Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragsteller zu 1., 2., 3. und 4. tragen die Kosten des Verfahrens zu jeweils gleichen Teilen, die Antragsteller zu 1., 2. und 3. auch als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Streitwert wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung der Klage Az.: 2 K 7442/24 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 1. Oktober 2024 (N01) anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Zweifel bestehen bereits an der Zulässigkeit des Antrages der Antragsteller zu 2. – hier an deren Antragsbefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend - da deren Grundstück mit der postalischen Anschrift „Y.-straße 00“ in 00000 Q., bereits nicht an das Vorhabengrundstück angrenzt, sondern sich in ca. 100 m Entfernung zu diesem in südwestlicher Richtung auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet.
6Jedenfalls aber ist der Antrag hinsichtlich aller Antragsteller unbegründet.
7Die im Verfahren nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse der Beigeladenen an der weiteren Ausnutzung der ihr erteilten Baugenehmigung und dem Interesse der Antragsteller, die weitere Ausnutzung vorerst zu verhindern, fällt zum Nachteil der Antragsteller aus. Die Klage der Antragsteller gegen die der Beigeladenen vom Antragsgegner erteilte Baugenehmigung vom 1. Oktober 2024 (N01) zur Errichtung einer Wohncontaineranlage für Geflüchtete auf dem Grundstück G01 mit der postalischen Anschrift O.-straße 000 in 00000 Q. wird aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verstößt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gegen Rechtsvorschriften, die auch dem Schutz der Rechte der Antragsteller zu dienen bestimmt sind.
8Ein Nachbar kann nur dann erfolgreich gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung vorgehen, wenn diese gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts verstößt und eine Befreiung oder Abweichung von diesen Vorschriften nicht vorliegt oder eine solche unter Berücksichtigung nachbarlicher Belange nicht hätte erteilt werden dürfen. Ob das Vorhaben objektiv, das heißt hinsichtlich derjenigen Vorschriften, die nicht nachbarschützend sind, rechtswidrig ist, ist dagegen im Baunachbarstreitverfahren unbeachtlich.
9Eine Verletzung von Nachbarrechten der Antragsteller wegen eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG NRW liegt nicht vor.
10Das Bestimmtheitserfordernis in seiner nachbarrechtlichen Ausprägung verlangt, dass der Nachbar der Baugenehmigung mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen kann, dass danach nur solche Nutzungen beziehungsweise Baumaßnahmen erlaubt sind, die seine Nachbarrechte nicht beeinträchtigen können. Eine solche Aussage muss der Baugenehmigung selbst – gegebenenfalls durch Auslegung – entnommen werden können, wobei die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung herangezogen werden müssen.
11vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. August 2019 – 7 A 4176/18 -, juris; VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 30. Januar 2019 – 5 S 1913/18 -, juris; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. Dezember 2017 – 1 MB 19/17 -, juris.
12Aus einer Unbestimmtheit der Baugenehmigung folgt ein Aufhebungsanspruch des Nachbarn allerdings erst dann, wenn sich die Unbestimmtheit auf Merkmale des genehmigten Vorhabens bezieht, deren genaue Festlegung erforderlich ist, um eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften zu seinen Lasten auszuschließen, und er – wäre die Baugenehmigung insoweit rechtswidrig – von dem genehmigten Vorhaben konkret unzumutbare Auswirkungen zu befürchten hätte.
13Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 2013 – 10 A 2269/10 -, juris.
14Davon ausgehend erfüllt die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung entgegen der Auffassung der Antragsteller die an sie zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen. Aus dem mit Grünstempel versehenen Brandschutzkonzept vom 16. Juli 2024 (Seite 10, Ziffer 3.6 Zahl der Nutzer) ergibt sich eindeutig die Anzahl der die Wohncontaineranlage nutzenden Geflüchteten mit insgesamt 60 Personen.
15Die angefochtene Baugenehmigung des Antragsgegners vom 1. Oktober 2024 verletzt aller Voraussicht nach keine aus dem Bauplanungsrecht sich ergebenden Nachbarrechte der Antragsteller.
