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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 4741/22 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20.07.2022 insoweit anzuordnen, als die Räumlichkeiten
4- E.---------Str. 0, 00000 X. ,
5- Gemeindehaus F.-----------, J. Str. 0, 00000, X.
6- L. Str. 0, 00000 M.
7betroffen sind,
8hat keinen Erfolg.
9Der Antrag mit dem Ziel, den Sofortvollzug des Betretens- und Tätigkeitsverbots des Antragsgegners vom 20.07.2022 in Bezug auf die genannten Räumlichkeiten auszusetzen, ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO statthaft. Denn die fristgemäß erhobene Klage gegen die Ordnungsverfügung hat gemäß § 20 a Abs. 5 Satz 4 IfSG keine aufschiebende Wirkung.
10Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung über die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage setzt eine Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verwaltungsentscheidung voraus. Erweist sich diese bei der in Verfahren der vorliegenden Art gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig, ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen, da am Vollzug einer rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung kein öffentliches Interesse bestehen kann. Ist die Rechtswidrigkeit nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellbar, ist die Entscheidung des Gesetzgebers für eine sofortige Vollziehung in § 20 a Abs. 5 Satz 4 IfSG zu berücksichtigen. Eine Aussetzung des Sofortvollzugs kommt dann regelmäßig nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen.
11Derartige Zweifel sind hier nicht erkennbar. Das an die Antragstellerin gerichtete, bis zum 31.12.2022 befristete Verbot des Antragsgegners in der Verfügung vom 20.07.2022, „die Räumlichkeiten der M1. C. M2. gGmbH zu betreten und dort in Ihren jeweiligen Funktionen tätig zu sein,“ sowie die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten.
12Die Anordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 20 a Abs. 5 Satz 3 IfSG. Danach kann das Gesundheitsamt einer Person, die trotz der Anforderung eines Nachweises für die Immunität gegen das SARS-CoV2-Virus oder einer ärztlichen Bescheinigung einer Kontradiktion für eine Impfung nach Abs. 5 Satz 1 keinen Nachweis innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt, untersagen, dass sie die dem Betrieb eines in Absatz 1 Satz 1 genannten Unternehmens dienenden Räume betritt oder in einem solchen Unternehmen tätig wird.
13Die Voraussetzungen für den Erlass einer derartigen Untersagung liegen nach summarischer Prüfung im Hinblick auf die im Antrag genannten Räumlichkeiten der „M1. C. M2. gGmbH – Einrichtung für ambulante und stationäre Betreuung für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung“ in X. und M. vor.
14Die Untersagungsverfügung erweist sich zunächst formell als rechtmäßig. Zwar hat es der Antragsgegner unterlassen, die Antragstellerin vor Erlass der Anordnung vom 20.07.2022 gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG erneut anzuhören. Das Anhörungsschreiben des Antragsgegners vom 01.06.2022 bezog sich auf das beabsichtigte Betretens- und Tätigkeitsverbot wegen der Tätigkeit der Antragstellerin als Teamleiterin der M1. Wohngemeinschaft S.------Str. 00 in M. , das in der Folge durch die vorangegangene Ordnungsverfügung vom 30.06.2022 ausgesprochen und von der Antragstellerin nicht angefochten wurde.
15Eine erneute Anhörung vor Erlass der weitergehenden Verfügung vom 20.07.2022 war nicht im Hinblick auf die bereits erfolgte Anhörung und die von der Antragstellerin mit E-Mail vom 08.06.2022 ohne nähere Konkretisierung vorgebrachten Gesundheitsgründe entbehrlich. Denn die Antragstellerin hatte keine Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten weitergehenden Untersagung des Betretens und der Tätigkeit in sämtlichen Räumlichkeiten der Einrichtung, einschließlich in der Funktion als Vorsitzende des Betriebsrates, zu äußern. Die Verfügung vom 20.07.2022 kann – entgegen der Auffassung des Antragsgegners – auch nicht als unerhebliche „Ergänzung“ der Verfügung vom 30.06.2022 eingeordnet werden. Denn das Verbot wurde durch die Verfügung vom 20.07.2022 sowohl räumlich als auch funktionell erheblich ausgeweitet und bewirkte damit einen deutlich weitergehenden Eingriff in die Rechte der Antragstellerin, der eine erneute Anhörung erfordert hätte.
