Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Erstattung der Kosten für die Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Jugendlichen.
3U. J.(im Folgenden: Hilfeempfänger), geboren am 00.00.0000 und marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Oktober 2017 unbegleitet in die Bundesrepublik ein. Ein erster Kontakt mit der Beklagten zu 1) fand am 00.00.0000 infolge eines Aufgriffs des Hilfeempfängers durch die Bundespolizei statt. Im Erstaufnahmebogen der Beklagten zu 1) mit Datum vom 02.05.2018 hielt diese fest, der Hilfeempfänger habe angegeben, sich nach seiner Einreise nach Deutschland in Kassel aufgehalten zu haben. Es habe sich weiter herausgestellt, dass es eine Zuweisung aus dieser Zeit in den Salzlandkreis gebe. Der Hilfeempfänger sei jedoch abgängig gewesen, bevor die Zuweisung habe umgesetzt werden können. Zudem legte der Hilfeempfänger einen Ausweis vor, wonach er sich zuvor in einer Jugendhilfeeinrichtung in Bremen aufgehalten habe. In der Zeit vom 27.04.2018 bis 13.05.2018 nahm die Beklagte zu 1) den Hilfeempfänger mehrmals für wenige Tage, immer wieder unterbrochen von kurzen Abgängigkeiten des Hilfeempfängers, vorläufig nach § 42a SGB VIII in Obhut. Mit Bescheid vom 14.05.2018 wies die Landesstelle für die Verteilung unbegleiteter ausländischer Minderjähriger in Nordrhein-Westfalen (Landesstelle NRW) den Hilfeempfänger der Beklagten zu 1) nach § 42b Abs. 3 SGB VIII zu. Im Zeitraum vom 14.05.2018 bis 18.05.2018 erfolgte die Inobhutnahme durch die Beklagte zu 1) nach § 42 SGB VIII. Seit dem 18.05.2018 ist der Hilfeempfänger abgängig und befindet sich nicht mehr in der Obhut der Beklagten zu 1).
4In der Nacht des 18.08.2018 wurde der Hilfeempfänger von der Bundespolizei Bezirk J.-J. aufgegriffen. Ermittlungen der Bundespolizei ergaben, dass er in einer Einrichtung für unbegleitete ausländische Jugendliche der Beklagten zu 1) untergebracht gewesen war. Der Jugendhilfeträger der Klägerin nahm den Hilfeempfänger in Obhut und informierte die Einrichtung in Köln, in der der Hilfeempfänger zuvor untergebracht gewesen war. Eine Kontaktaufnahme mit der Beklagten zu 1) erfolgte nicht. Der Hilfeempfänger entlief am 20.08.2018 und ist seitdem unbekannten Aufenthalts.
5Mit Schreiben vom 28.08.2018 beantragte die Klägerin bei der Beklagten zu 1) die Kostenerstattung in Höhe von 1.043,07 Euro für die Inobhutnahme des Hilfeempfängers im Zeitraum vom 18.08.2018 bis 20.08.2018. Am 10.12.2018 übersendete die Klägerin der Beklagten zu 1) die entsprechende Kostenrechnung und erinnerte an die Erstattung. Mit Schreiben vom 19.12.2018 lehnte die Beklagte zu 1) die Erstattung ab. Der Beklagte zu 2) erfuhr erstmals in einer E-Mail der Beklagten zu 1) vom 16.02.2021 von deren Erstattungsverlangen gegenüber der Beklagten zu 2).
6Die Klägerin hat am 30.07.2021 Klage erhoben.
