsrechtliches Verfahren gem. § 58c HeilBerG NRW eingeleitet hat. Mit Schreiben vom 20.12.2022 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hingewiesen, dass sie seine Äußerung gegenüber der Zeugin Z. zur Durchführung eines „richtigen“ Suizids als Berufspflichtverletzung ansieht. In dem genannten Schreiben vom 20.12.2022 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller Gelegenheit, zu einer Entscheidung im berufsrechtlichen Verfahren bis zum 07.02.2023 Stellung zu nehmen. Damit ist den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anhörung gem. § 58e Abs. 5 HeilBerG NRW Genüge getan.
41Die Entscheidung über die Kosten und die Verfahrensgebühr ergibt sich aus § 107 HeilBerG analog.
Gegen diesen Beschluss können der Antragsteller, die Antragsgegnerin und die Vertretung der antragsberechtigten Aufsichtsbehörde binnen 2 Wochen nach dessen Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Antrag auf mündliche Verhandlung stellen. Der Antrag kann bis zum Beginn der Hauptverhandlung zurückgenommen werden. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt und nicht zurückgenommen, so gilt der Beschluss als nicht ergangen, anderenfalls gilt er als rechtskräftiges Urteil.
43Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.