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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Dies gilt nicht für die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
2. Der Streitwert wird auf 17 713,08 € festgesetzt.
Gründe
21.
3Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
4der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle ST 33 – 13.1 (Sachgebietsleitung Zentrale Angelegenheiten, nationale und internationale Kooperation) anderweitig zu besetzen, bis über ihre Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bestandskräftig entschieden worden ist,
5hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, aber unbegründet.
6Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierfür sind ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
7Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat schon keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Insbesondere hat sie auf der Grundlage ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG keinen – mittels einer einstweiligen Anordnung sicherungsfähigen – Anspruch auf eine erneute Entscheidung über ihre Bewerbung. Ein solcher Anspruch einer in einem Auswahlverfahren unterlegenen Bewerberin auf eine erneute Entscheidung besteht, wenn die Auswahlentscheidung das subjektive Recht der Bewerberin aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt und die Bewerberin glaubhaft macht oder sich in Würdigung unstreitiger Sachumstände ergibt, dass ihre Aussichten, in einem zweiten, rechtmäßigen Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, mindestens offen sind, d.h. wenn ihre Auswahl möglich erscheint. An letzterer Voraussetzung fehlt es, wenn die gebotene wertende Betrachtung des Einzelfalls klar erkennbar ergibt, dass die rechtsschutzsuchende Person auch im Fall einer nach den Maßstäben der Bestenauslese fehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu den Mitbewerberinnen bzw. Mitbewerbern chancenlos sein wird.
8Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 10.02.2022 – 1 B 1097/21 –, juris, Rn. 6; Beschl. v. 14.06.2021 – 1 B 409/21 –, juris, Rn. 13.
9Nach diesem Maßstab hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über ihre Bewerbung. Die getroffene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin zugunsten der Beigeladenen ist rechtmäßig und die Antragstellerin durch sie nicht in ihrem subjektiven Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt.
10Die der Auswahlentscheidung zugrunde liegende Anlassbeurteilung der Antragstellerin vom 24.02.2023 ist rechtmäßig.
11Da es sich bei dienstlichen Beurteilungen ihrem Wesen nach um persönlichkeitsbedingte Werturteile handelt, ist die verwaltungsgerichtliche Prüfung ihrer Rechtmäßigkeit darauf beschränkt, ob der Dienstherr gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die anzuwendenden Begriffe oder den gesetzlichen Rahmen verkannt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hingegen darf das Gericht nicht die fachliche und persönliche Beurteilung der Beamtin durch ihre Dienstvorgesetzten in vollem Umfang nachvollziehen oder diese durch eine eigene Beurteilung ersetzen. Denn nur die für den Dienstherrn handelnden Vorgesetzten sollen ein Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit die Beamtin den – ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden – fachlichen und persönlichen Anforderungen des Amtes und der Laufbahn entspricht. Bei einem derartigen dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu.
12Vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.2021 – 2 A 1.21 –, juris, Rn. 17; Urt. v. 07.07.2021 – 2 C 2.21 –, juris, Rn. 10; Urt. v. 28.01.2016 – 2 A 1.14 –, juris, Rn. 13.
13Nach diesem Maßstab ist die Anlassbeurteilung der Antragstellerin rechtlich nicht zu beanstanden.
14Dies gilt zunächst für die Bewertungen zu den einzelnen Leistungsmerkmalen.
15Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Dienstherr insbesondere im – auch hier vorliegenden – Fall eines Ankreuzverfahrens verpflichtet, eine Einzelbewertung hinreichend zu plausibilisieren, wenn die Beamtin dies verlangt bzw. Zweifel an der Nachvollziehbarkeit des gefundenen Ergebnisses darlegt. Dabei steht diese Verpflichtung zur Plausibilisierung in einer Wechselbeziehung zum Grad der Substantiierung der von der Beamtin geäußerten Zweifel. Der Dienstherr muss die gefundenen Ergebnisse in einer Tiefe erläutern, konkretisieren und damit letztlich plausibilisieren, die der Tiefe der von der Beamtin geäußerten Zweifel entspricht. Dieser Pflicht kann er grundsätzlich auch noch im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachkommen.
16Vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.01.2021 – 2 VR 4.20 –, juris, Rn. 34; Urt. v. 01.03.2018 – 2 A 10.17 –, juris, Rn. 37; Urt. v. 17.09.2015 – 2 C 27.14 –, juris, Rn. 11, 20 f.; OVG NRW, Beschl. v. 16.11.2022 – 6 A 1015/21 –, juris, Rn. 70.
17Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin angegriffenen Einzelbewertungen hinreichend plausibilisiert.
18Soweit die Antragstellerin vorbringt, sie habe während des Beurteilungszeitraums eine höherwertige Tätigkeit ausgeübt, zeigt sie zwar einen gewissen Plausibilisierungsbedarf auf. Insbesondere kann es zu einem Plausibilitätsdefizit führen, wenn der Umstand, dass eine Beamtin mit höherwertigen Tätigkeiten betraut gewesen ist, in der dienstlichen Beurteilung keinen erkennbaren Niederschlag gefunden hat.
19Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.07.2022 – 5 ME 20/22 –, juris, Rn. 26.
20Dem aufgezeigten Plausibilisierungsbedarf genügt der Vortrag der Antragsgegnerin jedoch. Sie hat zunächst darauf hingewiesen, dass der Dienstposten der Antragstellerin nicht etwa nach der Besoldungsgruppe A 13g BBesO, sondern – statusamtsentsprechend – nach der Besoldungsgruppe A 12 BBesO bewertet ist. Weiter hat sie unter Verweis auf eine Stellungnahme des zuständigen Erstbeurteilers nachvollziehbar ausgeführt, die von der Antragstellerin wahrgenommenen Tätigkeiten umfassten es im Wesentlichen, Vorgänge zu steuern, zu erfassen und nach internen Vorgaben abzulegen. Hinzu komme in weit geringerem Maße die verantwortliche Bearbeitung von komplexeren Vorgängen oder Auswerteaufgaben. In diesen Ausführungen kommt einerseits die von der Antragstellerin wahrgenommene – und beurteilte – Führungsfunktion zum Ausdruck. Andererseits ist auf ihrer Grundlage aber auch nachvollziehbar, dass es sich bei den wahrgenommenen Tätigkeiten mangels verantwortlicher Bearbeitung komplexerer Vorgänge nicht um Tätigkeiten der Besoldungsgruppe A 13g BBesO handelt.
21Soweit die Antragstellerin vorbringt, ihre hauptsächliche Tätigkeit („Steuerung und Koordinierung von Auftragseingängen im Referatsrahmen“) sei in anderen Referaten regelmäßig Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 13g BBesO übertragen, hat die Antragsgegnerin die Einzelbewertungen auch vor diesem Hintergrund plausibilisiert. Sie hat unter Verweis auf eine Stellungnahme des Erstbeurteilers vorgetragen, dass die genannte Tätigkeit in anderen Referaten nicht nur durch Beamtinnen und Beamte der Besoldungsgruppe A 13g BBesO, sondern auch durch Beamtinnen und Beamte der Besoldungsgruppe A 12 BBesO wahrgenommen wird. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass bei der Bewertung der Tätigkeit eine individuelle Betrachtung des jeweiligen Dienstpostens geboten ist. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin selbst die möglichen Unterschiede im Zuschnitt der unterschiedlichen Dienstposten in den verschiedenen Referaten anspricht (vgl. Bl. 87 d.A.), was ebenfalls für eine individuelle Betrachtung und eine maßgebliche Orientierung an der Dienstpostenbewertung durch die Antragsgegnerin spricht. Soweit die Antragstellerin zuletzt behauptet, die Antragsgegnerin stelle nicht mehr in Frage, dass sie höherwertige Aufgaben wahrgenommen habe (vgl. Bl. 111 d.A.), ist dies unzutreffend. Die Antragsgegnerin hatte mit Schriftsatz vom 01.09.2023 lediglich erklärt, dass die Aufgabe der Antragstellerin vertretungsweise auch von Personen in anderen Statusämtern wahrgenommen würde, insoweit aber die Dienstpostenbewertung relevant bleibe.
