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Die Praxis der Bundesnetzagentur, in laufenden Verfahren der Beschlusskammern die verfahrenseinleitende Antragsschrift auf ihrer Internetseite einzustellen, entbehrt einer Rechtsgrundlage. Die Bundesnetzagentur ist daher nicht zur Veröffentlichung der Antragsschrift befugt, sofern ihr ein Hauptbeteiligter widerspricht.
Ob die Bundesnetzagentur im Rahmen eines Beschlusskammerverfahrens Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eines Hauptbeteiligten gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten i.S.d. § 213 Abs. 2 TKG offenbaren darf, ist im Wege einer Güterabwägung der kollidierenden Rechtsgüter zu beurteilen (hier bejaht).
1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, die der hiesigen Antragsschrift der Antragstellerin als Anlage 1 anliegende Fassung der Antragsschrift der G. GmbH vom 00.00. 2023 ganz oder teilweise auf ihrer Internetseite „Laufende Verfahren der Beschlusskammer 2: BK2-00-000“(*Internet-Adresse wurde entfernt*)oder in sonstiger Weise für die Allgemeinheit frei zugänglich zu veröffentlichen, soweit diese Fassung weniger Schwärzungen enthält, als die in Anlage 6b zur Antragsschrift im hiesigen Verfahren übersandte Fassung Schwärzungen oder Rötungen enthält. Die in Anlage 6b enthaltenen Rötungen sind vor der Veröffentlichung zu schwärzen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu ¾ und die Antragsgegnerin zu ¼.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
2Die am 7. Juni 2023 gestellten Anträge der Antragstellerin,
31. im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO der Antragsgegnerin zu untersagen, die als Anlage 1 anliegende Fassung der Antragsschrift der G. GmbH vom 00.00.2023 ganz oder teilweise ohne Zustimmung der Antragstellerin zu veröffentlichen oder sonst Beigeladenen des bei der Beschlusskammer 2 anhängigen Streitbeilegungsverfahrens mit dem Aktenzeichen BK2-00/000 offenzulegen;
42. hilfsweise zu 1., der Antragsgegnerin zu untersagen, die Inhalte der Antragsschrift der G. GmbH vom 00.00.2023 zu folgenden Punkten ohne Zustimmung der Antragstellerin zu veröffentlichen oder sonst Beigeladenen des bei der Beschlusskammer 2 anhängigen Streitbeilegungsverfahrens mit dem Aktenzeichen BK2-00/000 offenzulegen:
5a. Angaben dazu, dass die Antragstellerin der G. eine *Bedingung A* auferlegen will (Anträge 1.7.2 bis 1.7.5, 1.7.6 und 1.7.8 der G. sowie dazu gehörende Hilfsanträge und Begründungspassagen);
6b. Angaben dazu, welche Inhalte und Rechtsfolgen bei Verstößen die seitens der Antragstellerin verlangte *Bedingung A* im Einzelnen haben soll (Anträge 1.7.2 bis 1.7.5, 1.7.6 und 1.7.8 der G. GmbH sowie dazu gehörende Hilfsanträge und Begründungspassagen); sowie
7c. Angaben dazu, ob und mit welchen konkreten Inhalten die Antragstellerin der G. GmbH *Bedingung B* untersagen will (Antrag 1.7.5 der G. sowie dazu gehörende Begründungspassagen und Hilfsanträge),
8bedürfen der Auslegung.
9Der als Antrag 1. bezeichnete Hauptantrag enthält zwei Anträge, nämlich einmal den Antrag,
10a. der Antragsgegnerin zu untersagen, den als Anlage 1 zur Antragsschrift in diesem Verfahren beiliegenden Antrag der G. GmbH auf Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens nach § 212 Abs. 1 TKG zu veröffentlichen, soweit dieser weniger Schwärzungen enthält als die in Anlage 3 zur Antragsschrift im hiesigen Verfahren übersandte Fassung,
11und den weiteren Antrag,
12b. der Antragsgegnerin zu untersagen, den als Anlage 1 zur Antragsschrift in diesem Verfahren beiliegenden Antrag der G. GmbH auf Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens nach § 212 Abs. 1 TKG den Beigeladenen bzw. den Beizuladenen des bei der Beschlusskammer 2 anhängigen Streitbeilegungsverfahrens mit dem Aktenzeichen BK2-00/000 offenzulegen, soweit dieser weniger Schwärzungen enthält als die in Anlage 3 zur Antragsschrift im hiesigen Verfahren übersandte Fassung.
13Dass die kursiven Zusätze das von der Antragstellerin Gewollte bezeichnen, ergibt sich aus Seite 3 Ziffer 2.1 des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 23. Juni 2023. Gegen eine Veröffentlichung der Antragsschrift der G. GmbH in der Fassung der Anlage 3 zur Antragsschrift der Antragstellerin vom 7. Juni 2023 wehrt sich die Antragstellerin nicht. Diese ist derzeit auf der oben bezeichneten Internetseite der Antragsgegnerin abrufbar.
14Die so verstandenen Hauptanträge sind auch hinreichend bestimmt.
15Der Antrag der Antragstellerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist er zulässig, aber unbegründet. Der Hilfsantrag hat keinen Erfolg.
