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Schließung einer Shishabar
1.
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 31. August 2023 (1 K 4852/23) wird hinsichtlich der Ziffer III. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 31. Juli 2023 wiederhergestellt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu drei Vierteln und die Antragsgegnerin zu einem Viertel.
2.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
2Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der gegen die Ordnungs- und Schließungsverfügung der Beklagten vom 31. Juli 2023, wegen des Betriebes ‚D. A.‘, H.-straße 000, 00000 U., am 31. August 2023 erhobenen Klage hinsichtlich Ziffer I. bis III der Verfügung wiederherzustellen und hinsichtlich Ziffer IV. anzuordnen,
4und nachfolgend
5die Antragsgegnerin zu verpflichten, die von ihr im und am Gaststättenbetrieb ‚D. A.‘, H.-straße 000, 00000 U., angebrachten Siegel zu entfernen,
6hat nur im tenorierten Umfang Erfolg.
7Der vorläufige Rechtsschutz gegen den Widerruf der erteilten Gaststättenerlaubnis und die Schließung und Versiegelung einer Gaststätte im Wege des Sofortvollzuges richtet sich nach § 80 Abs. 5 VwGO. Eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist in der vorliegenden Fallgestaltung unstatthaft.
8Vgl. VG Köln, Beschluss vom 23. Dezember 2020 – 1 L 2356/20 –und Beschluss vom 21. Juli 2004 – 1 L 1602/04 –, beide juris, OVG NRW, Beschluss vom 25. November 1993 – 10 B 360/93 –, für das Bauordnungsrecht juris Rn. 9 ff.
9Der so verstandene, Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft.
10Nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3 VwGO bzw. nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO in den Fällen – wie hier hinsichtlich Ziffer I. bis III der angegriffenen Verfügung, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde besonders angeordnet worden ist. Entfällt die aufschiebende Wirkung vorliegend – wie hier hinsichtlich Ziffer IV der Ordnungsverfügung - nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 JustizG NRW, kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung anordnen.
11Der Antrag ist jedoch nur im tenorierten Umfang begründet. Gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage wiederherstellen bzw. anordnen, wenn das private Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt. Die Interessenabwägung hat sich an den voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu orientieren.
12Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt das öffentliche Interesse an dem in Ziffer I. der angefochtenen Ordnungsverfügung erfolgten Widerruf der dem Antragsteller erteilten Erlaubnis nach § 2 Gaststättengesetz (GastG) und der unter Ziffer II. erfolgten Untersagung der Fortführung des Betriebes und der im Sofortvollzug erfolgten Schließung und Versiegelung des Gaststättenbetriebs. Denn sowohl der Widerruf der Gaststättenerlaubnis als auch die von der Antragsgegnerin im Wege des Sofortvollzuges getroffene Schließung und Versieglung erweisen sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, s. dazu unter a.
13Soweit die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Ziffer III. der Ordnungsverfügung das Betreten der Gaststätte mit sofortiger Wirkung untersagt hat, überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse, s. dazu unter b.
14Ein besonderes Vollzugsinteresse ist zu bejahen, soweit die sofortige Vollziehung bestätigt wird, s. unter c.
15Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern I bis III der Ordnungsverfügung vom 31. Juli 2023 in Ziffer V. erfolgte in formaler Hinsicht ordnungsgemäß. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den Maßstäben des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der Vollziehung eines Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Es bedarf regelmäßig der Darlegung besonderer Gründe, die über die Gesichtspunkte hinausgehen, die den Verwaltungsakt selbst rechtfertigen. Insoweit genügt aber jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Es kommt nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. September 2009 – 5 B 1265/09 –, juris, und vom 8. August 2008 – 13 B 1022/08 –, juris.
