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Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2021 verpflichtet, den unter dem 22.04.2020 beantragten Bauvorbescheid für die Errichtung eines rückwärtigen Anbaus U.-straße 92a, 00000 J., Gemarkung G01, Flur 0, Flurstück 00/00, zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger ist seit dem Jahre 2020 Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks mit der postalischen Anschrift U.-straße 92a in J. (Gemarkung G01, Flur 0, Flurstücke 00/00). Er begehrt mit seiner Klage die Erteilung eines Bauvorbescheides, mit dem die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Erweiterung des Wohnhauses festgestellt werden soll.
3Bei dem Wohnhaus handelt es sich um ein ehemaliges sog. Behelfsheim. Dessen Errichtungszeitpunkt ist unbekannt. Eine Baugenehmigung für das ehemalige Behelfsheim ist in dem von der Beklagten geführten Aktenarchiv nicht vorhanden. Dem Rechtsvorgänger des Klägers wurde am 17.10.1957 eine Baugenehmigung für einen Anbau an das bestehende Behelfsheim erteilt. Ausweislich der im Jahre 1957 vorgelegten Bauvorlagen wurde die Ursprungsfläche des Hauses durch den eingeschossigen Anbau von ca. 33,80 m2 auf ca. 61,67 m2 erweitert. Mit Baugenehmigung vom 25.07.1963 wurde dem Rechtsvorgänger eine weitere Genehmigung für einen Anbau (Garage, Waschküche) und für die Aufstockung zur Errichtung einer weiteren Wohnung erteilt. Die genehmigte Wohnfläche wurde mit der im Dachgeschoss genehmigten 2. Wohnung um ca. 55 m2 erweitert und betrug zusammen mit der im Erdgeschoss genehmigten Wohnfläche (61 m2) insgesamt ca. 116 m2.
4Der Rechtsvorgänger des Klägers wich von der Baugenehmigung vom 25.07.1963 ab. Er nahm eine Nutzungsänderung der Garage und der Waschküche im Erdgeschoss vor und nutzte diese als Bad und Schlafzimmer. Er nahm eine größere und höhere Aufstockung des Gebäudes vor und baute zusätzlich den Spitzboden zu Aufenthaltsräumen aus (Dachzimmer und Dusche). Mit dem von der Genehmigung abweichenden Ausbau besteht nunmehr eine Gesamtwohnfläche von 207,95 m2, verteilt auf zwei Wohnungen (Wohnung 1: 70,17 m2, Wohnung 2: 137,78 m2, einschließlich 21,59 m2 Terrassenfläche).
5Der Kläger beantragte unter dem 30.04.2020 bei der Beklagten die Erteilung eines Bauvorbescheides, der auf die Feststellung der planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung eines rückwärtigen eingeschossigen Anbaus mit einer Wohnfläche von 37,95 m2. Der Anbau soll auf der jetzigen Terrassenfläche erfolgen. Mit dem Entfall der Terrasse soll die bestehende Wohnfläche um 21,59 m2 reduziert werden.
6Die Beklagte lehnte den Antrag auf Erteilung des Bauvorbescheides mit dem am 08.07.2021 zugestellten Bescheid vom 06.07.2021 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass das Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich unzulässig sei. Es beeinträchtige öffentliche Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 BauGB. Es widerspreche den Darstellungen des FLNP, der den Vorhabenbereich als Waldfläche darstelle. Es lasse auch die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten. Es sei eine negative Vorbildwirkung zu befürchten, weil fünf der acht benachbarten Wohngebäude kleinere Grundflächen aufwiesen als der jetzige Baubestand des Klägers. Auf die Privilegierung des § 35 Abs. 4 Nr. 5 BauGB könne sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Die vorgesehene Erweiterung der Wohnfläche auf 224,31 m2 für zwei Wohnungen sei im Verhältnis zum ursprünglichen vorhandenen Wohngebäude unangemessen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sei zu berücksichtigen, dass die Rechtsvorgänger von der Genehmigung vom 25.07.1963 abgewichen seien und bereits eine formell illegale Erweiterung der Wohnfläche vorgenommen hätten. Mehrmalige Erweiterungen seien nur zulässig, wenn sie zusammengenommen im Verhältnis zum ursprünglich vorhandenen Wohngebäude angemessen seien. Lege man den Inhalt der Genehmigung aus dem Jahr 1957 als Bestandsgebäude zugrunde, so sei eine Erweiterung der seinerzeitigen Wohnfläche von 61 m2 mit einer Wohnfläche von nunmehr 224,31 m2 gegenüberzustellen. Eine Erweiterung der Wohnfläche um 267 % sei unangemessen. Die Erweiterung sei auch unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse nicht angemessen. Die geplante Erweiterung der Hauptwohnung auf 154,14 m2 entspreche zwar in Anlehnung an den Außenbereichserlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW dem Wohnbedarf einer durchschnittlichen vierköpfigen Familie. Die zusätzlich geplante Nebenwohnung mit einer Wohnfläche von 70,17 m2, die zunächst zur Fremdvermietung vorgesehen sei, erhöhe die Überschreitung des angemessenen Wohnraums zusätzlich.
