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1. Der Antrag wird abgelehnt
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der Antrag,
3im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Frau N. C. , E. str. 00, 00000 G. , die Genehmigung zu erteilen, die auf ihrem Grundstück an der Grenze zum Grundstück der Antragsteller stehenden drei Rotbuchen zu fällen,
4ist unzulässig.
5Die Antragsteller sind nicht nach § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt. Sie haben kein eigenes subjektives Recht auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Nachbarin der Antragsteller eine Ausnahmegenehmigung zur Fällung der Bäume, die nach der Baumschutzsatzung der Stadt G. (BaumSchS) vom 10.5.2019 (in der Fassung der 1. Änderung vom 11.9.2020) geschützt sind (sog. Fällgenehmigung), zu erteilen. Sie können auch nicht in Prozessstandschaft für die Eigentümerin des Nachbargrundstücks deren Rechte in eigenem Namen geltend machen.
6Dabei mag dahinstehen, dass die Antragsteller selber keinen entsprechenden Antrag bei der Antragsgegnerin gestellt haben.
7Ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung steht nach § 5 Abs. 1 BaumSchS grundsätzlich allein den Eigentümern oder Nutzungsberechtigten des Grundstücks zu, auf dem die geschützten Bäume stehen. Sie ist – wie hier durch Frau C. geschehen – nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BaumSchS von diesen Personen zu beantragen. Ein Antragsrecht von Nachbarn auf Grundlage der Baumschutzsatzung, dem Eigentümer des Grundstücks mit dem geschützten Baum eine Genehmigung zu erteilen, käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Vorschriften der Baumschutzsatzung unter Anlegung nach der vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Schutznormtheorie auch den Interessen des betreffenden Dritten dienten.
8Vgl. schon BVerwG, Urteil vom 16.3.1989 - 4 C 36.85 -, juris, Rn.31; Urteil vom 16.6.1994 - 3 C 12.93 -, juris, Rn. 21 f.
9Die Regelung in § 5 BaumSchS – jedenfalls soweit es um das Verbot der vollständige Beseitigung von geschützten Bäumen oder Hecken geht – gibt weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck etwas dafür her, dass sie auch Rücksichtnahme auf die Interessen drittbetroffener Nachbarn gebietet. Die Regelung richtet sich – ebenso wie § 4 Abs. 1 BaumSchS - schon vom Wortlaut her allein an die Eigentümer und Nutzungsberechtigten, auf deren Grundstück die geschützten Bäum stehen. Auch der Sinn und Zweck der Regelung spricht dagegen, dass sie in einer Konstellation wie der vorliegenden die Interessen anderer als der darin genannten Personen schützen soll. Die Ausnahmen in Abs. 2 Buchstabe b und c sollen erkennbar der Verkehrssicherungspflicht und der öffentlich-rechtlichen Polizeipflicht aus dem Eigentum bzw. einer vergleichbaren Stellung zum Schutz Dritter vor den Gefahren Rechnung tragen, die von Bäumen auf einem Grundstück ausgehen können, und den Ordnungspflichtigen ermöglichen, ihre öffentlich-rechtlichen Pflichten aus ihrer Zustands- oder Verhaltensverantwortlichkeit zu erfüllen. Solche Pflichten treffen Dritte wie die Nachbarn oder gar unbeteiligte Dritte im Hinblick auf Bäume auf fremden Grundstücken gerade nicht.
10Die Antragsteller können den möglicherweise bestehenden Anspruch der Nachbarin auf Erteilung der von dieser beantragten Ausnahmegenehmigung – also ein für sie fremdes Recht - auch nicht im Wege der Prozessstandschaft geltend machen, wie es der Wortlaut des Antrags nahelegt. Dies wäre nur bei Anerkennung der Zulässigkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft – der Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen – im Verwaltungsprozess möglich. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist sie bei Anfechtungs- und der hier vorliegenden Verpflichtungsklage ausgeschlossen.
11Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.1995 - 3 C 27.94 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Urteil vom 14.12.2021 – 9 A 1531/16 –, juris, Rn. 38 f. .
12Der Antrag wäre im Übrigen auch unbegründet.
13Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO darf nur ergehen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt zum einen voraus, dass das streitige Rechtsverhältnis besteht, aus dem sich der streitige Anspruch oder die streitige Rechtsfolge ergibt, die einer vorläufigen Regelung bedarf (sog. Anordnungsanspruch). Zum anderen muss die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (sog. Anordnungsgrund) bestehen. Der Antragsteller hat die dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund zu Grunde liegenden Tatsachen glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).
14Qualifizierte Anforderungen an Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ergeben sich, wenn mit der begehrten Entscheidung – wie hier - im Eilrechtsschutzverfahren schon in vollem Umfang dasjenige gewährt werden soll, das im Hauptsacheverfahren erreicht werden könnte, also die Entscheidung in der Hauptsache mit der Eilentscheidung vorweggenommen wird. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Vorwegnahme der Hauptsache durch den Eilrechtsschutz nur ausnahmsweise dann gerechtfertigt, wenn anders der nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes gebotene effektive Rechtschutz nicht gewährleistet werden könnte. Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise überwiegende gewichtige Gründe entgegenstehen. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen.
15Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.9.2011 - 2 BvR 1206/11 -, juris, Rn. 15, und vom 15.8.2002 - 1 BvR 1790/00 -, juris, Rn. 13; BVerwG, Beschluss vom 10.2.2011 - 7 VR 6.11 -, juris, Rn. 6.
16Ausgehend hiervon haben die Antragsteller keine Gründe vorgetragen und glaubhaft gemacht, die die angestrebte Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren rechtfertigen könnte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass den Antragstellern bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in ihren Grundrechten droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann.
17Zwar ist nicht auszuschließen, dass auf dem Grundstück der Antragsteller (weitere) Schäden auftreten. Nach dem Gutachten eines Sachverständigen, das im Rahmen des vorläufigen Beweissicherungsverfahrens vor dem Amtsgericht Kerpen erstattet wurde, waren auf dem Grundstück der Antragsteller bereits im Juli 2019 an der Gartenhütte und den sie umgebenden Pflasterflächen Schäden eingetreten, die auf das Wurzelwachstum der Bäume auf dem Nachbargrundstück zurückzuführen waren. Inzwischen aufgetretene geringfügige Verwerfungen von weiteren Pflasterflächen und ein bisher schmaler Riss an der Kelleraußentreppe mögen ebenfalls auf das Wurzelwachstum der Bäume auf dem Nachbargrundstück zurückzuführen sein. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung das Eigentum der Antragsteller unumkehrbar in seiner Substanz geschädigt wird, wie es die Antragsteller befürchten. Vielmehr hat sich die Schadenslage nach den dazu im vorliegenden Verfahren vorgelegten Fotos gegenüber der Ausgangslage, wie sie in dem Gutachten aus 2019 dokumentiert ist, nur unwesentlich verschlechtert. Die im Juli 2019 festgestellten Schäden lassen sich mit bisher überschaubarem finanziellen Aufwand (veranschlagte Kosten: 8300 €) beseitigen.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
19Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Es bestand kein Anlass, den Wert mit Rücksicht auf eine Vorläufigkeit der Entscheidung zu reduzieren, weil die begehrte einstweilige Anordnung auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist.
20Rechtsmittelbelehrung
21Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
22Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
23Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
24Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
25Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
26Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
27Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
28Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
29Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.