Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 1727/24.A gegen Ziffer 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. März 2024 (Gesch.-Z.: N01) wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden. |
Gründe
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 5 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 12. März 2024 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4hat Erfolg.
5Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylG hat die Anfechtungsklage gegen die vom Bundesamt in dem angegriffenen Bescheid ausgesprochene Abschiebungsandrohung keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht darf die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nur anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich nicht standhält.
6BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris, Rn. 99.
7Dies bedeutet, dass das erkennende Gericht zu überprüfen hat, ob im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) gegen die von dem Bundesamt vorgenommene Einschätzung, das Asylbegehren sei „offensichtlich unbegründet“, erhebliche Einwände bestehen.
8Vgl. zur Reichweite der fachgerichtlichen Überprüfung BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris, Rn. 93 ff.
9Nach diesem Maßstab unterliegt der angegriffene Bescheid ernstlichen Zweifeln, weil der Asylantrag des Antragstellers jedenfalls nicht „offensichtlich“ unbegründet ist.
10Nach § 30 Abs. 1 AsylG ist ein Asylantrag offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes – d.h. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG und die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG – offensichtlich nicht vorliegen. Dies ist der Fall, wenn nach vollständiger Erforschung des Sachverhalts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Lehre sich die Ablehnung des Antrags geradezu aufdrängt. Nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 AsylG ist ein Asylantrag insbesondere dann offensichtlich unbegründet, wenn der Ausländer eindeutig unstimmige und widersprüchliche, eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die im Widerspruch zu hinreichend gesicherten Herkunftslandinformationen stehen, sodass die Begründung für seinen Asylantrag offensichtlich nicht überzeugend ist. In beiden Fällen hat das Bundesamt in der Entscheidung klar zu erkennen zu geben, warum der Antrag nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen worden ist.
11Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2019 – 2 BvR 1193/18 –, juris, Rn. 18 ff. m. w. N.; siehe auch Heusch, in: Kluth/Heusch, BeckOK, Ausländerrecht, 40. Ed. (Stand: 1. Januar 2024, § 30 AsylG, Rn. 14, 59 m. w. N.
12Daran gemessen begegnet das Offensichtlichkeitsurteil in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes ernstlichen Zweifeln. Hier hat das Bundesamt schon nicht hinreichend begründet, weshalb die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vorliegen sollen. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen wird vielmehr lediglich behauptet. So heißt es im Bescheid, dass die Angaben der Antragsteller offenkundig widersprüchlich und nicht substantiiert seien. Konkrete Widersprüche im Vortrag der Antragsteller werden indes nicht benannt. Weiter führt das Bundesamt aus, dass das eingereichte Dokument „inhaltlich höchst zweifelhaft“ sei. Wie das Bundesamt zu dieser Einschätzung gelangt ist, wird nicht mitgeteilt. Auch dass, wie das Bundesamt weiter ausführt, „in der Beschaffung“ (dieses Dokumentes) offene Fragen existierten, welche der Antragsteller zu 1) nicht habe aufklären können, ist für das Gericht nicht ansatzweise nachvollziehbar. In der Anhörung ist der Antragsteller lediglich gefragt worden, ob er dieses Dokument (gemeint ist ein Urteil der 2. Großen Strafkammer des Strafgerichts vom 00.00.2021) auf UYAP nachweisen könne. Dies habe der Antragsteller laut Anhörungsprotokoll verneint. Auf die Frage, warum er dies nicht könne, habe er geantwortet, dass er Analphabet sei und sich nicht bei UYAP einloggen könne. Fragen hinsichtlich der „Beschaffung“ des Dokuments sind ausweislich des Anhörungsprotokolls nicht gestellt worden, so dass insoweit auch keine Fragen offengeblieben sein konnten.
13Auch die weitere Begründung des Bundesamts, dass die Antragsteller „offensichtlich unwahrscheinliche Angaben“ gemacht hätten, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Hier teilt das Bundesamt schon nicht mit, um welche Angaben es sich dabei konkret gehandelt haben soll. Das Bundesamt führt insoweit nur aus, dass sich die Widersprüche dabei „auf den Kernbereich des verfolgungsrelevanten Vorbringens und nicht nur auf Randbereiche“ bezogen hätten. Was konkret damit gemeint ist, lässt sich dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmen.
14Das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts stellt sich aber nicht nur wegen der mangelnden Begründung als offensichtlich rechtswidrig dar. Auch der Sache nach überzeugt es nicht. Das Bundesamt meint im Kern, dass die Antragsteller offensichtlich die Unwahrheit gesagt hätten. Das Bundesamt macht dies unter anderem daran fest, dass der Antragsteller zu 1 das Dokument (gemeint ist wieder das bereits oben genannte Urteil) „nicht vorzeigen könne, da er keinen E-Devlet-Zugang habe“, wie es im Bescheid wörtlich heißt. Dies trifft aber ausweislich des Anhörungsprotokolls nicht zu. Der Antragsteller hat danach ausgeführt, dass er sich nicht bei UYAP „einloggen“ könne. Auch führt das Bundesamt aus, dass der Antragsteller vorgetragen zu haben, Analphabet zu sein und nicht wisse, wie E-Devlet funktioniere. Auch dies trifft nicht zu.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
16Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).