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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Die wörtlichen Anträge,
31. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung des Antragsgegners vom 5. August 2022, Az. N01 (Anordnung 3), wiederherzustellen,
2. der Antragstellerin vorübergehend zu gestatten, die in Ziffer 1.a und b des vorgenannten Bescheides des Antragsgegners aufgelisteten Pflanzenschutzmittel vorübergehend bis zur Eintritt der Rechtskraft der Verfahren 9 K 2296/21 und 9 K 2904/21 VG Köln oder bis zur Durchführung des Drittstaatsexportes im Lager der Antragstellerin in 00000 K., U.-straße 00 mit vorheriger Absprache oder in Begleitung des Pflanzenschutzdienstes einzulagern, soweit die Mittel sich derzeit in den Lagern der Antragstellerin in P., N. und H. befinden,
haben keinen Erfolg.
81. Der Antrag zu 1. ist nach dem Begehren der Antragstellerin auszulegen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) und dahingehend zu verstehen, dass damit zum einen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 9 K 2904/21 gegen den Bescheid vom 17. Mai 2021 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 5. August 2022 beantragt wird. Denn bereits mit dem Bescheid vom 17. Mai 2021 wurde bezüglich des Pflanzenschutzmittels Synergy Generics Metamitron die Entsorgung angeordnet. Mit der Anordnung vom 5. August 2022 wurde hinsichtlich dieser bereits festgesetzten Entsorgungsverpflichtung nur die Umsetzungsfrist geändert (Nr. 1 b) der Anordnung vom 5. August 2022) und die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet (Nr. 3 der Anordnung vom 5. August 2022). Zum anderen wird mit dem Antrag zu 1. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 9 K 5022/22 beantragt, mit der die Antragstellerin sich gegen die erstmals mit Bescheid vom 5. August 2022 angeordnete Verpflichtung, die Pflanzenschutzmittel Mamba, Tebcon 250, Leistung, Sinaran, M-Conazol 60 und Proch 450 zu entsorgen (Nr. 1 a) der Anordnung vom 5. August 2022), wendet. Von dem Antrag umfasst ist letztlich auch das Begehren, die aufschiebende Wirkung der Klage 9 K 5022/22 gegen die erstmals mit Bescheid vom 5. August 2022 angedrohte Ersatzvornahme hinsichtlich sämtlicher Entsorgungsverpflichtungen (Nr. 6 des Bescheids vom 5. August 2022) anzuordnen.
9Der so verstandene Antrag zu 1. ist zulässig, aber unbegründet.
10Die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entsorgungsverpflichtungen in Nr. 3 des Bescheids vom 5. August 2022 ist zunächst nicht aus formellen Gründen zu beanstanden. Insbesondere genügt die durch den Antragsgegner angeführte Begründung den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Ausreichend ist hiernach jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalles eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Ob die Abwägung inhaltlich tragfähig ist, ist keine Frage des Formerfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
11Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Dezem-ber 2017 – 13 B 1397/17 –, juris, Rn. 3 f., und vom 8. August 2008 – 13 B 1022/08 –, juris, Rn. 2 f., m.w.N.
12Nach diesen Maßstäben ist die Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat u. a. ausgeführt, dass bei einem Einbruch in das Pflanzenschutzmittellager am Standort N. in der Nacht vom 5. auf den 6. Juli 2022 ein Teil der mit Bescheid vom 23. März 2022 festgesetzten und versiegelten Pflanzenschutzmittel entwendet worden sei. Aufgrund des Einbruchdiebstahls bestehe eine erhöhte Gefahrenlage durch eine weitere Lagerung der streitgegenständlichen Mittel. Trotz bei behördlicherseits strikt vertraulicher Behandlung des Ortes der Verwahrung, habe eine zielgerichtete Entwendung der in Frage stehenden Mittel nicht verhindert werden können. Es sei zu befürchten, dass weitere Mittel abhandenkommen und auf diese Weise in den Verkehr gelangen könnten. Dies mache eine Entsorgung der noch verbleibenden Pflanzenschutzmittel in einem nun erhöhten Maße dringend erforderlich. Aus diesen Ausführungen wird in hinreichendem Maße deutlich, dass der Antragsgegner den gesetzlichen Ausnahmecharakter des Sofortvollzuges erkannt und aus einzelfallbezogenen Gründen zur Gewährleistung des Umweltschutzes der Auffassung ist, den rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht abwarten zu können.
13Auch die Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus.
14Im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist eine Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung vorzunehmen. Die Interessenabwägung richtet sich im Wesentlichen nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Ergibt die allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse besteht, so scheidet die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig aus. Stellt sich der angefochtene Verwaltungsakt dagegen als offensichtlich rechtswidrig dar und verletzt er die Antragstellerin in ihren Rechten, so kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehen. Ist der Ausgang des Verfahrens offen, so ist eine reine Interessenabwägung erforderlich.