17Diesen Anforderungen genügt die Antragsgegnerin mit ihren auf den Einzelfall bezogenen Ausführungen. Sie hat dargelegt, dass die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse liegt. Dabei stellt sie darauf ab, dass ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung das Risiko der Gäste und der Beschäftigten bestehe, überhöhten Kohlenmonoxid ausgesetzt zu sein und damit Schaden an Leib und Leben zu erfahren. Sowohl bei der Betriebskontrolle am 11. Dezember 2019 als auch am 31. März 2023 lösten die Kohlenmonoxidmelder keinen Warnton aus, obwohl die Grenzwerte überschritten waren. Ferner wurde den Auflagen zum Brandschutz keine Folge geleistet. Obwohl der Antragsteller durch den Betrieb vermutlich seinen Lebensunterhalt bestreite, sei der Eingriff angesichts der Gewichtung der gefährdeten Rechtsgüter verhältnismäßig. Bisher ergriffene Ordnungsmaßnahmen wie Zwangsgelder seien auch in ihrer den Willen beugenden Wirkung erfolglos geblieben.
18a.
19Die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels beurteilen sich maßgeblich anhand der im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung bestehenden Sach- und Rechtslage.
20Vgl. Metzner/Thiel Gaststättenrecht Kommentar 7. Auflage 2023 § 15 Rn 21.
21Der Widerruf der Gaststättenerlaubnis beruht vorliegend auf § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG. Der Widerruf ist formell ordnungsgemäß ergangen. Die Antragsgegnerin ist örtlich und sachlich zuständig. Der Antragsteller wurde unter dem 5. Juni 2023 hinsichtlich des möglichen Widerrufs der Gaststättenerlaubnis angehört.
22Nach § 15 Abs. 2 GastG ist eine gaststättenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG ist eine entsprechende Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
23Unzuverlässig im Sinne von § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG ist ein Gastwirt, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt. Nicht ordnungsgemäß ist eine Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Geschäfts zu gewährleisten,
24vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Juli 2022 - 4 B 115/21 -, juris Rn. 7; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Februar 2022 - 4 B 1642/20 -, juris Rn. 17; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Juli 2020 - 4 B 118/20 -, juris Rn. 4.
25Ein Gastwirt muss zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Betriebsführung die nötige Bereitschaft zeigen, Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen zu unterbinden und dafür in gebotenem Maße mit der Polizei und den Ordnungsbehörden zusammenzuarbeiten,
26vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Juli 2021 - 4 B 679/20 -, juris Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. November 2019 - 4 B 1105/19 -, juris Rn. 10 f.
27Auch eine Vielzahl selbst kleinerer Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben, die jeweils für sich allein betrachtet noch keine ausreichende Grundlage für die Annahme der Unzuverlässigkeit bieten würden, können in ihrer Häufung erheblich sein und die Unzuverlässigkeit begründen, wenn sie einen Hang zur Nichtbeachtung geltender Vorschriften erkennen lassen oder in der Häufung eine erhebliche Ordnungsstörung liegt,
28vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. Juli 2022 - 4 B 115/21 -, juris Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Juli 2020 - 4 B 118/20 -, juris Rn. 6.
29Nach den oben ausgeführten Maßstäben ist der Antragsteller offensichtlich nach Erteilung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis unzuverlässig geworden. Die Entscheidung über den Widerruf ist eine gebundene Entscheidung. Der Antragsgegnerin steht kein Ermessen zu.
30Der Antragsteller hat nachhaltig, d.h. im vorliegenden Fall über Jahre, gegen die nachträglichen Auflagen zum Betrieb einer Gaststätte mit der Betriebseigentümlichkeit „Shishabar“ der ursprünglich am 21. August 2017 erteilten Gaststättengenehmigung verstoßen. Diese Auflagen wurden zum Schutz der Gäste und der Beschäftigten hinsichtlich der spezifisch in Shishabars drohenden Gefahren für Leben und Gesundheit erlassen und entsprechen im Wesentlichen den landesrechtlichen Empfehlungen,
31vgl. gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales, des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, des Ministeriums des Innern, des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz und des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie zum Umgang mit Wasserpfeifen (Shishas) in Shisha-Betrieben und dem Betrieb solcher Einrichtungen (Shisha-Erlass) vom 16. September 2020 (MBl. NRW. S. 595) SMBl. NRW 2128.
