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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
2Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Legalisierung einer errichteten, aufgeständerten Dachterrasse auf dem Grundstück Gemarkung G01 mit der Lagebezeichnung M.-straße 00, N01 Köln (im Folgenden: Vorhabengrundstück). Der Kläger ist Miteigentümer des mit einem viergeschossigen, zu Wohnzwecken genutzten Gebäude bebauten Vorhabengrundstücks. Das Bestandsgebäude auf dem Vorhabengrundstück ist Bestandteil einer geschlossenen Blockrandbebauung und weist einen rückwärtigen Innenhof mit Garagen auf. Im Dachgeschoss weist das Bestandsgebäude je zwei Dachgauben sowohl straßen- als auch rückseitig auf, wobei zwischen den rückwärtigen Dachgauben ein Wintergarten aufgrund einer Baugenehmigung aus dem Jahr 2003 errichtet worden ist. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. N02, der für es u. a. ein Allgemeines Wohngebiet, eine geschlossene Bauweise sowie ein Höchstmaß von vier Vollgeschossen festsetzt.
3Mit Schreiben vom 25. Februar 2003 hatte die Beklagte den Grundstückseigentümern des Vorhabengrundstücks mitgeteilt, dass im Zuge einer brandschutztechnischen Überprüfung des Bestandsgebäudes bei einer Anleiterprobe festgestellt worden sei, dass der zweite Rettungsweg für das Dachgeschoss von der Straße mit einer Kraftfahrdrehleiter gewährleistet sei.
4Der Kläger hatte bereits im Jahr 2016 die streitgegenständliche Dachterrasse oberhalb der rückwärtig zum Innenhof ausgerichteten Dachgauben errichtet. Daraufhin hatte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 3. März 2016 aufgefordert, die bauliche Anlage binnen eines Monats vollständig zu beseitigen und ansonsten den Erlass einer entsprechenden Ordnungsverfügung angekündigt.
5Den in der Folge unter dem 23. März 2013 eingereichten Bauantrag des Klägers zur Legalisierung der Dachterrasse hatte die Beklagte mit Bescheid vom 20. September 2016 abgelehnt. Zur Begründung hatte die Beklagte auf nicht eingehaltene, auch bei Dachaufbauten zu berücksichtigende seitliche Abstandsflächen abgestellt, von denen eine Abweichung nicht erteilt werden könne. Gegen die Ablehnung hatte der Kläger Klage vor dem erkennenden Gericht – 8 K 8941/16 – erhoben und u. a. vorgetragen, dass unter dem 13. März 2017 eine Angrenzerzustimmung der Eigentümer des Grundstücks M.-straße 24 zu dem Bauvorhaben erteilt worden sei.
6Mit Ordnungsverfügung vom 2. Februar 2017 hatte die Beklagte dem Kläger unter Zwangsgeldandrohung aufgegeben, die über den rückwärtigen Dachgauben auf dem Vorhabengrundstück illegal errichtete, aufgeständerte Terrassenanlage mitsamt Zugangstreppe dauerhaft zu entfernen. Auch hiergegen hatte der Kläger Klage vor dem erkennenden Gericht – 8 K 2154/17 – erhoben.
7Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht am 21. Februar 2019 hatte der Kläger die Klage in dem Verfahren 8 K 8941/16 zurückgenommen sowie die Beklagte die Ordnungsverfügung in dem Verfahren 8 K 2154/17 aufgehoben und die Beteiligten jenen Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Hintergrund der Bescheidaufhebung war ausweislich des Verhandlungsprotokolls die Regelung des § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018, deren Anwendbarkeit auf das geplante Bauvorhaben des Klägers im Rahmen eines neuen Baugenehmigungsverfahrens geklärt werden sollte.
8Unter dem 15. April 2019 stellte der Kläger bei der Beklagten einen erneuten Bauantrag, den er als „Neubau einer Balkonanlage“ auf dem Vorhabengrundstück betitelte. In zwei der Bauvorlagen korrigierte die Beklagte jene Bezeichnung mittels Grüneintragung zu einer „Legalisierung“. Ausweislich des beigefügten Lageplans beträgt die Firsthöhe des Bestandsgebäudes 67,88 Meter NHN und die Höhe der Oberkante der Terrassenbrüstung 68,43 Meter NHN. Das Vorhaben weist eine Grundfläche von 21,27 m2 auf und erstreckt sich etwa mittig auf der rückwärtigen Dachfläche des Bestandsgebäudes über eine Breite von 10,08 Meter, sodass es zur jeweiligen Nachbargrenze eine Breite von 3,00 Metern Platz belässt. Das Bauvorhaben ist ausweislich der Bauzeichnungen von dem Balkon, der an die zum Innenhof gelegene, nördliche Dachgaube im Bestand anschließt, mittels einer Treppe zugänglich. Als „Fluchttreppe 2. Rettungsweg“ ist eine über den Dachfirst führende und bis zur straßenseitigen Traufe reichende Treppe eingezeichnet. Der Kläger macht in den Bauvorlagen geltend, das Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein, in welcher bereits zahlreiche Dachterrassen auf Dachgauben vorhanden seien.
