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1. Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 6 K 3904/23 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 03.02.2023 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis wiederherzustellen,
4ist bereits unzulässig.
5Der Antragsteller hat die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO versäumt. Auch die Voraussetzungen für die mit Schriftsatz vom 17.07.2023 beantragte Wiedereinsetzung in die Klagefrist liegen nicht vor.
6Die erst am 17.07.2023 beim Verwaltungsgericht eingegangene Klage wahrte nicht die Klagefrist. Vorliegend bestimmte sich die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Es greift nicht die Ausschlussfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO; denn die Rechtbehelfsbelehrung der Ordnungsverfügung vom 03.02.2023 war nicht – worauf noch einzugehen ist –unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO muss eine Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Die Fahrerlaubnisentziehung vom 03.02.2023 wurde dem Antragsteller ausweislich der Zustellungsurkunde am 07.02.2023 zugestellt. Die Klagefrist begann damit gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 41 Abs. 5 VwVfG NRW, § 3 LZG NRW i. V. m. § 178 Nr. 1 ZPO, § 180 ZPO, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am 08.02.2022. Sie endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 Var. 1 BGB, § 187 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 07.03.2022.
7Die Zustellung der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung ist hier auch durch Einlegen in den Briefkasten im Einklang mit § 3 Abs. 1 und 2 LZG NRW wirksam erfolgt. § 3 LZG NRW bestimmt, dass die Behörde der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde übergibt, wenn durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden soll. Für die Ausführung der Zustellung gelten die §§ 177 bis 182 ZPO entsprechend. § 180 ZPO bestimmt, dass das Schriftstück, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist, in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden kann, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 LZG NRW i. V. m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO gilt für die Zustellungsurkunde § 418 ZPO entsprechend. Die Zustellungsurkunde gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 LZG NRW i. V. m. § 182 Abs. 1 Satz 1 ZPO begründet also den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Der Antragsteller könnte dementsprechend den Beweis zu erbringen versuchen, dass das Schreiben entgegen der Behauptung in der Urkunde nicht in den Briefkasten gelegt worden ist.
8VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.07.2016 – 10 S 1197/16 –, juris, Rn. 4.
9Zu einer ordnungsgemäßen (Ersatz-)Zustellung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 LZG NRW i. V. m. § 180 Satz 1 ZPO gehört es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht, dass der Adressat der Zustellung das zuzustellende Schriftstück auch tatsächlich zur Kenntnis nimmt.
10Vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.08.2007 – 2 B 20.07 –, juris, Rn. 4; BGH, Urteil vom 10.11.2005 – III ZR 104/05 –, juris, Rn. 12; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.07.2016 – 10 S 1197/16 –, juris, Rn. 5 m. w. N.; VG Berlin, Urteil vom 16.09.2016 – 33 K 129.15 –, juris, Rn. 20; L. Ronellenfitsch, in: BeckOK VwVfG, 60. Edition, Stand: 01.10.2019, § 3 VwZG Rn. 7
11Gemessen hieran ist eine wirksame Zustellung der Ordnungsverfügung vom 03.02.2023 erfolgt.
12Ausweislich der Zustellurkunde wurde versucht, die Ordnungsverfügung vom 03.02.2023 zu übergeben. Weil die Übergabe in der Wohnung indes nicht möglich war, hat die Postzustellerin das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung gelegt. Es bestehen aus Sicht der Kammer auch keine Zweifel, dass es sich bei dem am 07.02.2023 eingelegten Schriftstück tatsächlich um die Ordnungsverfügung vom 03.02.2023 handelte. Zwar weist die Zustellurkunde das Aktenzeichen 00-000-00/23 aus, wohingegen auf der Ordnungsverfügung vom 03.02.2023 das Aktenzeichen 00-000-00/22 vermerkt ist. Dies führt im vorliegenden Fall aber nicht zu Unsicherheiten in Bezug auf das zugestellte Schriftstück. Allerdings kann insoweit nicht auf die Beweiskraft der Zustellungsurkunde abgestellt werden. Denn die Beweiskraft gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 Abs. 1 ZPO erstreckt sich nur auf die in der Zustellungsurkunde festgestellten Tatsachen. § 182 Abs. 2 ZPO verlangt aber nicht die Bezeichnung des zugestellten Schriftstücks in der Zustellungsurkunde. Zur Klärung der Frage, welches Schriftstück zugestellt wurde, sind daher neben etwaigen Angaben in der Zustellungsurkunde auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles zu würdigen.