7Der Kläger hat am 09.08.2021, einem Montag Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass das Vorhaben nach Maßgabe von § 34 BauGB zu beurteilen sei, weil es innerhalb eines Zusammenhang bebauten Ortsteil gelegen sei. Die Bebauung entlang der Straße U.-straße 90, 90a, 92a, 94, 96a, 96, 98 und 100 stelle einen Bebauungszusammenhang dar. Selbst wenn sich die Zulässigkeit nach § 35 BauGB bewerten würde, so wäre der Anbau nach § 35 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich zulässig. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liege nicht vor. Die Verfestigung einer Splittersiedlung sei nicht zu befürchten. Ein nur 37 m2 großer Anbau löse keine bodenrechtlichen Spannungen aus. In jedem Fall würde sich die Zulässigkeit des geplanten Anbaus aus der Vorschrift des § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 BauGB ergeben. Die Vorschrift finde Anwendung, obwohl das jetzige Bestandsgebäude nicht den erteilten Baugenehmigungen entspreche. Die Anwendung der Privilegierung komme auch für ungenehmigte Gebäude in Betracht, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Errichtung oder zu irgendeinem späteren Zeitpunkt hätten genehmigt werden müssen. Das geplante Vorhaben sei als angemessen zu bewerten. Bei der Prüfung der Angemessenheit seien zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Angemessenheit müsse sowohl im Verhältnis zu dem vorhandenen Wohngebäude als auch unter Berücksichtigung der ganz konkret vorhandenen Wohnbedürfnisse angemessen sein. Beide Voraussetzungen seien hier gegeben. Er wolle die Hauptwohnung mit seiner derzeit dreiköpfigen Familie bewohnen. Eine Vergrößerung der Familie durch weitere Kinder sei geplant. Die Nebenwohnung solle die Versorgung seiner Mutter ermöglichen, wenn sie pflegebedürftig werde. Die Nebenwohnung solle bis zum Eintritt der Pflegebedürftigkeit fremdvermietet werden. Der Anbau solle lediglich über eine Flächenzahl von 37,95 m2 verfügen. Hierdurch seien keine Spannungen mit den umliegenden Nachbargrundstücken zu befürchten. Wie den Übersichtsplänen zu entnehmen sei, seien die vorhandenen Nachbargebäude ohnehin viel massiver. Insbesondere der unmittelbar angrenzende Baukörper U.-straße 90/90a stelle sich in seinem Gesamteindruck erheblich massiver dar als das Grundstück U.-straße 92 inklusive der geplanten Erweiterung.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.07.2021 zu verpflichten, den unter dem 22.04.2020 beantragten Bauvorbescheid für die Errichtung eines rückwärtigen Anbaus U.-straße 92a, 00000 J., Gemarkung G01, Flur 0, Flurstück 00/00, zu erteilen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie meint, dass die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 35 BauGB zu beurteilen sei. Das streitgegenständliche Grundstück sei in einer Splittersiedlung gelegen, die aus den Gebäuden U.-straße Nrn. 88 bis 100 bestehe. Das erkennende Gericht habe bereits mit Urteil vom 15.06.2018 – 2 K 5554/16 – entschieden, dass es sich bei den Gebäuden U.-straße Nrn. 88-100 um eine Splittersiedlung handele. Das Vorhaben sei nach § 35 BauGB unzulässig. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie die Gründe des ablehnenden Bescheides. Ergänzend trägt sie vor, dass das Vorhabengrundstück in einem festgesetzten Landschaftsschutzgebiet gelegen sei. Insoweit seien auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege tangiert, die einer konkreten Prüfung und Bewertung durch die Untere Naturschutzbehörde bedürften.