15Gemessen daran überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Klagen 9 K 2904/22 und 9 K 5022/22 voraussichtlich ohne Erfolg bleiben werden. Die angefochtenen Ordnungsverfügungen vom 17. Mai 2021 und 5. August 2022 sind bei summarischer Prüfung rechtmäßig ergangen.
16a. Rechtsgrundlage der jeweils unter Ziffer 1 der Bescheide angeordneten Entsorgung von im einzelnen aufgelisteten Pflanzenschutzmitteln ist Art. 138 der Verordnung (EU) 2017/625 des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts und der Vorschriften über Tiergesundheit und Tierschutz, Pflanzengesundheit und Pflanzenschutzmittel (Abl. L 095 vom 7. April 2017, S. 1 - VO (EU) 2017/625 -).
17Wird ein Verstoß gegen pflanzenschutzrechtliche Vorschriften festgestellt, ergreifen die zuständigen Behörden gemäß Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Nach Art. 138 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 ergreifen die Behörden die ihnen geeignet erscheinenden Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften gemäß Artikel 1 Absatz 2 zu gewährleisten. Zu den u.a. geeigneten Maßnahmen gehören nach Art. 138 Abs. 2 g) VO (EU) 2017/625 auch der Rückruf, die Rücknahme, die Beseitigung und die Vernichtung von Waren. Gegebenenfalls gestattet die Behörde die Verwendung von Waren für andere als die ursprünglich vorgesehenen Zwecke.
18b. Die Entsorgungsanordnung begegnet in formeller Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken. Der Antragsgegner ist für den Erlass der Entsorgungsanordnung zuständig.
19Gemäß Art. 138 VO (EU) 2017/625 ergreifen die zuständigen Behörden die geeigneten Maßnahmen. Was unter dem Begriff „zuständige Behörde“ zu verstehen ist, wird in Art. 3 Nr. 3 b) VO (EU) 2017/625 legal definiert. Danach bezeichnet der Begriff die zentralen Behörden eines Mitgliedstaats, die für die Durchführung amtlicher Kontrollen und anderer amtlicher Tätigkeiten nach dieser Verordnung und den Vorschriften gemäß Artikel 1 Absatz 2 verantwortlich sind (Buchst. a); sowie alle anderen Behörden, denen diese Verantwortung übertragen wurde (Buchst. b).
20Nach Art. 4 Abs. 1 VO (EU) 2017/625 benennen die Mitgliedstaaten, für jeden der durch die Vorschriften gemäß Art. 1 Absatz 2 der Verordnung geregelten Bereiche, eine oder mehrere zuständige Behörden, denen sie die Verantwortung für die Organisation oder die Durchführung amtlicher Kontrollen und anderer amtlicher Tätigkeiten übertragen. Wie der Antragsgegner zutreffend ausgeführt hat, ist eine solche Benennung durch den Integrierten mehrjährigen Kontrollplan der Bundesrepublik Deutschland (MNKP) – Geltungsperiode 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2021 –, der der Kommission übermittelt worden ist, erfolgt. In dem Plan heißt es unter dem Punkt H.3. – Benennung der zuständigen Behörden, nationalen Referenzlaboratorien und beauftragten Kontrollstellen –:
21„Die 16 Ministerien bzw. Senatsverwaltungen der Bundesländer mit ihren nachgeordneten amtlichen Pflanzenschutzdiensten, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Referat 713 (Pflanzenschutz) sind die zuständigen Behörden. Zwischen dem BMEL, dem BVL, den Bundesländern und ihren amtlichen Pflanzenschutzdiensten besteht eine intensive Zusammenarbeit. Die amtlichen Pflanzenschutzdienste der Länder sind für die Durchführung des Pflanzenschutzgesetzes und der darauf gestützten Verordnungen verantwortlich. Jedes der 16 Bundesländer verfügt über einen amtlichen Pflanzenschutzdienst, dem jeweils Fachministerien bzw. Senatsverwaltungen vorgesetzt sind.“ (Hervorhebung nur hier)
22Vgl. auch die gleichlautende Formulierung im aktuellen MNKP für die Geltungsperiode: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2026, abrufbar unter: https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/06_mnkp_dokumente/mnkp_2022-2026.pdf?__blob=publicationFile&v=5.
23Auf nationaler Ebene folgt die Zuständigkeit der Landwirtschaftskammer bzw. des Pflanzenschutzdienstes aus den Vorschriften § 59 Abs. 1 PflSchG i.V.m. § 1 der Verordnung zur Durchführung des Pflanzenschutzgesetzes vom 4. Oktober 1988 (GV. NW. S. 420, zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes vom 15. November 2016 (GV. NRW. S. 934) (Durchführungsverordnung NRW). Gemäß § 59 Abs. 1 PflSchG obliegt die Durchführung des Pflanzenschutzgesetzes einschließlich der Überwachung der Einhaltung seiner Vorschriften, der Kontrollen nach Art. 68 der Verordnung (EG) 1107/2009, der Mitwirkung bei der Durchführung des Aktionsplanes nach § 4 sowie der nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen und erteilten Auflagen den nach Landesrecht zuständigen Behörden. In Absatz 2 werden exemplarisch bestimmte Aufgabenbereiche definiert. Nach § 1 der Durchführungsverordnung NRW ist der Direktor der Landwirtschaftskammer als Landesbeauftragter zuständige Behörde gemäß § 59 PflSchG in der jeweils geltenden Fassung und aller auf Grund des Pflanzenschutzgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen.
