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Die Behörde darf im Fall des sog. Bestandsbetreuers grundsätzlich den Widerruf der Registrierung nach § 27 BtOG auch auf Sachverhalte stützen, welche zeitlich vor der nach § 32 BtOG erfolgten Registrierung als beruflicher Betreuer liegen.
Mit Blick auf Art. 12 GG kann es erforderlich sein, dass die Behörde nicht nur rechtliches Gehör hinsichtlich des Widerrufs gibt, sondern auch die praktische Gelegenheit dazu, das beanstandete Verhalten dauerhaft abzustellen und so den Grund für einen Widerruf zu beseitigen.
Einzelfall einer Folgenabwägung bei offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache.
1.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 3065/24 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2024 wird wiederhergestellt.
2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der sinngemäße Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage vom 1. Juni 2024 – 1 K 3065/24 – gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2024 wiederherzustellen,
4ist zulässig und begründet.
5Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen Bescheid wiederherstellen, dessen sofortige Vollziehung – wie hier unter Ziffer 2 des Bescheides – nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist. Ein solcher Antrag ist begründet, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtswidrig ist oder wenn die vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorerst verschont zu bleiben einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung andererseits zugunsten des Antragstellers ausfällt. Ein solches überwiegendes Interesse ist dann anzunehmen, wenn der Rechtsbehelf des Antragstellers zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird oder jedenfalls die Anordnung der sofortigen Vollziehung materiell rechtswidrig ist, weil kein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug des (rechtmäßigen) Bescheids gegeben ist.
6Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen.
7Vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –, juris Rn. 26.
8So liegt der Fall hier. Die Frage, ob die dem Antragsteller mit Bescheid vom 9. November 2023 erteilte Registrierung als beruflicher Betreuer aufgrund fehlender persönlicher Eignung oder unqualifizierter Betreuungsführung zu widerrufen war, lässt sich nach summarischer Prüfung im Eilverfahren nicht mit hinreichender Sicherheit beantworten. Es bedarf hierzu weiterer Aufklärung im Hauptsacheverfahren.
9Der angefochtene Widerruf der Registrierung als beruflicher Betreuer beruht auf § 27 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 BtOG. Danach hat die Stammbehörde die Registrierung zu widerrufen, wenn begründete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der berufliche Betreuer die persönliche Eignung oder Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt (Ziff. 1) oder begründete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der berufliche Betreuer die Betreuungen dauerhaft unqualifiziert führt (Ziff. 3).
10Die Antragsgegnerin darf im Fall des sog. Bestandsbetreuers grundsätzlich den Widerruf der Registrierung auch auf Sachverhalte stützen, welche zeitlich vor der hier am 9. November 2023 erfolgten Registrierung als beruflicher Betreuer liegen.
11Die Registrierung des Antragstellers erfolgte hier auf Grundlage des § 32 BtOG als bereits tätiger beruflicher Betreuer, sog Bestandsbetreuer. Dass im Bescheid als Rechtsgrundlage der Registrierung § 23 BtOG statt § 32 BtOG genannt wird, ist lediglich ein Bezeichnungsfehler, der sich rechtlich nicht auswirkt. Dies ergibt sich, zum einen daraus, dass der Antragsteller - wie von § 32 BtOG vorausgesetzt - bereits vor dem 1. Januar 2023 berufsmäßige Betreuungen geführt hat; die Antragsgegnerin ihn nur als Bestandsbetreuer registrieren durfte. Zum anderen hat die Antragsgegnerin unter Verweis auf § 24 Abs. 5 Satz 4 BtOG keine Gebühr für die Registrierung erhoben, was nur dann Sinn ergibt, wenn nach § 24 Abs. 5 Satz 4 Ziff. 2 BtOG eine Registrierung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BtOG gemeint war.
12Bei einer solchen Registrierung nach § 32 BtOG hat die Stammbehörde die Voraussetzungen nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BtOG nicht zu prüfen,
13vgl. überzeugend VG Weimar, Beschluss vom 4. Oktober 2023 – 8 E 1125/23 We –, Rn. 7, juris und Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 12 B 62/23 –, Rn. 14, juris; a.A. VG Bremen, Beschluss vom 20. November 2023 – 5 V 2458/23 –, Rn. 19, juris.
14Wenn aber die persönliche Eignung und Qualifikation eines bereits tätigen beruflichen Betreuers bei der Registrierung überhaupt nicht geprüft wird, so kann die Registrierung keinesfalls eine Zäsurwirkung hinsichtlich in Widerrufsverfahren heranziehbarer Sachverhalte haben. Der zeitliche Anknüpfungspunkt für das „nachträgliche“ Eintreten der widerrufsbegründenden Tatsachen kann mithin bei bereits tätigen beruflichen Betreuern nicht die ohne sachliche Prüfung erfolgende Registrierung nach § 32 BtOG sein, sondern die Aufnahme der Tätigkeit als beruflicher Betreuer überhaupt bereits nach altem Recht.
15Nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung führt die Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid zwar Sachverhalte an, welche sie nachvollziehbarerweise zur Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung veranlasst haben, ob der Antragsteller persönlich geeignet als beruflicher Betreuer ist und ob er die Betreuungen dauerhaft unqualifiziert führt.
16Nach summarischer Prüfung wäre die Antragsgegnerin aufgrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs in die Berufsfreiheit des Antragstellers (Art. 12 GG) durch den Widerruf der Registrierung, gehalten gewesen, dem Antragsteller nicht nur rechtliches Gehör hinsichtlich des Widerrufs, sondern auch die praktische Gelegenheit zu geben, das beanstandete Verhalten dauerhaft abzustellen und so den Grund für einen Widerruf zu beseitigen.