7Sie ist der Ansicht, dass ihr gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Erstattung der Inobhutnahmekosten nach § 89b Abs. 1 SGB VIII zustehe. Die Erstattungsnorm des § 89b SGB VIII sei auch auf die Kostenerstattung für die Inobhutnahme von bereits verteilten unbegleiteten ausländischen Minderjährigen anwendbar. Der Klägerin sei bewusst, dass die Zuständigkeit der Beklagten zu 1) nach Entweichen des Hilfeempfängers festgeschrieben, die Beklagte zu 1) mithin der nach § 88a SGB VIII örtlich zuständige Träger sei. Daher habe sie, die Klägerin, den Hilfeempfänger nur nach § 42 SGB VIII auf Basis der Zuständigkeit nach § 87 S. 1 SGB VIII in Obhut genommen. Für diese Inobhutnahme bestehe ein Erstattungsanspruch nach § 89b SGB VIII. Dabei sei für die Bestimmung des erstattungspflichtigen Trägers nicht auf die Zuständigkeit als solche, sondern auf eine hypothetische Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 4 SGB VIII abzustellen. Im Falle unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge hätten die Eltern keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, sodass ausschließlich der gewöhnliche Aufenthalt des Minderjährigen selbst in den letzten sechs Monaten vor Beginn der Maßnahme entscheidend sei. Aufgrund der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde sei davon auszugehen, dass sich der Hilfeempfänger nach dieser nicht nur vorübergehend im Zuständigkeitsbereich der Beklagten zu 1) aufgehalten und dort einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 86 SGB VIII begründet habe. Unabhängig davon stehe der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Erstattung der Inobhutnahmekosten nach § 89b Abs. 1 SGB VIII analog in Verbindung mit der „144. Empfehlung zur UMA-Kostenerstattung bei bundeslandübergreifendem Entweichen“ zu. Die Erstattungsverpflichtung der Beklagten zu 1) gelte auch für noch nicht abgerechnete Fälle aus der Zeit vor November 2019 wie den vorliegenden.
8Die Klägerin beantragt,
9die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie die für die Inobhutnahme des Minderjährigen U. J.(geboren am 00.00.0000, in der Zeit vom 18.08.2018 bis 20.08.2018 aufgewendeten Kosten in Höhe von 1.043,07 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
10hilfsweise, den Beklagten zu 2) zu verurteilen, an sie die für die Inobhutnahme des U. J.(geboren am 00.00.0000, in der Zeit vom 18.08.2018 bis 20.08.2018 aufgewendeten Kosten in Höhe von 1.043,07 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11Die Beklagte zu 1) beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13In der Sache führt sie aus, dass keine Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung existiere. Für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89b SGB VIII bestehe weder in direkter noch in analoger Anwendung Raum, da der Anspruch nach § 89d SGB VIII vorrangig sei. Der Gesetzgeber habe ausweislich des § 89d SGB VIII für den Personenkreis der jungen Menschen, denen innerhalb eines Monats nach der Einreise Jugendhilfe gewährt werde und für die sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richte, lediglich eine vertikale Kostenerstattung zwischen dem die Hilfe gewährenden örtlichen Träger und dessen Bundesland, jedoch keine horizontale Kostenerstattung zwischen unterschiedlichen örtlichen Trägern vorgesehen. In § 89d Abs. 5 SGB VIII habe der Gesetzgeber explizit angeordnet, dass die Kostenerstattung nach § 89d SGB VIII der Erstattung nach den §§ 89 bis 89c und § 89e SGB VIII vorgehe. Für sie, die Beklagte zu 1), könne dabei dahinstehen, ob der Klägerin dieser Anspruch gegen das Land Nordrhein-Westfalen oder das Land Hamburg zustehe. Mangels Anwendbarkeit des § 89b SGB VIII könne weiter dahinstehen, ob auch die Zuweisungsentscheidung nach § 42b SGB VIII den für die Kostenerstattung nach § 89b SGB VIII maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalt fingieren könne.
14Der Beklagte zu 2) beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Er ist der Ansicht, es fehle an einer Rechtsgrundlage. Der Erstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII richte sich allein gegen das Land, dem die Klägerin angehöre, mithin gegen das Land Hamburg. Zudem bestimme sich die Zuständigkeit der Klägerin für die Inobhutnahme nach § 88a SGB VIII, eine Zuständigkeit der Klägerin nach § 87 S. 1 SGB VIII sei aufgrund der Regelung in § 87 S. 2 SGB VIII ausgeschlossen. Ergänzend trägt er vor, dass die Klägerin die Ausschlussfrist des § 111 SGB X für die Geltendmachung des Anspruchs nicht eingehalten habe.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19A.
20Die Klage bleibt sowohl im Hauptantrag (dazu I.) als auch im Hilfsantrag (dazu II.) ohne Erfolg.
21I. Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf Erstattung der für die Inobhutnahme des Hilfeempfängers vom 18.08.2018 bis 20.08.2018 aufgewendeten Kosten in Höhe von 1.043,07 Euro nebst Prozesszinsen. Ein Anspruch ergibt sich weder aus § 89d Abs. 1 SGB VIII (dazu 1.), noch aus direkter (dazu 2.) noch analoger (dazu 3.) Anwendung des § 89b Abs. 1 SGB VIII noch aus sonstigen Anspruchsgrundlagen (dazu 4.).
