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1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Antragsteller ist seit 2016 Inhaber eines Triebfahrzeugführerscheins.
4Per anonymen Hinweises erfuhr die Antragsgegnerin, dass sich der Antragsteller am 21. Oktober 2021 um 14:51 Uhr Essen sowie zwei Flaschen alkoholhaltiges Bier in die „Lok“ bestellt haben soll. Laut des Hinweisgebers bestehe der Verdacht, dass der Antragsteller ein Alkoholproblem habe und während des Dienstes Alkohol konsumiere.
5Im Rahmen anschließender Ermittlungen erfuhr die Antragsgegnerin, dass der Antragsteller bereits am 3. Februar 2021 mit einem PKW die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 26 km/h überschritten hatte.
6Zudem stellte die Antragsgegnerin fest, dass ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, wonach der Antragsteller am 15. März 2021 am öffentlichen Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss teilgenommen haben soll. Dieses Verfahren wurde jedoch zwischenzeitlich am 5. September 2022 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
7Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. April 2022 wandte sich die USJ U. S. J. GbR (USJ) u.a. an das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) und beschwerte sich über den Antragsteller. Dieser soll zum einen als Verantwortlicher der X. G. M. GmbH & Co. KG (XGM) Leiharbeiter, die die XGM an die USJ überlassen hatte, angestiftet haben, bewusst Verspätungen herbeizuführen, um USJ einen Reputationsschaden beizufügen. Zum anderen sei er an einem Diebstahl beteiligt gewesen. Die USJ habe am 23. März 2021 verschiedene n-Wagen der DB Regio AG besichtigt und später auch erworben. Drei Wagen seien am 8. April 2021 von der Firma N. F. GmBH, einer DB-Tochter, im Auftrag des DB Stillstandsmanagements gegen den Willen und ohne Wissen der DB Regio AG bzw. der USJ vom Standort des DB Stillstandsmanagements in F1. nach F2. zur Firma U1. T. GmbH zur Abstellung verbracht worden. Am 9. April 2021 habe der Antragsteller den Geschäftsführer der Gesellschaft für Fahrzeugtechnik mbH in D. , Herrn L. O. , angerufen und diesem mitgeteilt, er beginne am kommenden Tag in F2. mit dem Ausbau von Teilen aus den Wagen. Hierzu soll der Antragsteller Herrn O. um Rat gebeten haben bzgl. eines Ausbaus einer großen Zugzielanzeige an der Stirnseite eines Steuerwagens. Zwischen dem 8. April und dem 19. April 2021 seien in der Folge dann mehrere meist hochwertige Teile ausgebaut und entwendet worden. Auch an zehn weiteren dort abgestellten Reisezugwagen seien Teile im großen Umfang entwendet worden. Die DB Regio AG beziffere den Schaden insgesamt auf rund 500.000 Euro.
8Die USJ und die DB Regio AG stellten Strafanzeige gegen den Antragsteller. Das Ermittlungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft F2. geführt (Az.: 210 Js 5498/21).
9Im Rahmen einer Hausdurchsuchung bei der XGM im Januar 2022 wurde eine Vielzahl gestohlener Teile sichergestellt, die nicht nur zu den Vorfällen im April 2021 gehörten, sondern auch zu anderen Taten Verbindungen aufwiesen. Den in Teilen seitens der Antragsgegnerin vorgelegten Ermittlungsakten der Staatsanwalt F2. sind Zeugenaussagen des Herrn M1. vom 5. April 2022 und 11. Mai 2022, des Herrn S1. vom 2. Mai 2021, des Herrn L1. vom 10. Mai 2022, des Herrn I. vom 16. Juni 2022, des Herrn E. vom 16. Juni 2022, des Herrn E1. vom 2. Juni 2022 sowie des Herrn K. vom 15. Juni 2022 und vom 9. Oktober 2022 zu entnehmen. Einem Schreiben der DB Regio AG vom 2. Juni 2022 ist zu entnehmen, dass die XGM keines der fraglichen Fahrzeuge gekauft habe und es auch keine Genehmigung für den Ausbau von Ersatzteilen gegeben habe. Entsprechend hatte sich bereits Frau L2. – Verantwortliche der DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH – am 8. Juni 2021 gegenüber den ermittelnden Behörden geäußert.