22Soweit die Antragstellerin auf ihren Einsatz bei der ISa Protestgeschehen Corona verweist, bei dem ihre Aufgaben zuvor von einem Beamten der Besoldungsgruppe A 13g BBesO wahrgenommen worden seien, führt dies nicht zu einem näheren Plausibilisierungsbedarf. Zum einen zieht eine zeitweise vorige Wahrnehmung einer einzelnen Aufgabe durch einen höher eingestuften Beamten nicht eine gesamte Dienstpostenbewertung für einen mehrjährigen Beurteilungszeitraum in Zweifel, zumal die Antragstellerin vorliegend nur über einen kurzen Zeitraum von etwa drei Monaten bei der ISa Protestgeschehen Corona eingesetzt war (vgl. Bl. 29 d. BA 5). Zum anderen hat die Antragsgegnerin in der Anlassbeurteilung den Umstand, dass die Antragstellerin teilweise Aufgaben mit einer anderen als einer statusamtsentsprechenden Wertigkeit wahrgenommen hat, offenbar sehr wohl berücksichtigt. So hat sie in der Begründung des Gesamturteils ausgeführt, die Antragstellerin nehme auf ihrem Dienstposten „überwiegend“ statusamtsentsprechende Aufgaben wahr (vgl. Bl. 32 d. BA 5).
23Zuletzt führt es auch nicht zu einem weiteren Plausibilisierungsbedarf, dass die Antragstellerin nach ihrem Vorbringen im Falle ihrer Abwesenheit von der nach der Besoldungsgruppe A 13g BBesO bewerteten Sachgebietsleitung oder von der Referatsleitung vertreten wird. Es ist nicht ungewöhnlich, sondern leuchtet insbesondere im Falle der wahrgenommenen Koordinierungsaufgaben der Antragstellerin ein, dass eine Beamtin nicht nur durch ihre höhengleichen Kolleginnen und Kollegen, sondern auch durch ihre Vorgesetzten vertreten wird.
24Auch die Begründung des Gesamturteils in der Anlassbeurteilung der Antragstellerin ist rechtlich nicht zu beanstanden.
25Das Gesamturteil und die Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Sinne miteinander übereinstimmen, dass sich das Gesamturteil nachvollziehbar und plausibel aus den Einzelbewertungen herleiten lässt. Das abschließende Gesamturteil ist durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden und bedarf regelmäßig einer einzelfallbezogenen Begründung. Dabei sind die Anforderungen an diese Begründung umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung zum Gesamturteil jedoch nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere Note nicht in Betracht kommt, weil sich die vom Dienstherrn vergebene Note – vergleichbar mit einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt.
26Vgl. BVerwG, Urt. v. 01.03.2018 – 2 A 10.17 –, juris, Rn. 42 f.; Urt. v. 02.03.2017 – 2 C 21.16 –, juris, Rn. 63 f.; Urt. v. 28.01.2016 – 2 A 1.14 –, juris, Rn. 39; OVG NRW, Beschl. v. 16.11.2022 – 6 A 1015/21 –, juris, Rn. 55.
27Nach diesem Maßstab hat die Antragsgegnerin die der Antragstellerin erteilte Gesamtnote ausreichend begründet. Sie hat dort erklärt, dass einige Leistungsmerkmale bereits im Bereich der Note „7“ lägen und individuelle Stärken der Antragstellerin darstellten. Dennoch erreichten die Leistungen überwiegend den Bereich der Note „6“, sodass die Gesamtnote „6“ der Mehrzahl der Einzelnoten entspreche (vgl. Bl. 32 d. BA 5). Damit setzt sich die Antragsgegnerin mit dem aus den Leistungsmerkmalen ersichtlichen Notenspektrum auseinander und kommt anhand des Übergewichts der Note „6“ nachvollziehbar zu einem entsprechenden Gesamturteil. Angesichts des deutlichen Übergewichts der dreizehn Einzelmerkmale der Note „6“ gegenüber den sieben Einzelmerkmalen der Note „7“ war es entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht geboten, sich näher mit der Frage auseinanderzusetzen, welchen Leistungsmerkmalen im Falle einer Lage „zwischen zwei Noten“ eine besondere Bedeutung zukommen soll. Insoweit ist zudem insbesondere zu beachten, dass auch nicht erkennbar ist, durch welche Gewichtung eine Erteilung der Gesamtnote „7“ ernstlich in Betracht kommen sollte. So hat die Antragstellerin zwar in dem üblicherweise für besonders bedeutend bezeichneten Merkmal „Fachkenntnisse“ die Note „7“ erhalten. Bei den ebenfalls üblicherweise für besonders bedeutend bezeichneten Merkmalen zu den Arbeitsergebnissen und zum Führungsverhalten hat sie hingegen überwiegend bis weit überwiegend (67 % bzw. 83 %) die Note „6“ erhalten. Auch hat sie bei dem einzigen als von ihr weniger bedeutend bezeichneten Merkmal „Genderkompetenz, Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege“ ebenfalls die bessere Note „7“ erhalten.
