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Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheids unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Sportwettbüro und hilfsweise die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheids.
3Das Vorhabengrundstück Gemarkung X. -T. , Flur 0, Flurstück 0000/000 mit der Adresse C. H. Str. 000, 00000 L. liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
4Am 2. Oktober 2019 reichte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer Gastronomie in ein Sportwettbüro ohne genehmigungspflichtige bauliche Änderungen ein. Das Vorhaben sieht das Angebot von Live-Wetten und Verweilmöglichkeiten vor.
5Mit Bescheid vom 7. April 2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass das Vorhabengrundstück in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO liege. Dort sei ein Sportwettbüro, welches eine Vergnügungsstätte darstelle, nicht zulässig. Sie wies auf § 49 Abs. 2 BauO NRW 2018 hin und darauf, dass die Räumlichkeiten augenscheinlich nicht barrierefrei zugänglich seien.
6Die Klägerin hat am 22. April 2020 Klage erhoben.
7Sie ist der Ansicht, dass es sich bei der Umgebungsbebauung i.S.d. § 34 BauGB um ein faktisches Mischgebiet i.S.d. § 6 BauNVO handele. Es lägen nahezu ausschließlich Einzelhandels- und gewerbliche Nutzungen in der Erdgeschosszone und Wohnnutzung in den darüber liegenden Obergeschossen vor. Damit liege ein ausgeglichenes Nebeneinander von Wohnnutzung (in den Obergeschossen) und gewerblicher Nutzung (in den Erdgeschossen) vor. Die Umgebung werde auch nicht, wie dies etwa für eine Gemengelage typisch sei, durch in keiner Weise mischgebietsverträgliche Nutzungen geprägt.
8Die Gebäude seien durchweg drei bis viergeschossig. Die Erdgeschosszone sei nahezu ausschließlich gewerblich genutzt. Die Obergeschosse seien ebenfalls zum Teil gewerblich genutzt. Der prozentuale Anteil der gewerblichen Nutzung betrage mithin mindestens ca. 30 %. Infolge vereinzelter gewerblicher und freiberuflicher Nutzung in den Obergeschossen sei der prozentuale Anteil der gewerblichen Nutzung sogar noch höher. Aufgrund der erhöhten Wahrnehmbarkeit der Erdgeschoßebene, sei diese stärker prägend für das Gebiet und könne eine etwaige Dominanz der Wohnnutzung in den Hintergrund drängen. Hinzu kämen die Außenwerbung der Gewerbebetriebe und der breite Fußgängerweg.
9Der C. H. Straße komme keine trennende Wirkung zu, weshalb auch die gegenüberliegende Straßenseite prägend für das Vorhabengrundstück sei.
10Der Gesetzgeber gehe in § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO selbst davon aus, dass es Gebietsteile in einem Mischgebiet geben könne, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt seien. Genauso könne es also auch Gebiete geben, die überwiegend durch eine Wohnnutzung geprägt seien, ohne dass diese ihren Charakter als Mischgebiet verlören. Ein Mischgebiet könne also auch dann vorliegen, wenn eine überwiegende Prägung durch eine der beiden Nutzungsarten vorliege. Selbst wenn hier also eine überwiegende Prägung durch eine Wohnnutzung vorliege, bedeute dies nicht, dass ein Mischgebiet ausscheide und eine Gemengelage vorliege. Vielmehr könne es sich auch um ein Mischgebiet handeln, das überwiegend durch Wohnnutzungen geprägt sei.
11Das Wettbüro sei daher jedenfalls nach § 6 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässig. Eine Ermessensentscheidung habe die Beklagte aber schon nicht getroffen. Erweise sich das Bauvorhaben auf der Tatbestandsebene als ausnahmefähig, sei die Ablehnung der hier beantragten ausnahmsweisen Zulassung ferner allenfalls dann ermessensgerecht, wenn besondere, nicht bereits von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO erfasste städtebauliche Gründe dem Vorhaben entgegenstünden. Es handele sich um einen kleinen Betrieb, der weit überwiegend von einigen wenigen Stammkunden aufgesucht werde. Das Ermessen sei in einem Fall wie diesem zu Gunsten des Bauherrn auf null reduziert. Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO liege nicht vor.