10Der jeweilige Ermittlungsstand wurde in den seitens der Antragsgegnerin zur Gerichtsakte gereichten Sachstandsberichten der Bundespolizei vom 1. Juni 2021, und vom 22. Juli 2021 sowie einem undatierten weiterführenden Ermittlungsbericht zusammengefasst.
11Mit Schreiben vom 20. Juni 2022 wurde der Antragsteller zu einer beabsichtigten Entziehung des Triebfahrzeugführerscheins angehört, auf die er mit anwaltlichem Schreiben vom 29. August 2022 reagierte. Die Vorwürfe seien das Ergebnis einer gezielten Desavouierung und Kompromittierung seitens der USJ. Eine einzelne Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr sei unzureichend, um die eisenbahnverkehrsrechtliche Unzuverlässigkeit zu belegen. Zum Zeitpunkt der Essensbestellung sei die Lokomotive bereits abgestellt gewesen und an diesem Tag nicht mehr in Betrieb gewesen. Die behauptete Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss werde bestritten. Die Verspätungen bei USJ gingen allein auf deren schlechte Planung zurück. Er habe jedenfalls keine Mitarbeiter angestiftet, Verspätungen gezielt herbeizuführen. Hinsichtlich der Diebstahlsvorwürfe erwarte er ebenfalls keine Verurteilung. Jedenfalls habe er bis zu einer Verurteilung als unschuldig zu gelten. Den Ausbau von Sitzen in F2. habe ihm Herr E1. von der Verwertungsfirma ausdrücklich erlaubt.
12Mit Bescheid vom 31. August 2022 ordnete die Antragsgegnerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins an. Zur Begründung führte sie aus, die Entscheidung beruhe auf § 19 Abs. 3 TfV. Es bestünden Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers. Zwar habe der Antragsteller den Verdacht des Führens eines Triebfahrzeugs unter Alkoholeinfluss (Ereignis vom 21. Oktober 2021) ausräumen können und die Beschuldigungen hinsichtlich von Diebstählen fänden im vorliegenden Verfahren ebenfalls keinen Eingang. Dem Antragsteller seien jedoch zwei erhebliche Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften – Geschwindigkeitsüberschreitung und Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss – zur Last zu legen. Die Aussetzung diene dem Zweck der Eisenbahnsicherheit und sei im Übrigen verhältnismäßig. Die Zweifel an der Zuverlässigkeit könne der Antragsteller durch eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) ausräumen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei begründet, da ansonsten die Gefahr bestehe, dass neben dem Antragsteller auch Dritte in einem nicht zu kalkulierenden Umfang gefährdet würden, sollte es bei einer Ausübung der Tätigkeit des Triebfahrzeugführers durch ihn zu Unregelmäßigkeiten kommen. So seien gewichtige Rechtsgüter der Allgemeinheit gefährdet, die das Interesse des Antragstellers, seinen Triebfahrzeugführerschein vorerst weiter ausnutzen zu können, überwögen.
13Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch und führte zur Begründung aus, die Geschwindigkeitsüberschreitung rechtfertige die Aussetzung alleine nicht. Das Verfahren wegen angeblich vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt sei mangels Tatverdacht mittlerweile eingestellt worden, sodass sich hieraus keine Unzuverlässigkeit ableiten lasse.
14Mit Bescheid vom 31. Oktober 2022 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins sei gerechtfertigt, da der Antragsteller unzuverlässig sei. Im Unterschied zum Ausgangsbescheid sei auch das laufende Ermittlungsverfahren in Bezug auf Diebstahlshandlungen zu berücksichtigen. Die der Ermittlungsakte zu entnehmenden festgestellten Tatsachen begründeten bei einer Gesamtwürdigung des Verhaltens überwiegende Zweifel, dass der Antragsteller die Tätigkeit eines Triebfahrzeugführers in Zukunft ordnungsgemäß ausüben werde. Der Antragsteller habe selbst eingestanden, Teile aus ausrangierten, fremden Schienenfahrzeugen ausgebaut zu haben. Diese seien in der Folge einer Zweitverwertung durch dessen Arbeitgeber zugeführt worden. Insoweit habe der Antragsteller auch ein Unrechtsbewusstsein gehabt. Die Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins sei auch verhältnismäßig und unter Berücksichtigung der betroffenen Berufsausübungsfreiheit angemessen.