28In Bezug auf ihren Einwand zur Begründung des Gesamturteils in ihrer Anlassbeurteilung hat die Antragstellerin zudem auch insoweit einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, als dass sie bei einer erneuten Auswahlentscheidung gegenüber der Beigeladenen chancenlos wäre. Sie könnte allenfalls ein Gesamturteil der Note „7“ erreichen, während die Beigeladene über eine rechtmäßige – dazu sogleich – Beurteilung mit einem Gesamturteil der Note „8“ verfügt.
29Die der Auswahlentscheidung zugrunde liegende Anlassbeurteilung der Beigeladenen vom 15.02.2023 ist rechtmäßig.
30Insbesondere ist die von der Antragstellerin gerügte Begründung des Gesamturteils rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit war eine nähere Begründung entbehrlich, weil ein anderes Gesamturteil nicht in Betracht kam und sich die Note „8“ geradezu aufdrängte. Die Beigeladene hat zu achtzehn Leistungsmerkmalen die Note „8“ und nur zu zwei Leistungsmerkmalen („Führung – Organisation“ und „Führung – Förderung von Beschäftigten“) die Note „7“ erhalten. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, welche Gewichtung der einzelnen Leistungsmerkmale dazu führen sollte, dass ein Gesamturteil der Note „7“ ernstlich in Betracht käme.
31Soweit die Antragstellerin die Art und Weise der Durchführung des Vorstellungsgesprächs am 06.06.2023 – insbesondere den Zeitpunkt sowie den Inhalt – rügt, führt dies ebenfalls nicht zu einer Verletzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs. Der geltend gemachte Verstoß gegen § 165 Satz 3 SGB IX liegt nicht vor, weil nach dieser Vorschrift das Vorstellungsgespräch vom 06.06.2023 schon nicht hätte durchgeführt werden müssen.
32Gemäß § 165 Satz 1 SGB IX melden die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze. Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie nach § 165 Satz 3 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Bereits aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang dieser beiden Vorschriften („solchen Arbeitsplatz“) wird deutlich, dass einer schwerbehinderten Bewerberin der gesetzliche Vorteil der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nur dann einzuräumen ist, wenn es um die Besetzung eines Arbeitsplatzes geht, der von der Pflicht zur Meldung an die Agenturen für Arbeit erfasst ist. Der Arbeitsplatz muss also zumindest auch externen Bewerberinnen und Bewerbern offenstehen. Die Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch besteht demgegenüber nicht, wenn der Dienstposten nur für interne Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung steht und diese Beschränkung auf interne Bewerberinnen und Bewerber sachlich gerechtfertigt ist. Insoweit schließt sich das Gericht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
33BVerwG, Urt. v. 15.12.2011 – 2 A 13.10 –, juris, Rn. 18 ff.,
34nicht jedoch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der die Pflicht zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch auch im Falle eines internen Stellenbesetzungsverfahrens besteht,
35BAG, Urt. v. 25.06.2020 – 8 AZR 75/19 –, juris, Rn. 31,
36an. Dem liegt im Wesentlichen zugrunde, dass im Falle eines beamtenrechtlichen internen Stellenbesetzungsverfahrens der Sinn und Zweck des Vorstellungsgesprächs nach § 165 Satz 3 SGB IX regelmäßig nicht erreicht werden kann. Die Vorschrift dient in erster Linie dazu, dem öffentlichen Arbeitgeber einen Eindruck von der schwerbehinderten Bewerberin zu verschaffen und etwaigen Vorbehalten oder Vorurteilen in Bezug auf die Schwerbehinderung entgegenzuwirken.
37Vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.2011 – 2 A 13.10 –, juris, Rn. 23; BAG, Urt. v. 25.06.2020 – 8 AZR 75/19 –, juris, Rn. 38.