221. Es besteht kein Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber der Beklagten zu 1) nach § 89d Abs. 1 SGB VIII. Dieser Anspruch, der nach § 89d Abs. 5 SGB VIII Ansprüchen nach §§ 89 bis 89c und § 89e SGB VIII vorgeht, scheitert bereits daran, dass die Beklagte zu 1) nicht die richtige Klagegegnerin für diesen Anspruch ist. § 89d Abs. 1 SGB VIII regelt einen Kostenerstattungsanspruch gegenüber „dem Land“. Die nach dieser Vorschrift dem Land obliegenden Aufgaben sind den Landschaftsverbänden übertragen, § 15a S. 1 AG-KJHG. Die Beklagte zu 1) hingegen ist örtlicher Träger der Jugendhilfe gemäß § 69 Abs. 1 SGB VIII in Verbindung mit § 1a AG-KJHG NRW. Zudem richtet sich der Erstattungsanspruch des § 89d Abs. 1 SGB VIII allein gegen das Bundesland, zu dem der erstattungsberechtigte Träger der öffentlichen Jugendhilfe gehört,
23Loos in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 89d Rn. 12,
24mithin dem Land Hamburg. Ob der Klägerin vorrangig ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 89d Abs. 1 SGB VIII gegenüber dem Land Hamburg tatsächlich zusteht und damit einen Anspruch gegenüber der Beklagten zu 1) nach § 89b SGB VIII sperrt, kann dahinstehen. Ein solcher Anspruch kommt aus den nachfolgenden Gründen weder in direkter noch analoger Anwendung des § 89b SGB VIII in Betracht.
252. Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 89b Abs. 1 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 begründet wird. Voraussetzung ist, dass die Klägerin für die Inobhutnahme des Hilfeempfängers in eigener Zuständigkeit tätig geworden ist. Daran fehlt es vorliegend.
26Die Klägerin kann ihre Zuständigkeit nicht auf § 87 S. 1 SGB VIII stützen. Die Anwendbarkeit des § 87 S. 1 SGB VIII wird durch § 87 S. 2 SGB VIII gesperrt. Nach § 87 S. 2 SGB VIII richtet sich die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen – wie den Hilfeempfänger – nach § 88a Abs. 2 SGB VIII. Nach § 88a Abs. 2 S. 1 SGB VIII richtet sich die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen nach der Zuweisungsentscheidung gemäß § 42b Abs. 3 S. 1 der nach Landesrecht für die Verteilung von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen zuständigen Stelle. Der Hilfeempfänger war am 14.05.2018 durch die Landesstelle NRW – der nach § 1 Abs. 1 des 5. AG-KJHG für die Verteilung zuständigen Stelle – der Beklagten zu 1) zur Inobhutnahme zugewiesen worden. Diese Zuweisung ist rechtskräftig geworden mit der Folge, dass allein die Beklagte zu 1) für die Inobhutnahme des Hilfeempfängers – unabhängig vom tatsächlichen Aufenthaltsort des Hilfeempfängers – zuständig war.
27Ob der Hilfeempfänger zuvor bereits einem anderen örtlichen Träger der Jugendhilfe zur Inobhutnahme nach § 42b SGB VIII zugewiesen worden war – ausweislich des Erstaufnahmebogens vom 02.05.2018 gab der Hilfeempfänger an, dass es eine Zuweisung in den Salzlandkreis gegeben habe, ohne dass dem vorgelegten Verwaltungsvorgang hierzu weitere Nachforschungen zu entnehmen sind – bedurfte nicht der gerichtlichen Aufklärung. Eine solche bestandskräftig gewordene Zuweisung führt allenfalls zu einer örtlichen Zuständigkeit des Salzlandkreises anstelle der Beklagten zu 1). Sie führt jedoch nicht zu einer örtlichen Zuständigkeit der Klägerin.
28Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, den Hilfeempfänger auf Basis des § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VIII nach § 87 S. 1 SGB VIII in Obhut genommen zu haben, weil es sich um eine Inobhutnahme neben der Inobhutnahme aus dem Verteilverfahren handele. Für eine Inobhutnahme außerhalb des Verteilverfahrens, für die sich nach Auffassung der Klägerin die Zuständigkeit nach § 87 S. 1 SGB VIII richten soll, ist kein Raum. Die Zuständigkeitsregelung des § 88a Abs. 2 SGB VIII ist abschließend und gilt für alle Inobhutnahmen, die nach der Zuweisungsentscheidung notwendig werden. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 88a Abs. 2 S. 1 SGB VIII, der im Klammerzusatz auf die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII verweist, ohne dies näher einzuschränken.