24Zwar nimmt § 59 Abs. 1 PflSchG nach seinem Wortlaut nicht auf die neue Verordnung (EU) 2017/625 Bezug, sondern verweist nur auf die Kontrollen nach Art. 68 VO (EG) 1107/2009. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Länder nunmehr keine amtlichen Kontrollen in Bezug auf die Einhaltung der in der VO (EG) 1107/2009 enthaltenen pflanzenschutzrechtlichen Regelungen durchführen dürfen.
25So auch VG Aachen, Urteil vom 28. September 2022 – 7 K 612/22 –, juris, Rn. 51 ff., 54.
26Zum einen ist in Art. 68 VO (EG) 1107/2009 weiterhin von amtlichen Kontrollen die Rede. Der ursprüngliche Satz 1 („Die Mitgliedstaaten führen amtliche Kontrollen durch, um die Einhaltung der Bestimmung dieser Verordnung durchzusetzen“) ist geändert worden in: „Die Mitgliedstaaten unterbreiten der Kommission bis zum 31. August jeden Jahres für das vorangegangene Jahr einen Bericht über den Umfang und die Ergebnisse der amtlichen Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung dieser Verordnung (vgl. Art. 161 der VO 2017/625).“ Damit ist auch weiterhin hinreichend eindeutig und klar erkennbar, für welche amtlichen Kontrollen nach § 59 Abs. 1 PflSchG i. V. m. Art 68 VO (EG) die Länder zuständig sein sollen, nämlich die amtlichen Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung der Verordnung (EG) 1107/2009, auch wenn die Anforderungen für amtliche Kontrollen im Bereich der Pflanzengesundheit nunmehr in der VO (EU) 2017/625 geregelt sind, um die bereits geltenden EU-Bestimmungen über amtliche Kontrollen in einem einzigen Rechtsrahmen zu bündeln.
27Vgl. Erwägungsgründe 17 und 19 der VO (EU) 2017/625.
28Die Fortgeltung der Zuständigkeit der Länder für die Durchführung amtlicher Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung der VO (EG) 1107/2009 nach der nunmehr geltenden Verordnung VO (EU) 2017/625 lässt sich zum anderen auch mit Blick auf die Vorschrift des § 1 Nr. 4 PflSchG herleiten. Danach ist der ausdrückliche Zweck des Pflanzenschutzgesetzes u.a. Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes durchzuführen. Vor diesem Hintergrund bestehen keine durchgreifenden Zweifel, dass der Antragsgegner auch weiterhin für die Durchführung amtlicher Kontrollen nach der VO (EU) 2017/625 zur Überprüfung der Einhaltung der VO (EG) 1107/2009 zuständig ist.
29Auch der Einwand der Antragstellerin, dem Antragsgegner fehle die sachliche Zuständigkeit für das in der Entsorgungsanordnung mitenthaltene Verbot des zollbeaufsichtigten Drittstaatsexports, greift nicht durch. Denn der Antragsgegner hat in Durchsetzung seiner Aufgabenzuständigkeiten eine Entsorgungsanordnung erlassen, für die er, wie oben dargelegt, sachlich zuständig ist. Dass mit der Entsorgungsanordnung einhergehend auch der Drittstaatsexport ausgeschlossen wird, ist keine Frage der sachlichen Zuständigkeit, sondern eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit, namentlich der Verhältnismäßigkeit der Entsorgungsanordnung.
30Es kann dahinstehen, ob (noch) ein Anhörungsmangel vorliegt. Denn es ist nicht gerechtfertigt, die aufschiebende Wirkung der Klage allein wegen des etwaigen Anhörungsmangels anzuordnen, weil eine Heilung dieses Mangels noch möglich ist. Ein Anhörungsmangel könnte gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NW – auch noch bis zur endgültigen Entsorgung – geheilt werden.
31Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Juni 2022 – 9 B 485/22 –, juris, Rn. 4 ff.; zu den Anforderungen an die Nachholung der Anhörung im gerichtlichen Verfahren vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2022 – 4 A 7/20 –, juris, Rn. 25 m.w.N.
32Anhaltspunkte dafür, dass eine fehlende Anhörung im vorliegenden Fall dazu geführt haben könnte, dass entscheidungserhebliche Belange der Antragstellerin nicht berücksichtigt worden wären, sind nicht erkennbar. Vielmehr hat der Antragsgegner ausdrücklich ausgeführt, dass auch die Möglichkeit der Verbringung der Pflanzenschutzmittel in ein anderes Lager – was die Antragstellerin nach ihren Ausführungen in der Antragsschrift bei Durchführung einer Anhörung beantragt hätte – ihn nicht zu einer anderen Entscheidung bewogen hätte.
