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1.
Die aufschiebende Wirkung der Klage – 23 K 5866/23 – gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 20. September 2023 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage – 23 K 5866/23 – gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 20. September 2023 wiederherzustellen
4hat Erfolg.
5Das Gericht stellt gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die vorliegend nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfallende aufschiebende Wirkung der Klage dann wieder her, wenn das Interesse des Antragstellers, vorerst von der Vollziehung der Ordnungsverfügung verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der streitige Bescheid bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren alleine möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist. Hingegen überwiegt in der Regel das öffentliche Interesse, wenn der Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist. Vorliegend fällt die Interessenabwägung zu Lasten der Antragsgegnerin aus, da sich die streitige Ordnungsverfügung vom 20. September 2023 nach dem derzeitigen Sachstand als rechtswidrig erweist.
6Dabei folgt die Rechtswidrigkeit nicht schon daraus, dass seit dem 1. April 2024 mit § 13a FeV mit mit der Neufassung der Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung neue gesetzliche und untergesetzliche Regelungen mit Bezug zum Konsum von Cannabis in Kraft sind. Denn maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage ist vorliegend der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also der 20. September 2023.
7Die Antragsgegnerin stüzt die Ordnungsverfügung, mit welcher dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen wird, auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 11 Abs. 8 Satz 1 FeV.
8Nach Maßgabe dieser Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, also die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht erfüllt (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV).
9Eine fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen besteht gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen, durch die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
10Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung.
11Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.
12Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist und für die Nichtbeibringung kein ausreichender Grund besteht,
13vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 C 25/04 –, juris Rn. 19.
14Da eine Gutachtenanordnung nicht selbstständig anfechtbar ist, sondern nur im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens gegen eine daran anknüpfende Fahrerlaubnisentziehung oder eine sonstige in Rechte des Betroffenen eingreifende Maßnahme der Fahrerlaubnisbehörde inzident auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden kann, ist es ein Gebot effektiven Rechtsschutzes, insoweit strenge Anforderungen zu stellen. Die Begutachtungsanordnung muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Für den Betroffenen muss ausgehend von der für die jeweilige Fallgestaltung in Betracht kommenden Befugnisnorm in der Fahrerlaubnisverordnung erkennbar sein, was der Anlass für die angeordnete Untersuchung ist und ob die in ihr verlautbarten Gründe die behördlichen Bedenken an der Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermögen. Denn nur auf der Grundlage dieser Information kann er sachgerecht einschätzen, ob er sich trotz der mit einer Untersuchung verbundenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts und der Kostenbelastung der Begutachtung stellen oder ob er die mit der Verweigerung der Begutachtung verbundenen Risiken eingehen möchte,
15vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 – 3 C 13.01 –, juris Rn. 20; OVG NRW, Beschlüsse vom 2. Dezember 2019 – 16 B 1697/19 –, juris Rn. 8, vom 11. April 2017 – 16 E 132/16 –, juris Rn. 28 und vom 7. Februar 2013 – 16 E 1257/12 –, juris Rn. 4 f.
16Ausgehend davon durfte die Antragsgegnerin hier nicht nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers schließen.
17Zwar hat dieser das mit Anordnung vom 31. März 2023 geforderte fachärztliche Gutachten (großes Screening) nicht innerhalb der gesetzten Frist beigebracht.
18Hierzu bestand letztlich jedoch keine Verpflichtung, weil die Anordnung, innerhalb von drei Tagen nach Zustellung der Anordnung eine Blut- und eine Urinprobe sichern zu lassen und innerhalb von 6 Wochen ein Gutachten über ein großes Screening vorzulegen, rechtswidrig ist.
19Dabei bleibt das Gericht bei der bereits in der Hinweisverfügung vom 18. April 2024 geäußerten Rechtsauffassung, dass im Grundsatz gegen die Anordnung zur Vorlage eines Gutachtens über ein Drogensrceening keine Bedenken bestehen und dass dem Antragsteller auch mit Blick auf die Osterfeiertage im März 2023 nichts tatsächlich Unmögliches aufgegeben wurde.
20Gleichwohl spricht Vieles dafür, dass die Anordnung zur Sicherung einer Blut- und einer Urinprobe zur Feststellung des Konsumverhaltens des Antragstellers nicht erforderlich ist und damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspricht. Ausweislich der Begründung des Bescheides vom vom 31. März 2023 dient die Anordnung dazu „Aufschluss über den Konsum von Betäubungsmitteln“ des Antragstellers zu gewinnen. Nach den Angaben der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren, die dem Kenntnisstand der Kammer entsprechen, ist gerade Urin für eine Drogenanalyse und damit für die Feststellung eines Konsumverhaltens in besonderem Maße geeignet. Dies beruht insbesondere darauf, dass sowohl die Ursprungs-Wirkstoffe als auch die Abbauprodukte vergleisweise gut und vor allem über einen deutlich längeren Zeitraum als im Blut nachgewiesen werden können.
21Vgl.hierzu auch Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Auflage, Ziffer 3.14.2, Tabellen 4 und 5 zur Nachweisbarkeitsdauer von Drogen im Blut und im Urin.
22Ausgehend hiervon erschließt es sich nicht, warum zusätzlich zur Sicherung einer Urinprobe noch eine Blutentnahme, die einen erheblichen körperlichen Eingriff darstellt, angeordnet wurde. Insoweit hat die Antragsgegnerin – zutreffend und erneut den Kenntnissen der Kammer entsprechend – ausgeführt, dass die Blutuntersuchung gerade dazu dient festzustellen, in welchem Grad eine akute Beeinträchtigung durch psychoaktive Substanzen vorliegt. Damit kann eine Blutuntersuchung in bestimmten Fallkonstellationen ihre Berechtigung haben, nämlich gerade dann, wenn es auf den Grad der aktuellen Einschränkung der Fahrtauglichkeit ankommt.
23Auf eine derartige Feststellung ist die Anordnung vom 31. März 2023 jedoch nicht gerichtet. Wie bereits ausgeführt, sollte mit der Anordnung das Konsumverhalten des Antragstellers geklärt werden. Hierfür ist der konkrete Grad der akuten Beeinträchtigung im Zeitpunkt der Probenentnahme jedoch nicht aussagekräftig und nicht erheblich. Der mit der Blutentnahme verbundene Eingriff in die körperliche Integrität ist mithin zur Beantwortung der Gutachtenfrage nicht erforderlich.
24Hieran ändert auch nichts, dass in der Praxis der Fahrerlaubnisbehörden standartmäßig die Analyse einer Urin- und einer Blutprobe angeordnet wird. Die Anordnung vom 31. März 2023 ist auch nicht in dem Sinne „teilbar“, dass nur die Anordnung der Entnahme einer Blutprobe rechtswidrig, die Anordnung der Sicherung einer Urinprobe hingegen rechtmäßig ist. Es handelt sich – gerade aus Sicht des Adressaten – um eine einheitliche Gutachtenanordnung, die nur durch die Analyse sowohl einer Urin- als auch einer Blutprobe erfüllt werden kann.
25Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
26Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Hälfte des im Hauptsacheverfahren festzusetzenden Streitwerts.
27Rechtsmittelbelehrung
28Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
29Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
30Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
31Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
32Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
33Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
34Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
35Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
36Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.