16Der Verfahrensmangel wurde jedoch gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 VwVfG NRW geheilt, indem die erforderliche Anhörung im Verlauf des gerichtlichen Eilverfahrens nachgeholt wurde. Denn der Antragsgegner hat sich mit den nun vorgetragenen Einwänden der Antragstellerin, nämlich dem Fehlen eines unmittelbaren Kontaktes mit den betreuungsbedürftigen Personen in den genannten Räumen und der Einschränkung der Tätigkeit der Antragstellerin als Vorsitzende des Betriebsrates der Einrichtung, in seiner Antragserwiderung kritisch auseinandergesetzt und diese unter Überprüfung seiner bisherigen Auffassung in die zu treffende Abwägungsentscheidung einbezogen,
17vgl. zur Heilung eines Anhörungsmangels: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Auflage 2021, § 45 Rn. 26; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.09.2022 – 6 B 10723/22 – juris Rn. 13.
18Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf eine unzureichende Bestimmtheit der Untersagungsverfügung nach § 37 Abs. 1 VwVfG NRW im Hinblick auf die erfassten Räumlichkeiten berufen.
19Ein Verwaltungsakt ist dann hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, wenn die getroffene Regelung für den Adressaten vollständig, klar, verständlich und widerspruchsfrei ist. Davon ist auszugehen, wenn der Adressat und die mit dem Vollzug befasste Behörde aufgrund der Entscheidungssätze, der Begründung und der sonst für die Beteiligten erkennbaren Umstände ersehen können, welches Verhalten von dem Adressaten gefordert ist. Daraus ergibt sich, dass ein Verwaltungsakt nicht schon dann unbestimmt ist, wenn seine Regelung für einen nicht betroffenen Dritten nicht ohne weiteres verständlich ist,
20vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.08.2022 – 29 L 1703/22 – juris, Rn. 41.
21Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Verfügung. Das an die Antragstellerin gerichtete Verbot „die Räumlichkeiten der M1. C. M2. gGmbH zu betreten und dort in Ihren jeweiligen Funktionen im Unternehmen tätig zu sein“ erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut alle Räumlichkeiten, die von dem Unternehmen „M1. “ genutzt werden und alle Tätigkeiten, die Gegenstand des Arbeitsverhältnisses der Antragstellerin mit dem Unternehmen „M1. “ sind, einschließlich der Tätigkeit als Vorsitzende des Betriebsrates.
22Insbesondere war der Antragsgegner nicht gehalten, die betroffenen Räumlichkeiten konkret mit Angabe der Adresse aufzuführen oder nach Charakter des Nutzungsrechtes des Unternehmens – als Eigentümer oder Mieter – bzw. den ausgeübten Funktionen als Teamleiterin oder Betriebsratsvorsitzende zu differenzieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Antragstellerin die Räumlichkeiten, die von der „M1. “ genutzt werden, aufgrund ihrer Tätigkeit als Teamleiterin und Betriebsratsvorsitzende bekannt sind. Denn um die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebes im Rahmen der Betriebsratstätigkeit wahrzunehmen, sind Kenntnisse darüber erforderlich, wo und wie diese eingesetzt sind. Dass diese Kenntnisse vorhanden sind, zeigt sich auch in der Formulierung des Eilantrages, der explizit die Räumlichkeiten benennt, die von der Einrichtung genutzt werden, aber nicht unmittelbar der Betreuung und Pflege beeinträchtigter Personen dienen. Jedenfalls werden die Räumlichkeiten, in denen die Antragstellerin nicht tätig werden darf, dadurch konkretisiert, dass sie dort nicht ihre Funktion als Teamleiterin oder Betriebsratsvorsitzende ausüben darf. Im Übrigen ist ihr das Betreten und die Benutzung aller Räumlichkeiten der Einrichtung zu anderen Zwecken nach Maßgabe allgemeiner Vorschriften gestattet. Die Grenzen des Geltungsbereichs der Ordnungsverfügung werden daher durch die Grenzen des Arbeitsbereichs der Antragstellerin definiert und sind damit für die Antragstellerin erkennbar.
23Die Untersagungsverfügung ist auch bei summarischer Prüfung materiell rechtmäßig.
24Es kann zunächst nicht festgestellt werden, dass die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Untersagung des Betretens und der Tätigkeit der Antragstellerin in einem Unternehmen des Gesundheitswesens in § 20 a Abs. 5 Satz 3 IfSG mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und daher nicht anzuwenden ist. Im Eilverfahren sind an die Nichtanwendung eines Gesetzes im formellen Sinne wegen des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts (Art. 100 Abs. 1 GG) hohe Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist, dass das beschließende Gericht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt ist, was in der Regel im Eilverfahren nur angenommen werden kann, wenn der Verstoß gegen das Grundgesetz offenkundig ist.