12Es drohe auch kein den Charakter des Gebiets verändernder Trading-Down-Effekt. Ein Widerspruch zur Eigenart eines Baugebiets im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO könne nicht durch die befürchteten Folgewirkungen der Zulassung eines Vorhabens, sondern nur durch dieses selbst eintreten. Ob das Hinzutreten weiterer Vergnügungsstätten einen derartigen Effekt auslösen würde, oder jedenfalls befürchten ließe, sei daher nicht Gegenstand der aktuellen Betrachtung.
13Das Vorhaben verstoße nicht gegen § 49 Abs. 2 BauO NRW, da die Voraussetzungen des § 49 Abs. 3 BauO NRW vorlägen. Hierzu legt sie ein mit „Unzumutbarkeitsnachweis barrierefreier Eingang, zur Zeit mit einer Stufe, gemäß § 49 BauO NRW“ überschriebenes Dokument vom 13. November 2020 vor.
14Die Klägerin beantragt sinngemäß,
15die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 7. April 2020 zu verpflichten, ihr die beantragte Baugenehmigung zu erteilen,
16hilfsweise,
17die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 7. April 2020 zu verpflichten, ihr einen Vorbescheid zur planungsrechtlichen Zulässigkeit zu erteilen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte vertrat zunächst die Ansicht, dass es sich bei der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB um kein faktisches Baugebiet im Sinne der §§ 2 ff. BauNVO handele, sondern um eine sog. Gemengelage. Der C. H. Straße komme eine trennende Wirkung zu. Ein faktisches Mischgebiet liege schon deshalb nicht vor, weil die Wohnnutzung überwiege. Das Vorhaben füge sich als Vergnügungsstätte nicht in die nähere Umgebung ein, da es in der Gemengelage keine Vorbilder gebe. Zudem sei das Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Unter dem Eindruck des im Klageverfahren durchgeführten Ortstermins äußerten die Vertreterinnen der Beklagten, es liege ein faktisches Mischgebiet vor.
21Das Vorhaben verstoße außerdem gegen das Bauordnungsrecht, indem es nicht den Anforderungen des § 49 Abs. 2 BauO NRW entsprechend barrierefrei und rollstuhlgerecht sei. Denn der Eingangsbereich weise eine Stufe auf. Es fehle auch an den nach Punkt 4.3.3.4 der DIN 18040-1 erforderlichen Bewegungsflächen vor Türen und der Unterfahrbarkeit des Tresenplatzes. Das Dokument vom 13. November 2020 sei, ungeachtet der Frage, ob ein solches im Gerichtsverfahren noch nachgereicht werden könne, schon nicht ausreichend substantiiert.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
23Entscheidungsgründe
24Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf eine solche verzichteten (§ 101 Abs. 2 VwGO).
25Die Klage hat mit dem Hilfsantrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
26Der Hauptantrag ist zulässig, aber unbegründet.
27Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 74 Abs. 1 BauO NRW liegen nicht vor, denn dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen.
28Dem Vorhaben steht bauordnungsrechtlich § 49 Abs. 2 BauO NRW entgegen.
29Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen gem. § 49 Abs. 2 BauO NRW im erforderlichen Umfang barrierefrei sein. Der Eingangsbereich zum Wettbüro verfügt über eine Stufe. Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit sind in den Bauvorlagen nicht vorgesehen.
30Es liegt auch kein Unzumutbarkeitsnachweis i.S.d. § 49 Abs. 3 BauO NRW vor. Der während des Gerichtsverfahrens nachgereichte „Unzumutbarkeitsnachweis“ vom 13. November 2020 ist bereits unbeachtlich, da seine Nachreichung nicht von der Beklagten gestattet wurde gem. § 70 Abs. 2 Satz 4 BauO NRW.
31Vgl. dazu ausführlich VG Köln, Gerichtsbescheid vom 26. September 2022 – 23 K 2093/22 –, juris.
32Im Übrigen ist der „Unzumutbarkeitsnachweis“ vom 13. November 2020 auch völlig unsubstantiiert und insofern unbrauchbar. Dass ein unverhältnismäßiger Mehraufwand entstehen würde, wird nur behauptet und in keiner Weise belegt.