15Der Antragsteller hat bereits am 15. September 2022 einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
16Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, Anhaltspunkte für eine Alkoholsucht bestünden ersichtlich nicht. Der Geschwindigkeitsverstoß sei allein nicht geeignet, seine Unzuverlässigkeit zu begründen. Alle anderen Anschuldigungen seien entweder durch Verfahrenseinstellung fallengelassen worden (Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss) oder es liefen noch Ermittlungen, sodass die Unschuldsvermutung greife (Diebstahlvorwürfe). Soweit für die Staatsanwaltschaft ein Anfangsverdacht genüge, um mit Ermittlungen zu beginnen, sei dies in Bezug auf die Feststellung der Unzuverlässigkeit eines Triebfahrzeugführers der falsche Maßstab. Unabhängig davon wiesen die strafrechtlichen Vorwürfe keinen Tätigkeitsbezug zur Tätigkeit als Triebfahrzeugführer auf. Bei seiner beruflichen Tätigkeit sei der Antragsteller nie als kritikwürdig aufgefallen. Eisenbahnrechtsverstöße würden ihm nicht vorgeworfen. Zum Vorwurf selbst sei anzuführen, dass das Eigentum an den Ersatzteilen aufgegeben worden sei. Er habe diese lediglich vor einer sinnlosen Vernichtung bewahrt. Jedenfalls habe er kein Bewusstsein von der Erfüllung eines Diebstahltatbestandes und der Rechtswidrigkeit gehabt. Der Ausbau habe in Absprache mit dem Schrottplatzpersonal stattgefunden. So habe er am 10. September 2020 eine Genehmigung von Herrn E1. erhalten. Am 17. November 2020 habe er Kontakt mit Herrn C. und Herrn L3. gehabt, die einen Ausbau erlaubt hätten.
17Ursprünglich hat der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs beantragt. Nachdem die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 31. Oktober 2022 den Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen hatte, hat der Antragsteller am 9. November 2022 Klage erhoben (18 K 6143/22).
18Er beantragt nunmehr,
19die aufschiebende Wirkung der Klage 18 K 6143/22 gegen den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 9. November 2022 wiederherzustellen.
20Die Antragsgegnerin beantragt,
21den Antrag abzulehnen.
22Zur Begründung verweist sie auf den Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, bereits der Geschwindigkeitsverstoß sei ein erheblicher Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften, sodass es unerheblich sei, dass das andere straßenverkehrsrechtliche Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Soweit der Antragsteller behaupte, er habe mit Genehmigung des Schrottplatzbetreibers Teile ausgebaut, sei dies unwahrscheinlich, da der entsprechende Zerlegevertrag zwischen der Eigentümerin der Wagen (DB Regio AG) und der Firma U1. T. GmbH vorsehe, dass der Zerleger keine Weiterveräußerung vornehmen dürfe und die Wagen bis zur Zerlegung im Eigentum der DB Regio AG verblieben.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im hiesigen Verfahren sowie im Klageverfahren 18 K 6143/22 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
24II.
25Der nach Erlass des Widerspruchsbescheids auf die dadurch veränderte prozessuale Lage angepasste zulässige Antrag,
26die aufschiebende Wirkung der Klage 18 K 6143/22 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31. August 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2022 wiederherzustellen,
27hat keinen Erfolg, da er unbegründet ist.
28Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in dem auch hier vorliegenden Fall, bei dem die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet worden ist. Das Gericht der Hauptsache kann allerdings in einem solchen Fall gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.
29Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist bereits dann aufzuheben, wenn diese formell nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Im Übrigen hängt die Begründetheit des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO davon ab, ob das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung einer Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist der Fall, wenn bei summarischer Prüfung Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Erweist sich die Ordnungsverfügung als offensichtlich rechtmäßig und ist darüber hinaus ein besonderes Vollziehungsinteresse gegeben, überwiegt hingegen das öffentliche Vollziehungsinteresse. Bei offenen Erfolgsaussichten ist dem Antrag stattzugeben, wenn bei einer allgemeinen Abwägung der beiderseitigen Interessen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse überwiegt.
30In formaler Hinsicht genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung den Maßstäben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts schriftlich zu begründen.
