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1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der noch zu erhebenden Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30.5.2022 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens, außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Antragsteller wendet sich gegen mehrere Konzerte, die auf der Insel Grafenwerth stattfinden sollen.
4Die Insel Grafenwerth (im Folgenden: Insel) liegt im Rhein auf der Höhe von Bad-Honnef. Sie ist Teil eines Landschaftsschutzgebietes, festgesetzt durch Ordnungsbehördliche Verordnung über die Landschaftsschutzgebiete in den Städten Königswinter und Bad Honnef im Rhein-Sieg-Kreis vom 31.6.2006 (im Folgenden: LSGVO).
5Im Jahr 2017 beschloss der Rat der Stadt Bad Honnef eine Neugestaltung der Insel. Die in der Folge erstellte Planung sah u. a. eine Ertüchtigung der Promenade, eine Sitzstufentreppe am Rhein, Spielinseln im Nordteil der Insel und eine Fläche für eine Bühne vor. Im Mai 2018 nahmen an einer Besprechung u. a. der Bürgermeister der Stadt Bad Honnef, Vertreter des Antragsgegners und der Geschäftsführer der Beigeladenen teil. Nach einem Vermerk über die Besprechung bestehe das Ziel, eine neue Veranstaltungsspielstätte und eine neue, jährlich wiederkehrende, hochwertige Veranstaltungsserie auf der Insel mit besonderer Strahlkraft in das erweiterte Umfeld zu etablieren. Die Auftaktveranstaltung sei für den 4. bis 7.6.2020 im Rahmen des Beethovenfestes vorgesehen. Für die Veranstaltungen sei eine Ausnahmegenehmigung beim Antragsgegner zu beantragen.
6Die Beigeladene veranstaltete am 6.7.2019 ein Konzert der Sängerin Joan Baez auf der Insel, nachdem ihr auf Antrag vom 2.7.2019, eingegangen bei dem Antragsgegner am 3.7.2019, durch auf den 2.7.2019 datierten Bescheid eine Ausnahmeerlaubnis von mehreren Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung erteilt worden war.
7Im Januar 2020 erteilte der Antragsgegner der Stadt Bad Honnef für die geplante Umgestaltung der Insel eine naturschutzrechtliche Befreiung von mehreren Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung. Der Antragsteller hat gegen den Bescheid eine noch anhängige Klage erhoben (14 K 466/20). Ein gleichzeitig gestellter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (14 L 202/20) hatte teilweise Erfolg. Die erkennende Kammer sah u. a. die für eine Bühne vorgesehene Fläche als rechtswidrig an und führte aus: „Die Verbotsvorschrift hat auf Grund der derzeitigen Bebauung der Insel zur Folge, dass große Veranstaltungen auf der Insel grundsätzlich verboten sind, weil es an einer dafür nutzbaren Fläche fehlt. Sie können deshalb nur im Einzelfall unter Erteilung einer Ausnahme nach § 7 Abs. 2 LSGVO zugelassen werden.“
8Im August 2021 wandte der Antragsteller sich an den Antragsgegner und wies darauf hin, dass die Beigeladene im Juni 2022 mehrere Konzertveranstaltungen plane, die bereits beworben würden. Der Antragsteller bat um Auskunft, ob für die Konzerte Ausnahmen von den Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung erteilt worden seien. Der Antragsgegner antwortete, dass Anträge für Ausnahmen bislang nicht gestellt worden seien. Im Dezember 2021 erinnerte der Antragsgegner die Stadt Bad Honnef daran, den Veranstalter aufzufordern, rechtzeitig Ausnahmeerlaubnisse zu beantragen. Die Stadt Bad Honnef sagte dies zu. Im Februar 2022 äußerte der Antragsgegner gegenüber der Stadt Bad Honnef sein Unverständnis darüber, dass bereits für sieben Veranstaltungen auf der Insel Tickets gekauft werden könnten. Er wiederholte die Forderung, den Veranstalter aufzufordern, die notwendigen Anträge zu stellen. Die Stadt Bad Honnef teilte daraufhin mit, dies bereits mehrfach getan zu haben, nun aber noch einmal zu tun. Er habe schon zwischen Weihnachten und Neujahr tätig werden wollen. Ende Februar 2022 äußerte der Antragsgegner gegenüber der Stadt Bad Honnef Zweifel, ob die Beigeladene ein zuverlässiger Veranstalter sei, weil weiter kein Antrag vorliege und Tickets dennoch bereits verfügbar seien. In der Vergangenheit sei in einem persönlichen Gespräch der Beigeladenen das Verfahren „lang und breit“ erläutert worden.