38Dieser Zweck kann im Falle eines beamtenrechtlichen internen Stellenbesetzungsverfahrens regelmäßig nicht erreicht werden. Zum einen kann davon ausgegangen werden, dass das Leistungsprofil der schwerbehinderten Bewerberin den personalverantwortlichen Personen, die über die Stellenbesetzung zu entscheiden haben, schon bekannt ist. Zum anderen ist auch eine schwerbehinderte Bewerberin den Grundsätzen der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG unterworfen. Sie hat lediglich einen Anspruch darauf, wegen ihrer Schwerbehinderung nicht benachteiligt zu werden, nicht aber darauf, trotz der besseren Eignung einer Mitbewerberin vorrangig ausgewählt zu werden. Dies bedeutet, dass die Durchführung eines Vorstellungsgesprächs im Falle einer besseren Beurteilung einer Mitbewerberin ohnehin nicht dazu führen kann, dass die schwerbehinderte Bewerberin auszuwählen ist.
39Vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 04.05.2020 – 4 S 672/20 –, juris, Rn. 14.
40Auch eine Auslegung des § 165 Satz 3 SGB IX im Lichte der vom Bundesarbeitsgericht zitierten europarechtlichen Regelungen,
41vgl. BAG, Urt. v. 25.06.2020 – 8 AZR 75/19 –, juris, Rn. 41 ff.,
42gebietet nicht, interne Bewerbungen als von der Pflicht zur Einladung zum Vorstellungsgespräch erfasst anzusehen. Nach Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG (sog. Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie) haben die Mitgliedsstaaten angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Dies bedeutet nach Art. 5 Satz 2 der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, um Menschen mit Behinderung u.a. nicht nur den Zugang zur Beschäftigung, sondern auch den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Bei der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch handelt es sich jedoch im Falle eines beamtenrechtlichen internen Stellenbesetzungsverfahrens nicht um ein geeignetes Mittel, um Menschen mit Behinderung den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen. Vielmehr hat der Dienstherr auch im Falle von Menschen mit Behinderung nach den vorstehenden Ausführungen zu den Grundsätzen der Bestenauslese in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zurückzugreifen, bei deren Erstellung etwaige behinderungsbedingte Einschränkungen zu berücksichtigen waren.
43Vgl. zu letzterem Punkt OVG NRW, Beschl. v. 16.02.2022 – 6 B 97/21 –, juris, Rn. 49 ff.
44Wenn im Falle eines gleichen Gesamturteils und nach einer inhaltlichen Ausschöpfung der aktuellen Beurteilungen sodann weiterhin kein Vorsprung festgestellt werden kann, sind zunächst die Aussagen in den Vorbeurteilungen zu berücksichtigen, bevor auf Hilfskriterien (z.B. Auswahlgespräche oder Förderung von Schwerbehinderten) zurückgegriffen werden darf.
45Vgl. zu dieser Vorgehensweise OVG NRW, Beschl. v. 03.03.2023 – 1 B 26/22 –, juris, Rn. 28.
46Selbst wenn der Dienstherr also eine schwerbehinderte Bewerberin zu einem alleinigen Vorstellungsgespräch einladen würde, dürfte er auf dessen Inhalt eine Auswahlentscheidung nicht stützen. Dies führt dazu, dass eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch im Falle eines beamtenrechtlichen internen Stellenbesetzungsverfahrens den ihm zugedachten Zweck nicht erfüllen kann.
47Die Voraussetzungen für die Entbehrlichkeit einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch sind vorliegend auch erfüllt. Zunächst stand der Dienstposten entgegen der Behauptung der Antragstellerin nur für interne Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Dienstposten in den „Internen Ausschreibungen“ veröffentlicht wurde (vgl. Bl. 4 d.A.). Außerdem enthielt die Ausschreibung das konstitutive Anforderungsmerkmal „Beamtin/Beamter des gehobenen Kriminaldienstes des Bundes“ (vgl. Bl. 1 d. BA 5). Diese Beschränkung war mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch sachlich gerechtfertigt, zumal es sich bei dem ausgeschriebenen Dienstposten um eine Sachgebietsleitung in einem sicherheitsrelevanten Bereich und damit um einen wichtigen Dienstposten handelt, der nach dem Spitzenamt der Laufbahn des gehobenen Dienstes bewertet ist.