29Die Zuständigkeit der Beklagten zu 1) nach § 88a Abs. 2 S. 1 SGB VIII endete auch nicht mit Abgängigkeit des Hilfeempfängers am 18.05.2018 mit der Folge, dass auf die Regelung des § 87 S. 1 SGB VIII zurückgegriffen werden könnte. Sowohl der Wortlaut (a.) als auch der gesetzgeberische Wille (b.) der §§ 87 S. 2, 88a Abs. 2 SGB VIII sprechen für eine grundsätzliche Festschreibung der Zuständigkeit des Zuweisungsjugendamts unabhängig vom tatsächlichen Aufenthaltsort des Minderjährigen.
30a. Nach dem Wortlaut des § 87 S. 2 SGB VIII richtet sich die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme eines unbegleiteten ausländischen Kindes oder Jugendlichen nach § 88a Abs. 2 SGB VIII. Eine zeitliche Einschränkung dahingehend, dass die Zuständigkeit für die Inobhutnahme eines unbegleiteten Minderjährigen nur für die Zeit des tatsächlichen Aufenthalts im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Zuweisungsjugendamts bestehen soll, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Abweichend von der allgemeinen Zuständigkeitsbestimmung anhand des tatsächlichen Aufenthalts verweist § 87 S. 2 SGB VIII für Inobhutnahmen unbegleiteter ausländischer Minderjähriger auf die Regelung des § 88a Abs. 2 SGB VIII. § 88a Abs. 2 S. 1 SGB VIII nimmt allein Bezug auf die Zuweisungsentscheidung, ohne den tatsächlichen Aufenthaltsort einzubeziehen. Lediglich aus Gründen des Kindeswohls oder aus sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht sieht § 88a Abs. 2 S. 3 SGB VIII vor, dass ein anderer Träger die Zuständigkeit von dem zuständigen Träger übernehmen kann. Dabei spricht allein die Formulierung „kann … übernehmen“ schon dafür, dass es keinen automatisierten Wechsel der Zuständigkeit gibt. Vielmehr sind die Voraussetzungen für den Wechsel – Gründe des Kindeswohls oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht – explizit festzustellen. Erst dann kann, in Absprache der beiden Träger untereinander, ein Wechsel der Zuständigkeit vorgenommen werden. Anhaltspunkte, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) Übernahmegespräche hinsichtlich der Zuständigkeit geführt worden wären, sind nicht ersichtlich.
31b. Zudem entspricht es auch dem gesetzgeberischen Willen, die Zuständigkeit des Zuweisungsjugendamts unabhängig vom tatsächlichen Aufenthaltsort des Minderjährigen festzuschreiben. Die Zuständigkeitsregelung in § 88a Abs. 2 SGB VIII wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher geschaffen, sie trat am 01.11.2015 in Kraft (BGBl. 2015, Teil I, S. 1802). Hintergrund war, dass die bisherige Zuständigkeitsregelung des § 87 SGB VIII, die sich allein nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Minderjährigen richtete, zu einer starken Belastung der an Einreiseknotenpunkten liegenden örtlichen Träger der Jugendhilfe geführt hatte mit der Folge, dass diese eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung, Versorgung und Betreuung nicht mehr gewährleisten konnten. Dieser Problematik beabsichtigte der Gesetzgeber mithilfe der Einführung einer gesetzlichen bundesweiten Aufnahmepflicht und eines damit einhergehenden Verteilungsverfahrens, das sich an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen orientiert, zu begegnen,
32BT-Drs. 18/5921, S. 2.
33Zur Begründung des neu eingeführten § 87 S. 2 SGB VIII führte er an, dass es sich um eine Klarstellung handele, „dass § 88a lex specialis im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit für die Inobhutnahme unbegleiteter ausländischer Minderjähriger ist“. Für die Inobhutnahme unbegleiteter ausländischer Minderjähriger sei „der örtliche Träger grundsätzlich zuständig, dem die zuständige Landesbehörde den unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nach § 42b Absatz 3 Satz 1 zuweist“.
34BT-Drs. 18/5921, S. 29.