31Die Antragsgegnerin hat im Bescheid einzelfallbezogen dargelegt, dass die sofortige Vollziehung der Verfügung im öffentlichen Interesse liege. Sie war sich des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst und hat dies in der angefochtenen Verfügung hinreichend zum Ausdruck gebracht. Zur Begründung stellt sie darauf ab, dass beim Antragsteller das Vorhandensein der erforderlichen Zuverlässigkeit nicht sichergestellt sei. Sollte es bei einer Ausübung der Tätigkeit des Triebfahrzeugführers durch ihn zu Unregelmäßigkeiten kommen, bestünde die Gefahr, dass neben ihm auch Dritte in einem nicht zu kalkulierenden Umfang gefährdet würden. So seien gewichtige Rechtsgüter der Allgemeinheit gefährdet, die das Interesse des Antragstellers, seinen Triebfahrzeugführerschein vorerst weiter ausnutzen zu können, überwögen.
32Die Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin fällt zulasten des Antragstellers aus, da nach summarischer Prüfung keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Der Ausgangsbescheid der Antragsgegnerin vom 31. August 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Oktober 2022 ist nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Auch liegt das besondere öffentliche Vollziehungsinteresse vor.
33Die Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins des Antragstellers beruht auf § 19 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung über die Erteilung der Fahrberechtigung an Triebfahrzeugführer sowie die Anerkennung von Personen und Stellen für Ausbildung und Prüfung (TfV). Danach kann die zuständige Behörde – hier das Eisenbahn-Bundesamt – den von ihr erteilten Triebfahrzeugführerschein aussetzen oder entziehen, wenn ein Triebfahrzeugführer die Voraussetzungen für die Erteilung eines Triebfahrzeugführerscheins nicht mehr erfüllt.
34Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 TfV erteilt die zuständige Behörde den Triebfahrzeugführerschein nach Anlage 1, wenn der Bewerber u.a. für seine Tätigkeit zuverlässig ist (Nr. 6). Gemäß § 5 Abs.1 Satz 5 TfV ist die erforderliche Zuverlässigkeit insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Bewerber an einer Suchtkrankheit leidet oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen hat.
35§ 5 Abs. 1 TfV ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Norm beruht auf der Ermächtigung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr in § 26 Abs. 1 Nr. 4 AEG und wurde mit Zustimmung des Bundesrates erlassen. Die Regelung findet eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung i.S.d. Art. 80 Abs. 1 GG. Sie genügt dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot und erlaubt einen etwaig erfolgenden Eingriff in die Berufsfreiheit. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass der unbestimmte Rechtsbegriff „Zuverlässigkeit“ Tatbestandsvoraussetzung für die Erteilung des Triebfahrzeugführerscheins ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 TfV).
36Eingehend: VG Köln, Urteil vom 25. März 2022 – 18 K 382/20 – n.v., und Beschluss vom 17. Dezember 2020 – 18 L 2033/20 – n.v.; OVG Münster, Beschluss vom 5. März 2021 – 11 B 2060/20 – juris.
37Dabei unterliegt die Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes über die eisenbahnverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit vollständig der gerichtlichen Kontrolle. Der Behörde steht insoweit kein Beurteilungsspielraum zu.
38Vgl. zum Luftsicherheitsrecht: BVerwG, Urteil vom 15. Juli 2004 – 3 C 33.03 – juris Rn. 16; zur TfV: VG Köln, Urteil vom 25. März 2022 – 18 K 382/20 – n.v.
39Die Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Zuverlässigkeit ist in ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte dahingehend erfolgt, dass als zuverlässig gilt, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens die Gewähr dafür bietet, dass er seine Tätigkeit künftig ordnungsgemäß ausfüllen wird und dementsprechend als unzuverlässig gilt, wer diese Gewähr nicht bietet.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1982 – 1 C 146.80 – juris Rn. 13; OVG Münster, Beschluss vom 3. September 2020 – 4 A 2461/19 – juris Rn. 7. Zur TfV: VG Köln, Urteil vom 25. März 2022 – 18 K 382/20 – n.v., Beschluss vom 17. Dezember 2020 – 18 L 2033/20 – n.v.; OVG Münster, Beschluss vom 5. März 2021 – 11 B 2060/20 – juris.
