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Die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 7047/24.A gegen die Ablehnung des Asylfolgeantrags als unzulässig in Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17. Oktober 2024 (Gesch.-Z.: N01) wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
2Der wörtlich gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17. Oktober 2024 anzuordnen,
4ist unter Beachtung des Klagebegehrens dahingehend auszulegen, dass die Antragstellerin beantragt,
5die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 7047/24.A gegen die Ablehnung des Asylfolgeantrags als unzulässig in Ziffer 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17. Oktober 2024 (Gesch.-Z.: N01) anzuordnen,
6hilfsweise die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass die Abschiebung der Antragstellerin auf der Grundlage der in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. August 2008 (Gesch.-Z.: N02) ergangenen Abschiebungsandrohung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren 22 K 7047/24.A nicht vollzogen werden darf.
7Denn hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) – wie hier – den Asylantrag der Antragstellerin als Folgeantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 Asylgesetz (AsylG) i. V. m. § 71 AsylG als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1) sowie den Antrag auf Abänderung des Erstbescheides bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) abgelehnt (Ziffer 2), gleichzeitig aber von dem Erlass einer erneuten Abschiebungsandrohung abgesehen, ist nach der Änderung des § 71 Abs. 5 AsylG durch das am 27. Februar 2024 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl. I 2024, Nr. 54 vom 26. Februar 2024) hinsichtlich der statthaften Antragsart im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dahingehend zu differenzieren, ob ein Fall des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG (Stellung eines erstmaligen Folgeantrages) oder des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG (u.a. Stellung eines erneuten Folgeantrages) gegeben ist.
8Hier liegt ein Fall des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG vor. Daher ist das Begehren der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung eines Asylfolgeantrages als unzulässig nicht länger nach § 123 Abs. 1 VwGO, sondern nunmehr regelmäßig nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft.
9Vgl. VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 17. Juni 2024 – A 10 K 2227/24 –, juris, Rn. 3 ff.; VG Würzburg, Beschluss vom 29. Mai 2024 – W 8 S 24.30715 –, juris, Rn. 16 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris, Rn. 5 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris, Rn. 9 ff.; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 41. Edition, Stand: 1. April 2024, § 71 AsylG, Rn. 36; a.A. VG Gießen, Beschluss vom 28. Juni 2024 – 8 L 1516/24.GI.A –, juris, Rn. 13 ff.
10§ 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG bestimmt, dass es zum Vollzug der Abschiebung keiner erneuten Fristsetzung und Abschiebungsandrohung oder -anordnung bedarf, wenn der Ausländer, nachdem eine nach Stellung des früheren Asylantrags ergangene Abschiebungsandrohung oder -anordnung vollziehbar geworden ist, einen Folgeantrag stellt, der nicht zur Durchführung eines weiteren Verfahrens führt. Nach § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG darf die Abschiebung jedoch erst nach Ablauf der Frist nach § 74 Abs. 1, 2. Halbsatz AsylG und im Fall eines innerhalb der Frist gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO erst nach der gerichtlichen Ablehnung dieses Antrags vollzogen werden. Gegenstand des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist mithin die in der Hauptsache mit der Anfechtungsklage,
11vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 1 C 4.16 –, juris, Rn. 16; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris, Rn. 9; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris, Rn. 13,
12angegriffene Ablehnung des Asylfolgeantrages als unzulässig,
13vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris, Rn. 11; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris, Rn. 15; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 21. Dezember 2018 – 9a L 2160/18.A –, juris, Rn. 9,
14nunmehr auch dann, wenn das Bundesamt in dem angefochtenen Bescheid keine (neue) Abschiebungsandrohung erlassen hat.
15Vgl. VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 17. Juni 2024 – A 10 K 2227/24 –, juris, Rn. 5 f.; VG Würzburg, Beschluss vom 29. Mai 2024 – W 8 S 24.30715 –, juris, Rn. 19; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris, Rn. 13.