33c. Die Entsorgungsanordnung ist bei summarischer Prüfung materiell-rechtmäßig.
34aa. Gemäß Artikel 138 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, wenn Verstöße festgestellt werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Es liegen Verstöße gegen pflanzenschutzrechtliche Bestimmungen vor.
35(1) Die in Ziffer 1 a) der Anordnung vom 5. August 2022 aufgeführten Produkte sind zunächst am 8. März 2021 aus Großbritannien unter Verstoß gegen Art. 52 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 1107/2009 nach Europa eingeführt worden.
36Gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 1107/2009 kann ein Pflanzenschutzmittel, das in einem Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) zugelassen ist, sofern eine Genehmigung für den Parallelhandel erteilt wurde, in einem anderen Mitgliedstaat eingeführt, in Verkehr gebracht oder verwendet werden (Einfuhrmitgliedstaat), wenn dieser Mitgliedstaat feststellt, dass das Pflanzenschutzmittel in seiner Zusammensetzung mit einem Pflanzenschutzmittel identisch ist, das in seinem Gebiet bereits zugelassen ist (Referenzmittel).
37Der Verstoß gegen diese Bestimmung ergibt sich hinsichtlich der in Streit stehenden Parallelhandelsmittel schon daraus, dass die Firma C. ltd. mit Sitz in Großbritannien keine auf sie ausgestellte Genehmigung des Parallelhandels besitzt. Art. 52 Abs. 1 VO (EG) 1107/2009 ist aber dahingehend auszulegen, dass ein Pflanzenschutzmittel in dem Mitgliedstaat, der eine Genehmigung für den Parallelhandel erteilt hat, nur vom Inhaber dieser Genehmigung in Verkehr gebracht werden darf.
38Vgl. auch VG Köln, Beschluss vom 28. Juli 2021 – 13 L 1018/21 –, mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 4. März 2021 – C-912/19 – E. ./. L. Deutschland GmBH.
39Soweit die Antragstellerin, wie schon im Verfahren 13 L 1018/21, vorträgt, sie habe nicht wissen können und müssen, dass eine Parallelhandelsgenehmigung nach Art. 52 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 1107/2009 personenbezogen und nicht produktbezogen sei, verfängt dieser Einwand nicht. Ein etwaiges Nichtwissen der Antragstellerin um den Verstoß gegen die Parallelhandelsgenehmigung ist im verschuldensunabhängigen Gefahrenabwehrrecht unerheblich.
40Vgl. VG Köln, Beschluss vom 28. Juli 2021 – 13 L 1018/21 –.
41(2) Unabhängig davon, dass die Pflanzenschutzmittel unter Verstoß gegen die Parallelhandelsgenehmigung nach Europa eingeführt wurden, liegen hinsichtlich der Pflanzenschutzmittel Mamba, Leistung, Sinaran und Proch 450 hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass zusätzlich ein Verstoß gegen die Zulassungspflicht aus Art. 28 i.V.m. Art. 52 VO (EG) 1107/2009 vorliegt, da die stoffliche Zusammensetzung der Parallelhandelsprodukte von der zugelassenen Formel des Referenzproduktes abweicht.
42Insoweit ergibt sich aus den Prüfberichten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) folgendes:
43Die entnommene Probe des Mittels „Mamba“ wurde mit Prüfbericht vom 7. Mai 2021 in zweifacher Hinsicht beanstandet. Zum einen weist das Produkt einen zu geringen Gehalt der Beistoffsubstanz 1-Octanol auf. Zum anderen wurde die Probe auf das Vorliegen von organischen Lösungsmitteln untersucht und der ermittelte Gehalt eines Frostschutzmittels liegt mit 57,2 g/l oberhalb der für Fremdstoffe zulässigen Toleranz. Darüber hinaus ist das festgesetzte Produkt auch wegen einer nicht eindeutigen Zuordnung der Parallelhandels-Nummer (GP-Nummer) nicht verkehrsfähig. Denn nach den Feststellungen des BVL waren auf dem untersuchten Gebinde zwei unterschiedliche GP-Nummern aufgedruckt. Auf der Vorderseite des Gebindes fand sich die GP-Nummer des Mittels „Mamba“ und auf der Rückseite des Gebindes die GP-Nummer des Mittels „Estrela“. Die chemische Zusammensetzung des festgesetzten Mittels entspricht im Übrigen weder der Zulassungsformel von „Mamba“ noch der des Mittels „Estrela“.
44Für das Pflanzenschutzmittel „Leistung“ wurden laut Prüfbericht vom 6. Mai 2021 für die Farbe und die Schaumbeständigkeit Werte ermittelt, die von den vom Mitgliedstaat übermittelten Informationen bzw. den allgemeinen Grenzen gemäß FAO/HWO-Handbuch (2016) abweichen.
