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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 6 K 3930/21 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 16.07.2021 wiederherzustellen,
4ist zunächst nach seinem tatsächlichen Antragsbegehren (vgl. § 122 Abs. 1, § 88 VwGO) dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung wiederherzustellen (hierzu I.) und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung (hierzu II.) und der Gebührenfestsetzung (hierzu III.) anzuordnen. Mit der erneuten Zustellung der Ordnungsverfügung vom 16.07.2021 am 09.08.2021 wurde keine inhaltlich geänderte Entscheidung getroffen, sodass es diesbezüglich keines gesonderten Antrags bedarf.
5In der Sache hat der Antrag keinen Erfolg.
6I. Der nach § 123 Abs. 5, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtete Antrag ist statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers hier hinsichtlich der Fahrerlaubnisentziehung durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung seitens des Antragsgegners in der Entziehungsverfügung vom 16.07.2021 (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entfallen ist.
7Die im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sodann vorzunehmende Interessenabwägung fällt jedoch zugunsten des Antragsgegners aus.
8Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung orientiert sich vor allem an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Im Rahmen des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht bei Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes zudem zu prüfen, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht.
9Die angefochtene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 16.07.2021 erweist sich nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Überprüfung als offensichtlich rechtmäßig
10Die formelle Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung vom 16.07.2021 begegnet keinen durchgreifenden, zu Erfolgsaussichten des Antrags führenden Bedenken. Der Antragsteller wurde sowohl mit der Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 19.03.2021 (Bl. 18 d. Beiakte 1), als auch mit Schreiben vom 28.05.2021 (Bl. 31 d. Beiakte 1) zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört, vgl. § 28 Abs. 1 VwVfG NRW.
11Die materiellen Voraussetzungen für die mit Verfügung vom 16.07.2021 ausgesprochene Fahrerlaubnisentziehung liegen vor.
12Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist vorliegend § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ungeeignet ist u.a. derjenige, der die notwendigen körperlichen oder geistigen Voraussetzungen nicht erfüllt, vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG.
13Die Entziehungsverfügung ist rechtmäßig, weil die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund der Nichtbeibringung des von ihr geforderten Gutachtens auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV schließen durfte.
14Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung, § 46 Abs. 3 FeV. Nach den §§ 11 bis 14 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche und geistige Eignung begründen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, § 11 Abs. 8 FeV. Hierzu muss die Gutachtenanordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig sein.
15Vgl. stRspr. BVerwG, Urteile vom 28.04.2010 – 3 C 2.10 –, und vom 09.06.2005 – 3 C 21.04 –, jeweils juris.
16Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Rechtsgrundlage für die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, ist § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV. Nach dieser Vorschrift kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.
17Die Gutachtenanordnung entspricht in formeller Hinsicht den gesetzlichen Vorgaben. Der Antragsgegner hat die formellen Erfordernisse des § 11 Abs. 6 FeV beachtet. Er hat eine hinreichend bestimmte Gutachtenfrage formuliert und die Gründe dargelegt, aus denen seine Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers erwuchsen. Mit den amtlich anerkannten Begutachtungsstellen für Fahreignung hat er in seiner beigefügten Vorschlagsliste Untersuchungsstellen benannt und eine Vorlagefrist von drei Monaten gesetzt. Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die Begutachtung auf eigene Kosten durchführen lassen muss. Weiterhin hat er ihn darüber aufgeklärt, dass er die an die Untersuchungsstelle zu übersendenden Unterlagen einsehen könne. Schließlich hat er den Antragsteller nach § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Folgen einer Untersuchungsverweigerung bzw. einer Nichtvorlage des Gutachtens innerhalb der gesetzten Frist hingewiesen.
18Die Gutachtenanordnung ist auch materiell rechtmäßig ergangen. Beim Antragsteller ist ein gelegentlicher Konsum von Cannabis anzunehmen. Hinzukommen weitere Tatsachen, die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers begründen.
19Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2014 – 3 C 3.13 –, juris, Rn. 17 ff.
21Dass der Antragsteller gelegentlich Cannabis konsumiert, ergibt sich vorliegend aus seiner Einlassung und der entnommenen Blutprobe im Rahmen der streitgegenständlichen Verkehrskontrolle am 01.02.2021. Hierbei gab er auf Nachfrage der Polizeibeamten aufgrund des Fundes eines Druckverschlusstütchens mit Cannabisaufdruck in seinem Helmfach an, dass er „letztmalig“ vor fünf Tagen Cannabis konsumiert habe (Bl. 9 d. Beiakte 1). Daraus lässt sich bereits auf einen mehrmaligen Konsum schließen.
