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1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller von der Wiederholung der Prüfungsleistung „Meisterprüfungsprojekt“ in dem Prüfungsbereich „ein Meisterprüfungsprojekt und ein darauf bezogenes Fachgespräch“ in der Meisterprüfung im Elektrotechniker-Handwerk zu befreien.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 15.000,- Euro festgesetzt.
(*)
Gründe
2Der Antrag des Antragstellers,
3ihn von der Wiederholung der Prüfungsleistung „Meisterprüfungsprojekt“ in dem Prüfungsbereich „ein Meisterprüfungsprojekt und ein darauf bezogenes Fachgespräch“ in der Meisterprüfung im Elektrotechniker-Handwerk zu befreien,
4hat Erfolg.
5Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende
6Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der geltend gemachte Anordnungsanspruch und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
7Die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte Befreiung von der Wiederholung der Prüfungsleistung „Meisterprüfungsprojekt“ unterliegt den besonderen Anforderungen einer Vorwegnahme der Hauptsache. Sie zielt darauf ab, dass der Antragsteller beim anstehenden Wiederholungstermin der Meisterprüfung von der Wiederholung des Meisterprüfungsprojekts befreit wird und allein durch erfolgreiche Wiederholung des auf das Projekt bezogenen Fachgesprächs Teil I der Meisterprüfung im Elektrotechniker-Handwerk besteht. Damit unterscheidet sich das Begehren im vorliegenden Eilverfahren inhaltlich nicht vom Begehren der parallel erhobenen Verpflichtungsklage 10 K 4051/23. Voraussetzungen für den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung sind eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Obsiegens in der Hauptsache und die Glaubhaftmachung gravierender Nachteile für den Fall des Ausbleibens einer einstweiligen Anordnung.
8Dem Antragsteller steht mit hoher Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren ein Anspruch auf Befreiung von der Wiederholung des Meisterprüfungsprojekts zu.
9Einschlägige Anspruchsgrundlage ist § 23 Abs. 2 der Meisterprüfungsverfahrensverordnung (MPVerfV). Nach dieser Vorschrift ist der Prüfling, der einen nicht bestandenen Teil der Meisterprüfung wiederholen will, auf Antrag von der Wiederholung der Prüfungsleistungen in Prüfungsbereichen, in Prüfungsfächern, in Handlungsfeldern oder im praktischen Teil der Prüfung im Teil IV zu befreien, wenn seine Leistungen darin in einer vorangegangenen Prüfungsleistung mit mindestens 50 Punkten bewertet wurden und der inhaltliche Bezug der einzelnen Prüfungsleistungen im Rahmen der Teile I bis IV der Meisterprüfung gewahrt bleibt. Eine Befreiung ist nur möglich, wenn sich der Prüfling innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tag der Bescheidung über den nicht bestandenen Prüfungsteil, zur Wiederholungsprüfung anmeldet und den Antrag auf Befreiung spätestens mit der Anmeldung stellt.
10Die formalen Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Satz 2 MPVerfV liegen im Fall des Antragstellers vor. Er hat sich bereits 7 Tage nach Ergehen des Bescheides vom 5. April 2023 über den nicht bestandenen Prüfungsteil zur Wiederholungsprüfung angemeldet. Den Antrag auf Befreiung von der Wiederholung des Meisterprüfungsprojekts hat er zwar erst am 24. April 2023 gestellt. Dies war nach rechtlicher Einschätzung der Kammer jedoch so zeitnah, dass der Antrag noch als „mit der Anmeldung“ gestellt angesehen werden muss, zumal auf die Anmeldung hin bis zum Zeitpunkt der Antragstellung keinerlei relevante Entscheidungen oder Festlegungen des Antragsgegners getroffen worden sind.