9In einem Vermerk bezugnehmend auf die Brandschau vom 25. Februar 2003 hielt die Beklagte fest, dass eine rückwärtige Anleiterbarkeit der Dachterrasse nicht möglich sei, da sich die Hofdurchfahrt nicht als Feuerwehrzufahrt eigne. Es fehle daher an einem zweiten Rettungsweg.
10Mit Schreiben vom 22. November 2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, seinen Bauantrag abzulehnen. Grund hierfür sei zum einen ein Abstandsflächenverstoß durch das Bauvorhaben, da die Dachterrasse nicht mehr als Dachaufbau i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 anzusehen sei und daher eigene seitliche Abstandsflächen auslöse, die auf den Nachbargrundstücken lägen. Zum anderen sei kein zweiter Rettungsweg für das Bauvorhaben gegeben, da die rückwärtige Dachterrasse nicht anleiterbar sei und einer alternativen Rettungswegführung im Sinne einer Abweichung nicht zugestimmt werde. Zudem wies sie darauf hin, dass die Bauvorlagen nicht eindeutig seien, da sich aus diesen nicht zweifelsfrei erkennen lasse, welche Bauteile im Bestand vorhanden gewesen seien und welche neu errichtet würden. Zudem sei die seitliche Zugangstreppe zum Bauvorhaben nicht vermaßt und das Bauvorhaben als „Neubau“ bezeichnet, wenngleich es sich um eine Legalisierung handele.
11Mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 nahm der Kläger diesbezüglich Stellung und kündigte an, neue Bauvorlagen einreichen zu wollen. Er führte weiterhin aus, dass der nunmehr im Gesetz eingeführte Begriff des „Dachaufbaus“ weit zu verstehen sei. Zweck der Gesetzesänderung sei es gewesen, zu verhindern, dass in der geschlossenen Bauweise Dachaufbauten seitliche Abstandsflächen auslösten, die zulasten der Nachbarn dadurch zu verhindern gewesen seien, dass die Aufbauten bis zur Grenze verlängert würden. Dieses Verständnis des Gesetzeszwecks sei auf den vorliegenden Fall zu übertragen, wonach die Dachterrasse bis zur Grundstücksgrenze verlängert werden könne, um keine Abstandsflächen auszulösen, wenn sie nicht unter § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 falle.
12Ein zweiter Rettungsweg sei zudem nicht erforderlich, da es sich bei der Dachterrasse nicht um einen umschlossenen Aufenthaltsraum handele.
13Mit E-Mail vom 2. Januar 2020 teilte die Beklagte mit, dass die Notwendigkeit eines zweiten Rettungsweges im Hinblick auf eine Dachterrasse, die nicht in gleicher Ebene mit einem Aufenthaltsraum liege, ihrer gängigen Praxis entspreche und zudem an der Einschätzung hinsichtlich der Abstandsflächen festgehalten werde.
14Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. Januar 2020 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung für das Bauvorhaben ab. Zur Begründung führte sie aus, das Bauvorhaben löse eigene Abstandsflächen aus, die auf den Nachbargrundstücken zu liegen kämen. Das Bauvorhaben unterfalle nicht der Vorschrift des § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018, da es mit seiner Umwehrung die absolute Höhe des Daches um 0,50 Meter überschreite. Eine die Firsthöhe überragende Anlage könne nicht mehr als Dachaufbau betrachtet werden.
15Zudem fehle es an einem zweiten Rettungsweg. Da die Dachterrasse nicht mit einem Aufenthaltsraum auf gleicher Ebene liege, bedürfe sie eines eigenständigen zweiten Rettungsweges, welcher aufgrund mangelnder direkter Anleiterbarkeit des Bauvorhabens nicht gegeben sei. Einer Abweichung der Rettungswegführung über das Satteldach zur straßenseitigen Traufe werde nicht zugestimmt.
16Der Kläger hat am 24. Januar 2020 Klage erhoben.
17Er trägt vor, die bestehende Balkonanlage sei auf den Dachgauben errichtet worden, welche sich jeweils neben dem seiner Rechtsvorgängerin mit Baugenehmigung vom 11. August 2003 genehmigten Wintergarten befänden. Zu dem streitgegenständlichen Bauvorhaben hätten die Eigentümer des benachbarten Grundstücks M.-straße 24, Flurstück N03, ihre Zustimmung erteilt.
18Es lägen keine Abstandsflächenverstöße durch das Bauvorhaben vor, da dieses unter § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 zu fassen sei. Der darin verwendete Begriff des Dachaufbaus sei weit zu verstehen, da nicht bis an die Grenze gezogene bauliche Anlagen auf Dächern in ansonsten grenzständiger Bebauung privilegiert werden sollten, um die Nachbarn durch eine Verlängerung bis zur Grenze nicht zu beeinträchtigen. Seitliche Abstandsflächen fielen deshalb durch das Bauvorhaben nicht an.