41Die Zuverlässigkeit wird dabei prognostisch bewertet. Im Hinblick auf die hier fragliche Tätigkeit eines Triebfahrzeugführers sind zur Bestimmung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung ergänzend die in § 5 Abs. 1 Satz 5 TfV aufgeführten Fallgruppen heranzuziehen, die als Ergebnis einer wertenden Betrachtung des Verordnungsgebers weitere Orientierung für das Verständnis der Regelung geben. Danach ist die erforderliche Zuverlässigkeit insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Bewerber an einer Suchtkrankheit leidet oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften verstoßen hat. Im Gegensatz zum Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG), auf welches die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung verweist, finden sich in der TfV (noch) keine weiteren Regelbeispiele oder sonstige Ausschlussgründe, die den Begriff der Zuverlässigkeit weiter konkretisieren. Da die Fallbeispiele in § 5 Abs. 1 Satz 5 TfV indes nicht abschließend sind („insbesondere“), kann sich die Unzuverlässigkeit auch aus anderen tatsächlichen Gegebenheiten und Erkenntnissen ergeben, die eine negative Prognoseentscheidung rechtfertigen.
42Derartige Erkenntnisse können sich auch aus staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren oder noch laufenden strafgerichtlichen Verfahren ergeben. Hierin liegt kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung.
43Vgl. VG Bremen, Beschluss vom 29. Juni 2022 – 5 V 333/22 – juris Rn. 22; VG Würzburg, Urteil vom 19. August 2015 – W 6 K 15.466 – juris Rn. 19.
44Denn bei der Überprüfung der eisenbahnverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit geht es nicht um die Feststellung eines strafwürdigen Verhaltens, sondern es handelt sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, die einen anderen Zweck als das Strafverfahren verfolgt und für die die Unschuldsvermutung nicht eingreift.
45Vgl. ebenso zu § 7 LuftSiG: BVerwG, Urteil vom 14. April 2011 – 3 C 20.10 – juris Rn. 29; zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AG GlüStV NRW: OVG Münster, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – 4 B 734/18 – juris Rn. 21.
46Es liegt auch kein Fall der Doppelbestrafung vor, da die Ordnungsmaßnahme der Antragsgegnerin keine Sanktion für das Fehlverhalten in der Vergangenheit ist, sondern dem Schutz der Allgemeinheit dient.
47Vgl. VG Würzburg, Urteil vom 19. August 2015 – W 6 K 15.466 – juris Rn. 19.
48Im Ergebnis hängt die Berücksichtigung von strafbarem Verhalten im Rahmen der Prüfung einer (allgemeinen) Zuverlässigkeit noch nicht einmal davon ab, ob die Tathandlungen von der Staatsanwaltschaft tatsächlich verfolgt werden.
49Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 23. April 2015 – 4 A 955/13 – juris Rn. 15.
50Letztlich ist auf eine Gesamtwürdigung aller einschlägigen Umstände abzustellen, namentlich die Art und die Umstände des Verhaltens des Betroffenen sowie die Entwicklung seiner Persönlichkeit. Je näher die Straftat dem ausgeübten Gewerbe bzw. der erlaubnispflichtigen Tätigkeit steht, je größer der Unrechtsgehalt der Tat und die Schuld ist, umso mehr spricht für seine Unzuverlässigkeit.
51Vgl. VG Würzburg, Urteil vom 19. August 2015 – W 6 K 15.466 – juris Rn. 19.
52Laufen jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung strafrechtliche Ermittlungsverfahren, folgt daraus, dass die Verwaltungsbehörde und das Verwaltungsgericht sich derselben Beweismittel bedienen können, die Gegenstand der strafrechtlichen Verfahren sind. Sie haben jedoch die Gesetzwidrigkeit des Verhaltens aus eigener Kompetenz heraus selbstständig zu prüfen und zu würdigen.
53Vgl. VGH München, Beschluss vom 11. Februar 2019 – 4 ZB 18.378 – juris Rn. 43; VG Bremen, Beschluss vom 29. Juni 2022 – 5 V 333/22 – juris Rn. 22.