16I.Die unter 1. gestellten Hauptanträge sind zulässig.
17Sie sind gemäß § 123 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft. Eine Anfechtungssituation liegt hier nicht vor. In der Hauptsache wäre das Begehren der Antragstellerin eine vorbeugende Unterlassungsklage, die als negative allgemeine Leistungsklage mit dem Ziel, ein schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln zu verhindern, statthaft wäre. Denn die Praxis der Antragsgegnerin, in laufenden Verfahren der Beschlusskammern die verfahrenseinleitenden Antragsschriften zur Information der Öffentlichkeit und der Fachkreise in einer Fassung, die nach Auffassung der Antragsgegnerin der Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beteiligten gemäß § 216 TKG entspricht, auf ihrer Internetseite einzustellen, stellt mangels Regelung keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG dar.
18Vgl. in diese Richtung auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 – VI-3 Kart 84/17 (V) –, juris Rn. 33 f. Offenlassend Gurlit in: Säcker/Körber, Kommentar TKG-TTDSG, 4. Aufl. 2023, § 216 Rn. 26, und für die Vorgängervorschrift § 136 TKG a.F. Mayen in: Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz Kommentar, 3. Aufl. 2018, § 136 Rn. 30. A.A. für einen Verwaltungsakt beim sog. In-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO a.F. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2002 – 13A D 18/02 –, juris.
19Dieses gilt entsprechend für die Übersendung der Antragsschrift an die im Verfahren nach § 213 Abs. 2 TKG Beteiligten.
20§ 44a VwGO steht der Zulässigkeit der Anträge der Antragstellerin nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Es entspricht einhelliger Rechtsprechung und Kommentarliteratur, dass demjenigen, der sich gegen eine Offenbarung seiner Geheimnisse zur Wehr setzen will, die Vorschrift nicht entgegengehalten werden kann.
21Vgl. Gurlit in: Säcker/Körber, Kommentar TKG-TTDSG, 4. Aufl. 2023, § 216 Rn. 26, und für die Vorgängervorschrift § 136 TKG a.F. Mayen in: Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz Kommentar, 3. Aufl. 2018, § 136 Rn. 30, sowie OVG NRW Beschluss vom 9. Juli 2002 – 13A D 18/02 –, juris.
22Die Hauptanträge sind auch im Übrigen zulässig. Insbesondere besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für den Eilantrag, da die Antragstellerin der Antragsgegnerin ihre Auffassung vom Umfang der zu schwärzenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse mitgeteilt hat – vgl. Anlage 3 der hiesigen Antragsschrift – und mit Schreiben vom 26. Mai 2023 eine abweichende Antwort der Antragsgegnerin erhalten hat, wonach die hier als Anlage 1 übersandte Fassung demnächst veröffentlicht und den Beigeladenen mitgeteilt werde.
23II.Der Hauptantrag 1a. ist nur teilweise begründet, der Hauptantrag 1b. ist unbegründet.
24Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Antragstellerin glaubhaft macht, dass ihr ein Anspruch auf die begehrte Handlung zusteht (Anordnungsanspruch) und die Gefahr besteht, dass ohne die begehrte Handlung die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Anordnungsgrund). Die dem Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch zugrunde liegenden Tatsachen sind von der Antragstellerin glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.
25Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht nach § 123 Abs. 1 VwGO grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einer Antragstellerin nicht schon in vollem Umfang dasjenige gewähren, was sie nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt allerdings im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG dann nicht, wenn die gerichtliche Regelung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, weil die Antragstellerin sonst Nachteile zu erwarten hätte, die für sie unzumutbar wären, und das Begehren in der Hauptsache schon aufgrund summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten bei Anlegung eines strengen Maßstabes erkennbar Erfolg haben muss.
26Vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 – 2 BvR 745/88 –, und BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 – 2 VR 1.99 –, beide juris.
27Gemessen an diesen qualifizierten Anforderungen hat die Antragstellerin hinsichtlich des Hauptantrages 1a. nur im tenorierten Umfang einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (dazu unter 1.). Hinsichtlich des Hauptantrags 1b. hat sie keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (dazu unter 2.).
281.Die Antragstellerin hat im tenorierten Umfang einen Anspruch auf Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor einer Veröffentlichung durch die Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite oder in sonstiger für die Allgemeinheit frei zugänglicher Weise glaubhaft gemacht.
29Dabei kann im vorliegenden Eilverfahren dahinstehen, ob sich der Abwehranspruch der Antragstellerin aus § 6 Satz 2 Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vom 18. April 2019 (BGBl. I S. 466) – GeschGehG – ergibt, obwohl nach dem in § 1 Abs. 2 GeschGehG definierten Anwendungsbereich öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Geheimhaltung, Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen vorgehen. Als öffentlich-rechtliche Vorschriften kommen hier § 30 VwVfG und § 216 TKG in Betracht.
30Jedenfalls folgt der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse als Abwehrrecht aus § 30 VwVfG und verfassungsrechtlich aus Art. 12 GG (Berufsfreiheit) und Art. 14 GG (eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb).
