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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
2Der Kläger begehrt die Erteilung eines Aufnahmebescheides.
3Mit Antrag vom 22.02.2018 beantragte der Kläger die Erteilung eines Aufnahmebescheides. In dem Antrag gab er u.a. an: Er sei am 00.00.1982 geboren. Er sei deutscher Volkszugehöriger. In seinem ersten Inlandspass sei die russische Nationalität eingetragen gewesen, im aktuellen Inlandspass sei die deutsche Nationalität eingetragen. Der aktuelle Inlandspass datiere vom 20.10.2017. Er habe zuhause kein Deutsch gelernt. Sein Vater, B. L. , geboren am 00.00.1962, sei russischer Volkszugehörigkeit. Seine Mutter, J. M. , sei am 00.00.1960 geboren und deutscher Volkszugehörigkeit. Seine Großmutter mütterlicherseits sei Russin, sein Großvater mütterlicherseits, K. M. , geboren am 00.00.1919, sei deutscher Volkszugehörigkeit.
4Dem Antrag beigefügt waren u.a. der Personalausweis des Klägers, ausgestellt 2017 mit Eintragung der deutschen Volkszugehörigkeit, die Geburtsurkunde des Klägers, ausgestellt 2017, mit Eintragung der Mutter als deutsche Volkszugehörige, eine Bescheinigung des örtlichen Standesamtes, ausgestellt 2018, über die Ausstellung der Ersatzgeburtsurkunde, die Heiratsurkunde des Kläger, ausgestellt 2006, über die Hochzeit des Klägers im Jahr 2006, ohne Nationalitätseintrag, die Geburtsurkunde des 2016 geborenen Sohnes des Klägers, ausgestellt 2017, mit der Eintragung des Klägers als Deutscher, die Geburtsurkunde der Mutter des Klägers, ausgestellt 1966, mit der Eintragung des Vaters als Deutscher, die Spätaussiedlerbescheinigung des Großvaters des Klägers, die Geburtsurkunde des Großvaters, ausgestellt 1992, die Eheurkunde des Großvaters, ausgestellt 1966 und eine Rehabilitationsbescheinigung des Großvaters.
5Am 01.11.2019 nahm der Kläger an einem Sprachtest in der deutschen Botschaft in Kasachstan teil. Zur Einreichung seiner Geburtsurkunde, nicht aus seinem Geburtsjahr stammend, erklärte er, in die erste Geburtsurkunde sei die Mutter versehentlich als Russin eingetragen gewesen. Der Sprachtester erklärte, ein Gespräch sei trotz gelegentlicher Mängel möglich gewesen.
6Mit Schreiben vom 22.06.2020 teilte die Beklagte mit: Es würden amtlich beglaubigte vollständige Abschriften der Einträge in den Geburtsregistern oder amtlich beglaubigte Geburtenbescheinigungen benötigt.
7Der Kläger übersandte daraufhin eine Bescheinigung über die Geburt der Mutter; ausgestellt 2020.
8Mit Schreiben vom 01.10.2020 teilte die Beklagte mit: Frau J. L. , geborene M. , sei die Mutter des Klägers. Die Großmutter sei Frau O. M. , geborene L1. . Nach den Unterlagen habe die Großmutter vor der Heirat mit Herrn M. den Namen X. getragen. Falls Frau O. M. vor der Geburt der Tochter mit einem anderen Ehemann verheiratet gewesen sei, müsse die Heirats- bzw. Scheidungsurkunde vorgelegt werden. Nach Möglichkeit solle eine amtlich oder notariell beglaubigte Geburtsurkunde aus dem Geburtsjahr von Frau J. M. vorgelegt werden sowie die ursprüngliche Heiratsurkunde von Herrn K. M. und Frau O. M. . Hilfsweise sollten vollständige Abschriften aus den Personenstandsregistern, vorgelegt werden.
9Mit Schreiben vom 14.10.2020 teilte der Kläger mit: Die Großmutter O. L1. sei in ihrer ersten Ehe mit Herrn X. verheiratet gewesen, aber seit 1949 sei sie in einer „standesamtlichen Ehe“ mit Herrn K. M. gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte sie bereits vier Kinder gehabt, N. , geboren am 00.00.1950, J1. , geboren am 00.00.1954, B. , geboren am 00.00.1954 und zuletzt die Mutter des Klägers J. , geboren am 00.00.1960.