54Dazu gehört auch, dass bei der Würdigung derartiger Erkenntnisse im Einzelfall zu berücksichtigen ist, ob es sich um noch laufende Ermittlungen oder um eine bereits rechtskräftige Verurteilung handelt.
55Vgl. zu § 7 LuftSiG: BVerwG, Urteil vom 14. April 2011 – 3 C 20.10 – juris Rn. 29.
56Bei Anwendung der vorgenannten Maßstäbe fehlt es dem Antragsteller nach Aktenlage und summarischer Prüfung an der für die Erteilung eines Triebfahrzeugführerscheins erforderlichen Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 TfV. Denn nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens bietet er nicht die Gewähr, dass er die Tätigkeit als Triebfahrzeugführer künftig ordnungsgemäß ausfüllen wird.
57Nach dem Stand des Verfahrens und summarischer Prüfung ist anzunehmen, dass die dem Antragsteller seitens der Ermittlungsbehörden vorgehaltenen Tathandlungen, die er dem Grunde nach mit seinen Ausführungen im gerichtlichen Verfahren selbst nicht bestreitet, den Tatbestand des Diebstahls erfüllen. Danach hat er in mindestens zwei Tatzeiträumen – September 2020 und April 2021 – Ersatzteile aus zur Verwertung und Zerlegung abgestellten Fahrzeugen der DB Regio AG auf dem Gelände der U1. T. GmbH (Zerlegefirma) widerrechtlich ausgebaut und in Zueignungsabsicht zu eigenen Zwecken entwendet. Diese Handlungen sind auch ausreichend, um die Unzuverlässigkeit des Antragstellers zu belegen. Dabei ist auch die besondere Nähe zur beruflich ausgeübten Tätigkeit als Triebfahrzeugführer zu berücksichtigen.
58Diese tatsächlichen Abläufe werden auch durch verschiedene Zeugenaussagen inhaltlich bestätigt. So gab Herr M1. im April 2022 an, dass der Antragsteller „mehrfach in WhatsApp-Gruppen sowie privat damit angegeben [habe], wichtige Fahrzeugteile in F2. (...) entwendet zu haben. (...) In F2. war (...) der Verwertungsbetrieb beteiligt, da diese ihm seine ausgebauten Ersatzteile mittels Rangierlok zum Standort des Firmenwagens befördert haben.“ Dies bestätigt auch Herr L1. in seiner Zeugenaussage von Mai 2022, wonach der Antragsteller die „Teile nur ins F2. klaut“. Herr M1. ergänzte im Mai 2022 seine Angaben dahingehend, dass die XGM ein wirtschaftliches Interesse an den Ersatzteilen gehabt habe, um an den selbst genutzten Fahrzeugen Reparaturen durchführen zu können. Dabei habe es sich um Ersatzteile „wie Polster, Zugzielanzeigen, modulare Führerraumanzeigen“ gehandelt. Herr S1. gab im Mai 2021 an, dass der Antragsteller Herrn O. am 9. April 2021 angerufen habe, da er am gleichen Tag nach F2. fahren werde, um dort „aus den Wagen Teile auszubauen“. Herr O. sollte ihm erklären, „wie man die große Zugzielanzeige an der Stirnseite der Steuerwagen ausbaue“. Herr I. gab im Juni 2022 an, mit dem Antragsteller im September 2020 Teile in F2. ausgebaut zu haben. Aufgrund von Telefonaten des Antragstellers und der Unterstützung vor Ort – Mitarbeiter der Zerlegefirma halfen mittels Lokomotive beim Transport – sei er aber davon ausgegangen, dass eine Erlaubnis für den Ausbau vorgelegen habe. Herr E. , Mitarbeiter der Zerlegefirma, bestätigte die Unterstützungsleistung mittels Lokomotiv-Transports.
59Die Ermittlungsberichte der Bundespolizei weisen auf weitere Zeugenaussagen hin, wonach der Antragsteller zudem im November 2020 in N1. ebenfalls Teile ohne Genehmigung ausgebaut haben soll.
60Die inhaltlichen Ausführungen des Antragstellers zu den Handlungen sind insgesamt nicht geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen.