31Die Kammer geht im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung davon aus, dass die zwischen den Beteiligten streitigen, in Anlage 1 ungeschwärzten Angaben in der Antragsschrift der G. GmbH Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin enthalten.
32Nach § 2 Nr. 1 GeschGehG ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.
33Diese Legaldefinition stimmt im Wesentlichen mit der des Bundesverfassungsgerichts,
34Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03 –, juris Rn. 87 ff.,
35überein. Danach sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmt werden können.
36Bei der Annahme eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses orientiert sich die Kammer an der Frage des wirtschaftlichen Werts dieser Informationen für die Konkurrenten und über die Möglichkeit eines Nachteils im Wettbewerb mit den Konkurrenten. Davon ausgehend enthalten die zwischen den Beteiligten streitigen, in Anlage 1 ungeschwärzten Angaben in der Antragsschrift der G. GmbH Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin.
37Die das Streitbeilegungsverfahren BK2-00/000 beantragende G. GmbH hat in ihrer Antragsschrift vom 00.00.2023 in der Fassung der hiesigen Anlage 1 zwar nicht das vollständige Vertragsangebot der Antragstellerin, einschließlich der ihr in den Vertragsverhandlungen offenbarten Kalkulationen, offengelegt. Sie formuliert aber detailliert ab Ziffer 1.3 entweder positiv, was das beantragte modifizierte Angebot umfassen soll (Ziffern 1.3, 1.4 und 1.6), oder negativ, was es nicht enthalten soll (Ziffern 1.5 und 1.7). Zudem werden im Hilfsantrag unter den Ziffern 2.2 ff. und im weiteren Hilfsantrag unter Ziffer 3.1 mit 15 Unterpunkten – von denen aber nur fünf Punkte nach Auffassung aller (teilweise) zu schwärzen sind – konkrete Bedingungen und Konditionen aus dem Vertragsangebot der Antragstellerin genannt.
38Die Kammer hält die Auffassung der Antragstellerin für nachvollziehbar, dass sich aus diesen detaillierten Haupt- und Hilfsanträgen in der Gesamtschau jedenfalls für die sachkundige Kennerin der Telekommunikationsszene ein recht genaues Bild des Vertragsangebots der Antragstellerin und der von der Antragstellerin gewünschten vertraglichen Bindung der G. GmbH an ihr Unternehmen entnehmen lässt. Die so erlangten Informationen ermöglichen den Wettbewerbern der Antragstellerin ein genaueres Bild über deren Kalkulationen, was sich als Wettbewerbsvorteil erweisen könnte.
39Dass solche Rückschlüsse schon allein aus dem Umstand gezogen werden könnten, dass die Antragstellerin *Bedingung C*, *Bedingung A* und *Bedingung B* verwendet, ohne nähere Angaben zur konkreten Ausgestaltung, erscheint dem Gericht zwar zweifelhaft. Für das vorliegende Verfahren unterstellt die Kammer aber zugunsten der Antragstellerin, dass bereits die bloße Verwendung dieser Begriffe unter den Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse fällt.
40Sofern die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung vom 19. Juni 2023 ausführt, es drohe im Rahmen des Beschlusskammerverfahrens keine Gefährdung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und erst recht keine Gefährdung „wichtiger“ Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin, erscheint der von der Antragsgegnerin angelegte Maßstab zu eng. Die Freigabe richte sich, so die Antragsgegnerin, nach §§ 216 und 215 TKG. Die Kammer bezweifelt jedoch, dass der Maßstab, dass nur „wichtige“ Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt sind, zutreffend ist. Der in Bezug genommene § 215 Abs. 3 Satz 4 TKG regelt den Ausschluss der Öffentlichkeit aus der mündlichen Verhandlung. Der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in sonstigen Verfahrenssituationen ist aber weitreichender. Insoweit enthält auch § 216 TKG keine Einschränkung auf „wichtige“ Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse.
41Die Antragsstellerin hat hinsichtlich der Veröffentlichung ihrer in Anlage 1 enthaltenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse jedoch nur insoweit einen Abwehranspruch gegen die Antragsgegnerin, als die Anlage 1 hinter den Rötungen und Schwärzungen der hiesigen Anlage 6b (Kompromissfassung) zurückbleibt, wobei die Rötungen als Schwärzungen zu behandeln sind.
42Die Antragstellerin hat sich mit E-Mail vom 31. Mai 2023 gegenüber der Antragsgegnerin mit einer Veröffentlichung der hier in Anlage 6b enthaltenen Fassung der Antragsschrift der G. GmbH einverstanden erklärt. Ob in dieser Erklärung rechtlich ein Verzicht zu sehen ist, der nicht der Annahme bedarf, kann dahinstehen. Denn jedenfalls besteht ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis nach den o.g. Definitionen des § 2 Nr. 1 GeschGehG und des Bundesverfassungsgerichts nur im Rahmen des Interesses des Inhabers an der Geheimhaltung. Die Antragstellerin hat durch die von ihr vorgelegte Fassung – hier Anlage 6b – zu erkennen gegeben, hinsichtlich der dort ungeschwärzten Angaben kein Geheimhaltungsinteresse (mehr) geltend zu machen. Sie hat sich ausdrücklich mit der Veröffentlichung dieser Fassung einverstanden erklärt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragsgegnerin diese Kompromissfassung abgelehnt hat und sich die Antragstellerin nicht mehr an ihr Einverständnis zur Veröffentlichung dieser Fassung gebunden fühlt. Diese Begründung geht ins Leere. Willenserklärungen, auch wenn sie gegenüber einer Behörde abzugeben sind, werden nur dann nicht wirksam, wenn der Behörde vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB). Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum (vgl. § 119 BGB) hinsichtlich der Reichweite oder Bedeutung des Einverständnisses ist ebenfalls ausgeschlossen.