16Die genehmigte Errichtung einer Wohncontaineranlage weicht zwar von der mit dem Bebauungsplan der Beigeladenen T. L. 0 „T..Z.“ (im Folgenden: B-Plan), rechtsverbindlich seit dem 4. Juli 1997, für das Vorhabengrundstück festgesetzten Nutzung als „Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung, hier: Busanlage“ ab. Die Antragsteller gehören aber nicht zu dem Personenkreis, der durch die Festsetzungen zur zulässigen Nutzung des Vorhabengrundstücks geschützt werden. Der durch nachbarschützende Festsetzungen eines Bebauungsplanes begründete Drittschutz steht nur Eigentümern von Grundstücken innerhalb eines durch einen Bebauungsplan festgesetzten Baugebiets zu. Die subjektiv- rechtliche Bewehrung von Festsetzungen eines Bebauungsplanes beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums hat jeder Eigentümer das Recht, sich gegen eine Nichtbeachtung drittschützender Festsetzungen des Bebauungsplans zur Wehr zu setzen. Da der durch Festsetzungen eines Bebauungsplans vermittelte Drittschutz auf dieser wechselseitigen Eigentumsbindung der im Plangebiet gelegenen Grundstücke beruht, kann er nur Grundstückseigentümern innerhalb desselben Baugebiets zustehen.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 – 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151; BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 4 B 55.07 -, BauR 2008, 793 und juris Rn. 6; Bay VGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 14 CS 08.3017 -, BeckRS 2009,43190; Bay VGH, Beschluss vom 31. März 2008 – 1 ZB 07.1062 - juris Rn. 11.
18Die Grundstücke der Antragsteller und das Vorhabengrundstück befinden sich nicht innerhalb desselben Baugebiets. Der B-Plan der Beigeladenen setzt für das Grundstück der Antragsteller zu 1., 3. und 4. als zulässige Nutzungsart Allgemeines Wohngebiet und für das Grundstück der Antragsteller zu 2. Mischgebiet fest. Das Vorhabengrundstück ist als Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung, hier: Busanlage, ausgewiesen. Die Antragsteller können sich mit Erfolg weder auf einen baugebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch berufen noch darauf, dass der Plangeber den für das Vorhabengrundstück festgesetzten besonderen Nutzungszweck als drittschützend ausgestaltet hat. Aus der Begründung des B-Plans T. L. 0 „T..Z.“ ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme einer gebietsübergreifenden Planungskonzeption oder einer nachbarschützenden Wirkung der Festsetzung „Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung, hier: Busanlage“ zugunsten von Eigentümern angrenzender, im Allgemeinen Wohngebiet gelegener Grundstücke, hier der Antragsteller zu 1., 3. und 4., oder zugunsten von Eigentümern von Grundstücken, die – wie das der Antragsteller zu 2. - im nicht an das Vorhabengrundrundstück angrenzenden Mischgebiet liegen. Nach der Begründung des B-Plans vom 25. März 1997 wurde das Vorhabengrundstück entsprechend seiner bereits bestehenden Nutzung als Haltestelle und Wendeanlage für den Busverkehr als „Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung, hier: Busanlage“ ausgewiesen. Die Festsetzung als Allgemeines Wohngebiet und Mischgebiet für den Planbereich, innerhalb dessen die Grundstücke der Antragsteller liegen, erfolgte entsprechend der Begründung des B-Plans wegen deren erstmaliger Bebauung auf Landwirtschaftsflächen und im freien rückwärtigen Gelände der vorhandenen Bebauung an der Hauptstraße. Dass der Plangeber der Festsetzung der besonderen Nutzungsart für das Vorhabengrundstück eine besondere Schutzfunktion zugunsten der im Allgemeinen Wohngebiet und Mischgebiet geplanten und teilweise vorhandenen Wohnbebauung beimessen wollte, ist der Planbegründung auch nicht ansatzweise zu entnehmen.