16Grundlage der Abschiebung bildet in diesen Fällen – anders als im Falle des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG, dazu sogleich – nicht mehr die bereits bestandskräftige Abschiebungsandrohung in Verbindung mit der an die Ausländerbehörde gerichteten Mitteilung des Bundesamtes, ein neues (Folge-)Asylverfahren werde nicht durchgeführt, sondern die bereits bestandskräftige Abschiebungsandrohung in Verbindung mit dem neuen, vollziehbaren Unzulässigkeitsbescheid.
17Vgl. VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 17. Juni 2024 – A 10 K 2227/24 –, juris, Rn. 5; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris, Rn. 14; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris, Rn. 18.
18Wird dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattgegeben, darf die Abschiebung mithin gemäß § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG von Gesetzes wegen nicht vollzogen werden. Damit scheidet, was zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes erforderlich, aber auch ausreichend ist, eine Abschiebung des Ausländers einstweilen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens gegen die Unzulässigkeitsentscheidung aus.
19Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris, Rn. 15 m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris, Rn. 19; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 41. Edition, Stand: 1. April 2024, § 71 AsylG, Rn. 36.
20Insbesondere wird die Effektivität des Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO durch die Mitteilungspflichten des Gerichts gegenüber der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde (vgl. § 83a Satz 2 AsylG) sichergestellt. Denn unter "Verfahren über die Rechtmäßigkeit" im Sinne des § 83a Satz 2 AsylG sind auch Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz zu verstehen.
21Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris, Rn. 17 ff. m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris, Rn. 21 ff.
22Bezüglich der Ablehnung einer Abänderung des Ausgangsbescheides zu den Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ist vorläufiger Rechtsschutz hingegen auch im Fall des § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG ergänzend über § 123 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da im Hinblick auf das Rechtsschutzziel der Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG in der Hauptsache (hilfsweise) eine Verpflichtungsklage zu erheben ist.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 – 1 C 4.16 –, juris, Rn. 20; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2024 – 4 L 784/24.A –, juris, Rn. 39; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris, Rn. 33 ff.; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 41. Edition, Stand: 1. April 2024, § 71 AsylG, Rn. 36.1.
24Der Hauptantrag, mit dem das Begehren verfolgt wird, die kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 75 Abs. 1 Satz 1, § 71 Abs. 4, § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG entfallene aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hinsichtlich Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides anzuordnen, ist zulässig und begründet.
25Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist statthaft, da es sich bei dem am 10. April 2024 gestellten streitgegenständlichen Folgeantrag um den ersten Folgeantrag im Sinne von § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG handelt. Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde die Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides gemäß § 71 Abs. 4, 1. Halbsatz AsylG i. V. m. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG,
26vgl. zur Geltung der einwöchigen Frist: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. September 2023 – 11 A 1/22.A –, juris, Rn. 24 ff., sowie nachgehend BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2024 – 1 B 49/23 –, juris, Rn. 4 ff.; VG Freiburg (Breisgau), Beschluss vom 17. Juni 2024 – A 10 K 2227/24 –, juris, Rn. 9; VG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2024 – 28 L 714/24.A –, juris, Rn. 26; VG Karlsruhe, Beschluss vom 25. März 2024 – A 8 K 1026/24 –, ju-ris, Rn. 22; Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 41. Edition, Stand: 1. April 2024, § 71 AsylG, Rn. 33, 38,
27die für den Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 123 Abs. 1 VwGO gleichermaßen Anwendung findet,
28vgl. Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 41. Edition, Stand: 1. April 2024, § 71 AsylG, Rn. 33, 38,
29gewahrt. Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 22. Oktober 2024 zugestellt, so dass im Zeitpunkt der Antragstellung am 29. Oktober 2024 die Frist noch nicht verstrichen war.
30Der Antrag ist begründet.
31Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers, den Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides der Antragsgegnerin vom Bundesgebiet aus führen zu können, das gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung in Verbindung mit der vollziehbaren Unzulässigkeitsentscheidung überwiegt. Hierbei ist aufgrund des Verweises in § 71 Abs. 4, 1. Halbsatz AsylG auf § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG maßgeblich, ob zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes, d.h. der Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamtes, bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die angefochtene Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält.
32Vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1516/93 –, juris, Rn. 99.
33Es bestehen im vorliegenden Fall ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist der Asylantrag unzulässig, wenn im Fall eines Folgeantrags nach § 71 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG bestimmt, dass bei erneuter Antragstellung nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden sind, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben sind und der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande war, die Gründe für den Folgeantrag im früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
34Der von der Antragstellerin am 10. April 2024 beim Bundesamt gestellte Antrag ist als Folgeantrag im Sinne von § 71 Abs. 1 AsylG zu qualifizieren. Der Erstantrag der Antragstellerin wurde mit Bescheid vom 8. August 2008 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln mit rechtskräftigem Urteil vom 16. Juni 2010 ab (25 K 5531/08.A).
35Die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens liegen nach Aktenlage vor. Es sind neuen Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten bzw. von der Antragstellerin vorgebracht worden, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für sie günstigeren Entscheidung beitragen.
36Neue Elemente und Erkenntnisse sind zutage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden, wenn die Tatsachen und Umstände erst nach der Entscheidung im Asylerstverfahren eingetreten sind oder die Tatsachen und Umstände bereits im Asylerstverfahren vorlagen, dem Bundesamt aber nicht zur Kenntnis gebracht und daher nicht bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnten. Zu den maßgeblichen Elementen zählen der Vortrag des Ausländers und alle ihm zur Verfügung stehenden einschlägigen Unterlagen oder andere Nachweise über sein Alter, seinen Lebenshintergrund und den seiner Familienangehörigen, seine Identität, seine Staatsangehörigkeit, den Ort des vorhergehenden Aufenthalts und des Wohnsitzes, frühere Asylanträge, Reiserouten, Reisedokumente sowie Gründe für den Asylantrag. Erkenntnisse sind Informationen zu der persönlichen Situation oder der Situation im Herkunftsland.
37Vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2021 – C-18/20 – Rn. 44; Art. 40 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013; Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 20/9463, S. 64.
38Ein weiteres Asylverfahren ist nur durchzuführen, wenn die neuen Elemente und Erkenntnisse mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen. Dies ist der Fall, wenn die neuen Tatsachen und Umstände für die Beurteilung der Begründetheit des Antrags maßgeblich erscheinen, sie mithin geeignet sind, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, zu einer anderen Einschätzung einer Gefahr vor Verfolgung (§ 3 AsylG) bzw. unmenschlicher Behandlung (§ 4 AsylG) zu gelangen.
39Vgl. EuGH, Urteil vom 8. Februar 2024 – C-216/22 –, juris, Rn. 51; Urteil vom 10. Juni 2021 – C-921/19 –, juris, Rn. 53.
40Diese Elemente und Erkenntnisse werden jedoch nur berücksichtigt, wenn der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande war, sie bereits im Asylerstverfahren geltend zu machen.
41Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat die Antragstellerin vorliegend neue Umstände vorgetragen, welche die Annahme begründen, dass ihr politische Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden droht.
42Die Ausführungen des Bundesamts im angefochtenen Bescheid sind nicht geeignet, die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig zu begründen. Denn diese sind pauschal gehalten und weisen keinen Bezug zum konkreten Einzelfall auf; der Bescheid des Bundesamts enthält mit anderen Worten keine einzelfallbezogene Subsumtion. Die Begründung des Bundesamts beschränkt sich auf die Aussage, dass „[d]ie schriftlich vorgetragene Begründung [...] keine Tatsachen oder Beweismittel, die es dem Bundesamt ermöglichen könnten, den Folgeantrag als zulässig anzusehen, [enthält]“. Hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten beschränkt sich das Bundesamt auf die Aussage, dass „seitens der Antragstellerin keine neuen Gründe oder Beweise vorgelegt [wurden], die eine Änderung der Sach- bzw. Beweislage begründen könnten“. Warum das Bundesamt im konkreten Fall zu diesen Schlussfolgerungen kommt, teilt es leider nicht mit.