43Die Antragsgegnerin hat indes keine Offenbarungsbefugnis hinsichtlich einer Veröffentlichung der Antragsschrift der G. GmbH auf ihrer Internetseite oder sonst für die Allgemeinheit frei zugänglich in einer Fassung, die in ihren Schwärzungen hinter denen in Anlage 6b zurückbleibt.
44Aus den §§ 211 ff. TKG kann die Kammer keine Befugnis der Antragsgegnerin entnehmen, schon die Antragsschrift, die ein Beschlusskammerverfahren bei der Bundesnetzagentur einleitet, zu veröffentlichen, sofern – wie hier – ein Hauptbeteiligter widerspricht.
45Auf Art. 20 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2018/1972 vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) kann sich die Antragsgegnerin für die Veröffentlichung von Schriftsätzen der Verfahrensbeteiligten nicht berufen. Nach dieser Vorschrift sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden Informationen, die zu einem offenen, wettbewerbsorientierten Markt beitragen, unter Einhaltung der nationalen Vorschriften über den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen sowie der Rechtsvorschriften der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen veröffentlichen. Eine Antragsschrift ist jedoch noch keine Information, die zu einem offenen wettbewerbsorientierten Markt beiträgt. Das kann erst das Ergebnis des Verfahrens oder der Regulierung der Antragsgegnerin sein.
46Die Antragsgegnerin verfolgt mit der Information über anhängige Verfahren auch keinen speziellen gesetzlichen Auftrag außerhalb ihrer allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit. Der Umstand, dass nach § 213 Abs. 2 Nr. 3 TKG Personen und Personenvereinigungen, deren Interessen durch die Entscheidung berührt werden, auf Antrag beizuladen sind, begründet keine Befugnis der Antragsgegnerin, den verfahrenseinleitenden Schriftsatz der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Zwar ist es für Personen und Personenvereinigungen, die einen Beiladungsantrag stellen wollen, praktisch und unkompliziert, sich über die Internetseite der Bundesnetzagentur einen fundierten Einblick in laufende Verfahren zu verschaffen. Jedoch kann die in § 213 Abs. 2 Nr. 3 TKG angesprochene Fachöffentlichkeit auch anders als durch Veröffentlichung der Antragsschrift über neue Verfahren informiert werden, um ihnen die Prüfung eines Beiladungsantrags zu ermöglichen, etwa durch Pressemitteilungen oder geschützte Bereiche.
47Die Veröffentlichung einer vollständig anonymisierten Fassung der Antragsschrift der G. GmbH kommt ebenfalls nicht in Betracht. Angesichts der geringen Zahl von nur vier netzwerkbetreibenden Mobilfunkanbietern würde eine anonymisierte Fassung an der Erkennbarkeit der Antragstellerin wenig ändern.
48Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass das Vorgenannte nicht auf die Entscheidungsdatenbank der Bundesnetzagentur übertragbar ist. Mit dieser kommt sie ihrem gesetzlichen Auftrag als Regulierungsbehörde nach, ihre Regulierungsentscheidungen transparent darzustellen und damit zur Wettbewerbsförderung beizutragen.
492.Hinsichtlich des Hauptantrags 1b. hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
50Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass es die Antragsgegnerin unterlässt, den Beigeladenen des Streitbeilegungsverfahrens mit dem Aktenzeichen BK2-00/000 die Antragsschrift der G. GmbH in der hier als Anlage 1 beigefügten Fassung (ergänzt um die zwischen den Beteiligten unstreitig zusätzlich erforderlichen Schwärzungen zu Daten und Geldbeträgen) offenzulegen.
51Dabei geht die Kammer – wie oben dargelegt – davon aus, dass die Fassung in Anlage 1 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin enthält.
52Die Antragsgegnerin ist jedoch befugt, diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse allen Verfahrensbeteiligten i.S.d. § 213 Abs. 2 TKG zu offenbaren. Dies ergibt sich im Wege einer Güterabwägung der kollidierendenRechtsgüter.
53Das öffentliche Interesse an der rechtlichen Klärung der Reichweite des Verhandlungsgebots im Rahmen der sog. Diensteanbieterregelung und dessen Bedeutung im konkreten Einzelfall ist mit Blick auf die damit verfolgten Regulierungsziele überragend. Die Offenbarungsbefugnis der Antragsgegnerin folgt insoweit maßgeblich aus ihrer Rolle als „Schiedsrichterin“, die ihr unter Ziffer III.4.15 und den Randnummern 481 bis 541 der Entscheidung der Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur vom 26. November 2018 über die Festlegungen und Regelungen im Einzelnen (Vergaberegeln) und über die Festlegungen und Regelungen für die Durchführung des Verfahrens (Auktionsregeln) zur Vergabe von Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz – Aktenzeichen: BK1-17/001 – zugewiesen wurde.