19Die zum Erlass der auf drei Jahre befristeten Baugenehmigung mit Bescheid vom 1. Oktober 2024 nach § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 BauGB erfolgte Befreiung von der mit B-Plan T. L. 0 „T..Z.“ festgesetzten besonderen Nutzungsart verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten. Erfolgt – wie hier - eine Befreiung von nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines B-Planes bemisst sich die Annahme einer durch die Befreiung begründeten Nachbarrechtsverletzung nach Maßgabe der zum Gebot der Rücksichtnahme entwickelten Grundsätze.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 08. Juli 1998 – 4 B 64.98 –, NVwZ-RR 1999, 8; Urteil vom 06. Oktober 1989 – 4 C 14.87 –, BVerwGE 82, 343; Urteil vom 19. September 1986 – 4 C 8.84 –, NVwZ 1987, 409; vgl. auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Stand August 2024, § 31 Rn. 69 ff.
21Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt nicht zu Lasten der Antragsteller gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
22Ob ein Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, hängt im Wesentlichen von den jeweiligen konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Eine erfolgreiche Berufung auf das Drittschutz vermittelnde Rücksichtnahmegebot setzt voraus, dass das Bauvorhaben bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem Gewicht der mit ihm verfolgten Interessen auf der einen Seite und der Empfindlichkeit und Schutzwürdigkeit der Belange des Nachbarn auf der anderen Seite für diesen die Schwelle der Zumutbarkeit ersichtlich überschreitet. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, desto mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Umgekehrt braucht derjenige, der ein Vorhaben verwirklichen will, umso weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm verfolgten Interessen sind. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es danach wesentlich auf eine Abwägung an zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dementsprechend ist das Rücksichtnahmegebot verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird.
23Vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, juris und vom 25. 02. 1977 - IV C 22.75 -, juris; OVG NRW, Urteile vom 30. Mai 2017 - 2 A 130/16 -, juris und vom 15. Mai 2013 – 2 A 3010/11 -, juris.
24Werden die Vorschriften des landesrechtlich geregelten Abstandflächenrechts – wie hier - eingehalten, so bedeutet dies in aller Regel, dass das Bauvorhaben damit zugleich unter denjenigen Gesichtspunkten, welche Regelungsziele der Abstandsvorschriften sind (Vermeidung von Licht-, Luft- und Sonnenentzug, Unterbindung einer erdrückenden Wirkung des Baukörpers sowie Wahrung eines ausreichenden Sozialabstands), jedenfalls aus tatsächlichen Gründen auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme verstößt.
25Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -, BRS 62 Nr. 102 und vom 22. November 1984 – 4 B 244/84 –, juris.
26Eine städtebauliche Sondersituation, die es rechtfertigt, das streitige Bauvorhaben der Beigeladenen den Grundstücken der Antragsteller gegenüber als rücksichtslos einzustufen, obwohl die Vorgaben aus § 6 BauO NRW eingehalten werden, ist hier mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. Gegen das Vorliegen eines atypischen Sonderfalls spricht insbesondere, dass das Vorhaben der Beigeladenen in einem Abstand zwischen ca. 10 m und ca. 100 m von den Wohnhäusern der Antragsteller entfernt gelegen ist. Die geplante Höhe der Wohncontaineranlage erweist sich gegenüber den Firsthöhen der Wohnhäuser der Antragsteller aller Voraussicht nach auch deshalb nicht als rücksichtslos, weil die Firsthöhen der Wohngebäude der Antragsteller (Antragsteller zu 1. 157,27 m, Antragsteller zu 3. 158,74 m und Antragsteller zu 4. 158,76 m) gegenüber der genehmigten Firsthöhe des Vorhabens der Beigeladenen mit lediglich 153,61 m zwischen 3,66 m und 5,15 m niedriger liegen.
27Nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung durfte die mit Bescheid vom 1. Oktober 2024 erteilte Befreiung von der Festsetzung „Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung, hier: Busanlage“ erfolgen, da die Nutzung der Grundstücksflächen zur Unterbringung von Geflüchteten in Wohncontainern mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mit unzumutbaren Belästigungen und Beeinträchtigungen für die Antragsteller verbunden sein wird und daher „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ gestattet werden durfte.
28Die vom Bauvorhaben in der genehmigten Form ausgehenden Geräuschimmissionen sind für die Antragsteller nicht schlechthin unzumutbar. Ob und inwieweit sich Belästigungen oder Störungen auswirken können. Ist nach objektiven Maßstäben unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen Nutzung der Anlage und der sich daraus ergebenden Erwartung der Auswirkungen zu beurteilen.
29Vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand: August 2024, § 15 Rn. 28.
30Bei der Bewertung von Gefahren und Beeinträchtigungen nachbarlicher Interessen können nur solche Störungen berücksichtigt werden, die typischerweise bei der bestimmungsgemäßen Nutzung des Vorhabens auftreten und von bodenrechtlicher Relevanz sind. Anderen Gefahren kann im jeweiligen Einzelfall mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts begegnet werden.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. August 1992 – 10 B 3439/92 -, NVwZ 1993, 279 und juris Rn. 7 m.w.N.
32Bei möglichen Rechts- und Ordnungsverletzungen müssen primär bestimmte Personen als Verhaltensstörer zur Verantwortung gezogen werden. Bei den zu erwartenden Geräuschimmissionen handelt es sich in der hier vorliegenden, durch Wohnnutzung geprägten näheren Umgebung um typische, grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, auch wenn sich der Lebensrhythmus und die Gewohnheiten der Geflüchteten von denen der Ortsansässigen abheben.
33Vgl. dazu auch BayVGH, Urteil vom 13. Februar 2012 – 2 B 12.109 –, juris Rdnr. 40.
34Eventuell entstehende soziale Konflikte sind jedenfalls nicht im Wege des Baurechts zu lösen.
35Vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 29. August 2014 - RN 6 E 14.1432 –, juris Rdnr. 29 m.w.N.
36Es ist daher kein im baurechtlichen Sinne schützenswerter Belang, bei einer Nutzung, die typischerweise Wohngeräusche verursacht, nach verschiedenen Personengruppen und deren sozialtypischen Verhaltensweisen zu differenzieren. Unterschiede in den Lebensgewohnheiten und dem Wohnverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen sind baurechtlich ohne Relevanz.
37Vgl. VG Kassel, Beschluss vom 29. November 1989 – 4 TG 3185/89 -, NJW 1990, 1131.
38Das allgemeine Bauplanungsrecht gewährleistet keinen Anspruch der Antragsteller auf die Bewahrung der sozialen Zusammensetzung des Wohnumfeldes (sog. Milieuschutz).
39Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. August 1996 - 4 C 13/94 –, BVerwGE 101, 364 und juris Rdnr. 72.
40Gemessen an diesen Maßstäben stellen die mit der Baugenehmigung vom 1. Oktober 2024 vorgelegten und mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen, namentlich der Lageplan und die Betriebsbeschreibung, hinreichend sicher, dass die Antragsteller durch die Nutzung der Wohncontaineranlage für Geflüchtete nicht unzumutbar belastet werden.