25Dies ist hier nicht der Fall. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21 – entschieden, dass die Einführung einer einrichtungsbezogenen Nachweispflicht für eine Impfung gegen das SARS-CoV2-Virus nicht gegen die Grundrechte von Beschäftigten dieser Einrichtungen aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 1 GG verstößt. Bei vorläufiger Prüfung im Eilverfahren kann nicht festgestellt werden, dass sich die wissenschaftliche Erkenntnislage seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts derart geändert hat, dass die Annahme des Gesetzgebers, die Impfung schütze in nennenswertem Umfang auch vor einer weiteren Übertragung des Virus, offenkundig unzutreffend geworden ist,
26vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.09.2022 – 13 B 859 – juris, Rn. 113 ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.08.2022 – 29 L 1703/22 – juris Rn. 25; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 02.09.2022 – 6 B 10723/22 – juris, Rn. 7 ff.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.09.2022 – 14 ME 297/22 – juris, Orientierungssatz.
27Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass mittlerweile an die derzeit vorherrschenden Omikron-Varianten BA.1, BA.4 und BA.5 angepasste Impfstoffe von der Europäischen Kommission zugelassen worden sind, von denen angenommen werden kann, dass sie die Immunität nach einer Impfung gegenüber den neuen Varianten verbessern.
28Für die Varianten Delta und BA.1 gibt es eine Studie der Universität Genf, die bestätigt, dass mit den bisherigen Impfstoffen dreifach Geimpfte bei einer Infektion mit diesen Varianten eine geringere Viruslast aufweisen als Nichtgeimpfte oder zweifach Geimpfte. Derartige Studien gibt es noch nicht für die BA4 und BA5-Variante.
29vgl. Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit vom 03.08.2022 auf die Anfrage des Abgeordneten Kay-Uwe-Ziegler, Arbeitsnummer 7/349.
30Bei einer geringeren Viruslast von geimpften Infizierten ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung des Virus auf andere Personen geringer. Vor dem Hintergrund der besonderen Gefährlichkeit des SARS-CoV2-Virus für ältere oder behinderte Menschen mit oder ohne Vorerkrankungen, die sich in den von § 20 a IfSG umfassten Einrichtungen befinden, ist die noch unsichere Studienlage kein Grund, die Schutzwirkung der Impfung, insbesondere der angepassten Impfstoffe, abweichend von den bisherigen Erkenntnissen durchgreifend in Zweifel zu ziehen.
31Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 a Abs. 5 Satz 3 IfSG sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Antragstellerin hat den erforderlichen Nachweis für eine vollständige Impfung, aktuelle Genesung oder eine ärztliche Bescheinigung über eine Schwangerschaft oder eine Kontraindikation gegen die Impfung trotz der Aufforderung durch den Antragsgegner nicht innerhalb der gesetzten, angemessenen Fristen vorgelegt. Sie war zur Vorlage eines solchen Nachweises nach § 20 a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 IfSG verpflichtet, da sie in einem Unternehmen tätig ist, das sowohl eine stationäre Betreuung und Unterbringung behinderter Menschen als auch ambulante Dienstleistungen für diesen Personenkreis anbietet.
32Entgegen der Auffassung der Antragstellerin betrifft die Untersagungsverfügung auch Räume, die dem Betrieb eines Unternehmens im Sinne des § 20 a Abs. 1 IfSG dienen. Dies gilt nicht nur für die Räumlichkeiten, die unmittelbar für den Aufenthalt, die Beschäftigung oder Betreuung der beeinträchtigten Personen bestimmt sind. Vielmehr werden von der Ermächtigungsgrundlage auch die im Antrag angesprochenen Räumlichkeiten umfasst, in denen sich nicht regelmäßig vulnerable Personen aufhalten und in denen die Antragstellerin ihre Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzende ausüben will. Bereits der Wortlaut der Vorschrift stellt nicht auf Räumlichkeiten ab, in denen ein unmittelbarer Kontakt der beschäftigten Personen mit den betreuten Menschen besteht. Vielmehr bezieht sich das Betretens- und Tätigkeitsverbot auf alle „dem Betrieb eines in Absatz 1 Satz 1 genannten Unternehmens ... dienenden Räume“, sodass auch Nebenräume wie Schulungsräume oder Pausenräume für das pflegende Personal davon erfasst sind.