13Das Gericht hat die Örtlichkeit am 21.11.2014 in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll und die anlässlich des Ortstermins gefertigten Lichtbilder Bezug genommen.
14Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Erteilung des begehrten bauplanungsrechtlichen Vorbescheids, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
17Nach den §§ 77 Abs. 1 Satz 1 und 4, 74 Abs. 1 BauO NRW 2018 ist der Vorbescheid zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Dies ist hier der Fall. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig.
18Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 35 BauGB, denn es soll nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, sondern im Außenbereich verwirklicht werden. Bei dem Vorhabengrundstück handelt es sich nicht um einen dem Innenbereich i. S. d. § 34 BauGB zuzurechnenden Bebauungszusammenhang, sondern um Außenbereich i. S. d. § 35 BauGB. Das Vorhabengrundstück liegt nicht in einem Bebauungszusammenhang. Die Bebauung entlang der Straße U.-straße 90, 90a, 92a, 94, 96a, 96, 98 und 100 ist eine vom Bebauungszusammenhang der Ortslage G01 abgesetzte Splittersiedlung. Der Bebauungszusammenhang der Ortslage G01 endet am östlichen Ende der Bebauung auf dem Grundstück U.-straße 46a und am östlichen Ende der Bebauung entlang der Q.-straße.
19Die Bebauung entlang der Straße U.-straße 90, 90a, 92a, 94, 96a, 96, 98 und 100 ist kein Ortsteil i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Ein Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist,
20vgl. BVerwG, Urteile vom 23.11.2016 - 4 CN 2.16 -, juris Rn. 15, vom 30.06.2015 - 4 C 5.14 -, juris Rn. 11, vom 19.04.2012 - 4 C 10.11 -, juris Rn. 19.
21Für die Frage, ob ein Bebauungskomplex nach seinem Gewicht als Ortsteil anzusehen ist, kommt es auf die Siedlungsstruktur der jeweiligen Gemeinde an. Die organische Siedlungsstruktur erfordert ihrerseits nicht, dass es sich um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handeln müsste. Auch eine unterschiedliche, unter Umständen auch eine in ihrer Art und Zweckbestimmung gegensätzliche Bebauung kann einen Ortsteil bilden. Ebenso wenig kommt es auf die Entstehungsweise der vorhandenen Bebauung an. Erforderlich ist auch nicht, dass die Bebauung einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht, eine bestimmte städtebauliche Ordnung verkörpert oder als eine städtebauliche Einheit in Erscheinung tritt. Der Ortsteil braucht sich ferner nicht als ein Schwerpunkt der baulichen Entwicklung eines Gemeinwesens darzustellen. Das ist für das Vorliegen eines Ortsteiles lediglich ausreichend, nicht dagegen notwendig. Entsprechendes gilt für die Zuordnung zu einem Schwerpunkt sowie dafür, dass die vorhandene Bebauung ein gewisses eigenständiges Leben gestatten muss. Auch wenn es an alledem fehlt, kann ein - nach der Zahl seiner Bauten nicht ungewichtiger - Bebauungszusammenhang Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sein,
22vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.1998 - 4 C 7.98 -, juris Rn. 12, und vom 17.02.1984 - 4 C 56.79 -, juris Rn. 9.
23Nach Maßgabe dieser Grundsätze fehlt es den allenfalls 10 entlang der Grundstücke U.-straße 90 – 100 vorhandenen Gebäuden, die zum dauerhaften Wohnen genutzt werden, allein wegen ihrer geringen Anzahl an dem erforderlichen Gewicht, um in Abgrenzung zur Splittersiedlung als eigenständiger Ortsteil angesehen werden zu können. Nach dem Eindruck des Einzelrichters im Ortstermin am 21.11.2024 fehlt es der genannten Bebauung auch an einer organischen Siedlungsstruktur, weil 3 der 10 Wohngebäude (U.-straße 88, 88a und 92) in einer Art Hinterlandbebauung in das unmittelbar angrenzende Waldgebiet hineingebaut wurden und die Gebäude U.-straße 88 und 88a nur über einen geschotterten Waldweg zu erreichen sind.