43Die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig kann keinen Bestand haben. Zwar führt die Antragstellerin in ihrer schriftlichen Folgeantragsbegründung lediglich aus:
44„Mein Ehemann erpresst mich. Das ist mein Grund. Ich habe Angst, dass er meine Tochter entführt. Ich habe Angst, dass er mir oder meiner Tochter etwas antut.“
45Weitere Ausführungen zur Begründung des Folgeantrags enthält aber der Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 29. Januar 2024 (Bl. 137 der Beiakte 2 im Verfahren 22 K 7047/24.A). Darin lässt die Antragstellerin u.a. vortragen, dass sie bereits in der Ehe von ihrem Ehemann mehrfach misshandelt worden sei und sich deshalb von ihm getrennt habe. Nach der Trennung habe der Ex-Ehemann sie auf facebook mit dem Tode und mit „Schlimmerem“ bedroht, wenn sie nach Aserbaidschan zurückkehre. Er habe ihr ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass er mit allen Mitteln die gemeinsame Tochter wegnehmen würde. Die letzte Drohung liege etwa drei Jahre zurück. Die Antragstellerin habe ihren alten facebook-Account gelöscht und einen neuen Account auf einen anderen Namen eröffnet.
46Das Bundesamt führt in seinem Bescheid zutreffend aus, dass der erheblich wahrscheinliche Beitrag zu einer günstigeren Entscheidung anzunehmen sei, wenn der neue Sachvortrag bei abstrakter Betrachtung die Voraussetzungen einer Schutzgewährung erfüllen könne. Die neuen Elemente oder Erkenntnisse trügen somit nicht erst dann zu einer günstigeren Entscheidung bei, wenn der konkreten Antragstellerin aufgrund beachtlich wahrscheinlicher Verfolgung oder eines beachtlichen wahrscheinlichen ernsthaften Schadens Schutz zuzuerkennen wäre, sondern bereits dann, wenn der neue Sachvortrag für sich genommen bei einer Person aus dem relevanten Herkunftsland die Qualität habe, nunmehr zu einer Zuerkennung internationalen Schutzes führen zu können. Die vollständige Prüfung aller Aspekte des individuellen Einzelfalls unter Berücksichtigung des anzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabs müsse einem weiteren Asylverfahren vorbehalten bleiben.
47Dabei genügt nicht schon die fernliegende Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung aufgrund der geltend gemachten Gründe. Nicht von Bedeutung ist aber, ob der neue Vortrag im Hinblick auf das glaubhafte persönliche Schicksal des Antragstellers sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Verhältnisse im angeblichen Verfolgerland tatsächlich zutrifft, die Verfolgungsfurcht begründet erscheinen lässt und die Annahme einer relevanten Verfolgung rechtfertigt. Eine Pflicht des Bundesamtes bzw. der Gerichte, den Sachverhalt insofern umfassend aufzuklären und die erforderlichen Beweise zu erheben (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylG) besteht erst in dem wiederaufgenommenen Asylverfahren. Lediglich wenn das Vorbringen nach jeder vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet ist, zur Asylberechtigung bzw. zur Zuerkennung internationalen Schutzes zu verhelfen, darf der Folgeantrag als unzulässig abgelehnt bzw. die Unzulässigkeitsentscheidung gerichtlich bestätigt werden.
48Vgl. Dickten, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 42. Edition, Stand: 1. Juli 2024, AsylG § 71 AsylG, Rn. 23 m. w. N.
49Hiervon ausgehend enthält der Vortrag der Antragstellerin zum einen neue Umstände, die im Asylerstfahren noch keine Rolle gespielt haben. Zum anderen ist der Vortrag abstrakt geeignet, die Wahrscheinlichkeit zumindest der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zu erhöhen. Ob es der Antragstellerin am Ende gelingt, ihren Vortrag glaubhaft zu machen, muss der Prüfung im Asylverfahren vorbehalten bleiben.
50Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
51Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).