19Ein Verstoß gegen § 33 BauO NRW 2018 liege ebenfalls nicht vor, da es sich bei der Dachterrasse mangels Decke nicht um einen Aufenthaltsraum handele.
20Der Kläger beantragt,
21die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 14. Januar 2020 zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zur Änderung eines Wohngebäudes auf dem Grundstück M.-straße 00 in N01 Köln zu erteilen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen,
24und verweist zur Begründung vollumfänglich auf den streitgegenständlichen Bescheid.
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, der Verfahren 8 K 8941/16 und 8 K 2154/17 sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
26Entscheidungsgründe
27Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
28Der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung,
29vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 – 4 C 16.07 –, juris, Rn. 11,
30keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Änderung des Wohnhauses durch Errichtung bzw. Legalisierung einer Dachterrasse, vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
31Gemäß § 74 Abs. 1 BauO NRW 2018 vom 21. Juli 2018, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. September 2021 (GV. NRW. S. 1086), ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen.
32Dies ist vorliegend nicht der Fall.
33Das Vorhaben verstößt in bauordnungsrechtlicher Hinsicht sowohl gegen Abstandsflächenrecht (hierzu I.) als auch brandschutzrechtliche Anforderungen (hierzu II.).
34I.
35Das Vorhaben verstößt gegen § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 BauO NRW 2018, da es eigene – auch – seitliche Abstandsflächen auslöst, welche auf den Nachbargrundstücken zu liegen kommen.
36Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2018 sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Die Abstandsflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen, § 6 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW 2018. Die Tiefe der Abstandsfläche beträgt grundsätzlich mindestens drei Meter, § 6 Abs. 5 Satz 1 BauO NRW 2018 und bemisst sich nach der Wandhöhe, § 6 Abs. 4 BauO NRW 2018.
37Bei einer Wandhöhe, welche gemäß § 6 Abs. 4 Satz 3 BauO NRW 2018 bei mehreren Wandteilen unterschiedlicher Höhe für jedes Wandteil zu ermitteln ist, von 16,96 Metern – ausweislich der Bauvorlagen – am höchsten Punkt der Terrassenbrüstung sind grundsätzlich Abstandsflächen von jeweils 6,78 Meter einzuhalten, vgl. § 6 Abs. 5 Satz 1 BauO NRW 2018. Die diesbezüglichen seitlichen Abstandsflächen liegen jeweils mit mehr als der Hälfte auf den angrenzenden Flurstücken 685 und N03. Eine öffentlich-rechtliche Sicherung in jeweils der Form einer Baulast nach § 6 Abs. 2 Satz 3 BauO NRW 2018 ist nicht ersichtlich.
38Das Vorhaben unterfällt auch nicht der Privilegierung des § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018. Danach bleiben bei Gebäuden an der Grundstücksgrenze die Seitenwände von Vorbauten und Dachaufbauten, auch wenn sie nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden, bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht.
39Dieser Ausnahmetatbestand wurde erstmals mit der Novelle 2018 in die Bauordnung NRW aufgenommen und schafft eine zusätzliche Privilegierung, soweit es sich um an sich in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht beachtliche Gebäudeteile handelt, welche also nicht bereits als unselbständiger Bestandteil des Daches keine eigenen Abstandsflächen auslösen.
40Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 28. Januar 2021 – 6 L 24/21 –, juris, Rn. 9.
41In Rechtsprechung und Literatur ist bislang nicht geklärt, ob an derartige Dachaufbauten sowie Vorbauten i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 weitere Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf eine Unterordnung vergleichbar mit den Einschränkungen in § 6 Abs. 6 Nr. 1 und 2 BauO NRW 2018, zu stellen sind.
42Diesbezüglich wird einerseits vertreten, dass es eines Kriteriums der Unterordnung jener von § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 erfassten Bauvorhaben nicht bedürfe, da sich weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzgebungsmaterialien eine derartige Einschränkung – anders als gerade bei den Nummern 1 und 2 des § 6 Abs. 6 BauO NRW 2018 – entnehmen lasse.
43So noch VG Köln, Beschluss vom 29. September 2022 – 8 L 1287/22 –, juris, Rn. 40 ff.; vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23. September 2021 – 5 K 4164/19 –, juris, Rn. 53 ff.
44Demgegenüber wird andererseits entsprechend der generellen Systematik der Privilegierungen im Abstandsflächenrecht in § 6 Abs. 6 BauO NRW 2018 eine Einschränkung auch der in Nr. 3 genannten Bauvorhaben dahingehend befürwortet, eine Unterordnung zu verlangen. Denn dann, wenn Bauteile völlig eigenständig in Erscheinung träten, seien sie nicht mehr als den Hauptbestandteilen eines Gebäudes untergeordnete und aus diesem Zweck heraus abstandsflächenrechtlich privilegierte Bauvorhaben anzusehen.
45Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 28. Januar 2021 – 6 L 24/21 –, juris, Rn. 11 ff. (zu Vorbauten i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018) unter Verweis auf OVG NRW, Urteil vom 9. März 2012 – 2 A 2732/10 –, juris, Rn. 85; ähnlich auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Juni 2020 – 9 K 5477/17 –, juris, Rn. 57 ff. (zu Vorbauten); Johlen, in: Gädtke u. a. (Hrsg.), BauO NRW, 14. Aufl. 2023, § 6 Rn. 494.
46Während die Frage im Hinblick auf § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang – soweit ersichtlich – offen gelassen wurde,
47vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Dezember 2022 – 7 B 1139/22 –, juris, Rn. 6 ff., sowie Beschluss vom 24. Januar 2023 – 2 B 1238/22 –, juris, Rn. 31,
48hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hinsichtlich des Vorbaubegriffs in § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO NRW 2018 nunmehr klargestellt, dass trotz der Streichung der Regelbeispiele in der Norm mit der Novellierung der Vorschrift bezogen auf das Verständnis des Vorbaubegriffs keine inhaltliche Änderung der vormals geltenden Rechtslage gewollt war.
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2023 – 2 B 1238/22 –, juris, Rn. 10 ff.
50Anknüpfend an diese allgemeine gesetzgeberische Vorstellung bei der Novellierung des § 6 Abs. 6 BauO NRW 2018, die vormalige Rechtslage nicht grundlegend ändern zu wollen, schließt sich auch die Kammer einem einschränkenden Verständnis des Privilegierungstatbestandes des § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 an. Denn die gesetzgeberische Vorstellung davon, dass mit den Privilegierungstatbeständen des Absatzes 6 hinsichtlich jeder seiner drei Nummern lediglich nachgeordnete Bauteile erfasst werden sollen, kommt insoweit zu Beginn der diesbezüglichen Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck. Der Gesetzgeber führt aus, dass „§ 6 Absatz 6 […] – wie § 6 Absatz 7 BauO 2000 – die Zulässigkeit untergeordneter Bauteile und Vorbauten in den Abstandsflächen [regele]“ (Hervorhebung durch das Gericht).
51Vgl. LT-Drucks. 17/2166, S. 104.
52Diese eingangs in der Gesetzesbegründung erfolgte Klarstellung zum Zweck des § 6 Abs. 6 BauO NRW 2018 steht im Einklang mit der Systematik und dem bisherigen Verständnis der Norm vor der Neufassung.
53Vgl. zum bisherigen Normverständnis bspw. OVG NRW, Urteil vom 17. Januar 2008 – 7 A 2761/06 –, juris, Rn. 22 ff., und Beschluss vom 10. September 2014 – 2 B 918/14 –, juris, Rn. 32.
54Aufgrund dessen bedurfte es keiner weiteren einschränkenden gesetzgeberischen Erwägungen im Rahmen der Begründung des neu eingeführten § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018. Einem solchen einschränkenden Begriffsverständnis des „Dachaufbaus“ i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 steht auch nicht entgegen, dass sich in den Nummern 1 und 2 gesetzlich definierte Kriterien der (größenmäßigen) Unterordnung privilegierter Bauteile finden. Denn hinsichtlich der in Nummer 3 allein erfassten und hinsichtlich des Gebots, Abstandsflächen einzuhalten, privilegierten Seitenwände der genannten Bauteile bedurfte es keiner derart detaillierten Einschränkungen. Während die Nummern 1 und 2 des § 6 Abs. 6 BauO NRW 2018 weitreichendere abstandsflächenrechtliche Privilegierungen – nämlich hinsichtlich der Abstandsflächenrelevanz insgesamt, d. h. in sämtliche Richtungen – normieren, beschränkt sich Nummer 3 allein auf die seitlichen Abstandsflächen der genannten Bauvorhaben. Dass auch diese geringere Befreiung von dem Abstandsflächenerfordernis dennoch nicht ihrerseits im Gesamtgefüge des § 6 Abs. 6 BauO NRW 2018 ohne ein gewisses Maß der Unterordnung des Bauteils unter das Hauptgebäude auskommen soll, ergibt sich entsprechend aus dem einleitenden Satz der Gesetzesbegründung.