33Der Hilfsantrag ist zulässig und teilweise begründet.
34Geht - wie hier - die Klägerin von der ursprünglichen Klage auf Erteilung einer uneingeschränkten Baugenehmigung im Wege der nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässigen Klageänderung auf eine solche auf Erteilung eines Vorbescheids mit eingeschränktem Umfang über, steht das Fehlen eines Vorverfahrens für den nunmehr beantragten Vorbescheid der Zulässigkeit der Klage dann nicht entgegen, wenn eine Durchführung des Vorverfahrens als reine Formalität entbehrlich erscheint. Das ist dann der Fall, wenn die Rechtsfragen, die nach der Klageänderung zur Prüfung anstehen, von der Baubehörde und der Widerspruchsbehörde bereits in dem den Bauantrag betreffenden Vorverfahren geprüft worden sind.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. März 2001 – 7 A 2983/98 –, Rn. 17-21, juris und Urteil vom 16. Juni 1997 – 10 A 6264/96 –, Rn. 23, juris; VG Köln, Urteil vom 14. März 2019 – 8 K 10075/16 –, Rn. 82, juris.
36Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat sich bereits mit der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens befasst und auf dieser Grundlage den ursprünglichen Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung abgelehnt.
37Der Hilfsantrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
38Die Sache ist nicht spruchreif, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, da die Beklagte noch eine Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Ausnahme gem. §§ 34 Abs. 2, 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 3 BauNVO zu treffen hat. Das Vorhaben der Klägerin kann im faktischen Mischgebiet nur ausnahmsweise zugelassen werden und eine Ermessensreduzierung auf null liegt nicht vor.
39Eines gesonderten Hilfsantrags zum Ausspruch der Verpflichtung zur Neubescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO bedarf es nicht, da dieser als Minus bereits im Antrag nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO enthalten ist.
40Anspruchsgrundlage für die Erteilung eines Bauvorbescheids ist § 77 BauO NRW. Die Klägerin begehrt hier die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheids.
41Da das Vorhabengrundstück im unbeplanten Innenbereich liegt, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB.
42Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB einem Mischgebiet i.S.d. § 6 BauNVO.
43Die für die Beurteilung des Einfügens eines Bauvorhabens maßgebliche „nähere Umgebung“ wird dadurch ermittelt, dass in zwei Richtungen, nämlich in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung und in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Dabei wird die nähere Umgebung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in der Regel weiter zu bemessen sein als z.B. bei der überbaubaren Grundstücksfläche oder beim Maß der baulichen Nutzung, weil bei den zuletzt genannten Merkmalen die Prägung in ihrer Reichweite im Allgemeinen hinter den von der Art baulicher Nutzung ausgehenden Wirkungen zurückbleibt. Entscheidend bleiben in jedem Fall die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall.
44Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 4 B 38/13 –, juris; OVG NRW, Urteil vom 9. August 2018 – 7 A 2554/16 –, Rn. 28, juris.
45Nach den vorstehenden Maßstäben und dem im Ortstermin gewonnenen Eindruck des Berichterstatters, den er der Kammer in der Beratung vermittelt hat, ist als maßgebliche nähere Umgebung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung jedenfalls die Bebauung der C. H. Straße 000 bis 000 in den Blick zu nehmen. Ob die C. H. Straße selbst trennende Wirkung hat oder auch die gegenüberliegende Straßenseite die Eigenart der näheren Umgebung prägt, kann dahinstehen, da sie in der Art der Bebauung der Straßenseite des Vorhabengrundstücks entspricht.
46In den danach maßgeblichen Bereich fügt sich das Wettbüro als Vergnügungsstätte der Art der Nutzung nach wenn dann ausnahmsweise gem. § 6 Abs. 3 BauNVO ein. Das Vorhaben ist nicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO allgemein zulässig.
47Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO sind Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in den Teilen des Gebiets, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind, zulässig.
48Dass es sich bei dem Vorhaben um eine nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO handelt, steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Daran bestehen bei den geplanten zwölf Sitzplätzen und sechs SB-Wettautomaten auf 48,88 m² Nutzfläche auch keine Zweifel.