9Im März 2022 hielt der Antragsgegner in einem Vermerk fest, dass die Stadt Bad Honnef die zentrale Wiese auf der Insel als für Veranstaltungen vorgesehene Fläche ansehe, weshalb eine Ausnahmeerlaubnis nicht erforderlich sei. Dem vorausgegangen war eine interne Prüfung des Antragsgegners, ob die Wiese dem Verordnungsgeber bei Erlass der Landschaftsschutzgebietsverordnung als Veranstaltungswiese bekannt gewesen sei.
10Am 3.3.2022 beantragte die Beigeladene bei der Stadt Bad Honnef eine Veranstaltungsgenehmigung. Das dafür verwendete Formular wies ausdrücklich darauf hin, dass bei Veranstaltungen auf der Insel zwingend eine Genehmigung beim Antragsgegner zu beantragen sei.
11Ende März 2022 fragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner erneut nach, ob zwischenzeitlich Ausnahmen für die im Juni 2022 geplanten Veranstaltungen erteilt worden seien. Anfang April 2022 teilte der Antragsgegner mit, er gehe nunmehr davon aus, dass es sich bei der Wiese auf der Insel um eine Fläche handele, die für Veranstaltungen vorgesehen sei. Eine Erlaubnis des Antragsgegners sei deshalb nicht erforderlich. Der Antragsteller wandte sich daraufhin mit einer Aufsichtsbeschwerde an das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen. Mit Schreiben vom 10.4.2022 forderte der Antragsteller den Antragsgegner zudem auf, für die Veranstaltungen im Juni 2022 das Verfahren für die Erteilung einer Ausnahme durchzuführen oder alternativ die Veranstaltungen zu untersagen. Eine Antwort auf dieses Schreiben ist in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners nicht enthalten.
12Am 10.5.2022 beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner (VG Köln, 14 L 797/22), damit dieser der Stadt Bad Honnef und der Beigeladenen die Durchführung der Veranstaltung untersagt, weil es an einer erforderlichen naturschutzrechtlichen Befreiung fehle. Der Antrag hatte insoweit Erfolg, als der Antragsgegner verpflichtet wurde, die Durchführung der geplanten Veranstaltungen bis zur Erteilung von landschaftsschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigungen oder naturschutzrechtlichen Befreiungen zu untersagen. In dem Beschluss führte die Kammer aus, dass die zentrale Wiese auf der Insel keine für Veranstaltungen vorgesehene Fläche sei.
13Am 25.5.2022 beantragte die Beigeladene für die Durchführung der Veranstaltungen die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Ausnahmeerlaubnis. Sie führte hierbei u. a. aus, dass sich die Kosten für die fünf geplanten Konzerte im Juni und Juli auf mehr als 800.000 EUR beliefen. Der Antragsgegner erteilte die Ausnahmeerlaubnis mit Bescheid vom selben Tag 30.5.2022 und ordnete die sofortige Vollziehung an.
14Der Antragsteller hat am 1.6.2022 Widerspruch eingelegt und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er macht geltend, dass eine Klage gegen Bescheid voraussichtlich erfolgreich wäre. Die Voraussetzungen für die erteilte Ausnahme lägen nicht vor. Zudem verstießen die Veranstaltungen gegen artenschutzrechtliche Vorschriften. Auch eine erfolgsunabhängige Interessenabwägung führe zum Überwiegen des Aussetzungsinteresses.
15Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
16die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs und einer nachfolgenden Klage gegen den Bescheid vom 30.5.2022 wiederherzustellen.
17Der Antragsgegner beantragt,
18den Antrag abzulehnen.
19Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid.
20Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
21Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte des beigezogenen Verfahrens 14 L 797/22 sowie der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen.
22II.
23Der Antrag hat Erfolg.
24I. Er ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller als nach § 3 UmwRG anerkannte inländische Vereinigung antragsbefugt nach § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
25II. Der Antrag ist auch begründet.
26Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 zweite Alternative i. V. m. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Dabei trifft das Gericht auf Grund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ein Rechtsbehelf einer anerkannten Umweltvereinigung gegen eine Entscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist begründet, soweit diese gegen umweltbezogene Vorschriften verstößt, die für die Entscheidung von Bedeutung sind, und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert, § 2 Abs. 4 Satz 1 UmwRG.
27Lässt sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts im vorläufigen Rechtsschutzverfahren wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung oder wegen der Komplexität der Sach- und Rechtsfragen nicht klären bzw. ist der Ausgang der Hauptsache offen, so sind alleine die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014 – 7 VR 5.14 –, juris, Rn. 9.
29Ausgehend hiervon überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse.
30Es spricht vieles dafür, dass die Ausnahmegenehmigung gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für die Entscheidung von Bedeutung sind und dieser Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die der Antragsteller nach seiner Satzung fördert, § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG. (unten 1.). Die weitere, erfolgsunabhängige Interessenabwägung fällt zu Gunsten des Antragstellers aus (unten 2.).
311. Rechtsgrundlage des Bescheids ist § 43 Abs. 3, § 23 Abs. 1 LNatSchG NRW i. V. m. § 7 Abs. 2 LSGVO. Hiernach kann der Antragsgegner als untere Landschaftsbehörde auf Antrag eine Ausnahme von den Verboten des § 4 Abs. 2 (hier u.a. Ziffern 1, 3, 6b und 7) LSGVO für Maßnahmen aufgrund eines mit dieser Behörde einvernehmlich abgestimmten Konzeptes (ein solches liegt hier nicht vor) oder für sonstige Maßnahmen (hier: 3 Konzerte mit Auf- und Abbau über einen Zeitraum von 9 Tagen) erteilen, wenn diese dem besonderen Schutzzweck des § 3 dieser Verordnung nicht zuwiderlaufen und den Charakter (hier) des Landschaftsschutzgebietes nicht verändern. Der Schutzzweck der Landschaftsschutzgebietsverordnung ist u. a. nach deren § 3 Abs. 2 Buchstaben a) und c) die Erhaltung, Entwicklung und Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sowie der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter. Dies sind u. a. der Schutz der Böden und ihre Funktion als Filter und Speicher sowie der Schutz des Freiraumes zur Gewährleistung der Naturhaushaltsfunktionen. Weiterhin erfolgt die Unterschutzstellung wegen der besonderen Bedeutung der Landschaftsschutzgebiete für die Erholung, insbesondere für die landschaftsorientierte Naherholung sowie für das Natur- und Landschaftserleben in der Nähe städtischer Ballungsgebiete (vgl. heute § 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG).
32Mit diesen Schutzzwecken, insbesondere der Entwicklung und Wiederherstellung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts dürften sich jedenfalls Veranstaltungen in der geplanten Dimension mit entsprechender Bühnenausstattung, Teilnehmerzahl (Künstler, Techniker, Ordnungskräfte, Besucher) und Bestuhlung auf unbefestigten Flächen und insgesamt über einen Zeitraum von 9 Tagen kaum vereinbaren lassen. . Zu dem geschützten Naturhaushalt gehört auch die vom Antragsgegner als „Vielschnittwiese“ bezeichnete Fläche, die - auch nach Ansicht des Antragsgegners – in eine naturschutzrechtlich schützenswerte Umgebung eingebettet ist. Dies dürfte auch ein Vergleich mit § 7 Abs. 1 LSGVO zeigen, wonach selbst Vorhaben im Einzelfall zugelassen werden können, die offenkundig dem besonderen Schutzzweck entgegenlaufen (z.B. bestimmte bauliche Vorhaben oder Motorsportveranstaltungen), wenn (nur) der besondere Schutzzweck und der Charakter des Gebiets beachtet wird.