13Vgl. BGH, Beschluss vom 12.02.2020 – IV ZB 29/18 –, juris, Rn. 7 m. w. N.
14Hier ermöglicht das ebenfalls auf der Zustellurkunde vermerkte „weitere Kennzeichen“, namentlich das Kassenzeichen 0000.0000.0000, eine eindeutige Zuordnung zu der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom 03.02.2023. Bei dem Kassenzeichen handelt es sich nämlich um eine einer bestimmten behördlichen Handlung zugeordnete Kennnummer. Anhand dieser kann eine von einem Kostenschuldner an die Behörde gerichtete Leistung einem konkreten behördlichen Vorgang zugeordnet werden. Es handelt sich insoweit um einen einer konkreten behördlichen Tätigkeit zuzuordnenden Verwendungszweck. Insbesondere werden für jede behördliche Kostenentscheidung auch gegenüber demselben Kostenschuldner unterschiedliche Kassenzeichen vergeben (vgl. etwa Bl. 192 d. BA). Das Kassenzeichen 0000.0000.0000 betraf hier die mit der Ordnungsverfügung vom 03.02.2023 verbundene Festsetzung von Verwaltungsgebühren für ebendiese Ordnungsverfügung. Hinzu kommt, dass die betreffende Zustellungsurkunde im Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin unmittelbar auf die Ordnungsverfügung folgt, so dass auch insoweit alles dafür spricht, dass es sich bei der in der Zustellungsurkunde dokumentierten Zustellung um jene der Ordnungsverfügung handelt.
15Mit der ordnungsgemäßen Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten gelangt die Ordnungsverfügung dementsprechend in den Verantwortungsbereich des Empfängers. Er trägt auch das Risiko, dass ihm Personen, die auch Zugang zum Briefkasten haben und diesem Post entnehmen können, an ihn gerichtete Schreiben vorenthalten.
16Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.07.2016 – 10 S 1197/16 –, juris, Rn. 6.
17Die Ordnungsverfügung war mit Einlegung in den Briefkasten am 07.02.2023 in den Verantwortungsbereich des Antragstellers gelangt. Der von dem Antragsteller angeführte Umstand, seine Ehegattin habe die Verfügung dem gemeinsamen Briefkasten entnommen und sie anschließend zerstört, ohne dass der Antragsteller vom Inhalt der Urkunde Kenntnis habe erlangen können, rechtfertigt mit Blick auf die Wirksamkeit der Zustellung – anders als etwa mit Blick auf die hier wegen der Unzulässigkeit der Klage nicht interessierende Frage, ob die Nichtbeibringung des angeordneten Gutachtens unverschuldet war – keine andere rechtliche Bewertung. Der Antragsteller war zu diesem Zeitpunkt auch unter der Anschrift „W.-------straße 00, 00000 C. “ gemeldet (Bl. 167 d. BA). Nach den Angaben des Antragstellers besteht bei summarischer Prüfung auch kein Anhalt, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht tatsächlich unter der Adresse wohnhaft war. Die eidesstattlichen Versicherungen des Antragstellers und seiner Ehefrau können die Richtigkeit der Zustellungsurkunde gerade nicht erschüttern.
18Dem Antragsteller wird voraussichtlich in der Hauptsache auch keine Wiedereinsetzung im Sinne des § 60 VwGO in die Klagefrist gewährt werden können. Nach dieser Norm ist einer Person, die ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 60 Abs. 1 VwGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen, die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen; innerhalb der Antragsfrist ist zudem die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 60 Abs. 2 VwGO). Das Verschulden eines gesetzlichen oder gewillkürten Vertreters ist als eigenes Verschulden des durch diesen vertretenen Beteiligten anzusehen (§ 173 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).
19Verschulden im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO ist anzunehmen, wenn der Beteiligte diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.01.2021 – 2 B 59.20 –, juris, Rn. 3, m. w. N.; OVG NRW, Beschluss vom 24.10.2003 – 12 A 5511/00 –, juris, Rn. 7.
21Das Verschulden eines Bevollmächtigten, insbesondere eines bevollmächtigten Rechtsanwalts, steht dabei gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleich, gilt also als Verschulden des Vertretenen.