45Das Mittel „Sinaran“ weist nach dem Prüfbericht vom 14. April 2021 einen zu geringen Gehalt der Beistoffsubstanz Propylenglykol auf.
46Die Probe des Produktes „Proch 450“ enthält nach der Laboranalyse vom 20. April 2021 schließlich einen zu geringen Gehalt der Beistoffsubstanz 1-Butanol. Darüber hinaus wies das untersuchte Mittel einen erhöhten Gehalt der Substanzen m- und p-Xylol; o-Xylol und 2-Ethyl-1-hexanol auf.
47(3) Schließlich liegt in Bezug auf das in Ziffer 1 b) des Bescheides vom 5. August 2022 genannte Pflanzenschutzmittel „Synergy Generics Metamitron“, bezüglich dessen bereits mit Bescheid vom 17. Mai 2021 die Entsorgung angeordnet worden war, mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls ein Verstoß gegen die aus Art. 28 VO (EG) 1107/2009 folgende Zulassungspflicht vor. Denn das untersuchte Produkt dürfte aller Voraussicht nach von den Vorgaben der zugelassenen Spezifikationen abweichen. Laut des Laborberichts des BVL vom 31. Mai 2021 wurde die eingesandte Probe auf den Gehalt an einem Frostschutzmittel, welches Bestandteil eines Dispergiermittels ist, untersucht. Der Gehalt des Frostschutzmittels liegt mit 17,6 g/L außerhalb der für den deklarierten Gehalt zulässigen Toleranz.
48(4) Die Ergebnisse der Prüfberichte des BVL können für die Frage der Verkehrsfähigkeit der Produkte auch herangezogen werden. Dem substantiierten Vortrag des Antragsgegners und den Ergebnissen der Prüfberichte des BVL ist die Antragstellerin im hiesigen Eilverfahren nicht mehr ernsthaft entgegengetreten. Sie hat die Angaben des Antragsgegners im Wesentlichen mit Nichtwissen bestritten. Soweit sie im Vorverfahren bzw. in den parallel anhängigen Klageverfahren Einwendungen gegen den Prüfbericht zum Pflanzenschutzmittel „Synergy Generics Metamitron“ geltend gemacht hat, ist der Antragsgegner dem substantiiert entgegengetreten. Insoweit wird auf die nachvollziehbaren Ausführungen des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 15. Juni 2021 in dem Verfahren 13 L 1018/21 Bezug genommen.
49bb. Die Antragstellerin ist taugliche Adressatin einer Anordnung nach Art. 138 VO (EU) 2017/625, da sie als Unternehmerin im Sinne des Art. 3 Ziffer 29 VO (EU) 2017/625 den Pflichten aus Art. 1 Abs. 2 Buchst. h) der Verordnung über das Inverkehrbringen und die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln unterliegt. Sie hielt ursprünglich die in Nr. 1a) und 1 b) der Verfügung vom 5. August 2022 erfassten Pflanzenschutzmittel zum Zwecke des Verkaufs bereit und brachte sie damit im Sinne des Art. 3 Ziffer 9 VO (EG) 1107/2009 in Verkehr.
50Vgl. VG Köln, Beschluss vom 28. Juli 2021 – 13 L 1018/21 –.
51cc. Die Entsorgungsanordnung ist bei summarischer Prüfung nicht ermessensfehlerhaft.
52Mit der Entsorgungsanordnung verfolgt der Antragsgegner das legitime Ziel Gefahren für Menschen, Tiere und die Umwelt, die von nicht zulassungskonformen Pflanzenschutzmitteln bzw. Mitteln, die unter Verstoß gegen die europäischen Vorschriften zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln in die Union eingeführt wurden, zu beseitigen.
53Um dieses – sich aus den europarechtlichen Ermächtigungsgrundlagen ergebende,
54vgl. Erwägungsgrund 58 der VO (EU) 2017/625 sowie Erwägungsgründe 7 ff. der VO (EG) 1107/2009,
55– Ziel zu erreichen, ist die streitgegenständliche Anordnung geeignet und aller Voraussicht nach auch erforderlich und angemessen.