33Es ist auch zweifelhaft, ob die vorgesehenen Vermeidungsmaßnahmen ausreichen, um dem Schutzzweck der Landschaftsschutzgebietsverordnung gerecht zu werden, bestehende natürliche geprägte Bereiche als Lebensraum für landschaftsraumtypische Tiere und Pflanzen zu erhalten. Zwar dürfte auf der Wiese selbst, die für die Veranstaltungen genutzt werden soll, der Lebensraum von Tieren weniger betroffen sein als in anderen Teilen der Insel, insbesondere in den an die Fläche unmittelbar angrenzenden Bereichen . Dazu hat der Antragsgegner möglicherweise keine ausreichend aktuellen Feststellungen getroffen. Das dem Antrag der Beigeladenen beigefügte artenschutzrechtliche Gutachten vom 25.5.2022 beruht auf faunistischen Untersuchungen aus dem Jahr 2018. Die Kammer kann deshalb nicht ohne weitere Sachaufklärung verlässlich feststellen, inwieweit Tiere durch die Veranstaltungen in an die Wiese angrenzenden Bereichen gefährdet werden. Die Kammer kann ohne Einholung weiterer (sachverständiger) Stellungnahmen nicht einschätzen, inwieweit die Ergebnisse des Jahres 2018 heute noch belastbar sind, zumal sie vor der weitreichenden Umgestaltung der Insel erfolgt sind. Offenbar sind auch dem Antragsgegner insoweit noch nachträglich Zweifel gekommen, weil er wegen der Rügen des Antragstellers während dieses Verfahrens mitteilte, eine Ortsbegehung gemacht zu haben und in Bäumen im Umfeld der geplanten Bühne 5 Höhlungen für Fledermäuse gefunden habe. Neben dem möglichen Verstoß gegen die Schutzzwecke der Landschaftsschutzgebietsverordnung kann die Kammer deshalb auch nicht beurteilen, inwieweit die Veranstaltungen gegen § 44 BNatSchG verstoßen könnten. Weitere Rügen des Antragstellers bedürfen ebenfalls einer vertieften rechtlichen Prüfung und möglicherweise zum Teil auch weiterer Sachaufklärung (etwa: können brütende Tiere betroffen sein, ist die Umhängung von Fledermauskästen möglich, sind alle Arten ausreichend geprüft worden?). Diese Prüfung kann bis zum Beginn der Konzerte nicht mehr verlässlich erfolgen.
342. Die erfolgsunabhängige Interessenabwägung geht zu Lasten von Antragsgegner und Beigeladener aus.
35In die erfolgsunabhängige Interessenabwägung stellt das Gericht zunächst maßgeblich ein, dass die Gründe, wegen derer eine vollständige Prüfung des Antrag des Antragstellers nicht möglich ist, allein im Verantwortungsbereich des Antragsgegners, der Stadt Bad Honnef und der Beigeladenen liegen. Nur deren Verhalten hat dazu geführt, dass es dem Antragsteller erst wenige Tage vor dem ersten Konzert möglich war, um Rechtsschutz nachzusuchen. Im Hinblick darauf kann der Umstand, dass die Kammer die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids nicht umfassend überprüfen kann, im Hinblick auf das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu Lasten des Antragstellers gehen.
36Der Antragsgegner hat erst am Montag (30.5.2022) den angegriffenen Bescheid erlassen. Zuvor waren Antragsgegner und die Stadt Bad Honnef offensichtlich rechtswidrig und unter Abkehr von ihrer bisherigen Verwaltungspraxis davon ausgegangen, die geplanten Veranstaltungen könnten ohne Erteilung einer Ausnahme/ Befreiung von den Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung stattfinden (vgl. dazu den Beschluss der Kammer vom 24.5.2022 – 14 L 797/22 –). Die Beigeladene hat diese Situation befördert, indem sie den notwendigen Antrag auf Erteilung einer Ausnahme von den Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung erst am 25.5.2022 gestellt hat. In ihrem Begleitschreiben zu dem Antrag gibt sie nach Aktenlage objektiv wahrheitswidrig an, bereits am 3.3.2022 einen Genehmigungsantrag gestellt zu haben. An diesem Tag hat sie bei der Stadt Bad Honnef nur eine Veranstaltungsgenehmigung beantragt, nicht aber die erforderliche Genehmigung beim Antragsgegner. Auf dem von der Beigeladenen verwendeten, von der Stadt Bad Honnef bereitgestellten Formular befand sich der ausdrückliche Hinweis darauf, dass zusätzlich zwingend ein Antrag bei dem Antragsgegner zu stellen sei. Das Antragserfordernis war der Beigeladenen zudem von einer früherer Veranstaltung, einem Gespräch mit Mitarbeitern des Antragsgegners und mehreren Aufforderungen der Stadt Bad Honnef seit langem bekannt.