49Das Vorhaben der Klägerin liegt nicht in einem Teilgebiet des faktischen Mischgebiets, das durch überwiegende gewerbliche Nutzung geprägt ist. Die Frage der überwiegenden Prägung durch gewerbliche Nutzungen im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO ist nicht stets dann schon zu verneinen, wenn der prozentuale Anteil der jeweils grundstücksbezogen ermittelten gewerblich genutzten Geschossflächen gegenüber dem Anteil der der Wohnnutzung dienenden Geschossflächen rechnerisch kein Übergewicht hat. Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung aller gebietsprägenden Faktoren.
50Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. August 2018 – 7 A 2554/16 –, Rn. 34, juris, m.w.N.
51Nach der Gesamtwürdigung aller Umstände für die Situation des hier in den Blick zu nehmenden Bereichs, ist zwar vom Vorliegen eines faktischen Mischgebiets auszugehen, jedoch nicht von einer überwiegend gewerblichen Nutzung. Die Wohnnutzung in den Obergeschossen der in der Regel drei- bis viergeschossigen Gebäude tritt deutlich in Erscheinung und wird von der in erster Linie in den Erdgeschossen befindlichen gewerblichen Nutzung keineswegs in den Hintergrund gedrängt. Nur vereinzelt gibt es gewerbliche Nutzungen in Obergeschossen. An anderer Stelle gibt es dafür auch Wohnnutzung im Erdgeschoss. Insgesamt überwiegt die Wohnnutzung rein prozentual aber auch in der Wahrnehmung schon deshalb, weil es aufgrund der Drei- bis Viergeschossigkeit der Gebäude mehr (wohngenutzte) Obergeschosse als (gewerblich genutzte) Erdgeschosse gibt. Der Gesamteindruck besteht auch unter Berücksichtigung des Zuschnitts der Gehsteige und der Außenwerbung. Dies betrifft das gesamte faktische Mischgebiet, mithin auch den Teilbereich, in dem das Vorhaben der Klägerin liegt.
52Über die deswegen nur als Ausnahme in Betracht kommende Zulassung des Wettbüros hat die Beklagte bislang nicht entschieden, da sie im Verwaltungsverfahren noch vom Vorliegen eines faktischen allgemeinen Wohngebiets ausging.
53Eine Ermessensreduzierung auf null liegt nicht vor.
54Anders als bei der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB
55vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 19. September 2002 – 4 C 13.01 –, BVerwGE 117, 50-58, Rn. 31,
56die im Gegensatz zur Ausnahme von engen tatbestandlichen Voraussetzungen abhängig ist, erfordert allein das Vorliegen der Rechtsvoraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB nicht schon in aller Regel deren Erteilung.
57So auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2020 – 8 S 1784/18 –, Rn. 42, juris; a.A. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2020 – 2 A 691/17 –, Rn. 100, juris und Urteil vom 25. März 2014 – 2 A 2679/12 –, Rn. 134, juris, Bayerischer VGH, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 2 B 09.2419 –, Rn. 39, juris.