41Die zum Wohnhaus der Antragsteller zu 1. in einer Entfernung von etwa 10 m nächst gelegenen Bauteile des Vorhabens weisen keine Fensteröffnungen zum Antragstellergrundstück hin und nur eine als im Brandschutzkonzept als Notausgangstür gekennzeichneten Ausgang auf. Bei den zum Wohnhaus der Antragsteller zu 3. in etwa 21 m und der Antragsteller zu 4. in etwa 22 m Entfernung nächst gelegenen Bauteilen des Vorhabens handelt es sich ausweislich der grüngestempelten Bauvorlagen Lageplan und Erdgeschoss-Grundriss um den Fahrradunterstand für insgesamt 24 Fahrräder, den überdachten Müllplatz und den Container für den rund um die Uhr anwesenden Ordnungsdienst der Wohncontaineranlage, belegt mit nur einer Aufsichtsperson. Zu den Grundstücken der Antragsteller zu 3. und 4. sind – in einem Abstand von ca. 28 m bzw. 23 m - lediglich die Schlafräume der Geflüchteten mit Fensteröffnungen gelegen, wobei die Geräuschimmissionen, die von den diese Räumlichkeiten nutzenden Personen ausgehen, grundsätzlich als adäquate Wohngeräusche hinzunehmen sind. Der Aufenthaltsraum und die Sanitäranlagen sowie die Küche der Wohncontaineranlage für Geflüchtete sind allesamt abgewandt von der Wohnbebauung auf dem Vorhabengrundstück positioniert. Bei den Antragstellern zu 2., deren Grundstück in etwa 100 m Entfernung zur Wohncontaineranlage in südwestlicher Richtung auf der gegenüberliegenden Straßenseite gelegen ist, erscheint eine unzumutbare Beeinträchtigung bereits aufgrund der großen Entfernung zum Bauvorhaben der Beigeladenen als nahezu ausgeschlossen.
42Die vom zu erwartenden An- und Abfahrtsverkehr der Wohncontaineranlage ausgehenden Lärmimmissionen führen ebenfalls zu keiner unzumutbaren Belastung für die Antragsteller-Grundstücke. Die Wohncontaineranlage für Geflüchtete wird allein über die Bushalte- und Buswendeanlage verkehrsmäßig erschlossen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Eingang der – ansonsten komplett umzäunten – Wohncontaineranlage an der von den Antragsteller-Grundstücken abgewandten Seite liegt, ebenso wie zwei der insgesamt nur drei Stellplätze für Kraftfahrzeuge. Diese drei Stellplätze werden auch ausschließlich über die Bushalte- und Buswendeanlage angefahren. Der Ziel- und Quellverkehr der Unterbringungseinrichtung nimmt daher die Straßen „O.-straße“ und „Y.-straße“, durch welche die Antragsteller-Grundstücke erschlossen werden, überhaupt nicht in Anspruch. Es ist ausweislich der Betriebsbeschreibung des Vorhabens auch nicht ersichtlich, dass über den notwendigerweise entstehenden Anlieferungsverkehr hinaus – z.B. durch Fahrzeuge der Abfallwirtschaftsbetriebe - sich der Ziel- und Quellverkehr der Flüchtlingsunterkunft nennenswert verstärken dürfte. Darüber hinaus sind auf dem Vorhabengrundstück lediglich drei Stellplätze genehmigt worden, wobei diese geringe Anzahl an Stellplätzen vor dem Hintergrund erfolgt ist, dass eine Motorisierung der Flüchtlinge nicht zu erwarten steht. Gleichfalls erscheint es damit aller Voraussicht nach auch ausgeschlossen, dass es zu dem von den Antragstellern befürchteten erhöhten Verkehrs- und Parkaufkommen kommt. Sollte dennoch einmal ein Durchkommen von Kraftfahrzeugen, Rettungswagen oder Versorgungsfahrzeugen erschwert oder gar unmöglich sein, so muss dieser Problematik im konkreten Einzelfall mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts begegnet werden. Soweit die Antragsteller einwenden, die durch die Ansiedlung des Bauvorhabens der Beigeladenen verkleinerte Fläche für den Busverkehr (Haltestelle und Wendeanlage) führe zu erhöhten Verkehrsaufkommen und damit zu Lärmbeeinträchtigungen bei der angrenzenden Wohnbebauung ist dem entgegen zu halten, dass die Platzierung der Wohncontaineranlage für Geflüchtete auf dem Vorhaben-Grundstück sogar einen gewissen abschirmenden Schutz vor Lärmbeeinträchtigungen durch Busverkehr für die in nördlicher, westlicher und südwestlicher Richtung liegenden Antragsteller-Grundstücke bietet.