35Zugleich sah er eine Ausnahme von der grundsätzlichen Zuständigkeit in § 88a Abs. 2 S. 3 SGB VIII vor, wonach ein anderer Träger aus Gründen des Kindeswohls oder aus sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht die örtliche Zuständigkeit von dem (nach S. 2) zuständigen Träger übernehmen kann. Mit dieser Regelung beabsichtigte der Gesetzgeber eine „größere Flexibilität“,
36BT-Drs. 18/5921, S. 29.
37Dieser Gesetzesbegründung folgend entspricht es dem Willen des Gesetzgebers, die örtliche Zuständigkeit für Inobhutnahmen unbegleiteter ausländischer Minderjähriger unabhängig vom tatsächlichen Aufenthaltsort dauerhaft für den örtlichen Träger festzuschreiben, dem der Minderjährige nach § 42b Abs. 3 S. 1 SGB VIII zugewiesen wurde. Nur durch die Festschreibung der Zuständigkeit kann eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung, Versorgung und Betreuung sichergestellt werden, da das Verteilungsverfahren die jugendhilferechtlichen Kapazitäten aller Jugendhilfeträger in Deutschland berücksichtigt. Die Zuständigkeit eines Jugendhilfeträgers soll gerade nicht durch den Minderjährigen durch Wahl seines Aufenthalts steuerbar sein, sondern zur Sicherung seines Wohls bei einem Jugendhilfeträger festgeschrieben werden, der über ausreichend jugendhilferechtliche Kapazitäten verfügt. Dass in Ausnahmefällen ein Wechsel der Zuständigkeit notwendig sein könnte, hat der Gesetzgeber erkannt und einen Ausnahmetatbestand in § 88a Abs. 2 S. 3 SGB VIII geschaffen. Dies unterstreicht die Intention des Gesetzgebers, die Zuständigkeit für die Inobhutnahme grundsätzlich festzuschreiben und nur in Ausnahmefällen davon abzuweichen. Endete die Zuständigkeit für die Inobhutnahme nach §§ 87 S. 2, 88a Abs. 2 S. 1 SGB VIII mit Entweichen des Minderjährigen, würde dies zudem den Zustand vor Einführung des Verteilungsverfahrens herbeiführen und möglicherweise wieder zu einer Überlastung der Jugendämter führen, in deren Zuständigkeitsgebiet sich unbegleitete Minderjährige bevorzugt aufhalten. Diese Rechtslage wollte der Gesetzgeber jedoch mit Einführung des Verteilverfahrens gerade beenden.
38In der Praxis mag die Umsetzung dieser Regelung Schwierigkeiten bereiten, da das Zuweisungsjugendamt für jede Inobhutnahme zuständig ist, auch wenn sich der Minderjährige nicht in seinem Zuständigkeitsbereich aufhält. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift jedoch unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein.
39Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.06.2014 – 1 BvR 1157/12 – juris, Rn. 6.
40Es ist alleinige Aufgabe des Gesetzgebers, eine anderslautende Regelung zur Zuständigkeit im Falle der Abgängigkeit eines unbegleiteten ausländischen Minderjährigen zu treffen.
41Die Klägerin kann ihre Zuständigkeit auch nicht auf § 87 S. 1 SGB VIII in analoger Anwendung stützen.
42So aber Eschelbach in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Auflage 2022, § 88a Rn. 8; DIJuF-Rechtsgutachten vom 02.03.2018, JAmt 2018, 147, 148.
43Eine analoge Anwendung des § 87 S. 1 SGB VIII zur Begründung der Zuständigkeit der Klägerin kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für eine Analogie nicht vorliegen. Eine Analogie ist zulässig, wenn die maßgebliche Norm eine planwidrige Regelungslücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Normgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Normgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Vorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen,
44vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2017 – 4 C 6.16 – juris, Rn. 15.
45Es fehlt bereits an einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat die Zuständigkeit für die Inobhutnahme unbegleiteter ausländischer Minderjähriger abschließend in § 88a Abs. 2 SGB VIII geregelt. Zwar weicht diese Regelung von dem Grundgedanken des SGB VIII, im Falle einer Inobhutnahme zur Vermeidung von Zuständigkeitsstreitigkeiten und damit zur Sicherung des Kindeswohls auf den tatsächlichen Aufenthalt des Minderjährigen abzustellen, ab. Dass ihm dies bewusst war, ergibt sich schon aus § 88a Abs. 2 S. 3 SGB VIII, wonach ein anderer Träger aus Gründen des Kindeswohls oder aus sonstigen humanitären Gründen von vergleichbarem Gewicht die örtliche Zuständigkeit von dem zuständigen Träger übernehmen kann.