22Überdies wurde durch das wissenschaftliche Gutachten zur chemisch-toxikologischen Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin der Uniklinik E. vom 01.03.2021 (Bl. 14 ff. d. Beiakte 1) anhand der am 01.02.2021 entnommenen Blutprobe nachgewiesen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Verkehrskontrolle Cannabis konsumiert hatte. Die THC- Konzentration lag bei 2,3 μg/L, die Hydroxy-THC Konzentration lag bei 1,0 μg/L und die THC-Carbonsäure Konzentration bei 16 μg/L. Die Konzentration lässt darauf schließen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt des Vorfalls unter der Wirkung von Cannabis stand. Da THC-Gehalte von 1 μg/L oder mehr nach einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnissen selbst bei Gelegenheitskonsumenten sogar nach einem hoch dosierten Einzelkonsum nur etwa sechs Stunden nach Rauchende nachweisbar sind,
23vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.03.2017 – 16 A 432/16 –, juris, Rn. 50 f., und Beschluss vom 18.02.2014 – 16 B 116/14 –, juris, Rn. 7 f.; ferner VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2012 – 10 S 3174/11 –, juris, Rn. 26, bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 23.10.2014 – 3 C 3.10 –, juris, Rn. 23 f.,
24lässt sich der THC-Gehalt von immerhin 2,3 μg/L in der Blutprobe nicht anders als durch einen neben den eingeräumten Konsum tretenden weiteren Konsumakt vor dem durch polizeiliche Kontrolle festgestellten Führen eines Kraftfahrzeugs schlüssig erklären.
25Zudem bestehen weitere Zweifel an der Fahreignung. Der Antragsteller hat am 01.02.2021 ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis geführt und damit jedenfalls einmalig nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Fahrzeugs getrennt.
26Nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt die Fahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis nur dann vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegen. Ein einmaliger Verstoß gegen das Gebot, zwischen dem gelegentlichen Konsum von Cannabis und der Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen, begründet hingegen Zweifel an der Fahreignung.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.04.2019 – 3 C 13.17 –, juris, Rn. 27.
28Eine ausreichende Trennung, die eine gelegentliche Einnahme von Cannabis im Hinblick auf die Verkehrssicherheit noch hinnehmbar erscheinen lässt, liegt nur dann vor, wenn der Betroffene Konsum und Fahren in jedem Fall in einer Weise trennt, dass durch eine vorangegangene Einnahme von Cannabis eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften unter keinen Umständen eintreten kann. Das bedeutet, dass auch die Möglichkeit einer solchen cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit ausgeschlossen sein muss.
29Vgl. BVerwG, Urteile vom 11.04.2019 – 3 C 14.17 –, juris, Rn. 17, und vom 23.10.2014 – 3 C 3.13 –, juris, Rn. 32.
30In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung ist von einem fehlenden Trennungsvermögen auszugehen, wenn im Blutserum die Konzentration von 1,0 μg/L THC festgestellt wurde. Denn bei dieser Konzentration ist eine cannabisbedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit möglich oder kann nicht mehr ausgeschlossen werden.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.04.2019 – 3 C 14.17 –, juris, Rn. 17 ff.; OVG NRW, Urteil vom 15.03.2017 – 16 A 551/16 –, juris, Rn. 47 m.w.N.
32Gemessen daran fehlt es am Trennungsvermögen des Antragstellers. Vorliegend befuhr der Antragsteller vor der Verkehrskontrolle mit seinem Kleinkraftrad den Parkplatz des Aldi-Marktes in Gummersbach, führte also ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr. Zu diesem Zeitpunkt wurde anhand der entnommenen Blutprobe eine den Grenzwert überschreitende THC-Konzentration von 2,3 μg/L beim Antragsteller festgestellt.
33Der Antragsteller hat das von ihm rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten auch aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht beigebracht. Die Nichtvorlage des Gutachtens bis zur vom Antragsgegner bestimmten Frist ist ihm zuzurechnen.
34Soweit der Antragsteller vorträgt, dass er an der Vorlage eines Gutachtens gehindert war, da die vom Antragsteller aus der der Begutachtungsanordnung vom 19.03.2021 beigefügten Liste ausgewählte Begutachtungsstelle E. GmbH & Co. KG sich ohne Nachweis eines sechsmonatigen Abstinenzzeitraums gehindert sah, ein (positives) Gutachten zu erstellen, fehlt es an der notwendigen Substantiierung gegenüber dem Antragsgegner innerhalb der Anhörungsfrist.
35Bei gelegentlichen Cannabiskonsum darf die Begutachtungsstelle die Erstellung eines (positiven) medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht generell, also einzelfallunabhängig, von einem Abstinenznachweis abhängig machen. Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, die nach der Anlage 4a zur FeV die Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind, darf ein Abstinenznachweis lediglich in bestimmten Fallgestaltungen gefordert werden.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.04.2019 – 3 C 14.17 –, juris, Rn. 42; OVG NRW, Beschluss vom 17.03.2021 – 16 B 22/21 –, juris, Rn. 11 ff.