61Dem Antragsteller muss klar gewesen sein, dass die Gegenstände im Eigentum eines Dritten gestanden haben. Einem Schreiben der DB Regio AG vom 2. Juni 2022 ist zu entnehmen, dass die XGM keines der fraglichen Fahrzeuge gekauft und es auch keine Genehmigung für den Ausbau von Ersatzteilen gegeben hatte. Entsprechend hatte sich bereits Frau L2. – Verantwortliche der DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH – am 8. Juni 2021 gegenüber den ermittelnden Behörden geäußert.
62Soweit der Antragsteller vorträgt, er habe keinen Diebstahl begangen, da das Eigentum an den ausgebauten Gegenständen aufgegeben worden sei und er diese lediglich vor einer sinnlosen Vernichtung bewahren wollte, überzeugt dies nicht. Wie der Antragsteller zu der irrigen Annahme gelangt sein will, dass Fahrzeuge, die auf einem eingezäunten Grundstück auf ihre Zerlegung warten, in Niemandes Eigentum stehen und damit nicht fremd im strafrechtlichen Sinne sein sollen, erschließt sich bereits im Ausgangspunkt nicht. Die zivilrechtliche Eigentumsaufgabe an beweglichen Sachen (Dereliktion nach § 859 BGB) setzt voraus, dass der Eigentümer den Besitz mit dem Willen aufgibt, das Eigentum erlöschen zu lassen. Weder sind die Fahrzeuge besitzlos geworden, da sie jedenfalls im Zugriffsbereich der Zerlegungsfirma waren, noch ist irgendein entsprechender Aufgabewille des Eigentümers zu erkennen. Dies muss für den Antragsteller gemessen am Maßstab des durchschnittlichen Betrachters auch deutlich erkennbar gewesen sein.
63Zudem kommt es für die Annahme „fremden Eigentums“ nicht darauf an, ob der beweglichen Sache ein konkreter wirtschaftlicher Wert beizumessen ist.
64Vgl. zum sogenannten Containern: BVerfG, Beschluss vom 5. August 2020 – 2 BvR 1985/19 – juris Rn. 38 ff.
65Aus welchen Gründen der Antragsteller die Gegenstände an sich genommen hat oder ob er sie vor Zerstörung „retten“ wollte, ist für die Annahme von Zueignungsabsicht im Sinne von § 242 StGB unerheblich. § 242 StGB dient nach herrschender und im Einklang mit Verfassungsrecht stehender Auffassung grundsätzlich dem Schutz des Eigentums als formale, zivilrechtsakzessorische Rechtsposition. § 242 StGB schützt dabei gerade auch die faktische Ausübungsmöglichkeit des Eigentumsrechts und die nach § 903 BGB bestehende Möglichkeit, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und jeden Dritten vom Umgang mit der Sache auszuschließen. Nach dieser kriminalpolitischen Grundentscheidung ist das Eigentum im Rahmen des § 242 StGB unabhängig vom wirtschaftlichen Wert der Sache geschützt. Auf einen objektiv messbaren Substanzwert oder auf eine wirtschaftliche Interessenverletzung kommt es im Rahmen des § 242 StGB nicht an.
66Vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. August 2020 – 2 BvR 1985/19 – juris Rn. 40.
67Unabhängig davon hatten die in den Fahrzeugen verbauten Gegenstände ersichtlich nicht nur für den Antragsteller einen erheblichen (wirtschaftlichen) Wert. Denn die DB Regio AG beauftragte die Zerlegefirma mit dem Ausbau und der Zerlegung, um werthaltige Gegenstände einer Weiterverwendung bzw. einem Drittmarkt zum Erwerb zur Verfügung zu stellen.
68Soweit der Antragsteller schließlich darauf verweist, dass es Absprachen mit dem Schrottplatzpersonal gegeben habe, überzeugt dies ebenfalls nicht. Zum einen legt er keine Belege vor, aus denen sich ergibt, dass die Zerlegefirma – entgegen ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der DB Regio AG – den Ausbau genehmigt hätte. Die Tatsache, dass sich die Firma mit einer solchen Zusage im Übrigen selbst schadensersatzpflichtig gemacht hätte, macht eine derartige Genehmigung auch nicht sehr wahrscheinlich. Zum anderen wird die Behauptung des Antragstellers auch nicht durch die vorliegenden Zeugenaussagen bestätigt. So hat Herr E1. , der nach Angaben des Antragstellers ihm die Genehmigung erteilt haben soll, dies im Rahmen seiner Vernehmung im Juni 2022 nicht bestätigt. Soweit Herr K. im Oktober 2022 unter Verweis auf seine Angaben von Juni 2022 angab, dass der Antragsteller mit telefonischer Genehmigung des Schrottplatzbetreibers gehandelt habe, konnte er diese Aussage nicht nachvollziehbar konkretisieren. Auf explizite Nachfrage konnte er sich weder an den Namen der Person erinnern, mit dem der Antragsteller telefoniert haben soll, noch konnte er sonstige Angaben zum Inhalt des Telefonats machen. Im Ergebnis gab der Zeuge damit ungeprüft die Angaben weiter, die er vom Antragsteller erhalten hatte.