56Es erweist sich zunächst nicht als ermessenfehlerhaft, dass der Antragsgegner hinsichtlich der bereits Anfang des Jahres 2021 festgestellten Verstöße und unter Abänderung seiner zunächst erlassenen Verfügung vom 23. März 2021 sein Auswahlermessen erneut ausgeübt hat und nunmehr unter Abänderung seiner Verfügung vom 23. März 2021 im Hinblick auf die in Nr. 1 a) der Verfügung vom 5. August 2022 genannten Pflanzenschutzmittel die Entsorgung anstelle der Festsetzung angeordnet hat. Er war insbesondere auch nicht gehalten eine reine Umlagerung in das Lager der Antragstellerin in K. anzuordnen. Die Umlagerung ist im Verhältnis zur Entsorgung schon kein gleich geeignetes, milderes Mittel. Sie ist nicht in gleichem Maße wirksam, um ein ungewolltes Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel durch einen weiteren Diebstahl zu verhindern. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass es, obwohl es sich bei dem Lager in N. – wie die Antragstellerin selbst vorträgt – um einen in Stahlbeton und Stein schon aus statischen Gründen hoch stabil ausgeführten Raum handelte, der mit einer ebenso stabilen Stahltür und einem Sicherheitsschloss abgeriegelt war, den Tätern möglich gewesen ist, in das Lager der Antragstellerin einzudringen und die festgesetzten Pflanzenschutzmittel in nicht unerheblichem Maße zu entwenden. Selbst vermauerte Wände scheinen kein Hindernis für die Täter darzustellen, wie die Antragstellerin im Schriftsatz vom 18.10.2022 schreibt. Vor dem Hintergrund, dass für den Diebstahl ein gewisses Maß an krimineller Energie und Planung durch die Täter erforderlich gewesen ist, steht zu befürchten, dass auch das Lager in K., keine ausreichende Gewähr für eine sichere Lagerung der festgesetzten Pflanzenschutzmittel bietet.
57Dass durch die Entsorgungsanordnung eine mögliche Rückgabe der Pflanzenschutzmittel an den Verkäufer ausgeschlossen wird, macht diese nicht ermessensfehlerhaft. Eine Rückgabe an die Firma C. Ltd. erweist sich in dem hier zu entscheidenden Fall nicht als ebenso effektiv, die Gefahr im Sinne eines Verstoßes gegen die pflanzenschutzrechtlichen Vorschriften zu beseitigen, wie die angeordnete Entsorgung der nicht zulassungs- bzw. nicht parallelhandelskonformen Pflanzenschutzmitteln. Ungeachtet der Tatsache, dass die Firma C. Ltd. im Rahmen der Operation „Silver Axe VI“ durch mehrere Hinweise zu verdächtigen Importen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) aufgefallen ist, liegen durch die Ergebnisse der Prüfberichte des BVL jedenfalls hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass C. Ltd. im vorliegenden Fall nicht zulassungskonforme Pflanzenschutzmittel an die Antragstellerin geliefert und damit in der Europäischen Union in den Verkehr gebracht hat. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner im Rahmen seiner Ermessensentscheidung daher zu dem Ergebnis gelangt, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit den festgesetzten Pflanzenschutzmitteln durch den Lieferanten in diesem Fall nicht mehr gewährleistet ist. Denn bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen haben die zuständigen Behörden auch das bisherige Verhalten in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften zu berücksichtigen (Art. 138 Abs. 1 Satz 2 VO 2017/625).
58Eine andere Bewertung folgt auch nicht aus Art. 3 Ziffer 9 VO (EG) 1107/2009. Nach dieser Vorschrift gilt die Rückgabe des Verkäufers zwar nicht als Inverkehrbringen im Sinne der Verordnung und bedarf deshalb keiner Zulassung nach Art. 28 Abs. 1 VO (EG) 1107/2009. Dies schließt jedoch nicht aus, dass die zuständige Behörde im Rahmen ihres Auswahlermessens – wie hier – zu dem Ergebnis gelangen kann, dass eine Rückgabe an den Verkäufer im konkreten Einzelfall nicht ermessensgerecht ist.
59Der Antragsgegner hat auch nicht in ermessenfehlerhafter Weise Rückgaberechte der Antragstellerin unberücksichtigt gelassen. Ein Recht auf Rückgabe folgt dabei zunächst nicht aus § 27 Abs. 1 PflSchG. Danach ist nach Beendigung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels dessen Rückgabe an den Zulassungsinhaber (Nr. 1), den Einführer oder dessen Vertreter (Nr. 2) oder an einen von Personen nach den Nummern 1 oder 2 beauftragten Dritten (Nr. 3) zulässig. Die Rückgabe gilt nicht als Inverkehrbringen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil es sich nicht um Fälle der Rückgabe nach Beendigung einer Zulassung handelt. Einer erweiternden Auslegung, in dem Sinne, dass unter die Norm auch solche Pflanzenschutzmittel fallen, die nicht der zulässigen Spezifikation entsprechen, dürfte der eindeutige Wortlaut des § 27 PflSchG und dessen Sinn und Zweck entgegenstehen.
60Vgl. VG Aachen, Urteil vom 28. September 2022 – 7 K 612/22 –, juris, Rn. 77.