33Diese weite Auslegung des Gesetzes in Bezug auf die erfassten Räumlichkeiten wird auch dadurch gestützt, dass das Gesetz in zulässiger Weise alle im Gesundheits-, Pflege- und Betreuungsbereich tätigen Personen einbezieht, auch wenn sie keinen direkten Kontakt zu vulnerablen Personen haben. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass eine Impfung aller in diesem Bereich tätigen Personen zum Gesundheitsschutz der vulnerablen Personengruppe einen Beitrag leiste, auch wenn kein direkter Kontakt mit den betreuten Personen bestehe. Denn eine Übertragung könne auch durch zeitlich aufeinanderfolgende Aufenthalte in einem Raum oder durch zufällige Begegnungen in gemeinsam nutzbaren Ein- und Ausgängen, in Flurbereichen oder sonstigen Teilen des Gebäudes stattfinden. Außerdem bestehe auch das Risiko von Übertragungsketten, wenn etwa Personen ohne Immunschutz, die keinen direkten Kontakt mit Vulnerablen hätten, mit anderen in der Einrichtung tätigen Personen einen solchen Kontakt hätten, diese infizieren und diese ihrerseits das Virus an Vulnerable weitergäben,
34vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris, Rn. 181.
35Dementsprechend bezieht sich die Pflicht zum Nachweis der Immunität nach der Gesetzesbegründung auch auf nicht pflegendes oder ärztliches Personal wie Hausmeister oder Transport-, Küchen-oder Reinigungspersonal,
36vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drs. 20/188, S. 38.
37Diese Erwägungen gelten auch für Personen, die ausschließlich im Verwaltungsbereich einer in § 20 a IfSG genannten Einrichtung beschäftigt sind,
38vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.09.2022 – 13 B 859/22 – und vorgehend VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 05.07.2022 – 2 L 820/22 – für eine Chefarztsekretärin,
39da auch diese durch Kontakte mit dem behandelnden Personal eine Infektionskette auslösen können, durch die das Virus schließlich auf die zu schützenden vulnerablen Personen übertragen wird. Das gilt in gleicher Weise für die Antragstellerin, auch wenn sie nur noch in ihrer Funktion als Betriebsratsvorsitzende die genannten Räumlichkeiten der Einrichtung benutzen will. Denn auch in diesem Fall kommt es regelmäßig und typischerweise zu persönlichen Kontakten zu anderen Mitarbeitern, insbesondere zu Pflegekräften, beispielweise im Rahmen von Betriebsratssitzungen oder von Beratungsgesprächen.
40Es kann dahinstehen, ob eine einschränkende Auslegung des § 20 a Abs. 5 Satz 3 IfSG geboten ist, wenn jeglicher Kontakt zu den behandelten, betreuten, gepflegten oder untergebrachten Personen aufgrund einer klaren räumlichen Trennung ausgeschlossen werden kann und auch keine regelmäßigen Kontakte zu dem betreuenden Personal bestehen, beispielweise bei einer ausschließlichen Beschäftigung im Home Office,
41vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.09.2022 – 13 B 859/22 – juris, Rn. 103 m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 30.08.2022 – 29 L 1703/22 – juris, Rn. 49.
42Die Antragstellerin hat nicht nachvollziehbar dargelegt, dass in den von ihr genannten Räumlichkeiten ein Kontakt zu den betreuten Personen ausgeschlossen werden kann. Sie hat die Behauptung ihrer Arbeitgeberin und des Antragsgegners, dass Kontakte – wenn auch selten – möglich seien, lediglich bestritten. Da sie sich aber auf eine im Wege der Auslegung begründete Ausnahme vom gesetzlichen Wortlaut beruft, hätte es ihr oblegen, die genauen Verhältnisse in den ihr bekannten Räumlichkeiten und deren Nutzung zu erläutern. Jedenfalls hat sie nicht bestritten, dass sie im Rahmen ihrer Betriebsratstätigkeit Kontakt zum Pflegepersonal hat und auf diese Weise an einer Übertragung des Virus auf die vulnerablen Personen beteiligt sein kann.