55Entgegen der Ansicht des Klägers lässt der in der Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 darüber hinaus zum Ausdruck kommende Zweck der Norm, auf grenzständig errichteten Dachflächen selbständige Dachaufbauten auch bei einer nicht ihrerseits bestehenden Grenzständigkeit hinsichtlich seitlicher Abstandsflächen zu privilegieren, keinen anderen Schluss zu. Dieser gerade nicht allein stehende Zweck ist vielmehr nur gemeinsam mit der gesetzgeberischen Wertung dahingehend, dass sämtliche von den Privilegierungstatbeständen des § 6 Abs. 6 Nr. 1 bis 3 BauO NRW 2018 zu erfassenden Bauteile von einer Unterordnung gegenüber denjenigen Bestandteilen des Hauptgebäudes, an welche sie anschließen, geprägt sind, für die Auslegung der Norm heranzuziehen. Die im Übrigen unveränderte Systematik der Abstandsflächenregelungen in § 6 BauO NRW zeigt, dass § 6 Abs. 6 BauO NRW 2018 – wie auch schon seine Vorgängerregelungen – es nicht ermöglichen will, die Abstandsflächen in begrenztem Umfang generell für die Ausdehnung von Baukörpern in Anspruch zu nehmen, etwa um weiteren Wohnraum zu schaffen. Der Gesetzgeber wollte es gerade nicht ermöglichen, die Abstandsflächen scheibchenweise durch verschiedenartige Vorsprünge und Ausbuchtungen am Gebäude zur weiteren Bebauung in Anspruch zu nehmen.
56Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2023 – 2 B 1238/22 –, juris, Rn. 22, 27 (zu § 6 Abs. 6 Nr. 2 BauO NRW 2018).
57Dementsprechend ist auch für Dachaufbauten i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 eine quantitative wie auch funktionale Unterordnung unter die Dachfläche, auf welcher sie sich befinden, zu verlangen.
58Zu diesen Kategorien des Unterordnungsbegriffs vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2023 – 2 B 1238/22 –, juris, Rn. 18 ff.
59Ob eine solche Unterordnung, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, stets dann nicht mehr anzunehmen ist, wenn das „Dreieck“ der Dachfläche – insbesondere im Hinblick auf die Höhe des Dachaufbaus – überschritten wird, kann vorliegend dahinstehen. Denn jedenfalls in der Gesamtschau sämtlicher Umstände ist das Bauvorhaben nicht mehr als untergeordnetes Bauteil auf dem Dach des Bestandsgebäudes zu werten.
60Die Ausmaße des Bauvorhabens selbst sowie dessen Zusammenspiel mit bereits vorhandenen, nicht unerheblichen Dachaufbauten führt zu dessen fehlender Unterordnung sowohl in quantitativer als auch funktionaler Hinsicht. Die Dachterrasse als selbständiger Dachaufbau erstreckt sich in der Breite über etwa 63 % der Dachfläche und besitzt ihrerseits eine nicht unerhebliche Grundfläche von 21,27 m2. Hinzu tritt, dass sie auf bereits vorhandenen Dachaufbauten in Form der Dachgauben sowie eines Wintergartens förmlich „aufsattelt“. Aufgrund dieser konkreten Ausgestaltung des Vorhabens wird dieses nicht mehr als dem Dach zuzuordnender Aufbau angesehen, sondern stellt vielmehr ein die rückwärtige Dachfläche optisch sprengendes und diese sogar in der Gesamthöhe aufgrund der angebrachten Brüstung überragendes Gebilde dar. Entgegen der gesetzgeberischen Intention hinter den Privilegierungstatbeständen des § 6 Abs. 6 BauO NRW 2018 führt das Bauvorhaben gerade zu einer scheibchenweisen Aushöhlung der Abstandsflächen zur Generierung neuen Wohnraums.
61Vgl. zu dieser Terminologie OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2023 – 2 B 1238/22 –, juris, Rn. 27.
62Denn das Bauvorhaben bedeckt mehr als die Hälfte der vorhandenen rückwärtigen Dachfläche und errichtet auf den bereits vorhandenen und ihrerseits diese Fläche der herkömmlichen schräg verlaufenden Dachfläche des Satteldachs bedeckenden Dachaufbauten eine weitere, von der herkömmlichen Dachform abweichende Nutzungsmöglichkeit. Das Bauvorhaben führt dazu, dass die rückwärtige Dachfläche auf der überwiegenden Breite nicht mehr als solche zu erkennen ist, sondern zusätzlichen Nutzungsmöglichkeiten und – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt hat – Wohnraumschaffung als „Sommerwohnzimmer“ zugeführt wird. Gerade eine solche fortschreitende Abtragung der herkömmlichen Dachform durch eine turmartige Erhöhung von Dachaufbauten auf Dachaufbauten bedingt jedoch die gesetzgeberisch nicht gewollte Aushöhlung der Abstandsflächen mitsamt der dadurch verfolgten Schutzzwecke der Privatheit, Belichtung und Belüftung.
63II.
64Überdies verstößt das Bauvorhaben gegen bauordnungsrechtliche Brandschutzvorgaben.