32Die Rügen des Antragstellers, dass die Auflagen unverhältnismäßig seien und den Betrieb einer Shishabar wirtschaftlich unmöglich machten, gehen fehl. Der Antragsteller hat sämtliche Bescheide, mit denen nachträgliche Auflagen erlassen wurden, bestandskräftig werden lassen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Auflagen nach § 44 VwVfG NRW nichtig sein könnten, weil sie unter einem offenkundigen und besonders schweren Fehler leiden, liegen nicht vor, da sie sich streng an den oben genannten Landesvorgaben orientieren und diese Vorgaben jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft sind.
33Vgl. dazu auch Eilbeschlüsse vom 24. November 2023, VG Köln - 1 L 2058/22- , - 1 L 2029/23 - und - 1 L 2030/23 -, nicht rechtskräftig.
34Bei jeder der insgesamt sechs Betriebsprüfungen - am 11. Dezember 2019, am 7. Oktober 2021, am 19. November 2021, am 15. Oktober 2022, am 3. Dezember 2022 und am 31. März 2023 - wurden Verstöße gegen Auflagen festgestellt, die dem Gesundheitsschutz von Gästen und Beschäftigten gegen die Gefahren durch Kohlenmonoxid dienten. Zunächst waren im Dezember 2019 Kohlenmonoxidmelder, die nicht mit fest installierter Batterie, sondern mit wechselbarer Batterie ausgestattet waren, entgegen der Auflage vom 11. Juli 2019 verwendet worden. Der Betrieb wurde vorläufig geschlossen. In sämtlichen Betriebsprüfungen danach, war die neu errichtete Lüftungsanlage, die bei ordnungsgemäßem Betrieb die Auflagen zum Gesundheitsschutz in den Gasträumen erfüllen würde, nicht gemäß den Auflagen – nämlich auf höchste Stufe und gleichmäßig im vorderen und hinteren Gastraum – betrieben. Zudem musste der Vorbereitungsraum für Shishapfeifen separat über deinen Fensterventilator entlüftet werden, weil dieser Raum nicht über die Lüftungsanlage zu entlüften war. Bei allen Betriebsprüfungen war dieser Raum, der auch als Vorbereitungsraum verwendet wurde, nicht entlüftet. Bei der Betriebsprüfung am 31. März 2023 wurde trotz des Überschreitens des Kohlenmonoxidschwellenwerts von 30 ppm bei 35 ppm keine akustische Warnung ausgelöst.
35Ferner wurden bei jeder Betriebsprüfung Verstöße gegen das in Nordrhein-Westfalen geltende Nichtraucherschutzgesetz durch Gesetz vom 29. November 2013 durch Vorfinden von nikotinhaltigem Tabak sowohl in Gebinden als auch in glühenden Shishapfeifen festgestellt.
36Es gab weitere, bei jeder der fünf nach 2019 durchgeführten Betriebsprüfung festgestellte Verstöße gegen die Auflage, die zur Verhinderung von Bränden aufgegeben wurde, Shishapfeifen auf brandfeste Unterlagen abzustellen und nicht direkt auf dem Boden.
37Dass diese tatsächlichen Feststellungen unzutreffend sind, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin hat die Betriebsprüfungen mittels Protokollen und Fotos dokumentiert und in den Verwaltungsvorgängen niedergelegt. Das Bestreiten des Antragstellers hinsichtlich der einzelnen Feststellungen bleibt pauschal und vage.
38Der Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist geeignet, gesetzeskonforme Zustände wiederherzustellen. Er ist auch erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne.