54Nach der Frequenznutzungsbestimmung unter Ziffer III.4.15 der Präsidentenkammerentscheidung vom 26. November 2018 haben Zuteilungsinhaber mit geeigneten Diensteanbietern über die Mitnutzung von Funkkapazitäten zu verhandeln. Die Verhandlungen sollen diskriminierungsfrei sein und die bereitzustellenden Kapazitäten nicht auf bestimmte Dienste, Funktechniken oder Anwendungen beschränkt werden.
55Diese Diensteanbieterregelung steht im Zusammenhang mit verschiedenen telekommunikationsrechtlichen Regulierungszielen, etwa der Sicherstellung eines chancengleichen Wettbewerbs und der Förderung nachhaltig wettbewerbsorientierter Märkte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) sowie dem Schutz der Nutzer- und Verbraucherinteressen durch Vorteile in Bezug auf Auswahl, Preise und Qualität auf Grundlage eines wirksamen Wettbewerbs (§ 2 Abs. 2 Nr. 3b TKG) und der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und -beschränkungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3e TKG).
56In der Begründung der Präsidentenkammer wurden neben den verschiedenen Regulierungszielen auch das Verhandlungsgebot und die Aufgaben der Antragsgegnerin näher umschrieben (Hervorhebungen durch das Gericht):
57„Rn. 492:Die Kammer beabsichtigt, den Wettbewerb auf der Diensteebene über das Jahr 2020 hinaus zu erhalten und zu fördern. Dies setzt voraus, dass Diensteanbieter bei Verhandlungen über die bereitzustellenden Kapazitäten nicht durch die Mobilfunknetzbetreiber diskriminiert werden. Dies gilt vor allem, da die zugrunde liegenden Frequenzressourcen nicht unbeschränkt verfügbar, sondern begrenzt sind. Daher ist es nur einer beschränkten Zahl von Unternehmen auf dem Markt möglich, selbst Frequenzen zu erwerben, um Mobilfunkdienste anbieten zu können. Der Marktzutritt ist somit nicht frei, sondern wegen der limitierenden Ressource Frequenz beschränkt.
58[...]
59Rn. 494:Die von den Zuteilungsinhabern bereitzustellenden Kapazitäten für Mobilfunkdienste sollen nicht auf bestimmte Dienste, Funktechniken oder Anwendungen beschränkt werden. Auch in den bisherigen Diensteanbieterregelungen waren keine Abrechnungsmodalitäten (z. B. „Retail-Minus“) vorgegeben. Für die Bereitstellung von Mobilfunkkapazitäten und Diensten gelten die Grundsätze der Technologie- und Diensteneutralität, da auch die Frequenzen technologie- und diensteneutral zugeteilt sind. Den Diensteanbietern soll im Rahmen dessen nicht nur der Wiederverkauf, sondern die Entwicklung eigener innovativer Produkte ermöglicht werden.
60[...]
61Rn. 498:Die Verhandlungen zwischen Zuteilungsinhabern und Diensteanbietern sollen diskriminierungsfrei sein. Mit Blick hierauf sollen sich Zuteilungsinhaber bei Verhandlungen nicht willkürlich verhalten und haben auf Verlangen der Bundesnetzagentur transparent Auskunft über den Verhandlungsverlauf zu geben (§ 127 TKG). Die diskriminierungsfreien Verhandlungen sollen dazu führen, dass für beide Verhandlungsparteien zumutbare Bedingungen vereinbart werden, die nicht einseitig benachteiligend sind. So soll beispielsweise ausgeschlossen werden, dass gegenüber geeigneten Diensteanbietern Verhandlungen über Mitnutzungen – auch bezogen auf einzelne Produkte und Technologien – schlechterdings verweigert, missbräuchlich geführt oder nachgefragte Leistungen an unbillige Konditionen geknüpft werden.
62[...]
63Rn. 500:Zuteilungsinhaber werden nicht zu einer Gleichbehandlung i. S. d. § 19 TKG [jetzt § 24 TKG n.F.] verpflichtet. So muss einem Mobilfunknetzbetreiber zum Beispiel das Recht zu vorstoßenden Wettbewerb (Geheimwettbewerb) beim Vertrieb seines Produktes zuerkannt werden, solange die Diensteanbieter die Chance haben, diesen Wettbewerbsvorsprung wieder einzuholen und somit kein dauerhaftes Alleinstellungsmerkmal des Mobilfunknetzbetreibers entsteht.
64[...]
65Rn. 502:Ein Abschluss- und Kontrahierungszwang ist [...] hiermit nicht verbunden. Zuteilungsinhaber können daher nicht verpflichtet werden, mit jedem Interessenten sowie ungeachtet der jeweiligen Bedingungen einen Vertrag abzuschließen. Allerdings beinhaltet das Verhandlungsgebot das Ziel, in privatauto-nomen Verhandlungen einen Vertragsschluss zu erreichen. Ohne einen intendierten Vertragsschluss wäre ein Verhandlungsgebot gegenstandslos und nicht geeignet, die Regulierungsziele des TKG zu fördern.