11Die materiellen Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Satz 1 MPVerfV sind vorliegend ebenfalls erfüllt. Wie sich aus § 3 Abs. 1 und 3, § 5 Satz 1 der Elektrotechnikermeisterverordnung (ElektroTechMstrV) ergibt, handelt es sich bei dem Meisterprüfungsprojekt um eine Prüfungsleistung, die in dem Prüfungsbereich „ein Meisterprüfungsprojekt und ein darauf bezogenes Fachgespräch“ (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroTechMstrV) erbracht worden ist. In dieser Prüfungsleistung sind die Leistungen des Antragstellers im Rahmen des zuletzt absolvierten Prüfungsversuchs ausweislich des Bescheides vom 5. April 2023 mit 52 Punkten bewertet worden. Darüber hinaus dürfte auch der inhaltliche Bezug der einzelnen Prüfungsleistungen im Rahmen der Teile I bis IV der Meisterprüfung gewahrt bleiben, wenn der Antragsteller von der Wiederholung des Meisterprüfungsprojekts befreit wird. Das zu wiederholende Fachgespräch wird ebenso wie das letzte, nicht bestandene Fachgespräch inhaltlich auf das Meisterprüfungsprojekt zu beziehen sein. Dass eine Wahrung dieses inhaltlichen Bezuges bei einer Wiederholung nur des Fachgesprächs nicht möglich sein sollte, kann die Kammer nicht erkennen. Der nächste Wiederholungstermin, zu dem der Antragsteller am 11. September 2023 eingeladen worden ist, findet am 25. Oktober 2023 statt. Zu diesem Zeitpunkt wird demnach kein derart langer Zeitraum vergangen sein, dass eine inhaltliche Bezugnahme auf das im März 2023 erstellte Meisterprüfungsprojekt nicht mehr möglich wäre. Der Antragsgegner hat auch nicht vorgetragen, dass die mit dem Meisterprüfungsprojekt des Antragstellers konkret befasste Prüfungskommission zur Abnahme des hierauf bezogenen Fachgesprächs am 25. Oktober 2023 nicht zur Verfügung steht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Meisterprüfungsausschuss bei der Bildung der Prüfungskommissionen gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 MPVerfV generell darauf zu achten hat, dass die Zuweisung der Abnahme und Bewertung der Prüfungsleistungen an die jeweilige Prüfungskommission so erfolgt, dass der inhaltliche Bezug einzelner Prüfungsleistungen im Rahmen der Teile I bis IV der Meisterprüfung gewahrt bleibt.
12Angesichts des klaren Wortlauts des § 23 Abs. 2 Satz 1 MPVerfV sowie der § 3 Abs. 1 und 3, § 5 ElektroTechMstrV, der in erster Linie maßgeblich ist für den Regelungsgehalt dieser Normen, überzeugt der Einwand des Antragsgegners nicht, insbesondere die genannten Vorschriften der ElektroTechMstrV ließen eine Wiederholung nur des Fachgesprächs unter Befreiung von der Wiederholung des Meisterprüfungsprojekts nicht zu. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroTechMstrV verwendet ausdrücklich den Begriff des Prüfungsbereichs, aus dem gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 MPVerfV einzelne bereits bestandene Prüfungsleistungen gerade nicht wiederholt werden müssen. Dass sich ein Fachgespräch denklogisch durchaus auf ein bereits in der letzten Prüfung erstelltes Meisterprüfungsprojekt beziehen kann, wie dies § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroTechMstrV vorsieht, wurde bereits ausgeführt. In einem solchen Fall wird das Fachgespräch „auf der Grundlage der Prüfungsleistungen im Meisterprüfungsprojekt“ geführt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 ElektroTechMstrV). Auch leuchtet nicht ein, dass der Prüfling im Fall einer Wiederholung nur des Fachgesprächs nicht zeigen können soll, „dass er die fachlichen Zusammenhänge aufzeigen kann, die dem Meisterprüfungsprojekt zugrunde liegen, dass er den Ablauf des Meisterprüfungsprojekts begründen und mit dem Meisterprüfungsprojekt verbundene berufsbezogene Probleme sowie deren Lösung darstellen kann und dabei in der Lage ist, neue Entwicklungen zu berücksichtigen“ (vgl. § 5 Satz 2 ElektroTechMstrV).