43Der Antragsgegner hat nach der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung auch das ihm im Rahmen des § 20 a Abs. 5 Satz 3 IfSG zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Hierbei legt der Schutzzweck des Gesetzes im Fall eines Verstoßes gegen die Nachweispflicht den Erlass einer Anordnung nach § 20 a Abs. 5 Satz 3 IfSG in der Regel nahe. Vorbehaltlich besonders gelagerter Einzelfälle dürfte daher für den Antragsgegner letztlich kein relevanter Spielraum bestehen,
44vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris, Rn. 85; OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.092022 – 14 ME 297/22 – juris, Orientierungssatz; OVG NRW, Beschluss vom 16.09.2022 – 13 B 859/22 – juris.
45Vor dem Hintergrund dieser Kriterien ist ein Ermessensfehler des Antragsgegners nach § 114 VwGO nicht erkennbar. Dieser war sich des ihm zustehenden Ermessens bewusst und hat das öffentliche Interesse am Schutz der besonders gefährdeten vulnerablen Personen in den betroffenen Unternehmen mit dem Interesse der Antragstellerin an einer Nichtimmunisierung abgewogen und hierbei auch die Versorgungssicherheit berücksichtigt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn er letztlich dem öffentlichen Interesse den Vorzug gegeben hat, da hier keine besonders gelagerten Interessen der Antragstellerin mit einem überwiegenden Gewicht oder die Versorgungssicherheit entgegenstanden.
46Insbesondere wäre es kein milderes Mittel gewesen, anstelle der angefochtenen Untersagungsverfügung eine Anordnung gegenüber der Betreiberin zu erlassen, der Antragstellerin einen Raum für die Betriebsratstätigkeit zur Verfügung zu stellen und den vulnerablen Personen den Zutritt zu diesem Raum zu verwehren.
47Es ist schon fraglich, ob eine derartige Anordnung eine mildere Maßnahme im Vergleich zu der Untersagungsverfügung gegenüber der Antragstellerin wäre, da diese gleichzeitig in Freiheitsrechte dritter Personen, nämlich der Einrichtung und der zu schützenden Personen eingreift. Nach allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen sind aber Maßnahmen vorrangig gegen die Personen zu richten, die eine Gefahr verursachen, § 17 OBG NRW, hier gegen ungeimpfte Personen im Gesundheitsbereich nach § 20 a Abs. 5 Satz 3 IfSG. Dritte dürfen nur in Anspruch genommen werden, wenn die Maßnahmen gegenüber den Verantwortlichen nicht möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, § 19 Abs. 1 OBG NRW. Das ist hier gerade nicht der Fall, da die Gesundheitsgefahr von der Antragstellerin, nicht von dem betroffenen Unternehmen oder den vulnerablen Personen ausgeht, und durch die Impfpflicht erfolgversprechend bekämpft werden kann.
48Jedenfalls wäre eine solche Anordnung gegenüber dem Betreiber nicht gleich geeignet, um die von ungeimpften Beschäftigten ausgehenden Gefahren zu reduzieren. Denn durch die Zuweisung eines Raumes für die Betriebsratstätigkeit, der von vulnerablen Personen nicht betreten werden darf, werden Kontakte der Antragstellerin mit anderen Mitarbeitern der Einrichtung, insbesondere mit Pflegepersonal nicht ausgeschlossen. Damit wäre eine derartige Maßnahme nicht gleich geeignet, Infektionsketten zu verhindern.
49Die Ermessensausübung ist auch nicht unvollständig. Der Antragsgegner hat seine Ermessenserwägungen im Hinblick auf die von der Untersagung betroffene Betriebsratstätigkeit der Antragstellerin in zulässiger Weise im gerichtlichen Eilverfahren ergänzt, § 114 Satz 2 VwGO.
50Hierbei ist der Antragsgegner zutreffend davon ausgegangen, dass der Betriebsrat der Einrichtung durch die Untersagungsverfügung gegenüber der Antragstellerin nicht in seinen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten beeinträchtigt ist. Denn der zugewiesene Raum steht dem Betriebsrat nach wie vor zur Verfügung. Zwar darf die Antragstellerin diesen nicht mehr betreten. Jedoch können Sitzungen des Betriebsrates entweder mit ihrem Stellvertreter oder ihrer Stellvertreterin stattfinden oder die Antragstellerin kann mittels Video- oder Telefonkonferenz an der Beschlussfassung teilnehmen, § 33 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Auch andere Aufgaben des Betriebsrates kann die Antragstellerin mittels Telefon oder durch elektronische Kommunikation von Zuhause aus wahrnehmen.