37Auch eine ergänzende Folgenabwägung nach der sogenannten Doppelhypothese fällt zu Lasten des Antragsgegners und der Beigeladenen aus. Würde die Kammer den Antrag ablehnen, weil sie den Bescheid für rechtmäßig erachtet, er sich später aber als rechtswidrig erweisen, wären zu Unrecht Schutzgüter der Landschaftsschutzgebietsverordnung oder anderer naturschutzrechtlicher Regelungen irreversibel (etwa im Fall des Todes von Tieren, Verlust von Fortpflanzungsstätten) verloren. Sollte sich nach der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs des Antragstellers später hingegen herausstellen, dass der angegriffene Bescheid doch rechtmäßig war, sind vor allem Interessen der Beigeladenen betroffen. Diese hatte in dem Begleitschreiben zum Antrag von 25.5.2022 angegeben, dass sich die Kosten für fünf geplante Konzerte im Juni und Juli auf mehr als 800.000 EUR beliefen. Dieses wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen ist aber nur in geringem Maße schutzwürdig und überwiegt nicht das Interesse an den genannten Schutzgütern. Denn die Beigeladene hat bereits Karten für die Veranstaltungen verkauft und diese auch bereits beworben, als er die naturschutzrechtliche Ausnahmeerlaubnis noch nicht einmal beantragt hatte. Sämtliche Verpflichtungen, die er eingegangen ist, bevor die notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen vorlagen, ist er auf eigenes Risiko eingegangen. Dieses Risiko hätte er ausschließen können, indem er rechtzeitig den erforderlichen Genehmigungsantrag gestellt hätte, dessen Erfordernis ihm – wie ausgeführt – seit langem bekannt war. Zusätzlich hätte er sich durch vertragliche Klauseln absichern können, Leistungen für den Fall nicht erbringen zu müssen, wenn er wegen fehlender öffentlich-rechtlicher Erlaubnisse an der Durchführung der Konzerte gehindert ist. Das aus dem Verwaltungsvorgang ersichtliche Verhalten der Beigeladenen scheint das Bild eines Veranstalters zu zeichnen, der die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Erlaubniserfordernisse als lästige Pflicht begreift und ihnen höchstens nach mehrmaligen Aufforderungen nachkommt. Seine heutige nach Erlass des Hängebeschlusses in der Presse (https://honnef-heute.de/inselkonzerte-veranstalter-gibt-sich-gelassen-seit-40-jahren-im-geschaeft/) wiedergegebene Aussage, er habe nicht gewusst, eine Genehmigung zu brauchen, er habe auch beim Konzert im Jahr 2019 keine gebraucht, bestätigt dieses Bild. Entgegen dieser Aussage hatte er für das Konzert am 6.7.2019 erst am 2.7.2019 (vier Tage vor dem Konzert) sehr wohl eine Ausnahmeerlaubnis von mehreren Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung beantragt und erhalten.
38Ergänzend und ohne dass es darauf entscheidend ankommt wirken sich die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beigeladenen auch deshalb zu ihren Lasten in der Interessenabwägung aus, weil das Veranstaltungskonzept und die Nebenbestimmungen zu dem angegriffenen Bescheid zur Einhaltung von Vermeidungsmaßnahmen allein in den Verantwortungsbereich des Veranstalters fällt und er für ihre Erfüllung einzustehen hat .
39Die Berücksichtigung weiterer Interessen (der Ticketinhaber, Künstler, Bedeutung der Veranstaltung für Bad Honnef als Kulturstandort) führt, soweit sie rechtlich überhaupt fassbar und schützenswert sind, ebenfalls nicht zum Überwiegen des Vollzugsinteresses.
40III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Dabei entspricht es der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 1.2 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts der unmittelbar bevorstehenden Konzerte wird die Hauptsache faktisch vorweggenommen, weshalb eine Reduzierung gegenüber dem in einem Klageverfahren angemessenen Streitwert nicht geboten ist.
41Rechtsmittelbelehrung
42Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
43Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
44Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
45Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
46Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
47Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
48Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
49Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
50Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.