10Dem Schreiben beigefügt waren eine deutsche Übersetzung einer Bescheinigung des Standesamtes Q. , ausgestellt 1993, wonach die Ehe zwischen Herrn X. und O. L1. 1948 geschlossen und 1965 geschieden worden sei sowie die Geburtsurkunde der Großmutter, ausgestellt 1975.
11Mit Schreiben vom 05.11.2020 führte die Beklagte aus: Die bisher eingereichten Unterlagen reichten nicht zum Nachweis einer leiblichen Abstammung der Mutter des Klägers (J. M. ) von Herrn K. M. aus. Aus der eingereichten deutschsprachigen Übersetzung der Ehescheidung ergebe sich, dass die Ehe zwischen O. L1. und Herrn X. von 1948 bis 1965 bestanden habe. Während dieser Zeit sei Frau J. M. im Jahr 1960 geboren worden. Herr K. M. sei zu diesem Zeitpunkt nicht mit der Mutter des Klägers, Frau O. X. , verheiratet gewesen. Sie hätten erst am 10.02.1966 geheiratet. Die ursprünglich für Frau J. M. ausgestellte Geburtsurkunde liege nicht vor. Aus der Bescheinigung zu ihrer Geburt vom 29.07.2020 werde ebenfalls nicht ersichtlich, wer als leiblicher Vater in die ursprüngliche Urkunde eingetragen worden sei. Eine vollständige Abschrift aus dem Personenstandsregister liege nicht vor. Auch eine im Zusammenhang oder unmittelbar nach der Geburt ausgestellte Vaterschaftsanerkennungsurkunde liege ebenfalls nicht vor.
12Mit Schreiben vom 20.02.2021 teilte der Kläger mit: Die erste Ehe von J. s Mutter O. M. mit Herrn X. habe ungefähr 1,5 Jahre gedauert. Aus dieser Ehe hätten sie eine Tochter, geboren am 00.00.1948, gehabt. O. M. habe dann K. M. getroffen, allerdings habe Herr X. seine Zustimmung zur Scheidung nicht gegeben. Erst 1965 habe Herr X. seine Zustimmung gegeben, weil er selbst eine andere Familie gegründet habe. Die Anforderung eines Auszugs aus dem Geburtsregister beim Standesamt sei zurückgewiesen worden.
13Dem Schreiben beigefügt war ein Schreiben des Standesamtes, wonach die Erteilung eines Auszugs aus der standesamtlichen Eintragung nicht vorgesehen sei.
14Mit Bescheid vom 27.07.2021 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung trug sie vor: Die deutsche Abstammung sei nicht gegeben. Er stamme nicht in direkter Linie von einem deutschen Volkszugehörigen ab, der zum Zeitpunkt der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen im Juni 1941 bekenntnisfähig gewesen sei. Seine Großmutter sei im Zeitpunkt der Geburt seiner Mutter nicht mit dem Mann (K. M. ) verheiratet gewesen, den er als Großvater benenne. Die ursprüngliche Geburtsurkunde der Mutter liege nicht vor, eine Vaterschaftsanerkennung auch nicht. Aus der Bescheinigung über die Geburt der Mutter vom 01.12.2020 ergebe sich, dass Herr K. M. erst im Zuge der am 22.03.1966 erfolgten Eheschließung als Vater in die Geburtsurkunde eingetragen worden sei und die Familiennamen von Mutter und Kind auf M. geändert worden seien. Daher sei nicht nachgewiesen, dass Frau J. M. das leibliche Kind von Herrn K. M. sei.
15Unter dem 01.08.2021 erhob der Kläger Widerspruch und führte im Kern aus: Es werde ein DNA-Test durchgeführt zwischen seiner Mutter und dem Bruder, der geboren worden sei, als die Großeltern schon miteinander verheiratet gewesen seien.