66Rn. 503:Aus dem Verhandlungsgebot folgt für die Bundesnetzagentur auch die Befugnis, in Fällen von Verstößen hiergegen zum Schutz des Wettbewerbs einzugreifen, also eine „Schiedsrichterrolle“ auszuüben. Hierzu muss eine umfassende Interessenabwägung zwischen den Betroffenen im o. g. Sinn vorgenommen werden.
67Rn. 504:Die Kammer erkennt, dass eventuell drohenden Verstößen gegen das Verhandlungsgebot nur durch eine effektive Ausgestaltung dieser Schiedsrichterrolle wirksam begegnet werden kann. [...]
68[...]
69Rn. 507:[...] Der sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 2 TKG ergebende Regulierungsgrundsatz der Nichtdiskriminierung verpflichtet die Bundesnetzagentur bei der Ausübung ihrer Schiedsrichterrolle auf die Sicherstellung diskriminierungsfreier Verhandlungen und entfaltet auf diesem Weg mittelbare Wirkung auch auf das Verhältnis der Marktteilnehmer untereinander.
70[...]
71Rn. 518:Die Konditionen für die Diensteanbieter beeinflussen deren Wettbewerbsfähigkeit. Je stärker ein Diensteanbieter in der Ausgestaltung der Mobilfunktarife beschränkt wird, desto weniger wird er in der Lage sein, mit innovativen oder preislich attraktiven Produkten zum Wettbewerb beizutragen. Daher haben die Konditionen letztlich einen direkten Einfluss darauf, ob sich die Diensteanbieter im Wettbewerb auf Endkundenebene behaupten können. Der Diensteanbieterregelung kommt hierbei eine zentrale Rolle als Verhandlungsgrundlage zu.
72Rn. 519:Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass unabhängige Diensteanbieter in besonderem Maße zum Wettbewerb beitragen. Derzeit steht aus Sicht des Verbrauchers zwar eine große Auswahl an Mobilfunkanbietern zur Verfügung. Bei einem Teil dieser Anbieter handelt es sich jedoch um Vertriebswege bzw. Marken der Mobilfunknetzbetreiber. Diese sind daher – je nach gesellschaftsrechtlicher Struktur – meist abhängig von ihren jeweiligen Muttergesellschaften. Ein wirksamer Wettbewerb kann sich jedoch erst zwischen unabhängigen Wettbewerbern entfalten. Würden die unabhängigen Diensteanbieter aus dem Markt ausscheiden oder wären diese aufgrund unzureichender Angebote seitens der Mobilfunknetzbetreiber in ihrer Wettbewerbsfähigkeit geschwächt, so könnte sich der Wettbewerb zunehmend auf die drei Mobilfunknetzbetreiber sowie deren Vertriebswege konzentrieren. Es ist jedoch Ziel der Bundesnetzagentur, den Wettbewerb zum Nutzen der Verbraucher zu schützen (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 TKG).
73Rn. 520:Die Unabhängigkeit von Diensteanbietern setzt jedoch voraus, dass der Zuteilungsnehmer diese weder ausschließlich noch unverhältnismäßig lange stark an sich bindet. [...] Eine unverhältnismäßige Bindung könnte dazu führen, dass das Gegengewicht der Diensteanbieter als Nachfrager eingeschränkt wird. Dies könnte starken Einfluss auf die vertragliche Gestaltung der Konditionen und somit auch auf die nachhaltige Förderung des Wettbewerbs haben. Mit Blick hierauf muss der Diensteanbieter frei darin sein, Neukunden über ein anderes Mobilfunknetz zu versorgen oder Bestandskunden in ein anderes Mobilfunknetz zu migrieren.
74[...]
75Rn. 532:Die Kammer ist der Auffassung, dass Diensteanbieter in erheblichem Maße zur Sicherstellung der Regulierungsziele beitragen können. Das Ausmaß ihres Beitrages hängt aber – wie bereits beschrieben – von den Konditionen ab. Ohne eine Dienste-anbieterregelung als Verhandlungsgrundlage ist es aus Sicht der Kammer hinreichend wahrscheinlich, dass die Diensteanbieter keine wettbewerbsfähigen Konditionen erhalten können.
76Rn. 533:Hieraus ergibt sich frequenzregulatorischer Handlungsbedarf, um Rechts- und Planungssicherheit sowie Transparenz sowohl für Zuteilungsinhaber als auch Diensteanbieter herzustellen. Die Diensteanbieterregelung in der Form eines Verhandlungs-gebotes ist aus Sicht der Kammer hierbei das mildeste Mittel, um die Regulierungs-ziele sicherzustellen.