61Da es – wie oben bereits dargelegt – aus Gründen der effizienten Abwehr von Gefahren, die von nicht zulassungskonformen bzw. entgegen der Vorschriften über den Parallelhandel eingeführten Pflanzenschutzmitteln ausgehen, erforderlich ist, die Rückgabe an den Verkäufer zu verhindern, erweist sich die Entsorgungsanordnung auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sie möglicherweise die kaufvertragliche Rückabwicklung für die Antragstellerin erschwert. Die Unmöglichkeit der Rückgabe der mangelhaften Produkte an den Verkäufer dürfte zudem eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses bzw. einen Schadensersatzanspruch der Antragstellerin auch nicht von vorneherein ausschließen, vielmehr dürfte es darauf ankommen, wer den Umstand, der zur Unmöglichkeit der Rückgabe geführt hat, zivilrechtlich zu vertreten hat (vgl. z. B. im deutschen Zivilrecht: §§ 275, 326 Abs. 2 BGB, § 346 Abs. 3 Nr. 2 BGB). Insoweit hat die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren selbst vorgetragen, dass ihr von ihrer Lieferantin die Lieferung von in Deutschland zugelassenen Pflanzenschutzmitteln garantiert worden sei und sie ihren Untersuchungspflichten nach Lieferung der Pflanzenschutzmittel nachgekommen sei. Dies dürfte sie auch bei einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung gegenüber ihrer Lieferantin geltend machen können.
62Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ist es ferner nicht zu beanstanden, dass durch die angeordnete Entsorgung eine ggf. mögliche Verwertung der Pflanzenschutzmittel durch Ausfuhr in einen Drittstaat ausgeschlossen wird.
63Ein Anspruch der Antragstellerin, die Pflanzenschutzmittel für den Drittstaatsexport verwenden zu können, besteht nicht. Ein solcher ergibt sich weder aus Art. 28 Abs. 2 Buchst. d) VO (EG) 1107/2009 noch aus der Verordnung (EU) 649/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien (Abl. L 201/60 vom 27. Juli 2012 - PIC-Verordnung -). Insoweit handelt es sich um objektiv-rechtliche Regelungen für den Drittstaatsexport, die dem einzelnen jedoch noch kein subjektives Recht auf einen Drittstaatsexport vermitteln.
64Nach Art. 28 Abs. 2 Buchst. d) VO (EG) 1107/2009 bedarf die Herstellung, Lagerung und Verbringung eines Pflanzenschutzmittels, das zur Verwendung in einem Drittland bestimmt ist, keiner Zulassung, sofern der Mitgliedstaat, in dem es hergestellt, gelagert oder transportiert wird, Inspektionsanforderungen festgelegt hat, um sicherzustellen, dass das Pflanzenschutzmittel aus seinem Hoheitsgebiet ausgeführt wird. Aus dem Begriff „zur Verwendung in einem Drittland bestimmt“ ist erkennbar, dass diese Ausnahmevorschrift grundsätzlich Konstellationen in den Blick nimmt, in denen in einem Mitgliedstaat ansässige Unternehmen in Europa nicht zulassungsfähige Pflanzenschutzmittel herstellen und vertreiben, die aber von Vornherein für den Export in einen Drittstaat bestimmt sind. Die Antragstellerin hat bis heute nicht aufgezeigt, dass in Bezug auf die hier streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel eine Anwendung des Art. 28 Abs. 2 Buchst. d) der VO (EG) 1107/2009 konkret und absehbar in Rede steht. Die Antragstellerin hat bislang nur vorgetragen, dass keines der hier in Frage stehenden Pflanzenschutzmittel für die begehrte Ausfuhr als verboten im Sinne des Anhangs V respektive als gefährlich im Sinne des Anhangs I der PIC-Verordnung eingestuft ist, dass also die Inspektionsanforderungen eingehalten werden könnten. Sie hat aber keine konkrete Ausfuhrmöglichkeit (z.B. in ein bestimmtes Drittland oder ein bestimmtes Unternehmen) aufgezeigt. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass die hier streitgegenständlichen Pflanzenschutzmittel absehbar „zur Verwendung in einem Drittland bestimmt sind“.
65Es ist auch nicht ermessensfehlerhaft, dass die bisher allein im Raum stehende theoretische Möglichkeit der Verwertung der festgesetzten Pflanzenschutzmittel durch eine Ausfuhr in ein Drittland den Antragsgegner nicht zu einer anderen Entscheidung bewogen hat. Insoweit dürfte dem Antragsgegner zuzustimmen sein, dass es nicht dem Sinn und Zweck des Pflanzenschutzrechtes und der VO (EG) 1107/2009 entspricht, ein Problem dadurch zu beheben, dass man das Produkt aus dem Geltungsbereich eines Mitgliedstaates oder einer EU-Verordnung schafft. Der Schutz der Verordnung dürfte vielmehr so weit gehen, dass einmal unzulässig in die Union eingeführte Produkte, nach dem Ermessen der zuständigen Behörde nirgendwo mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen. Das Ergebnis bestätigt sich schließlich unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Gefahrenabwehr. Müssten die Betroffenen bei Feststellung eines Verstoßes gegen das Pflanzenschutzrecht stets nur die Rückführung an den Hersteller oder die weitere Veräußerung an einen Drittstaat fürchten, bestünde beim Handel mit nicht verkehrsfähigen Produkten in der EU nur ein geringes wirtschaftliches Risiko für die verantwortlichen Unternehmer. Der Antragsgegner hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass dies dem Zweck der VO (EG) 1107/2009 und der VO (EU) 2017/625, den Handel mit illegalen, nicht dem europäischen Pflanzenschutzrecht entsprechenden, Pflanzenschutzmitteln wirksam zu verhindern bzw. zu unterbinden, entgegenstehen würde.