13Dass die vom Antragsgegner zitierten, zum alten § 22 MPVerfV (außer Kraft getreten mit Ablauf des 27. Januar 2022) ergangenen obergerichtlichen Entscheidungen ohne weiteres auf den seit dem 28. Januar 2022 geltenden § 23 MPVerfV übertragen werden können, erscheint zweifelhaft. So ergaben sich für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Schwierigkeiten, wenn ein Prüfungsbereich - wie in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ElektroTechMstrV - aus mehreren abzugebenden und zu bewertenden Prüfungsleistungen bestehe, weil derartige Teilleistungen begrifflich weder in der Vorschrift des § 22 MPVerfV noch in anderen Vorschriften der MPVerfV vorkämen.
14Vgl. BayVGH, Urteil vom 15. März 2016 - 22 B 15.2564 -, juris, Rn. 29 ff.
15Derartige Schwierigkeiten bestehen nicht mehr, weil § 23 Abs. 2 Satz 1 MPVerfV nunmehr eine eindeutige Regelung für die Befreiung von der Wiederholung der einzelnen Prüfungsleistungen in Prüfungsbereichen trifft. Die in dieser Entscheidung und der neueren, ebenfalls zur alten Rechtslage ergangenen Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts,
16Urteil vom 1. März 2023 - 5 A 66/22 -, juris, Rn. 22 ff,
17angeführten weiteren Gesichtspunkte, die grundsätzlich gegen eine Befreiung von der Wiederholung des Meisterprüfungsprojekts sprechen sollen, überzeugen die Kammer nicht. Sie ist nicht der Auffassung, dass die Wiederholung eines Fachgespräches bei unverändertem Bezug zum selben, bereits einmal mündlich abgefragten Projekt nicht den vom Normgeber verfolgten Zweck erreichen kann, die Artikulationsfähigkeit des Kandidaten und sein projektbezogenes Verständnis für fachliche Zusammenhänge realitätsnah zu überprüfen. Auch sieht die Kammer kein Problem im Hinblick auf das Gebot der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG), wenn ein Kandidat nach gescheitertem erstem Fachgespräch aufgrund des neuen § 23 Abs. 2 MPVerfV nunmehr die Möglichkeit eines zweiten, auf dasselbe Meisterprüfungsprojekt bezogenen Fachgesprächs erhält. Da diese Regelung gleichermaßen für alle Meisterprüfungskandidaten gilt, die die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 MPVerfV erfüllen, ist ihre Gleichbehandlung gewährleistet.
18Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass ihm gravierende Nachteile für den Fall des Ausbleibens einer einstweiligen Anordnung drohen. Solche drohenden Nachteile ergeben sich jedenfalls aus dem Umstand, dass sein derzeit noch bestehender Anspruch auf Befreiung von der Wiederholung des Meisterprüfungsprojekts bei Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache ernsthaft gefährdet wäre, weil in diesem Fall eine Wahrung des inhaltlichen Bezugs der einzelnen Prüfungsleistungen i.S.v. § 23 Abs. 2 Satz 1 MPVerfV allein aufgrund Zeitablaufs nicht mehr gewährleistet sein könnte.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
20Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei eine Reduzierung des Streitwerts wegen eines vorläufigen Charakters des Eilverfahrens nicht angezeigt war, da der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.
21Rechtsmittelbelehrung
22Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
23Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
24Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
25Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
26Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
27Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
28Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
29Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
30Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
31(*)
32Am 23.10.2023 erging folgender Berichtigungsbeschluss:
33Nr. 1 des Tenors des Beschlusses vom 13.10.2023 wird um folgenden Satz ergänzt: „Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.“
34Gründe
35Da im Beschluss vom 13.10.2023 die Kostenfolge übergangen worden ist, war diese gemäß § 120 Abs. 1 i.V.m. § 122 Abs. 1 VwGO durch nachträgliche Entscheidung zu ergänzen.
36Dieser Beschluss ist gemäß § 158 Abs. 1 VwGO nicht separat anfechtbar.