77Rn. 534:Insbesondere betrifft die Diensteanbieterregelung nur geeignete Diensteanbieter. Daher gilt das Verhandlungsgebot nicht dahingehend, jedem Interessenten Kapazitäten zu gewähren. Soweit im Einzelfall eine Zusammenarbeit unzumutbar ist oder der Zuteilungsinhaber befürchtet, dass der Diensteanbieter die Kapazitäten für sachfremde Zwecke verwenden könnte, kann die Zusammenarbeit verweigert, beendet oder vertraglich eingeschränkt werden. In streitigen Fällen steht es dem Betroffenen frei, sich an die Bundesnetzagentur als „Schiedsrichter“ zu wenden.
78[...]
79Rn. 538:Auch mit Blick auf die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit verkennt die Kammer nicht, dass die Diensteanbieterregelung grundsätzlich die berufliche Tätigkeit der Zuteilungsinhaber berührt. Die Diensteanbieterregelung dient jedoch der im Allgemeininteresse stehenden Förderung der Regulierungsziele des TKG.
80Rn. 539:Hierbei ist zu berücksichtigen, dass den Zuteilungsinhabern ein volkswirtschaftlich bedeutendes knappes öffentliches Gut zugeteilt wird. Dieses ist im Sinne einer ökonomisch effizienten Frequenznutzung mittelbar auch den Diensteanbietern bereitzustellen, um die Regulierungsziele des TKG – und damit auch das Allgemeininteresse an flächendeckenden ausreichenden Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation (Art. 87f GG) – zu fördern.“
81Das so umschriebene Verhandlungsgebot in Ziffer III.4.15 ist weder ungewöhnlich noch in seinem rechtlichen Gehalt unklar,
82so BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2021 – 6 C 8.20 –, juris Rn. 65 ff. unter Verweis auf vergleichbare Entscheidungen des BGH, Beschluss vom 24. September 2002 – KVR 15/01 –, BGHZ 152, 84, 88 hinsichtlich kartellbehördlicher Verfügungen: Es bleibe damit erforderlichenfalls einem weiteren kartellbehördlichen Verfahren oder einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung vorbehalten, zu klären, ob letztlich angebotene Bedingungen tatsächlich angemessen seien oder nicht.
83Gemäß der Präsidentkammerentscheidung kommt der Antragsgegnerin im Rahmen dieses Verhandlungsgebots eine „Schiedrichterrolle“ zu. Für die in der Entscheidung aufgeführten Aufgaben und Zuständigkeiten der Bundesnetzagentur ist diese auch zuständig und es stehen ihr effektive Mittel zur Durchsetzung des Verhandlungsgebots im Telekommunikationsgesetz zur Verfügung,
84vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2021 – 6 C 8.20 –, juris Rn. 68 ff. und zum Streitbeilegungsverfahren insbesondere Rn. 70 f.
85Eine solcherart vermittelnde und regulierende Aufgabe der Bundesnetzagentur muss effektiv ausgestaltet sein, um die Regulierungsziele der Dienstanbieterregelung wirksam durchzusetzen. Wird – wie hier – wegen eines geltend gemachten Verstoßes eines Zuteilungsinhabers gegen das Verhandlunggebot aus Ziffer IIII.4.15 bzw. der entsprechenden Nebenbestimmung zur Frequenzzuteilung ein Streitbeilegungsverfahren nach § 212 TKG eingeleitet, kann die Bundesnetzagentur eine sachgerechte Entscheidung nur treffen, wenn sie die streitigen Vertragsmodalitäten des konkreten Vertragsangebots mit den nach § 213 Abs. 2 TKG am Verfahren Beteiligten erörtert. Ohne eine solche Erörterung kann das Verfahren nicht sinnvoll geführt werden. Dies setzt voraus, dass allen Verfahrensbeteiligten, auch den nach § 213 Abs. 2 Nr. 3 TKG Beigeladenen, die konkreten Streitpunkte bekannt sind. Nur so können diese ihre Markterfahrungen in das Streitbeilegungsverfahren einbringen und informierte Stellungnahmen abgeben.
86An einer rechtlichen Ausgestaltung des Verhandlungsgebots durch die Antragsgegnerin im Rahmen des streitgegenständlichen Beschlusskammerverfahrens ist auch deshalb ein überragendes öffentliches Interesse festzustellen, weil gegenwärtig Zweifel an der Wirksamkeit des Verhandlungsgebotes zur Herstellung von Wettbewerb im Bereich des öffentlichen Mobilfunks bestehen.
87Laut Stellungnahme der Bundesregierung zum Sektorgutachten Nr. 12 der Monopolkommission „Telekommunikation 2021: Wettbewerb im Umbruch“ hat eine Befragung von Diensteanbietern durch die Monopolkommission bereits 2021 Zweifel aufgeworfen, ob ein funktionierender Wettbewerb auf dem Vorleistungsmarkt für den Zugang zu öffentlichen Mobilfunknetzen in Deutschland existiert. Indizien könnten auf ein Marktversagen hindeuten. Für die Monopolkommission sei nicht klar erkennbar, ob das Verhandlungsgebot ausreiche, um das möglicherweise vorhandene Marktversagen zu beheben. Sollten positive Erfahrungen mit dem Verhandlungsgebot weiterhin ausbleiben, empfehle die Monopolkommission zu prüfen, ob bei der nächsten Frequenzvergabe den Mobilfunknetzbetreibern eine Diensteanbieterverpflichtung gemäß § 105 TKG auferlegt werden sollte. Aus Sicht der Bundesregierung sei die Existenz eines wirksamen Dienstewettbewerbs im Mobilfunk von großer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung.