58Bei der Ausübung des Ausnahmeermessens dürfen zwar nur städtebauliche Gründe berücksichtigt werden, so dass in Fällen, in denen solche einem ausnahmefähigen Vorhaben nicht entgegengehalten werden können, für eine ablehnende Ermessensentscheidung kein Raum mehr bleibt. Auch genügt für die Versagung einer Ausnahme nicht jede städtebauliche Erwägung, mit der eine Gemeinde einen Bebauungsplan ändern könnte. In städtebaulicher Hinsicht ist bei der Ermessensausübung aber zu berücksichtigen, dass § 6 Abs. 3 BauNVO Vergnügungsstätten – zum Schutz des Wohnens vor von diesen typischerweise ausgehenden Störungen – in nicht überwiegend gewerblich geprägten Teilen von Mischgebieten nur als Ausnahme und gerade nicht allgemein zulässt. Der Verordnungsgeber hält Vergnügungsstätten und Wohnungen bzw. andere sensible Nutzungen aus dem Katalog des § 6 Abs. 2 BauNVO aufgrund erwartbarer Nutzungskonflikte nicht allgemein, sondern nur ausnahmsweise für verträglich und räumt dabei der Wohnnutzung grundsätzlich den Vorrang ein. Dies kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass den Baurechtsbehörden die Feststellungslast für im Einzelnen bestehende, konkrete Störwirkungen auferlegt wird oder die Ausnahme im Wesentlichen nur unter den Vorbehalt der grundsätzlichen Gebietsverträglichkeit und des § 15 Abs. 1 BauGB gestellt wird. Denn dadurch würde die Ausnahmezulassung einer Regelzulassung weitgehend gleichgestellt und der nach der Baunutzungsverordnung bestehende Ausnahmecharakter einer Zulassung von Vergnügungsstätten in nicht überwiegend gewerblich geprägten Teilen von Mischgebieten nicht hinreichend beachtet. Die Erteilung einer Ausnahme beschränkt sich zwar nicht von vornherein auf die Zulassung einzelner atypischer Sonderfälle. Die Baurechtsbehörden müssen aber das in § 6 Abs. 2 und 3 BauNVO zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten der Wohnnutzung berücksichtigen, die mit Blick auf die von Vergnügungsstätten nach der gesetzlichen Typisierung regelmäßig ausgehenden Störungen besonders sensibel ist. Sie handeln daher nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie dem Schutz des Wohnens den Vorrang einräumen und eine Ausnahmeerteilung versagen, sofern nicht die der Typisierung zugrundeliegenden Störwirkungen im Einzelfall nicht zu besorgen sind oder geringer wiegen, etwa weil das Vorhaben selbst oder die örtlichen Verhältnisse in der unmittelbaren Umgebung Besonderheiten insbesondere in Form einer entsprechenden Vorbelastung durch zugelassene Nutzungen aufweisen. Da nach § 6 Abs. 3 BauNVO bei der ausnahmsweisen Zulassung von Vergnügungsstätten der Schutz der Wohnnutzung und anderer sensibler Nutzungen im Vordergrund steht, kommt eine solche in Gebietsteilen, in denen in nicht unerheblichem Umfang weniger sensible Nutzungen angesiedelt sind, deswegen eher in Betracht als in solchen mit überwiegender Wohnnutzung wie hier.
59Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2020 – 8 S 1784/18 –, Rn. 42, juris, m.w.N. und Niedersächsisches OVG, Urteil vom 14. September 1990 – 1 L 8/90 –, Rn. 10, juris.
60Von einer verminderten Schutzbedürftigkeit der das Vorhabengrundstück überwiegend umgebenden Wohnbebauung oder einem reduzierten Störpotential des vorgesehenen Betriebs kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Für eine relevante Vorbelastung insbesondere durch emissionsträchtige Gewerbebetriebe ist im näheren Umfeld nichts ersichtlich. Das vorgesehene Wettbüro erweist sich mit der vorgesehenen Größe und Ausstattung auch nicht als wenig störend. Da nach der gesetzlichen Typisierung im Grundsatz von Nutzungskonflikten ausgegangen werden muss, kann eine verminderte, die Erteilung einer Ausnahme rechtfertigende Störwirkung stets nur anhand der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden. Dass das Störpotential des geplanten Wettbüros konkret vermindert oder die den Vorhabenstandort umgebenden Wohnnutzungen weniger störanfällig wären, ist aber nicht ersichtlich. Vielmehr dürfte zu berücksichtigen sein, dass sich das geplante Wettbüro im Erdgeschoss eines in den Obergeschossen zu Wohnzwecken genutzten Gebäudes befindet. Eine in den Bauvorlagen als Notausgang gekennzeichnete Tür führt unmittelbar in den Hausflur, welcher zu den Wohneinheiten im Gebäude führt.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
62Die Berufung ist gem. § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
63Rechtsmittelbelehrung
64Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
65Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt; sie muss einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.
66Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
67Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
68Die Berufungsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
69Beschluss
70Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
7125.000,00 €
72festgesetzt.
73Gründe
74Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache für die Klägerin ist es angemessen, den Streitwert auf den festgesetzten Betrag zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG).
75Rechtsmittelbelehrung
76Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
77Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
78Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
79Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
80Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.