17So ausdrücklich die Gesetzesbegründung zu § 27 BtOG: BT-Drucks. 19/24445, S. 382.
18Ein sofortiger Widerruf ohne eine solche Gelegenheit zur Bewährung erscheint im vorliegenden Fall unverhältnismäßig.
19Soweit aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich, hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller erstmals mit Schreiben vom 14. September 2023 (also noch vor der erfolgten Registrierung als beruflicher Betreuer) mitgeteilt, dass sie Grund zu der Annahme sieht, dass ihm die persönliche Eignung als beruflicher Betreuer fehlt. Unter dem 9. Januar 2024 erfolgte die Anhörung zum Widerruf der zwischenzeitlich erfolgten Registrierung als beruflicher Betreuer. Bei summarischer Prüfung des vorgelegten Verwaltungsvorgangs ist nicht ersichtlich, dass nach erstmaliger Beanstandung des Verhaltens des Antragstellers durch die Antragsgegnerin weitere Verfehlungen begangen wurden. Es ist daher nach summarischer Prüfung für das Gericht derzeit nicht ersichtlich, dass der Antragsteller die Beanstandung seines Verhaltens nicht bereits zum Anlass genommen hätte, dieses dauerhaft abzustellen.
20Auch im Übrigen vermag das Gericht auf Grundlage des bisher vorgelegten Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin nicht zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des Widerrufs nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 BtOG bereits vorliegen. Die Antragsgegnerin trägt für das Vorliegen der Widerrufsgründe die materielle Darlegungs- und Beweislast. Der vorgelegte Verwaltungsvorgang enthält jedoch keinerlei Auszüge aus den Betreuungsakten, woraus sich die von der Antragsgegnerin behaupteten Verhaltensweisen des Antragstellers ergeben.
21Die tatsächliche Grundlage, auf welcher die Antragsgegnerin entschieden hat, bleibt für das Gericht bislang unklar.
22Die Antragsgegnerin wird im Hauptsacheverfahren die Gelegenheit haben darzulegen, inwieweit der vorgelegte Verwaltungsvorgang unvollständig ist und die fehlenden Teile nachzureichen und auch das Gericht wird hier von Amts wegen zur Sachaufklärung berufen sein. Der Kläger selbst hat als Anlage zu seiner Klageschrift im Hauptsacheverfahren (Az. 1 K 3065/24) diverse Dokumente vorgelegt, unter anderem Beschlüsse des Betreuungsgerichts, mit welchen er von seinen Aufgaben als beruflicher Betreuer entbunden wurde.
23Jedenfalls das Regelbeispiel gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 3 Hs. 2 BtOG dafür, dass ein beruflicher Betreuer die Betreuungen dauerhaft unqualifiziert führt, scheint danach bislang nicht erfüllt zu sein, da dieses mindestens zwei Entlassungen wegen fehlender Eignung aus dem Betreuerverhältnis voraussetzt. Von den vom Kläger vorgelegten Beschlüssen des Betreuungsgerichts enthält nur der Beschluss betreffend die Betreute R.H. die Begründung, dass der bisherige Betreuer (also der hiesige Antragsteller) nicht weiter geeignet erscheint.
24Die aufgrund der offenen Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens im vorliegenden Eilverfahren vorzunehmende Abwägung geht zu Gunsten des Antragstellers aus. Der Widerruf der Registrierung als beruflicher Betreuer aufgrund fehlender persönlicher Eignung und aufgrund dauerhaft unqualifizierter Führung der Betreuungen stellt einen schwerwiegenden Eingriff in Art. 12 GG als subjektive Berufswahlbeschränkung dar und ist daher nur zulässig zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts vor abstrakten Gefahren. Der Schutz der ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Betreuten in allen Lebensbereichen durch berufliche Betreuer kann diesen Eingriff zwar rechtfertigen. Würde die aufschiebende Wirkung der Klage nicht wiederhergestellt werden, könnte der Antragsteller effektiv während des laufenden Hauptsacheverfahrens die Betreuungen nicht mehr wahrnehmen. Die finanziellen Folgen mögen dadurch abgemildert sein, dass der Antragsteller nur im Umfang von 20 Stunden die Woche als Berufsbetreuer und ansonsten als Rechtsanwalt tätig ist. Gleichzeitig spricht der Umstand, dass der Antragsteller als Rechtsanwalt zugelassen ist, dafür, dass diesem zugetraut werden kann, bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs im Hauptsacheverfahren als Berufsbetreuer ordnungsgemäß tätig zu sein. Denn als solcher ist er Organ der Rechtspflege und genießt ex officio Vertrauen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass Gründe, welche die Annahme einer persönlichen Ungeeignetheit als beruflicher Betreuer oder dauerhaft unqualifizierte Betreuungsführung rechtfertigen, wohl auch Anlass für die Rechtsanwaltskammer wären, disziplinarisch tätig zu werden.
25Ebenfalls für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs im Hauptsacheverfahren spricht, dass die abstrakte Gefahr der Verletzung der Vermögensbetreuungspflichten durch den Antragsteller auch durch die Betreuungsgerichte geschützt wird. Es bleibt den Betreuungsgerichten unbenommen, im jeweiligen Einzelfall die Betreuung durch den Antragsteller nach § 1868 BGB aufzuheben.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
27Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Ziff.14.1 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Betrag ist wegen des nur vorläufigen Charakters der hier beantragten Eilentscheidung halbiert worden (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
28Rechtsmittelbelehrung
29Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
30Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
31Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
32Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
33Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
34Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
35Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
36Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
37Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.