24Das nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Vorhaben des Klägers ist als sonstiges Vorhaben gem. § 35 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich zulässig. Nach dieser Vorschrift können sonstige Vorhaben im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihrer Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Dem Vorhaben des Klägers kann gem. § 35 Ab. 4 Satz 1 BauGB nicht entgegenhalten gehalten werden, dass es den Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widerspricht, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Das Vorhaben erfüllt die Voraussetzungen der dem Bestandsschutz Rechnung tragenden Privilegierung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB und ist im Übrigen außenbereichsverträglich i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB. Nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB ist die Erweiterung die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen begünstigt: a) das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, b) die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und c) bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird.
25Diese Voraussetzungen sind gegeben. Das Wohngebäude des Klägers ist zulässigerweise errichtet worden. Für das Bestandsgebäude bestehen zwar Baugenehmigungen – zuletzt die Baugenehmigung vom 25.07.1963 -, die für zwei Wohnungen eine Gesamtwohnfläche von nur ca. 116 m2 erlauben. Zulässigerweise errichtete Gebäude sind allerdings auch solche Gebäude, die wegen ihrer materiellen Legalität Bestandsschutz genießen. Dies ist bei der in Abweichung von der Genehmigung vom 25.07.1963 vom Rechtsvorgänger des Klägers vorgenommenen Erweiterung der Wohnfläche um ca. 92 m2 der Fall. Diese angemessene Erweiterung wurde materiell legal, nachdem das BBauG-Änderungsgesetz 1979 zum 01.08.1979 erstmals die Begünstigung für die Erweiterung eines eigengenutzten Wohnhauses eingeführt hatte. Selbst wenn der Rechtsvorgänger der Kläger eine der beiden genehmigten Wohnungen nicht selbst genutzt, sondern fremdvermietet hätte, wäre die Erweiterung spätestens mit Inkrafttreten des BauGB 1986 zum 01.07.1987 legalisiert worden. Bis zum Erlass des BauGB 1986 wurde zwar noch verlangt, dass der Eigentümer das Wohnhaus „längere Zeit selbst genutzt hat und die Erweiterung der angemessenen Versorgung des Eigentümers und seiner zum Haushalt gehörenden Familienangehörigen mit Wohnraum dient“. Dieses Erfordernis ist mit dem BauGB 1986 aber entfallen. Die Voraussetzung der Selbstnutzung des Gebäudes wurde mit Inkrafttreten des BauGB 1986 nur für den Fall verlangt, dass mit der Erweiterung eine zweite Wohnung errichtet wurde,
26vgl. Söfker, in: E/Z/BK, BauGB EL April 2024, § 35 Rn. 160.
27Mit der vom Rechtsvorgänger des Klägers vorgenommenen Erweiterung war keine Errichtung einer weiteren Wohnung verbunden, weil dem Rechtsvorgänger des Klägers bereits mit der Genehmigung vom 25.07.1963 zwei Wohnungen genehmigt worden waren.
28Die vom Kläger beabsichtigte Erweiterung seines Wohngebäudes ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse auch angemessen. Die Angemessenheit zum vorhandenen Wohngebäude bedeutet eine Ausrichtung der Erweiterung am vorhandenen baulichen Bestand, wie er zulässigerweise errichtet worden ist. Darüber hinaus muss die Erweiterung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen sein. Dabei ist auf die objektiven Verhältnisse Eigentümers und seiner Familie abzustellen; auf die selbstbestimmten Bedürfnisse der Bewohner kommt es nicht an,
29vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.05.1988 – 4 B 88/88 -, juris.
30Bei der Bestimmung der Angemessenheit kann zur Orientierung auf die Wohnungsgrößen des II. WoBauG zurückgegriffen werden, das durch das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) vom 13.09.2001 ersetzt wurde. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch die Nachfolgeregelung des WoFG als Bundesrecht gem. Art. 125 a Abs. 1 Satz 2 GG wegen Änderung der Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen in NRW nicht mehr fortgilt, weil es durch das Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land NRW vom 08.12.2009 (GV NRW S. 772) ersetzt wurde. Soweit ein Land ein eigenes Wohnraumförderungsgesetz hat und aufgrund dessen Wohnungsgrößen bestimmt sind, können diese für die Bestimmung der Angemessenheit der Wohnbedürfnisse herangezogen werden,
31vgl. Söfker, in: E/Z/B/K BauGB, Stand April 2024, § 35 Rn. 158.