88Vgl. Unterrichtung des Bundesrats durch die Bundesregierung, BR-Drs. 29/23 vom 20. Januar 2023, Rn. 57 ff.
89Ferner ergab eine aktuelle vom BREKO e.V. und der 1&1 Mobilfunk GmbH in Auftrag gegebene Studie der SBR-net Consulting AG zu Wettbewerbsdefiziten auf dem deutschen Mobilfunkmarkt und regulatorischen Antworten die geringe Bereitschaft der Mobilfunknetzbetreiber, bestehenden und potenziellen Diensteanbietern und MVNO angemessene Vorleistungen anzubieten. Dies sei gesamtwirtschaftlich problematisch, weil es eine breite Durchdringung des Endkundenmarktes mit innovativen und preislich attraktiven Produkten verzögere. Gleichzeitig würden alle drei etablierten Mobilfunk-Unternehmen von den Vorteilen der Zuteilung knapper Mobilfunkressourcen (5G/LTE-Frequenzen) profitieren. Zur Sicherung des Wettbewerbs sei daher eine Parität in Form des Zugangs zu Mobilfunkvorleistungen wichtig.
90Vgl. SBR-net Consulting AG, Wettbewerbsdefizite auf dem deutschen Mobilfunkmarkt und regulatorische Antworten – Studie für den BREKO e.V. und 1&1 Mobilfunk GmbH, 31. Mai 2023, S. 54 f.
91Demgegenüber stehen auf Seiten der Antragstellerin berechtigte Interessen am Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. In der Abwägung berücksichtigt die Kammer jedoch, dass die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht hat, dass ihr ein schwerer, das Unternehmen nachhaltig treffender Nachteil droht, sollten ihre Wettbewerber gerade von den streitgegenständlichen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen erfahren.
92Im Übrigen musste die Antragstellerin schon bei ihrer Teilnahme an der Frequenzversteigerung wissen, dass in einem etwaigen Streitbeilegungsverfahren über die Diensteanbieterregelung notwendig in gewissem Umfang auch Erkenntnisse über ihre Vertragskonditionen den beigeladenen Wettbewerbern bekannt würden. Diesbezüglich führt die Präsidentenkammer in Rn. 540 ihrer Begründung unmissverständlich aus:
93„Die Kammer weist zudem darauf hin, dass sich der Zuteilungspetent in Kenntnis der mit den Frequenznutzungsrechten verbundenen Bedingungen für eine Teilnahme an dem Verfahren entscheiden kann.“
94Inwieweit im vorliegenden Fall zudem die Selbstverpflichtung der Antragstellerin hinsichtlich der diskriminierungsfreien Behandlung von unabhängigen Diensteanbietern im Rahmen der Fusion der Antragstellerin mit der E-Plus,
95vgl. Entscheidung der Europäischen Kommission im Fusionsverfahren M. 7018 Telefónica Deutschland / E-Plus vom 2. Juli 2014,
96eine Rolle spielt, kann nach dem Vorgesagten dahinstehen. Denn es verändert die Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Interesse an der Klärung der Reichweite und Bedeutung des Verhandlungsgebots nicht.
97III.Der Hilfsantrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig, da er zu unbestimmt ist.
98Ein Antrag muss so klar formuliert sein, dass im Falle der Stattgabe eine inhaltlich genau abgegrenzte und ggf. vollstreckbare Entscheidung ergehen kann,
99vgl. VGH München, Beschluss vom 22. Juli 2021 – 25 CE 21.1852 –, juris Rn. 13.
100Soweit die Offenlegung von „Angaben“ und neben den bezifferten Hauptanträgen der G. GmbH „dazu gehörende Hilfsanträge und Begründungspassagen“ untersagt werden soll, ist der Antrag zu unbestimmt. Er verlangt vom Gericht, durch eine eigene Wertung, welche Passagen zu den inkriminierten Ziffern gehören, die der Antragstellerin obliegende Konkretisierung und Bestimmung vorzunehmen. So wie beantragt, ermöglicht der Antrag keine Vollstreckung.
101Ferner ist er zu unbestimmt, weil der Kammer nicht deutlich wird, inwieweit der Hilfsantrag überhaupt ein Weniger gegenüber den Hauptanträgen darstellt. Er scheint vielmehr der Erläuterung des Schutzinteresses der Antragstellerin zu dienen.
102Im Übrigen wäre der Hilfsantrag nach dem Obenstehenden jedenfalls nicht weiter begründet als es die Hauptanträge sind.
103Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
104Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat für eine etwaige Hauptsache mangels greifbarer Anhaltspunkte für den Wert des Interesses der Antragstellerin an der begehrten Unterlassung den gesetzlichen Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,- Euro je Hauptantrag angesetzt. Da die Hauptanträge im Eilverfahren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sind, wird dieser Streitwert nicht weiter reduziert (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen).
105Rechtsmittelbelehrung
106Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
107Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
108Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen.
109Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
110Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
111Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
112Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
113Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
114Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.