22Vgl. zur Verfassungskonformität des § 85 Abs. 2 ZPO: BVerfG, Beschluss vom 20.04.1982 – 2 BvL 26/81 –, juris, Rn. 48 ff.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 20.07.2016 – 6 B 35.16 –, juris, Rn. 6 ff.
23Zwar hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers den Wiedereinsetzungsantrag fristgerecht gestellt. Denn die Akte ist ihm ausweislich einer vorgenommenen Sendungsverfolgung anhand der Sendungsnummer 00000000000000000000 am 03.07.2023 zugegangen. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 17.07.2023 wurde damit fristgerecht innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist gestellt.
24Allerdings wurde die Klagefrist hier schuldhaft versäumt. Es fehlt an einer hinreichenden Glaubhaftmachung der für die Wiedereinsetzung erheblichen Tatsachen; dem Antragsteller wird in der Hauptsache die Wiedereinsetzung voraussichtlich zu versagen sein.
25Der die Wiedereinsetzung beantragende Beteiligte muss die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft machen, § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Erforderlich ist eine rechtzeitige, substantiierte und schlüssige Darstellung der für die Wiedereinsetzung wesentlichen Tatsachen.
26BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25.09.2021 – 2 BvR 30/21 –, juris, Rn 3; BVerwG, Beschluss vom 23.02.2021 – 2 C 11.19 –, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 08.06.2021 – 18 A 4322/18 –, juris, Rn. 73.
27Glaubhaftmachung (§ 173 Satz 1 VwGO, § 294 ZPO) erfordert, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ihres Vorliegens darzutun; nicht erforderlich ist – im Gegensatz zum Beweis – eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit.
28Vgl. Hoppe, in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 60 Rn. 34.
29Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Antragstellers nicht gerecht. Es liegt keine substantiierte und schlüssige Darstellung der maßgeblichen Tatsachen, die Ehefrau des Antragstellers habe die Ordnungsverfügung vom 03.02.2023 aus dem Briefkasten entnommen und dem Antragsteller ferner nicht vorgelegt, vor. Die eidesstattlichen Versicherungen, die jeweils vom 14.07.2023 datieren, sind pauschal, detailarm und oberflächlich; sie entbehren insbesondere konkreter Angaben zu den entscheidenden Abläufen. Der geschilderte Sachverhalt, der die unverschuldete Fristversäumnis begründen soll, ist nicht nachvollziehbar dargestellt; es fehlt an einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ihres Vorliegens. Im Einzelnen:
30Der Antragsteller versichert im Wesentlichen an Eides statt, er habe weder die Gutachtenanordnung noch die Entziehungsverfügung der Antragsgegnerin erhalten, da die Zustellung über den Briefkasten erfolgt sei und seine Ehefrau diesem die Schreiben entnommen habe, ohne sie ihm zur Kenntnis zu geben. Seine Ehefrau versicherte an Eides statt, „Zustellnachrichten“, die an ihren Mann gerichtet waren, aus dem Briefkasten genommen zu haben. Sie habe ihrem Mann die Schriftstücke nicht zur Verfügung gestellt aus Angst, dass der Streit zwischen ihnen erneut aufkeime. Sie hätten sich zwischenzeitlich versöhnt. Sie habe die Briefe nicht geöffnet, sondern ungeöffnet vernichtet. Ihr Mann habe keine Kenntnis vom Inhalt der „Zustellnachrichten“ erhalten, da er im Zeitpunkt des Einwurfs in den Briefkasten ohnehin immer arbeitsbedingt abwesend gewesen sei.
31Es fehlt hiernach schon an einer konkreten Zuordnung der Schriftstücke, die vernichtet worden sein sollen. So ist in der eidesstattlichen Versicherung der Ehegattin des Antragstellers die Rede von „Zustellnachrichten“ und von „Briefen“. Es wird jedoch nicht hinreichend konkret darauf abgestellt, dass die hier konkret in Streit stehende Ordnungsverfügung vom 03.02.2023 und die Gutachtenanordnung vom 11.11.2022 dem Briefkasten entnommen und vernichtet worden sein sollen. Im Lichte der spezifizierenden Formulierung „die Briefe“ kann auch nicht zugunsten des Antragstellers davon ausgegangen werden, dass seine Ehefrau sämtliche an ihren Mann gerichteten Briefe vernichtet hat.