46Weitere Normen, aus denen sich die Zuständigkeit der Klägerin für die Inobhutnahme ergeben könnte, kommen erkennbar nicht in Betracht. Die Klägerin hat die Inobhutnahme weder im Rahmen der Amtshilfe für die Beklagte zu 1) noch – einen möglichen Kostenerstattungsanspruch nach § 89c Abs. 1 S. 2 SGB VIII analog auslösend – im Rahmen einer Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden nach § 86d SGB VIII analog,
47vgl. hierzu Lange in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 87 SGB VIII (Stand: 01.08.2022) Rn. 66,
48vorgenommen. Sie war vielmehr fälschlicherweise von einer eigenen Zuständigkeit nach § 87 S. 1 SGB VIII ausgegangen.
49Mangels Zuständigkeit der Klägerin für die Inobhutnahme kann offenbleiben, ob die Beklagte zu 1) kostenerstattungspflichtiger Träger im Sinne des § 89b Abs. 1 SGB VIII sein kann.
503. Ein Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 89b Abs. 1 SGB VIII. Auch hier fehlt es an den Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Norm. Vorliegend ist keine planwidrige Gesetzeslücke ersichtlich. Fälle, in denen wie hier der leistende Träger als unzuständiger Leistungsträger tätig war, sind vom Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X erfasst.
514. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten zu 1) keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Inobhutnahme des Hilfeempfängers aus § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X.
52Die Norm des § 105 Abs. 1 SGB X ist anwendbar. Eine Anwendung der Erstattungsvorschriften des SGB X ist ausweislich des § 37 S. 1 SGB I geboten, soweit keine ausdrücklichen Regelungen oder Grundsätze des SGB VIII entgegenstehen. Dies ist nicht der Fall. Die Erstattungsvorschriften des SGB VIII regeln die Frage der Kostenerstattung für Fälle, in denen ein örtlich unzuständiger Träger Jugendhilfe geleistet hat, mit § 89c SGB VIII nur in den Konstellationen eines Zuständigkeitswechsels nach § 86c SGB VIII und der Verpflichtung zum vorläufigen Tätigwerden nach § 86d SGB VIII. Insofern treffen die §§ 89 ff. SGB VIII keine Regelung über Kostenerstattung im Fall der Übernahme einer Leistungsverpflichtung durch einen unzuständigen Träger, der ohne gesetzliche Verpflichtung handelt. Durch die Schaffung der §§ 89 ff. SGB VIII wollte der Gesetzgeber die Lücken des Erstattungsrechts im Jugendhilferecht schließen,
53vgl. BayVGH, Urteil vom 20.05.2009 – 12 B 08.2007 – juris, Rn. 33.
54Eine darüberhinausgehende Verdrängung der allgemeinen Erstattungsnormen aus dem SGB X war nicht beabsichtigt.
55Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass er entsprechend § 102 Abs. 1 SGB X vorläufig geleistet hat. Auf diese Weise soll ein nachträglicher Ausgleich erfolgen, sodass der Zustand hergestellt wird, der bestanden hätte, wenn von Anfang an der zuständige Leistungsträger geleistet hätte,
56vgl. Walter Böttiger in: Diering/Timme/Stähler, SGB X, 5. Aufl. 2019, § 105 Rn. 3.
57Der zuständige Leistungsträger soll keinen Vorteil dadurch erlangen, dass er aufgrund der Leistung des unzuständigen Leistungsträgers Aufwendungen erspart; im Gegenzug soll der tätig gewordene Leistungsträger nur die Ausgaben tragen, die ihm nach kompetenzrechtlicher Rechtslage vom Gesetzgeber auferlegt wurden.
58Es kann dahinstehen, ob die durch die Klägerin geleistete Inobhutnahme eine Sozialleistung im Sinne des § 105 Abs. 1 SGB X darstellt.
59Ablehnend BVerwG, Urteil vom 11.07.2013 – 5 C 24.12 – juris, Rn. 16, 17; OVG NRW, Beschluss vom 05.05.2021 - 12 B 477/21 – juris, Rn. 31; VG Münster, Urteil vom 19.05.2015 - 6 K 1095/14 – juris, Rn. 49; bejahend OVG Bremen, Beschluss vom 18.11.2015 - 2 B 221/15 – juris, Rn. 12 m.w.N.; offenlassend BVerwG, Urteil vom 21.10.2015 - 5 C 21.14 – juris, Rn. 15.
60Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) auf Kostenerstattung scheitert jedenfalls gemäß § 105 Abs. 3 SGB X an der fehlenden Kenntnis der Beklagten zu 1) von ihrer Leistungspflicht. Die Vorschrift des § 105 Abs. 3 SGB X ist auch für Streitigkeiten über Erstattungsansprüche von Jugendhilfeträgern untereinander anzuwenden,
61vgl. VG Koblenz, Urteil vom 23.02.2015 - 3 K 1243/13.KO – juris, Rn. 47 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 02.06.2005 – 5 C 30.04 – juris, Rn. 11.
62Nach § 105 Abs. 3 SGB X gelten die § 105 Abs. 1 und 2 gegenüber den Trägern der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen. Zweck des § 105 Abs. 3 SGB X ist es, in Anlehnung an die Regelung des § 18 SGB XII, wonach Sozialhilfeleistungen nur einen gegenwärtigen Bedarf abdecken sollen, zu verhindern, dass die Sozialhilfeträger (und Jugendhilfeträger) für die Vergangenheit erstattungspflichtig werden,
63vgl. Weber in: BeckOK Sozialrecht, 66. Edition, 01.03.2022, SGB X § 105 Rn. 24.
64Insofern wurde Jugendhilfeträgern ein besonderer Schutz vor Kostenerstattungen zugebilligt, selbst wenn dies nicht dem materiellen Recht entspricht.
65Einem Träger ist seine Leistungspflicht bekannt, wenn er weiß, dass deren tatsächliche Voraussetzungen, insbesondere die Hilfebedürftigkeit des Leistungsbeziehers, gegeben sind. Wenn sich ein örtlicher Träger irrtümlich für örtlich zuständig hält und Leistungen erbringt, für die ein anderer Träger örtlich zuständig gewesen wäre, besteht der Erstattungsanspruch insofern erst ab dem Zeitpunkt, an dem der tatsächlich zuständige örtliche Träger von seiner Leistungsverpflichtung Kenntnis erlangt.
66Im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Inobhutnahme des Hilfeempfängers durch die Klägerin vom 18.08.2018 bis 20.08.2018 hatte die Beklagte zu 1) keine positive Kenntnis von ihrer Leistungsverpflichtung. Zwar kannte die Beklagte zu 1) ihre generelle Verpflichtung zur Inobhutnahme des Hilfeempfängers nach §§ 42 Abs. 1 Nr. 3, 88a Abs. 2 S. 1 SGB VIII aufgrund der Zuweisungsentscheidung. Ihre konkrete Verpflichtung zur Inobhutnahme war jedoch aufgrund der Abgängigkeit des Hilfeempfängers ab dem 18.05.2018 und seines unbekannten Aufenthaltsorts (vorübergehend) entfallen. Die Inobhutnahme konnte tatsächlich nicht mehr fortgeführt werden, da die Beklagte zu 1) ihre Aufsichtspflichten und sonstige sorgerechtliche Verantwortung nicht mehr wahrnehmen konnte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Verpflichtung zur Inobhutnahme erst mit Kenntnis des neuen Aufenthaltsorts wieder einsetzt. Die Klägerin hat das Jugendamt der Beklagten zu 1) weder vor der Inobhutnahme noch unmittelbar danach über den aktuellen Aufenthaltsort des Hilfeempfängers informiert, obwohl ihr bekannt war, dass sich der Hilfeempfänger zuvor bei der Beklagten zu 1) aufgehalten hat. Der klägerische Vortrag in der mündlichen Verhandlung, bei dem 18.08.2018 habe es sich um einen Samstag gehandelt, ändert nichts. Die Beklagte zu 1) verfügt über einen Gefährdungsmeldungs-Sofort-Dienst (GSD), der rund um die Uhr, auch am Wochenende, telefonisch erreichbar ist und über die erforderliche Entscheidungskompetenz verfügt, Minderjährige in Obhut zu nehmen,
67https://www.stadt-koeln.de/artikel/01185/index.html.