39Mildere Maßnahmen wie die Zwangsgeldfestsetzungen vom 22. November 2022 und vom 15. und 16. Dezember 2022 haben keine Verhaltensänderung beim Antragsteller ergeben. Der Antragsteller hat vielmehr bei einer Betriebsprüfung zum Ausdruck gebracht, dass er die Nichtrauchervorschriften kenne, aber die Nachfrage nach Wasserpfeifen mit Tabak ungleich höher sei als nach Shiazusteinen. Dass der Antragsteller seine Lüftungsanlage, die wie sich den Verwaltungsvorgängen zu entnehmen ist, eigens auch in ihrer Dimensionierung für den Betrieb dieser Räumlichkeiten als Shishabar errichtet wurde und von der ein Ingenieur attestierte, dass sie geeignet sei, die Gasträume ordnungsgemäß zu entlüften, nie entsprechend den Auflagen betrieben hat, lässt nur den Schluss zu, dass er sie nicht betreiben wollte. Auch der Umstand, dass über Jahre keine Vorrichtungen zur Entlüftung gerade des besonders mit Kohlenmonoxid belasteten Vorbereitungsraum ergriffen wurden, lässt einzig den Schluss zu, dass der Antragsteller hinsichtlich den unmittelbar drohenden gesundheitlichen Gefahren durch Kohlenmonoxid ignorant und unbelehrbar ist. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller mehrfach auf den Sinn der Auflagen und die Gefahren von Kohlenmonoxidvergiftungen hingewiesen.
40Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Schließungsverfügung ist anders als beim Widerruf der Erlaubnis der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt.
41Vgl. zur Schließungsverfügung nach § 15 Abs. 2 GewO: Pielow, in: BeckOK GewO, 57. Edition, § 15 Rn. 48; BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 20.78 – juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 9. März 2005 – 6 C 11.04 –, juris Rn. 15.
42Nach summarischer Prüfung spricht alles dafür, dass die Voraussetzungen für die Schließungsverfügung zum Zeitpunkt des Sofortvollzugs und auch weiterhin vorliegen.
43Die Schließung der Gaststätte im Sofortvollzug und die damit verbundene Versiegelung finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 55 Abs. 2, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62 VwVG NRW.
44Die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen einer Schließung und Versiegelung im Sofortvollzug sind gegeben. Nach § 55 Abs. 2 VwVG NRW kann der Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn die Anwendung des Verwaltungszwangs zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde innerhalb ihrer Befugnisse handelt.
45Die Antragsgegnerin hat innerhalb ihrer Befugnisse gehandelt, da sie zur Schließung des Gaststättenbetriebes aufgrund der Vorschrift des § 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 GewO ermächtigt war. Danach kann die zuständige Behörde die Fortsetzung eines Gewerbebetriebes verhindern, wenn das Gewerbe ohne eine für dessen Ausübung erforderliche Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung betrieben wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
46Der Antragsteller verfügte mit Zustellung der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung nicht mehr über die nach § 2 Abs. 1 GastG erforderliche Gaststättenerlaubnis, da diese in Ziffer I der Verfügung widerrufen wurde und nach Ziffer V die sofortige Vollziehung angeordnet war.
47Die Antragsgegnerin handelte zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr. Gegenwärtig ist eine Gefahr, bei der ein Schaden bereits eingetreten ist und weiterer droht oder bei der dieser Schaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit umgehend bevorsteht.
48Es kann dahinstehen, ob in jedem Fall bereits die formelle Rechtswidrigkeit des Betriebes, die nach Zustellung des sofort vollziehbaren Widerrufs der Gaststättenerlaubnis eintritt, ausreichend für eine Schließung im Sofortvollzug ist. Hier jedoch begründet sich die gegenwärtige und erhebliche Gefahr aus der ernsthaften Gesundheitsgefahr für Gäste wie Beschäftigte der Shishabar aufgrund des völlig unzureichenden Schutzes vor Kohlenmonoxidvergiftungen bei Betrieb der Gaststätte.