48Wenn die Antragsgegnerin ein Vorstellungsgespräch mit der Antragstellerin aber nicht führen musste, stellen sich die weiteren Fragen zu dessen Zeitpunkt, inhaltlicher Ausgestaltung und personeller Beteiligung nicht.
49In Bezug auf ihren Einwand zu den Umständen des durchgeführten Vorstellungsgesprächs hat die Antragstellerin zudem auch insoweit einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, als dass sie bei einer erneuten Auswahlentscheidung gegenüber der Beigeladenen chancenlos wäre. Auch wenn das Vorstellungsgespräch nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sein sollte, wäre die Antragsgegnerin im Falle einer erneuten Auswahlentscheidung wiederum gehalten, in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zurückzugreifen, aus denen sich ein deutlicher Vorsprung der Beigeladenen ergibt.
50Soweit die Antragstellerin die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats, der Gleichstellungsbeauftragten und der Schwerbehindertenvertretung rügt, weil der Auswahlvermerk nicht kenntlich mache, dass es sich um eine erneute Vorlage handle und weil er suggeriere, es sei mit allen Beteiligten ein ordnungsgemäßes Auswahlgespräch geführt worden, kann offenbleiben, ob ein solcher Verstoß vorliegt. Dieser würde jedenfalls nicht zu einer Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Antragstellerin, sondern allenfalls zu einer Verletzung der Rechte der genannten Gremien führen, denen es insoweit unbenommen bleibt, rechtliche Schritte gegen die Antragsgegnerin einzuleiten.
51Zuletzt liegt auch der geltend gemachte Verstoß gegen die Rahmenvereinbarung zur Inklusion schwerbehinderter und diesen gleichgestellten behinderten Menschen in den Behörden des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums des Innern und für Heimat einschließlich Bundespolizei (Rahmeninklusionsvereinbarung – RIV) nicht vor.
52Dies gilt zunächst für die Regelung des § 7 Abs. 3 RIV. Danach ist die Dienststelle auf der Grundlage des § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX verpflichtet, alle Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen der Schwerbehindertenvertretung vorzulegen und die beabsichtigte Entscheidung mitzuteilen. Diesen Pflichten ist die Antragsgegnerin nachgekommen. Sie hat die Schwerbehindertenvertretung unmittelbar nach dem Eingang der Bewerbung mit Mail vom 22.02.2023 unterrichtet (vgl. Bl. 19 d. BA 5) und ihr durch die Übermittlung des Auswahlvermerks mit Mail vom 13.06.2023 die beabsichtigte Entscheidung mitgeteilt (vgl. Bl. 161 d. BA 5).
53Auch gegen die Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 2 RIV hat die Antragsgegnerin nicht verstoßen. Danach hat die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung vor der Beteiligung der Personalvertretung zu erfolgen. Dies ist geschehen, weil die Schwerbehindertenvertretung mit Mail vom 13.06.2023 angehört wurde und der Personalrat anschließend in seiner Sitzung vom 21.06.2023 der Maßnahme zugestimmt hat (vgl. Bl. 188, 193, 195 d. BA 5). Soweit die Antragstellerin vorbringt, der Auswahlvermerk sei zeitgleich mit Mail vom 13.06.2023 an die Schwerbehindertenvertretung und an den Personalrat übersendet worden, liegt hierin noch keine Beteiligung des Personalrats.
54Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil diese keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
552.
56Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Abs. 6 Sätze 2 bis 4 GKG. Ihr liegt das Jahresgrundgehalt des angestrebten Amtes der Besoldungsgruppe A 13g BBesO (Besoldungstabelle Bund 2022) zugrunde, wobei angesichts der Ernennung der Antragstellerin zur Kriminalkommissarin im Oktober 1994 von der Erfahrungsstufe 8 ausgegangen wird (vgl. § 27 Abs. 3 Satz 1 BBesG). Der so ermittelte Jahresbetrag ist wegen § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG sowie wegen der im Eilverfahren nur erreichbaren vorläufigen Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs auf ein Viertel zu reduzieren. Diese Berechnung führt zu dem festgesetzten Streitwert (5.904,36 € x 12 Monate / 4 = 17.713,08 €).
57Rechtsmittelbelehrung
58Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
59Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
60Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
61Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
62Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
63Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
64Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
65Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.