32Zudem ist der Begriff „Zustellnachrichten“ nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Soweit man zugunsten des Antragstellers unterstellt, dass hiermit Schriftstücke gemeint sein sollen, die einer förmlichen Zustellung unterlagen, ist der Vortrag nicht schlüssig. Denn ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen ist zur Wohnung des Antragstellers ein Bußgeldbescheid vom 06.01.2023 vom 10.01.2023 förmlich zugestellt worden. Nach den unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin hat der Antragsteller das Bußgeld selbst entrichtet; das entsprechende Schreiben muss ihm demnach zur Kenntnis gelangt sein. Insoweit bliebt unklar, auf welche konkreten Schriftstücke sich der Vernichtungsprozess bezogen haben soll und wie die Ehegattin des Antragstellers differenziert haben will, welche Schreiben sie dem Antragsteller übergibt und welche nicht. Auch das Schicksal weiterer Zustellungen durch die Behörde (vgl. etwa die später aufgehobene Gutachtenanordnung vom 29.07.2022, zugestellt am 02.08.2022) ist völlig unklar, sodass von einer substantiierten und schlüssigen Darstellung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen keine Rede sein kann.
33Fragen wirft ferner die Aussage auf, der Antragsteller sei im Zeitpunkt des Einwurfs in den Briefkasten ohnehin immer arbeitsbedingt abwesend gewesen. Zum einen dürfte es auf den Einwurfzeitpunkt bereits nicht ankommen. Maßgeblich ist vielmehr die Entnahme des Schriftstücks aus dem Briefkasten und seine vorgetragene Vernichtung. Jedenfalls erschöpft sich auch an dieser Stelle der Vortrag in pauschalen Behauptungen. Konkrete Angaben zu den üblichen Entnahmezeiten von Post aus dem Briefkasten und den Arbeitszeiten des Antragstellers fehlen vollständig. So bietet der unsubstantiierte Vortrag keinerlei Aufschluss, ob eine Entnahme der Post überhaupt unbemerkt vom Antragsteller erfolgen konnte.
34Der Antragsteller hat auch die Motivation seiner Ehegattin für die vorgetragene Vernichtung von Schriftstücken nicht hinreichend schlüssig benennen können. Soweit pauschal davon die Rede ist, die Ehegattin des Antragstellers habe weitere Konflikte mit ihm vermeiden wollen, fehlt diesem Vortrag eine Substantiierung. Denn es ist bereits aus der Verwaltungsakte ersichtlich, dass es zwischen den Ehegatten des Öfteren zu Streitigkeiten und anschließenden Versöhnungen gekommen ist. Insoweit wäre – damit die Kammer die Tatsachen für die Wiedereinsetzung nachvollziehen kann – eine genaue zeitliche Eingrenzung notwendig gewesen, in welchen Streit- bzw. Versöhnungszeitraum die entsprechenden Handlungen gefallen sein sollen. Die eidesstattlichen Versicherungen beziehen sich nach ihrem Gesamtkontext jedenfalls auf Tatsachen, die einen nicht unerheblichen Zeitraum betreffen sollen, weshalb auch insoweit eine schlüssige zeitliche Kontextualisierung zu erwarten war.
35Ferner widersprechen die im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung der Ehefrau des Antragstellers getätigten Bekundungen den Angaben, die sie mit E-Mail vom 16.01.2023 gegenüber der Antragsgegnerin gemacht hat und die entsprechend aktenkundig sind. So erklärt sie in der eidesstattlichen Versicherung, sie habe die Briefe ungeöffnet vernichtet. In der E-Mail vom 16.01.2023 meint sie indessen, sie hoffe auf eine positive Rückmeldung der Stadt C. , damit sie nicht mit Bauchschmerzen und Angst leben müsse. Aus der E-Mail wird ersichtlich, dass der Ehefrau des Antragstellers bekannt war, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen werden sollte („Ich wäre sofort in der Lage ihn [sic] seine Lizenz abnehmen zu lassen“; „Er hat jetzt für uns einen Kredit aufgenommen wie soll er das dann abbezahlen wenn er nicht mehr arbeiten kann“). Hierbei ist davon auszugehen, dass die E-Mail als Reaktion auf das Anhörungsschreiben der Antragsgegnerin vom 05.01.2023 erfolgte, weil die Ehefrau des Antragstellers ausdrücklich im Betreff das – erstmals für das Anhörungsschreiben verwendete – konkrete Aktenzeichen der Antragsgegnerin nennt. Aus der E-Mail vom 16.01.2023 wird jedenfalls ersichtlich, dass von einer Vernichtung der ungeöffneten Briefe keine Rede sein kann.