66A.A. VG Aachen, Urteil vom 28. September 2022 – 7 K 612/22 –, juris.
67Schließlich liegt der geltend gemachte Gleichheitsverstoß wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen die Selbstbindung der Verwaltung nicht vor. In dem von der Antragstellerin dargelegten Fall hatte der Antragsgegner die Rückführung des Mittels MTM 700 durch den Lieferanten an den Inhaber des Mitvertriebsrechtes als milderes Mittel zur Gefahrenabwehr zwar noch als vertretbar erachtet. Der Antragsgegner hat aber deutlich gemacht, dass die Entscheidung letztlich auf der fehlerhaften Annahme beruhte, in Großbritannien bestünde eine legale Vermarktungsmöglichkeit der festgesetzten Pflanzenschutzmittel. Dieser Irrtum ist dem Antragsgegner nach den glaubhaften Ausführungen erst im Nachhinein aufgefallen. Der von der Antragstellerin herangezogene Fall ist somit mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht vergleichbar, sodass ein Verstoß gegen die Selbstbindung der Verwaltung schon aus diesem Grunde ausscheidet.
68Auch aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittelrechts, des Rechts der tierischen Nebenprodukte, des Weinrechts, des Futtermittelrechts und des Tabakrechts (AVV Rahmen-Überwachung – AVV RÜb) kann ein solcher Verstoß nicht hergeleitet werden, weil deren Geltungsbereich nicht eröffnet ist (vgl. § 2 Abs. 2 AVV RÜb).
69d. Die in Nr. 6 des Bescheids vom 5. August 2022 angedrohte Ersatzvornahme begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Rechtsgrundlage für die Androhung der Ersatzvornahme sind § 63 i.V.m. §§ 57, 59 VwVG NRW. Die Ersatzvornahme wurde der Antragstellerin gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW schriftlich angedroht und ist auch sonst rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Antragstellerin pauschal die Höhe der voraussichtlichen Entsorgungskosten bestreitet, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Androhung. Wird eine Ersatzvornahme angedroht, so sollen in der Androhung gemäß § 63 Abs. 4 VwVG NRW die voraussichtlichen Kosten angegeben werden. Es handelt sich nur um eine Soll-Vorschrift, d.h. die zuständige Behörde könnte die Angabe theoretisch auch noch später nachholen. Im Übrigen müssen nur die voraussichtlichen Kosten angegeben werden. Sollten die Kosten später höher ausfallen, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit der Androhung.
70Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 2010 – 13 A 97/09 –, juris Rn. 34 ff.
71e. Es besteht das für die Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderliche, über die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung hinausgehende besondere Vollzugsinteresse. Bei der Abwägung der wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügungen überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung der auf den Verbraucherschutz, den Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier und der Umwelt zielenden Anordnung der Entsorgung der in Frage stehenden Pflanzenschutzmittel. Unabhängig davon, ob von der chemischen Zusammensetzung der fraglichen Produkte eine konkrete Gesundheitsgefahr ausgeht, besteht aber im Interesse des Verbraucherschutzes gleichwohl ein erhebliches öffentliches Interesse daran, das Inverkehrbringen nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel schnellstmöglich, d.h. vor dem rechtskräftigen Abschluss eines ggf. mehrere Jahre dauernden verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahrens, zu unterbinden. Die mehrmalige Entwendung einer nicht unerheblichen Menge an festgesetzten Pflanzenschutzmittel hat zudem gezeigt, dass die reine Festsetzung der Produkte bis zum Abschluss der Hauptsache nicht (mehr) ausreichend ist, um ein Inverkehrbringen nicht verkehrsfähiger Produkte effektiv zu unterbinden.
722. Soweit die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu 2. begehrt, die in Nr. 1 a) und b) der Anordnung vom 5. August 2022 aufgelisteten Pflanzenschutzmittel vorübergehend bis zur Eintritt der Rechtskraft der Verfahren 9 K 2296/21 und 9 K 2904/21 oder bis zur Durchführung eines Drittstaatsexportes im Lager der Antragsteller in K. einzulagern, bleibt dieser Antrag ebenfalls ohne Erfolg.
73Der Antrag ist gemäß § 123 Abs. 5 VwGO bereits unzulässig. Gemäß § 123 Abs. 5 VwGO gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO. Der Antrag zu 2. zielt jedoch im Ergebnis darauf ab, dass die Antragstellerin die Entsorgungsanordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zu beachten braucht. Sie möchte sich also gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung wenden. Für dieses Ziel ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangig. Einen solchen hat die Antragstellerin hier auch gestellt. Wie dargelegt, bleibt der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung jedoch ohne Erfolg. Der Antragsgegner durfte die sofortige Vollziehung anordnen.
74Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
75Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
76Rechtsmittelbelehrung
77Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
78Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
79Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
80Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
81Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
82Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
83Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
84Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
85Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.