51Denn die Ordnungsverfügung untersagt nur die Tätigkeit der Antragstellerin in den Räumen der Einrichtung („dort tätig zu sein“), nicht jegliche Tätigkeit für die Arbeitgeberin,
52vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.09.2022 – 13 B 859/22 – juris, Rn. 75.
53Sofern die Antragstellerin ihre Betriebsratsaufgaben von zu Hause aus erledigt, ist diese Tätigkeit von der Verfügung nicht erfasst. Sie bietet daher auch keine Grundlage für das von der Geschäftsführung des betroffenen Unternehmens gegenüber der Antragstellerin ausgesprochene Verbot, weiterhin für den Betriebsrat tätig zu sein und die Sperrung des elektronischen Zugangs zum Netzwerk der Einrichtung. Ob dieser Ausschluss der Antragstellerin von der Tätigkeit des Betriebsrates rechtlich zulässig ist, ist eine arbeitsrechtliche Frage, die von den Arbeitsgerichten zu klären ist, und berührt die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung nicht,
54vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 16.09.2022 – 13 B 859/22 – juris, Rn. 77.
55Es begegnet keinen Bedenken, wenn der Antragsgegner dem Schutz von Leib und Leben der vulnerablen Personen den Vorrang vor den Interessen der Antragstellerin an der Unterlassung einer Impfung und an der Ausübung der Betriebsratstätigkeit vor Ort eingeräumt hat.
56Denn die Schutzgüter von Leben und Gesundheit der betreuten Personen sind Verfassungsgüter von überragendem Stellenwert. Die staatliche Schutzpflicht ist diesen Personen gegenüber in besonderem Maß aktiviert, weil die in den Einrichtungen des § 20 a Abs. 1 IfSG betreuten Menschen aufgrund ihres Alters, ihrer Behinderung oder ihrer Erkrankungen durch das Corona-Virus besonders gefährdet sind und nicht oder nur eingeschränkt in der Lage sind, ihr Infektionsrisiko durch eine Impfung oder andere Maßnahmen selbst zu reduzieren. Insbesondere sind diese häufig auf den Aufenthalt in den genannten Einrichtungen angewiesen und können sich daher nicht von den dort beschäftigen Menschen fernhalten. Sie sind daher in ungleich größerem Ausmaß als andere Personen darauf angewiesen, dass Übertragungsketten frühzeitig unterbrochen werden,
57vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris, Rn. 218, 219.
58Demgegenüber müssen die Grundrechte der betroffenen Beschäftigten in Heil- und Pflegeberufen trotz des erheblichen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit und die Berufsfreiheit zurücktreten. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die genannten Berufsgruppen eine besondere Verantwortung gegenüber den ihnen anvertrauten Personen haben, was diesen auch schon bei der Berufswahl bewusst sein muss,
59vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21 – juris, Rn. 265.
60Das gilt auch für die Rechte der Antragstellerin, ihre Betriebsratstätigkeit fortzuführen, zumal diese Tätigkeit durch die angefochtene Verfügung nicht ausgeschlossen, sondern lediglich eingeschränkt wird. Diese Rechte haben kein größeres Gewicht als das Grundrecht auf Ausübung des erlernten Berufs oder das Grundrecht auf Schutz der körperlichen Unversehrtheit. Schließlich ist der Eingriff in die Rechte der Antragstellerin auch dadurch gemindert, dass die Untersagungsverfügung bis zum 31.12.2022 befristet ist und eine Verlängerung der gesetzlichen Regelung ungewiss ist.
61Auch die Zwangsgeldandrohung in Ziff. 3 des angefochtenen Bescheides begegnet nach summarischer Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Antragsgegner konnte diese rechtmäßig auf der Grundlage von §§ 55 Abs. 1, 2. Alt., 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1 und 63 VwVG NRW erlassen. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 1.000,00 Euro pro Verstoß ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, § 58 Abs. 1 VwVG NRW.
62Die Kostenscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
63Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr.2, 52 Abs. 2 GKG. Da sich das hier geltend gemachte Interesse an einer Fortsetzung der Betriebsratstätigkeit in den Räumlichkeiten der Einrichtung nicht beziffern lässt, hat die Kammer den Auffangstreitwert zugrunde gelegt. Eine Reduzierung des Streitwerts im Hinblick auf den Charakter des Eilverfahrens kommt hier nicht in Betracht, da der Antrag wegen der Befristung der Maßnahme bis zum 31.12.2022 auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet war.
64Rechtsmittelbelehrung
65Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
66Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
67Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
68Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
69Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
70Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
71Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
72Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
73Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.