32Nach Maßgabe dieser Grundsätze erweist sich die vom Kläger beabsichtigte Erweiterung als angemessen. In die Beurteilung der Angemessenheit des Vorhabens des Klägers ist nicht nur die geplante Erweiterung durch den Anbau von 37,95 m2 einzubeziehen, sondern auch die vom Rechtsvorgänger des Klägers formell illegal vorgenommene Erweiterung der Wohnfläche. Der Rechtsvorgänger hat die Wohnfläche des Gebäudes bereits in der Vergangenheit formell illegal von genehmigten 116 m2 inklusive einer Terrassenfläche von 21,59 m2 um ca. 92 m2 auf ca. 208,00 m2 erweitert. Diese Erweiterung wurde als erste Erweiterung mit Inkrafttreten des BauGB 1986 gem. § 35 Abs. 4 Nr. 5 BauGB materiell legalisiert. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Erweiterung ist damit eine Erweiterung der Wohnfläche um ca. 108 m2 (ca. 92 m2 + 37,95 m2 – 21,59 m2) einzubeziehen. Die Begünstigungsvorschrift des § 35 Abs. 4 Nr. 5 BauGB schließt zwar mehrmalige Erweiterungen nicht aus. Mehrmalige Erweiterungen fallen aber nur dann unter die Privilegierung des § 35 Abs. 4 Nr. 5 BauGB, wenn sie zusammengenommen die Anforderungen an die Angemessenheit erfüllen,
33vgl. BVerwG, Urteil vom 27.08.1998 – 4 C 13/97 -, juris; Söfker, in: E/Z/B/K BauGB, Stand April 2024, § 35 Rn. 159.
34Die Erweiterung der Wohnfläche um insgesamt ca. 108 m2 ist unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen. Vor den Erweiterungen waren bereits zwei selbständige Wohnungen genehmigt. Mit der Erweiterung sollen 2 Wohnungen mit jeweils ca. 154 m2 und 70 m2 errichtet werden. Die Angemessenheit orientiert sich dabei an objektiven Verhältnissen des Eigentümers, nicht an dessen subjektiven selbstbestimmten Bedürfnissen. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnbedürfnisse ist als Orientierungshilfe auf die Vorgaben der Grundsätze zur planungsrechtlichen Beurteilung von Bauvorhaben im Außenbereich – Außenbereichserlass d. Ministeriums für Bauen und Verkehr und des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 27.10.2006 (Außenbereichserlass - MBl. NRW, S. 779 ff.) heranzuziehen. Dieser Erlass greift die bereits im Jahre 2001 außer Kraft getretenen Vorgaben zu den Wohnungsgrößen des steuerbegünstigten Wohnungsbaus auf und schreibt diese unter Berücksichtigung des mittlerweile gestiegenen persönlichen Wohnflächenbedarfs fort. Die in NRW aktuell für die steuerliche Förderung von Wohnraum geltenden Bestimmungen, namentlich der Runderlass des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung vom 15.02.2023 (WFB NRW 2023 - MBl. NRW 2023 S. 312) bieten keine tragfähige Orientierungshilfe für die Bestimmung der Angemessenheit der Wohngebäudeerweiterung i.S.v. § 35 Abs. 4 Nr. 5 BauGB. Die WFB NRW 2023 enthalten unter Ziff. 2.5.1 zwar Wohnflächengrößen für die Begrenzung der steuerlichen Förderung. Diese Wohnflächengrößen gelten aber nur für die Förderung von Mietwohnraum und nicht für die Förderung von selbst genutzten Wohngebäuden. Hinsichtlich der Förderung selbst genutzten Wohneigentums sehen die WFB NRW 2023 unter Ziff. 5 eine Begrenzung der Förderung nach der Wohnfläche nicht vor. Die vom Kläger beabsichtigte Erweiterung hält sich innerhalb des durch den Außenbereichserlass vorgegebenen Rahmen. Der Außenbereichserlass sieht für eine angemessene familiengerechte Erweiterung eines zulässigerweise errichteten Wohngebäudes - in Anlehnung an den steuerlich begünstigten Wohnungsbau - unter Ziff. 4.5 vor, dass ein Familienheim mit einer Wohnung 160 m2 und ein Familienheim – wie hier – mit zwei Wohnungen – eine Wohnfläche von 250 m2 nicht überschreiten soll. Zur angemessen Unterbringung eines Haushalts mit mehr als vier Personen hält er für jede weitere zum Haushalt gehörende Person eine Mehrfläche von jeweils bis zu 20 m2 für möglich. Das Vorhaben des Klägers, das die Wohnfläche eines Familienheims mit zwei Wohnungen auf 224 m2 erweitert, hält sich in dem durch den Außenbereichserlass vorgegebenen Rahmen.
