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Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
2Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage 22 K 7423/24.A gegen die in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Oktober 2024 unter Ziffer 5. enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen,
4ist unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides.
5Im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der gemäß § 36 Abs. 3, § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung an, wenn das persönliche Interesse des Asylsuchenden, von der sofortigen Aufenthaltsbeendigung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Durchsetzung übersteigt. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf das Verwaltungsgericht die Aussetzung der Abschiebung dabei nur dann anordnen, wenn nach der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Der Begriff der „ernstlichen Zweifel“ i. S. v. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG entspricht dabei dem übereinstimmenden Begriff in Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG. Die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme darf danach nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren wahrscheinlich nicht standhält.
6BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris, Rn. 99.
7Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet ist für das Eilverfahren erschöpfend zu prüfen, ob die Antragsgegnerin aufgrund einer umfassenden Würdigung der ihr vorgetragenen oder sonst erkennbaren maßgeblichen Umstände unter Ausschöpfung aller ihr vorliegenden und zugänglichen Erkenntnismittel entschieden und in der Entscheidung klar zu erkennen gegeben hat, weshalb der Antrag offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, sowie, ob die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auch weiterhin Bestand haben kann. Die schlichte Behauptung, der Asylantrag sei offensichtlich unbegründet, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.
8Vgl. etwa BVerfG, Urteil vom 11. Dezember 1985 – 2 BvR 361/83 –, juris, Rn. 50, und Beschluss vom 22. Oktober 2008 – 2 BvR 1819/07 –, juris, Rn. 12 sowie BVerfG, Beschluss vom 25. April 2018 – 2 BvR 2435/17 –, juris, Rn. 20; stattgebender Kammerbeschluss vom 25. Februar 2019 – 2 BvR 1193/18 –, juris, Rn. 18, 21.
9Ausgehend von diesen Grundsätzen fällt die vorzunehmende Interessenabwägung hier zulasten des Antragstellers aus. Denn unter Würdigung des vorliegenden Akteninhalts und der sonstigen Erkenntnisse bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung und der ihr zugrundeliegenden Entscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet.
10Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) hat den Asylantrag des Antragstellers zurecht auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in der Fassung aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I Nr. 54), in Kraft getreten am 27. Februar 2024, als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Danach ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind.
11Der Gesetzgeber hat damit Art. 31 Abs. 8 Buchst. a der Asylverfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, Abl. L 180/60 vom 29. Juni 2013 (Neufassung)) umgesetzt. Unter den Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 8 Asylverfahrensrichtlinie sind die Mitgliedstaaten berechtigt, das Asylverfahren beschleunigt durchführen, d.h. insbesondere nach Art. 32 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie einen Antrag als offensichtlich unbegründet zu betrachten. Der Asylantragsteller darf danach bei der Einreichung seines Antrags und der Darlegung der Tatsachen nur Umstände vorgebracht haben, die für die Prüfung der Frage, ob er als Flüchtling oder Person mit Anspruch auf internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU anzuerkennen ist, nicht von Belang sind. "Belanglos" müssen diese Umstände also im Hinblick auf die Voraussetzungen beider Schutzgewährungen, der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes, sein.
12Ein Vorbringen kann nach zutreffender Auffassung jedenfalls dann als belanglos in diesem Sinne angesehen werden, wenn es von vorneherein keinen Bezug zu den die Schutzgewährung auslösenden Gefahren für den Schutzsuchenden beinhaltet, sich also als „asylfremd“ bezeichnen lässt.
13So VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 12. Juli 2024 - 7 L 1798/24.A -, juris, Rn. 22 ff., und vom 21. August 2024 - 14 L 2208/24.A -, juris, Rn. 14; ähnlich VG Berlin, Beschluss vom 16. April 2024 - 31 L 670/23 A -, juris: wenn der Vortrag des Antragstellers nicht an zu prüfende Tatbestandsvoraussetzungen der Gewährung internationalen Schutzes anknüpfe.
14Darüber hinaus sind die vom Asylantragsteller vorgebrachten Umstände nach allgemeinem Sprachverständnis aber auch dann für die Prüfung des Antrags "nicht von Belang", wenn ihnen bei dieser Prüfung nicht weiter nachgegangen werden muss. Das gilt nicht nur für per se asylfremde Gründe, sondern auch dann, wenn aus dem Vorbringen des Antragstellers auch ohne vorherige Prüfung der Glaubhaftigkeit wie auch der Übereinstimmung mit aktuellen Erkenntnismitteln zu Gefahren im Herkunftsland, mit anderen Worten also bei Wahrunterstellung, kein Schutzstatus nach Artikel 16a Grundgesetz, § 3 oder § 4 AsylG folgen kann.
15So auch VG Köln, Beschluss vom 11. September 2024 - 27 L 1541/24.A -, juris, Rn. 14; VG Ansbach, Beschluss vom 23. Januar 2024 - AN 17 S 24.30038 -, juris, Rn. 20 und Heusch in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 42. Edition, Stand: 1. Juli 2024, § 30 AsylG Rn. 15, jeweils m.w.N.