36Schließlich wurde – worauf die Antragsgegnerin zu Recht hinweist – nicht schlüssig dargelegt, warum die Ehefrau des Antragstellers nach ihrer E-Mail vom 16.01.2023 – bei der es ihr im Übrigen gelingt, die Situation detailreich und ausführlich zu beschreiben – angibt, auf eine positive Rückmeldung von der Antragsgegnerin zu hoffen, in ihrer eidesstattlichen Versicherung indessen abermals geltend macht, die Ordnungsverfügung, zugestellt am 07.02.2023, ungeöffnet vernichtet zu haben. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, warum sie Schreiben der Antragsgegnerin, von denen sie sich offensichtlich eine Abhilfe hinsichtlich der von ihr als belastend beschriebenen Situation erhofft hat, ungeöffnet vernichtet haben will.
37Vorliegend war auch nicht abweichend von § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO gemäß § 58 Abs. 2 VwGO die Jahresfrist für die Klageerhebung maßgeblich. Denn die Rechtbehelfsbelehrung im streitgegenständlichen Bescheid war nicht unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Eine Rechtsbehelfsbelehrung muss die nach § 58 Abs. 1 VwGO, § 37 Abs. 6 VwVfG NRW erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.
38Eine Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich Angaben, die nach § 58 Abs. 1 VwGO nicht erforderlich sind, ist dann unrichtig, wenn sie einen nicht erforderlichen Zusatz enthält, der fehlerhaft oder irreführend ist und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtbehelfs vorzurufen und ihn dadurch davon abhalten kann, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen. Enthält die Belehrung Hinweise, die nicht erforderlich sind, so müssen sie richtig und vollständig sein.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.08.2018 – 1 C 6.18 –, juris, Rn. 16; W.-R. Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 58 VwGO Rn. 13.
40Dies gilt etwa für die Darstellung einer Sollvorschrift als Mussvorschrift.
41Vgl. W.-R. Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 58 VwGO Rn. 12.
42Unerheblich ist es, ob die Belehrung tatsächlich einen Irrtum hervorgerufen und dazu geführt hat, dass ein Rechtsmittel nicht rechtzeitig eingelegt worden ist. Es kommt allein auf die objektive Eignung und damit auf eine abstrakte Sichtweise an.
43Vgl. Hoppe, in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. 2022, § 58 VwGO Rn. 18.
44Gemessen hieran ist gegen die der Ordnungsverfügung vom 02.03.2023 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung nichts Durchgreifendes zu erinnern.
45Die Kammer sieht keine Irreführung in dem Umstand, dass es in der Rechtsbehelfsbelehrung heißt, gegen „diesen Bescheid“ kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage erhoben werden. So wird aus Sicht des Adressaten der entsprechenden Verfügung noch hinreichend deutlich, dass mit der generellen Beschreibung „Bescheid“ alle in ihm enthaltenen Verwaltungsakte (Fahrerlaubnisentziehung, Aufforderung zur Führerscheinabgabe, Zwangsmittelandrohung, Gebührenfestsetzung) gemeint sind. Es ist auch nicht zu erwarten, dass im Rahmen der Rechtsbehelfsbelehrung genau zwischen den einzelnen Regelungen eines mehrere Verfügungen enthaltenden Bescheids differenziert wird. Die Formulierung „gegen diesen Bescheid“ hält einen Adressaten bei abstrakter Betrachtungsweise nicht davon ab, ein Rechtsmittel rechtzeitig einzulegen. Insbesondere wird bei einem Rechtsschutzsuchenden nicht der Irrtum hervorgerufen, mit seinem Rechtsbehelf gegen sämtliche Verwaltungsakte des zusammengesetzten Bescheides vorgehen und sich damit einem erhöhten Prozess- und Kostenrisiko aussetzen zu müssen. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass ein durchschnittlicher Adressat der vorbezeichneten Formulierung die Bedeutung beimisst, er müsse zur Wahrung seiner Recht kumulativ gegen alle im Bescheid enthaltene Verfügungen vorgehen.