49Kohlenmonoxid ist ein geruchsloses Gas, das in geringen Mengen beim Verbrennen in Sauerstoffmangellage, also insbesondere beim Verglimmen der Aktivkohle in der Wasserpfeife, entsteht. Die bei der Wasserpfeife entstehenden Verbrennungsabgase werden nicht wie sonst bei Heizungen, Kaminen usw. gesammelt über Schornsteine abgeleitet, sondern verbleiben in der Raumluft. Bei unzureichender Lüftung und dauerhaftem Verbrennungsvorgang werden gesundheitsschädliche Konzentrationen erreicht, die zu Schwindel, Ohnmacht und Organversagen führen können. Das tückische an der Vergiftung ist, dass Kohlenmonoxid besonders stabile Verbindungen mit dem im Körper befindlichen Hämoglobin eingeht. Ist eine Vergiftung erst einmal eingetreten, ist sie nur schwer zu beseitigen.
50Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Kohlenstoffmonoxid Unterabschnitt Vergiftung, Zugriff zuletzt am 17. Januar 2024
51Vor diesem Hintergrund ist zum Gesundheitsschutz der Gäste und Arbeitnehmer das Vorhalten von ordnungsgemäß funktionierenden Kohlenmonoxidwarngeräten neben dem Betrieb einer ordnungsgemäßen Lüftungsanlage entscheidend. Der Zuverlässigkeit eines Gaststättenbetreibers kommt angesichts der in der Allgemeinheit nicht besonders bekannten Gefahr der Kohlenmonoxidvergiftung in Shishabars eine besondere Bedeutung bei.
52Dass vorliegend noch andere Gesundheitsgefahren und Rechtsverstöße drohten, etwa durch Verstoß gegen das Nichtraucherschutzgesetz NRW und die Abgabe von unverzollten Tabak, kommt noch gefahrerhöhend dazu.
53Die sofortige Vollziehung der Schließung der Gaststätte wird nicht dadurch rechtswidrig, dass die Antragsgegnerin die Untersagung des Gaststättenbetriebs und die Schließungsanordnung unter Ziffer II. der Ordnungsverfügung vom 31. Juli 2023, die infolge des Sofortvollzugs lediglich bestätigenden Charakter haben kann, mit § 31 Halbsatz 1 GastG i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz1 GewO auf eine fehlerhafte Ermächtigungsgrundlage gestützt hat. Das tatsächliche Handeln im Sofortvollzug zusammen mit den niedergelegten Ermessensüberlegungen unter Ziffer II. der Ordnungsverfügung rechtfertigen eine Umdeutung des Verwaltungsaktes entsprechend § 47 Abs. 1 VwVfG NRW. Nach dieser Vorschrift kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
54Aus der Begründung zu Ziffer II. wird nicht deutlich, warum die Antragsgegnerin über die Prüfung der nachträglich eingetretenen Unzuverlässigkeit des Antragstellers im Rahmen des Widerrufs der ihm erteilten Gaststättenerlaubnis hinaus, eine Unzuverlässigkeit nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO prüft. Sollte sie der Auffassung gewesen sein, dass ein Gaststättenbetrieb in einem erlaubnispflichtigen und einen erlaubnisfreien Teil aufgespalten werden kann – eine Auffassung die auch die 1. Kammer bis 2016 vertrat und dann aufgab,
55VG Köln - 1 L 2468/19 - Beschluss vom 20. Dezember 2019, nicht veröffentlicht,
56so ist diese Auffassung rechtlich fehlerhaft. Nach § 35 Abs. 8 GewO sind die Absätze 1 bis 7a des § 35 GewO nicht anzuwenden, wenn eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil der Antragsteller seine Gaststättenerlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG wegen Unzuverlässigkeit entzogen wurde.