16Mit Schriftsatz vom 22.10.2021 überreichte der Kläger ein Gutachten der „N1. H. GmbH“. Nach diesem Gutachten sei nachgewiesen, dass die Mutter des Klägers (J. M. ) und Herr W. M. , geboren am 00.00.1966, volle Geschwister seien.
17Beigefügt waren das Gutachten der N1. H. GmbH sowie die Geburtsurkunde von Herrn W. M. , ausgestellt im Geburtsjahr am 23.05.1966 mit Eintragung von Herrn J1. M. als Vater.
18Mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie im Kern aus: Er habe vorgetragen, im erstausgestellten Inlandspass mit der russischen Volkszugehörigkeit eingetragen gewesen zu sein. Im Jahr 2017 hätte er den Nationalitätseintrag in seinem kasachischen Inlandspass von Russisch auf Deutsch ändern lassen. Damit habe er sich bei der Beantragung des Inlandspasses zum russischen Volkstum bekannt. Bei einem ausdrücklichen Gegenbekenntnis seien besondere Anforderungen an die Ernsthaftigkeit eines späteren Bekenntniswandels und dessen äußere Erkennbarkeit zu stellen. Hiervon sei nicht auszugehen, weil die Änderung des Eintrages erst kurz vor der Antragstellung erfolgt sei und lediglich der Förderung des Aufnahmebegehrens habe dienen sollen.
19Am 16.03.2022 hat der Kläger Klage erhoben.
20Zur Begründung trägt er im Kern vor: Die deutsche Abstammung sei nach Vorlage des Abstammungsgutachtens nicht mehr streitig. Es liege auch ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum vor. Er werde in wesentlichen amtlichen Dokumenten mit der deutschen Nationalität geführt. Es bedürfe nach der zwischenzeitlich geänderten Rechtslage keines durchgängigen Bekenntnisses mehr. Auch ohne weitere Prüfung könne davon ausgegangen werden, dass hinter einem solchen äußeren Erklärungsinhalt subjektiv der Wille und das Bewusstsein stünden, ausschließlich dem deutschen Volk als national geprägter Kulturgemeinschaft anzugehören. Er habe sein Bekenntnis durch Eintragung der deutschen Nationalität in wesentlichen amtlichen Dokumenten im Sinne des Gesetzes erbracht. Er habe kein Bekenntnis zum nichtdeutschen Volkstum abgegeben. Bis Mai 2017, als die deutsche Nationalität der Mutter in seine Geburtsurkunde eingetragen worden sei, sei die Eintragung der deutschen Nationalität nicht möglich gewesen, da beide Elternteile in die Geburtsurkunde des Klägers als Russen eingetragen gewesen seien. Die Eintragung sei daher unabhängig von seinem Willen erfolgt, sodass darin kein Bekenntnis zum nichtdeutschen Volkstum vorliege. Er habe bereits seit dem Eintritt der Bekenntnisfähigkeit ausschließlich dem deutschen Volkstum angehören wollen. So habe er bei dem Sprachtest angegeben, die deutsche Sprache bereits seit 1996 im Selbststudium gelernt zu haben. Beim Sprachtest habe sich auch gezeigt, dass er die deutsche Sprache beherrsche. Durch das Erlernen der Sprache habe er gezeigt, dass er sich der deutschen Sprache und Kultur verbunden fühle. Er überreichte weiterhin ein B1-Sprachzertifikat. Der Nachweis einer besonders guten Beherrschung der deutschen Sprache sei ein Indiz für die Verbindung mit der abgegeben Erklärung zum deutschen Volkstum.