69Die Antragsgegnerin hat das ihr gemäß § 19 Abs. 3 TfV zustehende Ermessen auch fehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass sie den Triebfahrzeugführerschein des Antragstellers zunächst nur ausgesetzt hat. Eine solche Aussetzung verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
70Die Antragstellerin hat sich im Rahmen der ihr nach § 19 Abs. 3 TfV obliegenden Entscheidung für die Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins und gegen dessen Entziehung entschieden. Die Aussetzung bringt eine geringere Beschwer für den Triebfahrzeugführer mit sich. Sinn einer Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins ist, dass fehlende Voraussetzungen für die Ausübung der Tätigkeit als Triebfahrzeugführer von dem Betroffenen regelmäßig innerhalb überschaubarer Zeit nachgewiesen werden können, sodass dieser seine Tätigkeit wieder ausüben kann ohne ein vollständiges Wiedererteilungsverfahren durchlaufen zu müssen.
71Vgl. bereits VG Köln, Beschluss vom 17. Dezember 2020 – 18 L 2033/20 – n.v.
72Die hier erfolgte Aussetzung dient unzweifelhaft legitimen Zwecken, da sie die Sicherheit im Eisenbahnverkehr sicherstellt. Das Vorliegen milderer, hierzu gleich geeigneter Mittel ist nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller ein Abwarten der Antragsgegnerin bis zum Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren verlangt, ist dieses Mittel im Vergleich zur Aussetzung gerade nicht gleich geeignet, der aufgezeigten Gefahr zu begegnen. Die Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins des Antragstellers ist insbesondere auch angemessen. Die von dem Verhalten des Antragstellers ausgehenden Gefahren für die zu schützenden Rechtsgüter – Leib und Leben von am Eisenbahnverkehr beteiligten Personen sowie hohe Sachwerte – wiegen so schwer, dass sie die Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins rechtfertigen.
73Es besteht auch ein besonderes öffentliches Vollziehungsinteresse im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO; die übrige Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Besondere Gründe, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, ausnahmsweise von der sofortigen Vollziehung der Aussetzung des Triebfahrzeugführerscheins abzusehen, sind nicht erkennbar. Es liegt im besonderen öffentlichen Interesse, dass alles Erforderliche getan wird, um die Sicherheit des Eisenbahnverkehrs zu gewährleisten. Angesichts der zuvor genannten Verfehlungen des Antragstellers besteht ein Risiko für Leib und Leben von am Eisenbahnverkehr teilnehmenden Personen sowie für Sachgüter hohen Wertes. Dieses Risiko kann nicht bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptsache hingenommen werden.
74Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
75Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Die Kammer berücksichtigt bei der Festsetzung Ziffer 46.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts der Bedeutung des Triebfahrzeugführerscheins für die Berufsausübung des Antragstellers hält die Kammer unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen den dort vorgesehenen zweifachen Auffangwert für die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, also 10.000,- Euro, für angemessen.
76Vgl. OVG Münster, Beschluss vom 5. März 2021 – 11 B 2060/20 – juris.
77Dieser Streitwert war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes jedoch zu halbieren, Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs.
78Ebenso: VG Köln, Beschluss vom 24. Oktober 2022 – 18 L 1501/22 – n.v., anders: OVG Münster, Beschluss vom 5. März 2021 – 11 B 2060/20 – juris, im Fall einer Entziehung eines Triebfahrzeugführerscheins: Annahme einer Vorwegnahme der Hauptsache.
79Rechtsmittelbelehrung
80Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
81Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
82Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
83Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
84Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
85Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.