65Die Beklagte und in der Folge das Gericht sind befugt, die Einhaltung der Brandschutzbestimmungen zu prüfen. Dass die streitgegenständliche Baugenehmigung im vereinfachten Genehmigungsverfahren (§ 64 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2018) zu erteilen ist, steht dem nicht entgegen. Zwar ist der Prüfungsumfang der Baugenehmigungsbehörde in diesem Verfahren grundsätzlich auf die in § 64 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2018 aufgeführten Bestimmungen beschränkt und gehören Brandschutzvorschriften, insbesondere §§ 14 und 33 f. BauO NRW 2018, für das streitgegenständliche Wohngebäude, bei dem es sich nicht um einen Sonderbau (§ 50 Abs. 1 BauO NRW 2018) handelt, nicht zum Prüfprogramm. Jedoch ist die Bauaufsichtsbehörde auch dann befugt, Brandschutzbelange zu prüfen, wenn sie Rechtsverstöße erkennt, die außerhalb ihrer obligatorischen Prüfungspflicht liegen. Sie ist hierzu sogar verpflichtet, wenn die Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Menschen droht oder brandschutzrechtlich relevante Maßnahmen alleiniger Genehmigungsgegenstand sind. Es besteht nämlich kein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung, bei deren Ausnutzung offenkundig ein Verstoß gegen Vorschriften des öffentlichen Baurechts eintreten würde und dessen Verwirklichung daher sofort mit einer Baueinstellungsverfügung, einem Nutzungsverbot oder einer Beseitigungsverfügung repressiv unterbunden werden müsste. Folglich hat die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren auch bei offensichtlichen Verstößen gegen nicht prüfpflichtige Vorschriften Maßnahmen zu ergreifen, die ein späteres repressives bauaufsichtliches Einschreiten gegen ein dem materiellen Recht widersprechendes Vorhaben entbehrlich machen.
66Vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Januar 2009 – 10 A 1075/08 –, juris, Rn. 39 ff.
67Demgemäß war die Beklagte zwar nicht gehindert, das Erfordernis eines zweiten Rettungsweges nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 2018 zu prüfen. Die Vorschrift ist allerdings hier nicht anwendbar.
68Nach § 33 BauO NRW 2018 müssen für Nutzungseinheiten mit mindestens einem Aufenthaltsraum wie Wohnungen, Praxen, selbstständige Betriebsstätten in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein. Nach § 2 Abs. 7 BauO NRW 2018 sind Aufenthaltsräume solche Räume, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Diese sind nach § 46 Abs. 1 BauO NRW 2018 durch eine lichte Raumhöhe von mindestens 2,40 Metern gekennzeichnet.
69Nach diesen Maßgaben findet die Vorgabe eines zweiten Rettungswegs auf das Bauvorhaben keine Anwendung, weil es sich bei der Dachterrasse mangels Abgeschlossenheit mit einer Decke nicht um einen Aufenthaltsraum handelt. Dass es sich dabei, wie die Beklagte meint, um einen Aufenthaltsbereich handeln mag, ändert daran nichts. Denn die vorgenannte Norm des § 33 Abs. 1 BauO NRW 2018 als Spezialnorm im brandschutzrechtlichen Gefüge der Bauordnung stellt brandschutzrechtlich klare Anforderungen auf, welche nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur für umschlossene Räume zum Aufenthalt von Menschen in den einzelnen Geschossen eines Gebäudes gelten.
70Vgl. auch VG München, Urteil vom 21. Februar 2011 – M 8 K 10.552 –, juris, Rn. 69 (zum mit § 33 Abs. 1 BauO NRW 2018 wortgleichen Art. 31 Abs. 1 BayBO); Radeisen, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a. (Hrsg.), BauO NRW, 120. AL, § 33 Rn. 75.
71Das Erfordernis eines zweiten Rettungsweges i. S. d. § 33 Abs. 1 BauO NRW 2018 für bloße Aufenthaltsbereiche wie Dachterrassen folgt auch nicht ohne Weiteres aus der „brandschutzrechtlichen Generalklausel“ des § 14 BauO NRW 2018. Diese kann als Auffangnorm neben den von dem Gesetzgeber mit ausgestalteten Voraussetzungen geschaffenen brandschutzrechtlichen Spezialnormen nach der Gesetzessystematik grundsätzlich nicht herangezogen werden, um die Reichweite gesetzlich geregelter Spezialnormen über deren definierte Anwendungsbereiche hinaus zu erweitern. Eigenständige Brandschutzanforderungen können aus der allgemeinen Vorschrift des § 14 BauO NRW 2018 nur für solche Fälle folgen, die gesetzlich gerade noch nicht geregelt sind.
72Vgl. Koch/Plum, in: Gädtke/Johlen u. a. (Hrsg.), BauO NRW, 14. Aufl. 2023, § 14 Rn. 33 ff.; einen zweiten Rettungsweg bei Dachterrassen jedoch als wünschenswert erachtend Koch/Plum, in: Gädtke/Johlen u. a. (Hrsg.), BauO NRW, 14. Aufl. 2023, § 33 Rn. 8.