35Die Erweiterung ist auch im Verhältnis zum bisherigen Gebäudebestand angemessen. Maßgeblich ist der ohne Anwendung des Begünstigungstatbestandes des § 35 Abs. 4 Nr. 5 BauGB genehmigte Bestand und damit der durch die Genehmigung vom 25.07.1963 genehmigte Gebäudebestand. Dieser umfasste eine Wohnfläche für zwei Wohnungen von insgesamt 116 m2. Dieser Bestand wird mit der schon erfolgten und weiteren geplanten Erweiterung auf 224 m2 und damit um 93 % des Bestandes erweitert. Dies kann als noch angemessen angesehen werden, weil der ursprüngliche Bestand durch die Anwendung der Begünstigungsvorschrift nicht verdoppelt wird.
36Das Erfordernis der Selbstnutzung kann der Erweiterung nicht entgegengehalten werden. Die Voraussetzung der Selbstnutzung gem. § 35 Abs. 4 Nr. 5 c) BauGB gilt nur dann, wenn mit der Erweiterung eine weitere Wohnung errichtet wird. Bis zum Erlass des BauGB 1986 wurde zwar noch verlangt, dass der Eigentümer das Wohnhaus „längere Zeit selbst genutzt hat und die Erweiterung der angemessenen Versorgung des Eigentümers und seiner zum Haushalt gehörenden Familienangehörigen mit Wohnraum dient“. Dieses Erfordernis ist mit dem BauGB 1986 aber entfallen,
37vgl. Söfker, in: E/Z/BK, BauGB EL April 2024, § 35 Rn. 160
38Mit der streitgegenständlichen Erweiterung soll keine zweite Wohnung neu errichtet werden. Mit der Genehmigung vom 25.07.1963 wurden dem Rechtsvorgänger des Klägers bereits zwei Wohnungen genehmigt.
39Können dem Vorhaben des Klägers somit die in § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB genannten Belange nicht entgegengehalten werden, so ist es auch im Übrigen außenbereichsverträglich, weil eine Beeinträchtigung anderer in § 35 Abs. 3 BauGB genannter Belange nicht gegeben ist. Die Erschließung ist gesichert.
40Dass für das Vorhaben möglicherweise eine Ausnahme- oder Befreiungsentscheidung von den Verboten erforderlich ist, die für das Landschaftsschutzgebiet festgesetzt sind, ist für die Erteilung des hier streitigen Vorbescheids nicht erheblich. Dieser stellt für die vom Kläger noch zu beantragende Baugenehmigung nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens fest. Die Vereinbarkeit mit naturschutzrechtlichen Bestimmungen, für die ein gesondertes Genehmigungsverfahren – wie hier etwa für Ausnahmen von Verboten in Landschaftsschutzgebieten nach § 23 Abs. 1 LNatSchG NRW - vorgesehen sind, ist nicht Gegenstand des Planungsrechts. Die für die Ausnahme von den für das Landschaftsschutzgebiet bestehenden Verboten vom Kläger zu beantragende Genehmigung der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde muss erteilt sein, bevor dem Kläger die von ihm noch zu beantragende Baugenehmigung für sein Vorhaben erteilt werden kann.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
42Rechtsmittelbelehrung
43Innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils kann bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich beantragt werden, dass das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster die Berufung zulässt. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
44Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster schriftlich einzureichen.
45Der Antrag ist zu stellen und zu begründen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder eine diesen gleichgestellte Person als Bevollmächtigten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Auf die besonderen Regelungen in § 67 Abs. 4 Sätze 7 und 8 VwGO wird hingewiesen.
46Beschluss
47Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
485.000,- Euro
49festgesetzt.
50Rechtsmittelbelehrung
51Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Verwaltungsgericht Köln schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet, falls das Verwaltungsgericht ihr nicht abhilft. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der genannten Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes zweihundert Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zulässt.