46Vgl. zur Unbedenklichkeit der Formulierung „gegen diese Ordnungsverfügung“ OVG NRW, Beschluss vom 08.06.2021 – 18 A 4322/18 –, juris, Rn. 68.
47Eine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung ergibt sich auch nicht daraus, dass es in der Belehrung heißt, der Klage sollen „zwei Ausfertigungen“ beigefügt werden. Dieser Zusatz ist nicht richtig. Zwar dürfte es sich hier um eine Anlehnung an § 81 Abs. 2 VwGO handeln. Die Norm gilt vorbehaltlich § 55a Abs. 5 Satz 3 VwGO, weshalb der Beteiligte bei formgerechter Einreichung eines elektronischen Schriftsatzes nicht gehalten ist, für die übrigen Verfahrensbeteiligten Abschriften in Papierform einzureichen.
48Vgl. W.-R. Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 81 Rn. 15.
49Eine solche Differenzierung findet sich in der Rechtsbehelfsbelehrung der Antragsgegnerin nicht, sodass die Belehrung so verstanden werden kann, dass auch bei elektronischer Klageeinreichung mehrfache „Ausfertigungen“ eingereicht werden sollen. Zwar ist mit Blick darauf, dass es sich bei § 81 Abs. 2 VwGO um eine Soll-Vorschrift handelt, festzuhalten, dass das Fehlen der dort erwähnten Abschriften eine sonst formgerechte Klage weder unwirksam noch unzulässig macht.
50Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.04.2019 – OVG 5 N 9.17 –, juris, Rn. 12.
51Dass vor diesem Hintergrund die in der Rechtsbehelfsbelehrung fehlende Ausnahme in Bezug auf die elektronische Klageerhebung dahingehend verstanden werden könnte, dass ein Kläger Abschriften auch im Falle der Einreichung einer elektronischen Klageschrift beifügen „soll“, lässt nicht die Annahme zu, dass er dadurch einem Irrtum über die formellen Voraussetzungen einer Klage unterliegen und damit von einer Erhebung der Klage abgehalten werden könnte. Soweit der hier betrachtete Passus keinen Zwang formuliert, sondern demnach „Ausfertigungen“ nur beigefügt werden sollen, ist auch unschädlich, dass nicht wie im Gesetzeswortlaut von „Abschriften“ die Rede ist. Zwar können die Begriffe Ausfertigung und Abschrift jedenfalls rechtstechnisch nicht synonym verwendet werden, weil es sich bei Ausfertigungen um offizielle Abschriften eines Urstücks handelt, insoweit also um eine speziellere Form einer Abschrift. Allerdings ist mangels Formulierung eines Beifügungszwanges nicht ersichtlich, wie der in der Sache unzutreffende Zusatz irrige Vorstellungen über die formellen Voraussetzungen einer wirksamen Klageerhebung hervorrufen und dadurch die Rechtsbehelfseinlegung erschweren könnte.
52Vgl. zur Unrichtigkeit des Zusatzes über die Beifügung von Abschriften BVerwG, Beschluss vom 02.03.1989 – 5 B 16.89 –, juris.
53Auch dass in der Rechtsbehelfsbelehrung von § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGG anstelle von § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO die Rede ist, führt nicht dazu, dass die Ausschlussfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zur Anwendung gereicht. Dieser Zusatz ist bei abstrakter Betrachtung nicht dazu geeignet, einen Adressaten von der Einlegung eines Rechtsmittels abzuhalten. Denn eine entsprechende Norm existiert im Sozialgesetzbuch nicht, sodass keine Verwechslungsgefahr besteht. Auch aus dem Gesamtkontext der Ordnungsverfügung wird hinreichend deutlich, dass § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO gemeint ist. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass § 55a Abs. 4 VwGO im vorherigen Absatz ausdrücklich in Bezug genommen wird.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
55Der gemäß § 52 Abs. 1, 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG festgesetzte Streitwert entspricht in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Hälfte des Betrags, der im Hauptsacheverfahren anzusetzen ist. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist, da vorliegend sowohl die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung als auch die allgemeine Fahrerlaubnis entzogen worden sind, in der Hauptsache zur Streitwertbemessung eine Verdopplung des Auffangwertes angezeigt.
56Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.04.2013 – 16 B 1408/12 –, juris, Rn. 18.
57Rechtsmittelbelehrung
58Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
59Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
60Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
61Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
62Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
63Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
64Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
65Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
66Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.