57Mit der gaststättenrechtlichen Erlaubnis wird ein bestimmter Betrieb genehmigt, mit dem Widerruf wird die Erlaubnis wird genau die Fortführung dieses Betriebs untersagt. Die Gestattungswirkung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis bezieht sich stets auf den gesamten Betrieb einer Gaststätte; sie ist für eine bestimmte Betriebsart und für bestimmte Räume zu erteilen. Dabei bestimmt sich die Betriebsart nach der nach Art und Weise genau festzulegenden Betriebsgestaltung, insbesondere nach den Betriebszeiten und der Art der Getränke, der zubereiteten Speisen, der Beherbergung oder der Darbietungen, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 GastG. Es erfolgt also keine isolierte Erlaubnis der Tätigkeit, die im Einzelfall die Erlaubnispflicht nach § 2 GastG auslöst, z. B. das Verabreichen alkoholischer Getränke. Entsprechend entfällt durch den Widerruf die Erlaubnis für den betreffenden Gaststättenbetrieb, nicht lediglich für eine bestimmte von der Erlaubnis erfasste Tätigkeit.
58Vgl. OVG NRW Beschluss vom 30. April 2020 – 4 B 21/20- Rn 45 zitiert nach juris.
59Jedenfalls verfolgte die Antragsgegnerin wie sich dem Tenor der Ziffer II der Ord-nungsverfügung entnehmen lässt, das Ziel die Gaststätte des unzuverlässigen Betreibers, dem die Erlaubnis widerrufen wurde, zu schließen. Dieses Ziel konnte sie mit § 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 GewO erreichen.
60Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Nach § 15 Abs. 2 GewO steht die Untersagung des Betriebs im Ermessen der zuständigen Behörde. Das Gericht kann die Entscheidung der Antragsgegnerin gemäß § 114 S. 1 VwGO nur auf Ermessensfehler überprüfen, also darauf, ob die Antragsgegnerin überhaupt Ermessen ausgeübt hat, ob sie sich hierbei von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder ob sie die Grenzen ihres Ermessens überschritten hat. Dabei ist zu beachten, dass in einem Fall wie hier, bei dem der materielle Grund der Unzuverlässigkeit zur Aufhebung der Erlaubnis geführt hat, ein intendiertes Ermessen hin zu einer Betriebsuntersagung vorliegt. Denn die in dem Zusammenhang getroffene Prognose der Unzuverlässigkeit lässt gerade keine Bereinigung des rechtswidrigen Zustands in der Zukunft erwarten.
61Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 8. November 2017 – 19 L 2887/17 –, juris Rn. 15; BeckOK GewO/Leisner, 59.Ed. 1. Juni 2023, GewO § 15 Rn. 40.
62Nach diesem Maßstab liegen keine Ermessensfehler der Antragsgegnerin vor. Die Antragsgegnerin hat – aufgrund der von ihr angenommenen Ermächtigungsgrundlagen - erkannt, dass sie Ermessen ausüben muss und hat dieses niedergelegt. Danach ging sie davon aus, dass ihr Entschließungsermessen aufgrund der durch den Betrieb der Shishabar bestehenden gegenwärtigen Gesundheitsgefahren reduziert ist und sie einschreiten müsse.
63Diese Entscheidung verletzt die Grenzen des Ermessens nicht, weil sie verhältnismäßig ist. Sie entspricht grundsätzlich der Wertung des Gesetzgebers, der den Grund für die Untersagung des Betriebes – den Widerruf der Erlaubnis wegen Unzuverlässigkeit – als zwingende Rechtsfolge vorgesehen hat. Für den Gesetzgeber überwiegt danach als wertende Grundentscheidung der Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren unzuverlässiger Gewerbetreibender die negativen Folgen, die eine solche Untersagung hinsichtlich der wirtschaftlichen Existenz regelmäßig für diese Gewerbetreibenden hat. Die Antragsgegnerin hat nicht verkannt, dass die Schließung im Sofortvollzug besonders belastende wirtschaftliche Folgen für den Antragsteller hat. Angesichts der Bedeutung des Schutzes der Gesundheit der Allgemeinheit überwiegt allerdings dieses das Interesse des Antragstellers an einer zeitlich gestreckten Abwicklung des Betriebs.