73Dass eine weitere Rettungsmöglichkeit von Dachterrassen als Aufenthaltsbereichen im Brandfall wünschenswert sein mag, reicht demgegenüber nicht aus, um die Anforderungen des § 33 Abs. 1 BauO NRW 2018 über seinen definierten Anwendungsbereich hinaus ohne explizite gesetzliche Grundlage auf weitere Bauvorhaben etwa im Wege einer analogen Anwendung der Vorschrift auszuweiten. Vielmehr müssen die konkreten materiell erforderlichen Anforderungen unmittelbar aus § 14 BauO NRW hergeleitet und jeweils eigenständig fachlich begründet werden.
74Ebenso findet § 34 Abs. 1 BauO NRW 2018 – vor allem auf die Zugangstreppe zum Bauvorhaben – keine Anwendung. Nach dieser Norm müssen jedes nicht zu ebener Erde liegende Geschoss und der benutzbare Dachraum eines Gebäudes über mindestens eine Treppe zugänglich sein (notwendige Treppe). Hierbei müssen notwendige Treppen nach der über § 3 Abs. 2 Satz 1 BauO NRW 2018 als allgemein anerkannte Regeln der Technik Geltung beanspruchende DIN 18065 eine Mindestlaufbreite von 1,00 Meter und eine Stufenhöhe von mindestens 140 und maximal 190 Millimetern aufweisen. Mangels Eigenschaft der Dachterrasse als eigenes Geschoss bzw. Dachraum finden diese Maßgaben vorliegend gleichermaßen keine Anwendung.
75Allerdings ist das Bauvorhaben, welches unstreitig dem Aufenthalt von Menschen dienen soll, auch nicht brandschutzrechtlich unbedeutend, sondern hat zumindest Mindestanforderungen an den Brandschutz nach § 14 BauO NRW 2018 zu genügen.
76Hiernach sind Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind. Wenngleich über diese Norm – wie bereits ausgeführt – keine unterschiedslose Übertragung der Vorgaben brandschutzrechtlicher Spezialnormen auf deren Anwendungsbereich nicht unterfallende Vorhaben bewirkt werden kann, lassen sich den dort aufgestellten Anforderungen gleichwohl fachlich abgesicherte Erkenntnisse entnehmen, die bei der Anwendung des § 14 BauO NRW 2018 herangezogen werden können.
77So kann den Vorgaben des § 34 Abs. 1 BauO NRW 2018 i. V. m. DIN 18065 entnommen werden, dass zumindest ein zur Verfügung stehender erster Rettungsweg als notwendige Treppe gewisse Mindestanforderungen für eine sichergestellte Selbst- wie auch Fremdrettung aufzuweisen hat und wie diese im Regelfall aussehen.
78Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 19. Juli 2002 – 10 A 2563/02 –, juris, Rn. 6 ff., sowie Beschluss vom 25. November 2009 – 10 A 2849/08 –, juris, Rn. 9; Hanne/Bökamp-Gerdemann, in: Gädtke/Johlen u. a. (Hrsg.), BauO NRW, 14. Aufl. 2023, § 34 Rn. 9.
79Gemessen daran weist die Zugangstreppe zum Bauvorhaben nicht die Mindestanforderungen für eine sichergestellte Selbst- und Fremdrettung auf. Das Bauvorhaben ist ausweislich der Bauvorlagen allein über die Zugangstreppe ausgehend von dem vor der Dachgaube befindlichen Balkon aus erreichbar. Dadurch, dass es sich bei dieser Treppe in der gewählten Ausgestaltung des Bauvorhabens um den für die Nutzer der Dachterrasse einzigen Zu- und Abstieg und die – mangels zweiten Rettungsweges – einzige Rettungsmöglichkeit handelt, hat die Treppe entsprechend § 14 BauO NRW 2018 zumindest eine im Brandfall nötige Rettung von Menschen zu gewährleisten.
80Auch wenn die Vorgaben zu notwendigen Treppen i. S. d. § 34 Abs. 1 BauO NRW 2018 nicht direkt übertragen werden können, werden im Vergleich jener Anforderungen mit dem Vorhaben nach den Bauvorlagen brandschutzrechtliche Mängel der Zugangstreppe offenbar. Diese Treppe weist mit einer nach den – insoweit nicht vermaßten – Bauvorlagen maximalen Breite von etwa 0,60 Metern nur knapp mehr als die Hälfte der für notwendige Treppen geforderten Durchgangsbreite auf. Sinn und Zweck der Mindestlaufbreite notwendiger Treppen ist u. a. die Sicherstellung eines Passierens von Mitarbeitern der Feuerwehr in Schutzanzügen und ggf. mit Brandlöschgerät. Weder eine derartige Fremdrettung noch eine sichere Selbstrettung kann über die derart enge einzige Zugangstreppe gewährleistet werden. Hinzu tritt, dass hinsichtlich der Stufenhöhe der Zugangstreppe in den Bauvorlagen keine Aussage getroffen wird. Auch angesichts dieses Umstandes würde die Erteilung einer Baugenehmigung auf dieser Grundlage die Ausgestaltung einer Treppe mit einer Stufenhöhe erlauben, welche weder von Mitarbeitern der Feuerwehr in Feuerschutzausrüstung noch dort befindlichen, im Brandfall ggf. panischen, zudem ggf. alters- oder gesundheitsbedingt körperlich eingeschränkten Personen oder aber (kleinen) Kindern bewältigt werden könnte.