68Zu diesem hätte die Klägerin auch bei Aufgriff des Hilfeempfängers Kontakt aufnehmen können und müssen. Etwaige Hinderungsgründe hat die Klägerin nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich, zumal die Klägerin in der Lage war, die Einrichtung in Köln zu kontaktieren. Zudem hätte die Klägerin spätestens am Montag, den 20.08.2018 das Jugendamt der Beklagten zu 1) informieren können und müssen. Die Beklagte zu 1) erfuhr jedoch erst mit Schreiben der Klägerin vom 28.08.2018 davon, dass der Hilfeempfänger in Hamburg aufgegriffen und vom 18.08.2018 bis 20.08.2018 durch die Klägerin in Obhut genommen worden war. Die Beklagte zu 1) muss sich weder die Kenntnis der Klägerin noch die Information der Einrichtung, in der der Hilfeempfänger vor seinem Entweichen nach Hamburg untergebracht war, durch die Klägerin zurechnen lassen. Denn eine normative Zurechnung der Kenntnis Dritter genügt nach dem Wortlaut des § 105 Abs. 3 SGB X nicht,
69BVerwG, Urteil vom 02.06.2005, a.a.O., Rn. 12.
70Ein Anspruch lässt sich schließlich auch nicht aus der „144. Empfehlung zur UMA-Kostenerstattung bei bundeslandübergreifendem Entweichen“ herleiten. Die Empfehlung hat den Inhalt, dass bei bundeslandübergreifendem Entweichen das nach § 88a Abs. 2 bzw. Abs. 3 SGB VIII zuständige Jugendamt – das sogenannte Zuweisungsjugendamt – dem tätig gewordenen Jugendamt die Kosten für Unterbringung und Betreuung des unbegleiteten minderjährigen Ausländers nach § 89b SGB VIII analog erstatten soll. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter trägt durch die Erarbeitung von Empfehlungen zu einer bundeseinheitlichen Anwendung des SGB VIII bei. Einen rechtsverbindlichen Charakter haben die Empfehlungen nicht.
71Mangels Erfolgs des Leistungsantrags scheidet auch ein Anspruch auf Prozesszinsen aus.
72II. Die hilfsweise erhobene Klage gegen den Beklagten zu 2) hat ebenfalls keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten zu 2) keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Inobhutnahme des Hilfeempfängers vom 18.08.2018 bis 20.08.2018.
73Die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 89d Abs. 1 S. 1 SGB VIII liegen nicht vor. Danach sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, vom Land zu erstatten, wenn innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet. Zwar nimmt der Beklagte zu 2) die nach § 89d SGB VIII dem Land Nordrhein-Westfalen obliegenden Aufgaben wahr, § 15a S. 1 AG-KJHG. Der Erstattungsanspruch richtet sich jedoch allein gegen das Bundesland, zu dem der erstattungsberechtigte Träger der öffentlichen Jugendhilfe gehört,
74Loos in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 89d Rn. 12,
75mithin gegen das Land Hamburg.
76Ob der Erstattungsanspruch darüber hinaus ausgeschlossen ist, weil die Klägerin ihn gegenüber dem Beklagten zu 2) gemäß § 111 SGB X nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend gemacht hat, kann somit dahinstehen.
77Darüber hinaus ist auch keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, die der Klägerin einen Anspruch gegen den Beklagten zu 2) als überörtlichen Jugendhilfeträger des Landes NRW vermitteln würde. Die Erstattungsnorm des § 89b Abs. 2 SGB VIII sieht schon dem Wortlaut nach ebenfalls nur eine Erstattung des überörtlichen Trägers vor, zu dessen Bereich der tätig gewordene örtliche Träger gehört.
78Mangels Erfolgs des Leistungsantrags scheidet auch ein Anspruch auf Prozesszinsen aus.
79B.
80Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
81C.
82Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Verfahren wirft eine in der Rechtsprechung bislang nicht geklärte fallübergreifende, verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage auf. Die Frage, welcher Jugendhilfeträger im Falle der Abgängigkeit eines bereits nach § 42b Abs. 3 SGB VIII zugewiesenen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen für die Inobhutnahme örtlich zuständig ist, ist in der Rechtsprechung bisher ungeklärt. Diese Rechtsfrage war für das Gericht entscheidungserheblich und bedarf im Interesse der Rechtssicherheit, der Rechtseinheit und der Rechtsfortbildung einer Klärung im Berufungsverfahren.
83Rechtsmittelbelehrung
84Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
85Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt; sie muss einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.
86Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
87Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
88Die Berufungsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
89Beschluss
90Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
911.043,07 Euro
92festgesetzt.
93Gründe
94Der festgesetzte Betrag entspricht der Höhe der streitigen Geldleistung (§ 52 Abs. 3 GKG).
95Rechtsmittelbelehrung
96Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
97Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
98Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
99Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
100Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.