21Der Kläger beantragt,
22die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15.02.2022 zu verpflichten, dem Kläger einen Aufnahmebescheid zu erteilen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Zur Begründung trägt sie vor:
26Es könne offen bleiben, ob bereits die fehlende Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen der Erteilung eines Aufnahmebescheides entgegenstehe. Denn der Kläger habe sich schon nicht zum deutschen Volkstum bekannt. Er habe mit der Eintragung der russischen Nationalität in seinen ersten Inlandspass ein wirksames Bekenntnis zu einem anderen Volkstum abgegeben. Die erst 2017 erwirkte Änderung der Eintragung spreche nicht für einen ernstzunehmenden Wandel seines damals als gefestigt anzusehenden Volkstumsbewusstseins. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Änderung nur angestrebt worden sei, um seinen 2018 gestellten Aufnahmeantrag zum Erfolg zu verhelfen. Dass er angesichts der nichtdeutschen Nationalität seiner Eltern keine Wahlfreiheit gehabt habe, überzeuge nicht. Er sei vermutlich 1998 bekenntnisfähig gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 13.11.2003 – 5 C 40.03 – juris Rn 20) liege ein Bekenntnis zu einer bestimmten Nationalität auch dann vor, wenn die von einem bestimmten, subjektiven Volkstumsbewusstsein getragene Erklärung nach der Bewusstseinsprägung als alternativlos, selbstverständlich oder unausweichlich erschiene. Es komme daher nicht darauf an, ob der Betroffene ursprünglich bei der Ausstellung seines ersten Inlandspasses die Möglichkeit gehabt habe, sich dort mit deutscher Nationalität eintragen zu lassen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.01.2022 – 11 A 3008/21 -).
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.
28Entscheidungsgründe
29Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 27.07.2021 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 15.02.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 BVFG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem BVFG.
30Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Aufnahmebescheides sind die §§ 26 und 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Fassung des BVFG vom 19.06.2020 (BGBl. I S. 1328). Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG wird der Aufnahmebescheid auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen. Spätaussiedler ist gemäß § 4 Abs. 1 BVFG ein deutscher Volkszugehöriger, der im Wege des Aufnahmeverfahrens nach Deutschland übergesiedelt ist, wenn er zuvor seit dem 08.05.1945 (Nr. 1) oder nach seiner Vertreibung oder Vertreibung eines Elternteils seit dem 31.03.1952 (Nr. 2) oder seit seiner Geburt seinen Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatte, wenn er vor dem 01.01.1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzungen nach Nr. 1 oder Nr. 2 erfüllt (Nr. 3).
31Deutscher Volkszugehöriger ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG, wer von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann auch durch einen Nachweis deutscher Sprachkenntnisse auf dem Niveau B1 oder durch familiär vermittelte Sprachkenntnisse erbracht werden. Es muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Antrag zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können.
32Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG nicht. Denn es fehlt jedenfalls an einem Bekenntnis zum deutschen Volkstum. Der Nachweis der deutschen Sprachkenntnisse genügt nicht, weil ein das Bekenntnis ausschließendes Gegenbekenntnis vorliegt, von welchem der Kläger nicht abgerückt ist.
33Der Kläger trägt vor, in seinen ersten Inlandspass mit russischer Volkszugehörigkeit eingetragen gewesen zu sein. Dies sei für ihn alternativlos gewesen, da seine beiden Eltern mit russischer Volkszugehörigkeit aufgeführt gewesen seien. Erst als seine Mutter zugestimmt habe, habe er ihre Volkszugehörigkeit und dann auch seine Volkszugehörigkeit in den offiziellen Dokumenten ändern können.
34Mit der Eintragung der russischen Nationalität in seinen ersten Inlandspass liegt nicht nur ein wirksames, sondern auch bis in die jüngste Zeit fortgeführtes Bekenntnis zu einem anderen Volkstum vor.
35Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dem das erkennende Gericht folgt, liegt in der Angabe einer anderen als der deutschen Volkszugehörigkeit gegenüber amtlichen Stellen grundsätzlich ein die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis zu einem fremden Volkstum. Dies hat zur Folge, dass objektive Merkmale und Beweisanzeichen, aus denen an sich ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum gefolgert werden könnte, ihre Wirkung verlieren. Hat sich jemand vor amtlichen Stellen ausdrücklich zu einer anderen Nationalität als der deutschen erklärt, schließt dies grundsätzlich aus, gleichzeitig ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum „auf andere Weise“ anzunehmen.
36Vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 26.01.2021 – 1 C 5.20 - juris Rn 22 f mwN.
37Ein solches Bekenntnis liegt hier durch die Eintragung der russischen Volkszugehörigkeit in seinen ersten Inlandspass vor.