81Hierbei ist insbesondere der vom Kläger geplante zweite Rettungsweg, welcher mittels einer weiteren Treppe über den Dachfirst zur straßenseitige Traufe führen soll, nicht geeignet, das Vorhaben brandschutzrechtlich positiv zu bewerten. Denn hinsichtlich dieser zweiten, bislang nicht vorhandenen Treppe fehlt es wiederum an Angaben in den Bauvorlagen zu ihrer Laufbreite und Stufenhöhe. Angesichts dessen, dass jene Treppe zudem über das Satteldach und dessen First führen soll und damit die Benutzer derselben durch das Passieren des Daches einem erhöhten Risiko aussetzt, fehlt es außerdem an Informationen bspw. zu einem Handlauf und einer etwaigen Absturzsicherung vor Erreichen der straßenseitigen Dachtraufe bspw. für den Fall eines Ausrutschens eines Benutzers.
82Schließlich ändert sich an dem Vorstehenden nichts aufgrund der Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, sich mit entsprechenden Grüneintragungen bzw. Nebenbestimmungen der Beklagten in den Bauvorlagen bzw. einer Baugenehmigung einverstanden zu erklären.
83Grüneinträge sind ein gesetzlich nicht geregeltes, aber in der Praxis übliches Instrument der Bauaufsichtsbehörden, um aus Gründen der Arbeitsökonomie und der Beschleunigung des Verfahrens ohne Rückgabe der Pläne eine Baugenehmigung erteilen zu können. Sie betreffen in der Regel untergeordnete Details des Vorhabens, die von der Behörde durch entsprechende Eintragungen in den Bauunterlagen in der Weise geändert werden, dass es den gesetzlichen Vorschriften entspricht, und beruhen auf der Annahme, dass der Bauherr bereit ist, diese Änderungen hinzunehmen, um eine sonst zwangsläufige Ablehnung seines Bauantrags zu vermeiden. Auf ein solches Vorgehen der Behörde hat der Bauherr jedoch keinen Anspruch. Das gilt selbst dann, wenn die Behörde es versäumt, eine Anpassung der Bauvorlagen anzuregen.
84Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25. September 1992 – 5 S 415/91 –, juris, Rn. 31 ff., und Urteil vom 27. Oktober 2000 – 8 S 1445/00 –, juris, Rn. 39; Boeddinghaus/Hahn/Schulte u.a., BauO NRW, 122. AL, § 74, Rn. 212.
85Hiervon ausgehend bestand ein Anspruch des Klägers auf Vornahme einer Änderung der in Bezug auf die brandschutzrechtlichen Anforderungen ungenügenden Bauvorlagen im Wege eines Grüneintrags nicht, weshalb die Beklagte weder zu einer entsprechenden Genehmigungserteilung, noch zur Neubescheidung verpflichtet werden konnte. Unabhängig von einem generell nicht bestehenden Anspruch auf Anpassung des Bauvorhabens von Amts wegen durch die Behörde handelt es sich vorliegend bei der brandschutzrechtlichen Ausgestaltung der Zuwegung zur Dachterrasse auch um einen wesentlichen Punkt und nicht nur untergeordnete Details des Bauvorhabens. Dieser Punkt ist gerade durch den Bauherrn in seinem Bauantrag, der wesentliches Kernelement einer Baugenehmigung als mitwirkungsbedürftigem Verwaltungsakt ist, zu konkretisieren.
86Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
87Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11 und § 711 i. V. m. § 709 Satz 2 ZPO.
88Die Berufung wird nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung mit Blick auf die Fragen, ob § 6 Abs. 6 Nr. 3 BauO NRW 2018 eine Einschränkung der dort genannten Bauteile hinsichtlich einer Unterordnung verlangt und nach welchen Vorschriften Zugänge zu (isolierten) Dachterrassen welche brandschutzrechtlichen Anforderungen zu erfüllen haben.
89Rechtsmittelbelehrung
90Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
91Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt; sie muss einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.
92Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung wird hingewiesen.
93Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 VwGO im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
94Die Berufungsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
95Beschluss
96Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
975.000,00 Euro
98festgesetzt.
99Gründe
100Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 52 Abs. 2 GKG).
101Rechtsmittelbelehrung
102Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
103Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
104Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d VwGO und der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung wird hingewiesen.
105Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
106Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.