16Dies ist auch dann der Fall, wenn offenkundig Möglichkeiten des landesinternen Schutzes oder einer inländische Fluchtalternative (vgl. § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. §§ 3d und 3e AsylG) bestehen und der Antragsteller sich darauf verweisen lassen muss.
17Vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 10. Oktober 2024 - W 8 S 24.31970 -, juris, Rn. 30; VG Augsburg, Urteil vom 28. Juni 2024 - Au 6 K 24.30308 -, juris, Rn. 20 ff., 31 sowie VG Dresden, Beschluss vom 16.04.2024 - 3 L 186/24.A -, juris, Rn.20; kritisch VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Juli 2024 - 7 L 1825/24.A -, juris, Rn. 28 f.
18Umstände, die dafürsprächen, lediglich per se asylfremdes Vorbringen als belanglos i. S. v. § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu werten, bestehen nicht. Namentlich dem schon im Wortlaut des Art. 31 Abs. 8 Buchst. a Asylverfahrensrichtlinie zum Ausdruck kommenden Sinn und Zweck der Norm, Prüfverfahren "beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen" durchzuführen, ist Rechnung getragen, wenn das Vorbringen eines Antragstellers auch bei Wahrunterstellung nicht zum Erfolg des Antrags führen kann und deswegen keinen Anlass für eine weitergehende - ggf. zeitaufwändige - Prüfung bietet. Hinzu kommt noch, dass bei einer Verengung des Anwendungsbereichs des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG auf per se asylfremde Umstände die Norm praktisch weitgehend ohne praktische Relevanz sein dürfte.
19Ausführlich VG Köln, Beschluss vom 26. September 2024 - 15 L 1556/24.A -, juris, Rn. 17 ff.
20Allerdings darf kein vom Ausländer im Asylverfahren vorgetragener Umstand von Belang sein, damit das Offensichtlichkeitsurteil gerechtfertigt ist. Nicht über einzelne Asylgründe, sondern über den gesamten Asylantrag muss das Verdikt der Belanglosigkeit fallen. Eine Differenzierung nach einzelnen Gründen findet insoweit im Ergebnis nicht statt.
21Vgl. zum Ganzen Heusch, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 42. Edition, Stand: 1. Juli 2024, § 30 AsylG, Rn. 14 f. mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur.
22Daran gemessen war das Vorbringen des Antragstellers als belanglos im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG anzusehen. Denn auch bei Wahrunterstellung des Vortrags des Antragstellers ergibt sich nichts, was zu einem Anspruch auf Asyl oder auf Zuerkennung internationalen Schutzes führen könnte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in Anwendung von § 77 Abs. 3 AsylG auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Der Antragsteller hat im gerichtlichen Eilverfahren keine Einwände gegen die Offensichtlichkeitsentscheidung vorgebracht.
23Auch die Feststellung, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, ist nicht zu beanstanden.
24Weder familiäre Belange, noch die wirtschaftliche Situation des Antragstellers vermögen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu begründen. Bei der Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote sind lediglich zielstaatsbezogene Umstände zu berücksichtigen. Die familiäre Bindung zu dem Sohn des Antragstellers kann daher erst bei der Abschiebungsandrohung berücksichtigt werden. Auch die wirtschaftliche Situation des Klägers führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 3 AsylG, denen der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert entgegengetreten ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein wird, sein Existenzminimum zu erwirtschaften. Insbesondere sind seinem eigenen Vortrag zufolge die Häuser seines Bruders und seiner Schwester in der Region nur geringfügig vom Erdbeben betroffen und er ist zur Sicherstellung seines Lebensunterhalts nicht an eine Tätigkeit in dem bisherigen, zerstörten Restaurant gebunden.
25Hinsichtlich der vorgetragenen psychischen Probleme des Antragstellers fehlt es mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bereits an einer substantiierten Darlegung einer Erkrankung sowie der Vorlage qualifizierter ärztlicher Bescheinigungen, § 60 Abs. 2c AufenthG.
26Auch die Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Zwar sind hier nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. d. F. des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024, in Kraft getreten am 27. Februar 2024, unter anderem familiäre Bindungen zu berücksichtigen. Danach stehen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) familiäre Belange der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Es kommt hier entgegen dem Vortrag des Antragstellers für die Beurteilung, ob familiäre Belange der Abschiebung entgegenstehen, nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung an, sondern gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Zu diesem Zeitpunkt ist der Sohn des Antragstellers bereits volljährig und gehört nicht mehr zu seiner Kernfamilie. Lediglich ergänzend sei ausgeführt, dass – selbst wenn man auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstellen wollte – sich die Abschiebungsandrohung auch unter Berücksichtigung des Alters des Sohnes des Antragstellers von damals 17 Jahren als rechtmäßig erweisen dürfte. Auch diesbezüglich wäre nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller eine Trennung von seinem Sohn jedenfalls für die Dauer eines Visumsverfahrens – sollte das Asylverfahren des Sohnes positiv abgeschlossen werden – unzumutbar wäre. Bei negativem Abschluss des Asylverfahrens des Sohnes wäre die Wahrung der Familieneinheit durch gemeinsame Wohnsitznahme in der Türkei möglich.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
28Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).