43Dafür, dass die von der Errichtung der Wohncontaineranlage für Geflüchtete ausgehenden Beeinträchtigungen nachbarlicher Belange die Zumutbarkeitsschwelle nicht überschreiten, spricht im Übrigen auch, dass die Nutzung der Wohncontaineranlage für Geflüchtete mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 1. Oktober 2024 nicht auf Dauer, sondern nur zeitlich befristet auf drei Jahre, beginnend mit dem Datum der Nutzungsaufnahme, genehmigt wurde.
44Soweit die Antragsteller schließlich auf die rechtlichen Ausführungen im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Oktober 2024 – 1 CS 24.1449 – juris hinweisen und diese Schlussfolgerungen auf den vorliegenden Fall übertragen, weist das Gericht abschließend darauf hin, dass der diesem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrundeliegende Sachverhalt nicht mit dem Vorliegenden vergleichbar ist. Denn bei dem Bebauungsplangebiet T. handelt es sich schon um kein „kleines Baugebiet“ wie das aber im zitierten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof von lediglich acht Grundstücken, die mit Einfamilienhäusern und Doppelhäusern locker bebaut waren und in denen ca. 35 Personen wohnten, der Fall war. Vorliegend beträgt allein schon die festgesetzte WA-Fläche im Bebauungsplangebiet ca. 2 Hektar und umfasst fünf Straßenzüge. Darüber hinaus sind nach Angaben der Beigeladenen insgesamt 270 Personen im Bebauungsplangebiet T. mit Haupt- bzw. Nebenwohnsitz gemeldet. Die im Vergleichsfall des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geplante Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete sollte nach der Kubatur das größte Gebäude mit einer Belegungszahl von 96 Personen sein, wobei sich schon eine weitere Unterkunft für Geflüchtete für 50 bis 60 Personen vor Ort befand. Zudem sollte die Länge des Gebäudekörpers mit anschließender Garage über 50 m betragen. Dazu sollte das dortige Vorhaben auf 12 Jahre befristet sein. Demgegenüber soll die hier streitgegenständliche Wohncontaineranlage für Geflüchtete lediglich mit bis zu 60 Personen belegt werden, was sowohl gegenüber der im Bebauungsplangebiet gemeldeten 270 Personen als auch gegenüber der Einwohnerzahl von T. mit insgesamt 1.772 Einwohnern zu keiner Dominanz der Geflüchteten führen dürfte. Der Gebäudekörper beträgt vorliegend lediglich eine Länge von 39,17 m und die Aufstelldauer der Wohncontaineranlage ist auf nur auf drei Jahre nach Nutzungsbeginn befristet.
45Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, da die Beigeladene keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.
46Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Sie trägt der anzunehmenden Bedeutung aus der Sicht der Antragsteller Rechnung. Wird die Beeinträchtigung eines Wohngrundstücks von einem Nachbarn geltend gemacht, ist der Streitwert regelmäßig im Rahmen von 7.500,00 Euro bis 20.000,00 Euro festzusetzen, mindestens jedoch mit 1.500,00 Euro (vgl. Ziffer 7 lit. a) des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 610)). Danach erscheint hier im Klageverfahren für die betroffenen Wohngrundstücke ein Betrag von jeweils 10.000,00 Euro angemessen, mithin insgesamt 40.000,00 Euro (vgl. Ziffer 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen). Wegen der Vorläufigkeit des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens wird dieser Wert halbiert (vgl. Ziffer 14 lit. a) des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW vom 22. Januar 2019).
47Rechtsmittelbelehrung
48Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung bei dem Verwaltungsgericht Köln (Appellhofplatz, 50667 Köln oder Postfach 10 37 44, 50477 Köln) schriftlich Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist eingeht bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder Postfach 6309, 48033 Münster. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
49Die Beschwerde ist einzulegen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
50Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist nicht selbstständig anfechtbar.
51Gegen die Festsetzung des Streitwerts kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem diese Entscheidung Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln (Appellhofplatz, 50667 Köln oder Postfach 10 37 44, 50477 Köln) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Hierfür besteht kein Vertretungszwang. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.