64Die Versiegelung als besondere Form des unmittelbaren Zwangs (§ 62 VwVG NRW) war auch das richtige Zwangsmittel. Es ist vorliegend unschädlich, dass die Antragsgegnerin die Versiegelung ohne Fristsetzung als Form der Ersatzvornahme angedroht hat. Denn die Androhung eines Zwangsmittels geht bei dem hier vorliegenden Sofortvollzug eh „ins Leere“. Von ihr kann nach § 63 Abs. 1 Satz 3 VwVG NRW bei sofortiger Vollziehung abgesehen werden. Der Antragsgegnerin stand bei realistischer Betrachtungsweise kein milderes Zwangsmittel zur Verfügung, da etwa eine Nutzungsuntersagung mit Zwangsgeldfestsetzung den illegalen Gaststättenbetrieb nicht unmittelbar beendet hätte. Die Versiegelung ist schließlich entsprechend den Ausführungen zur Schließung der Gaststätte auch nicht als unverhältnismäßig anzusehen.
65Vollstreckungshindernisse sind schließlich ebenfalls nicht ersichtlich.
66War die Schließung und Versiegelung des Betriebes der Antragstellerin rechtmäßig, so kommt auch eine Entfernung der Siegel gemäß § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO nicht in Betracht.
67b.
68Die aufschiebende Wirkung der Klage ist hinsichtlich Ziffer III. anzuordnen, denn diese ist schon nach summarischer Prüfung mangels Ermächtigungsgrundlage für ein selbstständiges Betretungsverbot rechtswidrig. Gemäß Ziffer III. wurde dem Antragsteller das Betreten der Gaststätte mit sofortiger Wirkung untersagt.
69Es ist keine Ermächtigungsgrundlage erkennbar, durch die die Antragsgegnerin befugt wäre, dem Antragsteller das Betreten der – ehemaligen – Gaststätte zu untersagen. Von den baulichen Gegebenheiten geht – soweit bekannt - keine Gefahr aus, so dass § 14 OBG als Ermächtigungsgrundlage ausscheidet.
70In der angegriffenen Verfügung benennt die Antragsgegnerin selbst keine Grundlage. Ziffer III der Ordnungsverfügung wird gar nicht begründet, so dass auch nicht erkennbar ist, welchem Zweck die Ziffer III dienen soll.
71Sollte Ziffer III. den Antragsteller nur auf die strafrechtlichen Folgen eines Siegelbruchs der dienstlich versiegelten Gaststätte, strafbewehrt nach § 136 StGB, hingewiesen haben wollen, so ist die Tenorierung in der Ordnungsverfügung missverständlich, die ein selbständiges Betretungsverbot und von der Versiegelung unabhängiges Betretungsverbot durch die Antragsgegnerin nahelegt.
72c.
73Auch eine weitere Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollziehungsinteresse der Allgemeinheit an den rechtmäßigen Regelungen der Ziffern I. und II. des Bescheids vom 31. Juli 2023 führt nicht zu einer Begründetheit des Antrags. Denn die Antragsgegnerin hat zu Recht ein besonderes Vollziehungsinteresse aufgrund der gegenwärtigen Gesundheitsgefahr gesehen. Ein dieses Vollziehungsinteresse überwiegendes Aussetzungsinteresse konnte der Antragsteller nicht geltend machen.
74Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO.
75Die Streitwertentscheidung richtet sich nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG
76Rechtsmittelbelehrung
77Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
78Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
79Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
80Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
81Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
82Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
83Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
84Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
85Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.