38Dem Bekenntnischarakter steht nicht entgegen, dass beide Eltern des Klägers im Zeitpunkt der Erstellung des ersten Inlandspasses die russische Volkszugehörigkeit in ihre Ausweisdokumente eingetragen hatten.
39Es ist nicht zu „unterscheiden zwischen einem bloßen Bekenntnis zu einer anderen als der deutschen Nationalität und einem Gegenbekenntnis, wobei letzterenfalls der Betroffene sich - wegen der gegebenen Wahlmöglichkeit - bewusst zugleich gegen die deutsche Nationalität entscheidet.“ Ein „die deutsche Volkszugehörigkeit ausschließendes Gegenbekenntnis zu einem fremden Volkstum“ liegt vielmehr bereits (allein) „in der Angabe einer anderen als der deutschen Volkszugehörigkeit gegenüber amtlichen Stellen“.
40Ein Volkstumsbekenntnis setzt nicht das Bewusstsein voraus, zwischen der Zugehörigkeit zu unterschiedlichem Volkstum „wählen“ zu können. Aus dem Bekenntnisbegriff selbst folgt nicht, dass ein Bekenntnis zu einem bestimmten Volkstum wirksam nur bei einer Möglichkeit der freien Wahl zwischen mehreren Bekenntnissen erfolgen könnte. Ein wirksames Bekenntnis zu einem bestimmten Volkstum legt vielmehr auch derjenige ab, für den - aus welchen Gründen auch immer - subjektiv keine Möglichkeit besteht, zwischen verschiedenen Bekenntnissen zu wählen. Ein positives Bekenntnis „zu“ einer bestimmten Nationalität durch Erklärung, dieser zuzugehören, liegt auch dann vor, wenn die von einem bestimmten, subjektiven Volkstumsbewusstsein getragene Erklärung nach der empfangenen Bewusstseinsprägung als alternativlos, selbstverständlich oder unausweichlich erscheint. Das in einer Nationalitätenerklärung, etwa aus Anlass einer Passausstellung, liegende „Willensmoment“, sich zu einer bestimmten Nationalität zu erklären, ist zumindest in den Fällen, in denen diese Willenserklärung frei von äußerem Zwang abgegeben worden ist, unabhängig davon, wie und auf Grund welcher Umstände dieser Wille (objektiv) gebildet worden ist. Stimmen im Zeitpunkt der Erklärung (äußerer) Erklärungsinhalt und (inneres) Volkstumsbewusstsein überein, fehlt dieser Erklärung der „Bekenntnischarakter“ nicht deswegen, weil objektiv keine Wahlmöglichkeit bestanden hat.
41Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht ein Bekenntnis zum russischen Volkstum sogar in einem Fall angenommen, in dem dem Erklärenden infolge Adoption seine deutsche Abstammung zum Zeitpunkt der Abgabe des Bekenntnisses unbekannt war. Daraus ergibt sich in der Zusammenschau, dass es für die Annahme eines Gegenbekenntnisses nicht darauf ankommt, ob der Betroffene ursprünglich bei Ausstellung seines ersten sowjetischen Inlandspasses die Möglichkeit hatte, sich dort mit deutscher Nationalität eintragen zu lassen.
42Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.01.2022 – 11 A 3008/21 – juris Rn 12 f mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BVerwG; vgl. ebenso Urteil des Gerichts vom 10.11.2021 – 7 K 430/19 – juris Rn 40 mwN.
43Liegt damit im Fall des Klägers ein solches Gegenbekenntnis vor, ist es gleichwohl möglich, von einer in früherer Zeit abgegebenen Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität bis zum maßgebenden Zeitpunkt durch Hinwendung zum deutschen Volkstum abzurücken. Um eine frühere Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität rückgängig zu machen, reicht es aber nicht aus, wenn eine Lebensführung, die ohne das Gegenbekenntnis die Annahme der deutschen Volkszugehörigkeit aufgrund schlüssigen Gesamtverhaltens gerechtfertigt hätte, lediglich beibehalten wurde. Vielmehr bedarf es eines darüber hinausgehenden positiven Verhaltens, aus dem sich eindeutig der Wille ergibt, nur dem deutschen Volk und keinem anderen Volkstum zuzugehören. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das innere Bewusstsein, einem bestimmten Volkstum zuzugehören, in der Regel mit der Bekenntnisfähigkeit abgeschlossen ist. Um gleichwohl einem trotz Ablegung eines Bekenntnisses zu einem bestimmten Volkstum ergriffenen Verhalten einen Bekenntnischarakter für ein anderes Volkstum beimessen zu können, bedarf es daher weiterer äußerer Tatsachen, die einen Bewusstseinswandel erkennen lassen. Damit sind bei einem ausdrücklichen Gegenbekenntnis zu einem nichtdeutschen Volkstum auch weiterhin besondere Anforderungen an die Ernsthaftigkeit eines späteren Bekenntniswandels und dessen äußere Erkennbarkeit zu stellen.
44Vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 26.01.2021 – 1 C 5.20 - juris Rn 22 f mwN.
45Dem genügt die Änderung der Eintragung seiner Volkszugehörigkeit in seinen Ausweisdokumenten im Jahr 2017 nicht. Der Kläger hat nicht näher dargelegt, wie es zu der Änderung kam, etwa ob er ein Gerichtsurteil erwirkt hat oder wo er den Antrag auf Änderung mit welchen Angaben gestellt hat. Er hat jedoch geltend gemacht, er habe sich bereits 1996, also mit Bekenntnisfähigkeit, als deutscher Volkszugehöriger gefühlt. Zunächst hatte er im Verfahren vorgetragen, seine Mutter sei bei der Ausstellung seiner ersten Geburtsurkunde versehentlich als Russin eingetragen gewesen. Im Folgenden machte er geltend, er habe zunächst die Änderung der Nationalitäteneintragung seiner Mutter erwirken müssen, um dann seine Volkszugehörigkeit anders eintragen lassen zu können. Sein Bekenntnis sei vor allem an seinem im Selbststudium erlernten Deutschkenntnissen zu erkennen.
46Das Gericht geht insbesondere deswegen nicht von einem glaubhaften Bekenntniswandel aus, weil die Änderung der Nationalitätenerklärung zeitlich in unmittelbarem Zusammenhang mit den Ausreisebemühungen erwirkt wurde. Da der Kläger bereits 1998 bekenntnisfähig war, hätte es einer plausiblen Erklärung bedurft, wieso die Änderung erst 2017 erwirkt wurde. Dass es zeitlich vorher andere, möglicherweise erfolglose Versuche hierzu gegeben habe, ist weder vorgetragen noch dargelegt. Auch ist nicht nachvollziehbar, wieso die Eintragung der Änderung von der Zustimmung der Mutter abhängig sein sollte. Dem Gericht sind mehrere Gerichtsurteile bekannt, in denen die Volkszugehörigkeit, wie hier im Übrigen auch, von der Vorelterngeneration abgeleitet wurde und die Änderung in die Ausweisdokumente auch bei einem Bekenntnis der Eltern zu einer anderen Nationalität vorgenommen wurde. Darüber hinaus erscheint es auch nicht plausibel, dass sich die Mutter des Klägers gegen eine Änderung wehren sollte, wenn – wie vorgetragen – die Eintragung ihrer russischen Volkszugehörigkeit in die Geburtsurkunde des Klägers ein Versehen gewesen ist. Die Berufung auf die Deutschkenntnisse, auch solche, die im Selbststudium erworben wurden, vermag nicht zur Annahme eines ernsthaften Abrückens führen. Nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reichen Deutschkenntnisse alleine gerade nicht aus, um einen ernsthaften Bekenntniswandel darzutun.
47Ob der Kläger seine Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder einem deutschen Volkszugehörigen, insbesondere durch die Vorlage des Gutachtens, belegt hat, kann danach offen bleiben.
48Die Kostenentscheidung folgt aus 154 Abs. 1 VwGO.
49Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
50Rechtsmittelbelehrung
51Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
521. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
59Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
60Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
61Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
62Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
63Beschluss
64Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
655.000,00 €
66festgesetzt.
67Gründe
68Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache für der Kläger ist es angemessen, den Streitwert auf den festgesetzten Betrag zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG).
69Rechtsmittelbelehrung
70Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
71Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
72Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
73Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
74Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.