37Wenn eine Begutachtungsstelle in Fällen gelegentlichen Cannabiskonsums generell und einzelfallunabhängig einen Abstinenzzeitraum zur Voraussetzung eines positiven Gutachtens macht, kann dies grundsätzlich nicht zulasten des Betroffenen gehen.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.03.2021 – 16 B 22/21 –, juris, Rn. 21.
39Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Gebot der Erforderlichkeit und Angemessenheit jeglichen staatlichen Eingriffs in die Rechte gebietet es, dass die Fahrerlaubnisbehörde einem derartigen substantiierten Vortrag des Betroffenen, jedenfalls soweit er bis zum Abschluss des Anhörungsverfahrens erfolgt, im Rahmen ihrer Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nachgeht und ggf. der Begutachtungsstelle einen Hinweis erteilt, um auf eine der geltenden Rechtslage, insbesondere der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, und dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechende Begutachtung bzw. Beantwortung der von ihr mitgeteilten, zu klärenden Fragen hinzuwirken.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.03.2021 – 16 B 22/21 –, juris, Rn. 22.
41An einem solchem substantiierten Vortrag innerhalb des Anhörungsverfahrens, der eine Sachverhaltsaufklärung bzw. Hinweiserteilung durch die Fahrerlaubnisbehörde auslösen könnte, fehlt es hier.
42Soweit der Antragsteller sich erstmals unter dem 02.07.2021 darauf beruft, dass ihm die Vorlage des Gutachtens objektiv nicht möglich gewesen sei, hat er dies nicht bis zum Erlass der streitgegenständlichen Entziehungsverfügung am 16.07.2021 schlüssig gegenüber dem Antragsgegner dargelegt. Er trägt pauschal vor, dass die Begutachtungsstelle ihn darauf hingewiesen habe, dass ein Gutachten unter dem Gesichtspunkt des Drogenkonsums nicht ohne weiteres erstellt werden könne, sondern ein sechsmonatiger Abstinenznachweis verlangt werde. Hierzu legt er einen Abstinenzvertrag über den Zeitraum vom 20.04.2021 bis zum 19.10.2021 vor, der bereits am 06.04.2021 mit der Begutachtungsstelle abgeschlossen wurde. In dem Anschreiben der Begutachtungsstelle vom 06.04.2021 zu dem Abstinenzvertrag heißt es wörtlich, „Sie haben uns mitgeteilt, dass Sie einen Nachweis darüber benötigen, dass Sie abstinent leben.“ Entgegen der Auffassung des Antragstellers lässt sich aus dieser Formulierung nicht ableiten, dass die Begutachtungsstelle einen solchen Abstinenznachweis generell für die Erstellung eines Gutachtens fordert. Vielmehr spricht der Wortlaut des Schreibens eher dafür, dass der Antragsteller sich seinerseits um den Erhalt eines Abstinenznachweises bemüht hat. Jedenfalls musste der Antragsgegner unter Berücksichtigung dieser Korrespondenz zum Abstinenznachweis nicht davon ausgehen, die Begutachtungsstelle habe ihrerseits die Erstellung eines (positiven) medizinisch-psychologischen Gutachtens von der Vorlage eines Abstinenznachweises abhängig gemacht. Darüber hinaus hat der Antragsteller es – entgegen seines Vortrags – unterlassen nach Abschluss des Abstinenzvertrages den Antragsgegner auf diese Anforderung der Begutachtungsstelle hinzuweisen bzw. um eine Begutachtung ohne Abstinenznachweis zu bitten.
43Für die Beantwortung der Frage, ob der Antragsgegner vor Erlass der Entziehungsverfügung zur weiteren Sachaufklärung oder Hinweiserteilung gegenüber der Begutachtungsstelle verpflichtet war, kann es nur auf jene Umstände ankommen, die dem Antragsgegner bis zum Erlass der Entziehungsverfügung durch das Vorbringen des Antragstellers oder auf sonstige Weise bekannt geworden sind. Maßgeblich ist, ob sich die angegriffene Ordnungsverfügung im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses als rechtswidrig erweist, weil sie gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Mit Blick darauf kommt es – ungeachtet ihres Beweiswertes – auf die nunmehr im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Erklärung des Vaters des Antragstellers vom 10.08.2021 zu den Umständen der Entscheidung für eine Teilnahme am Verfahren zur Erlangung des Abstinenznachweises nicht an.
44Der Antragsgegner dürfte zu einer Verlängerung der Vorlagefrist auch dann nicht verpflichtet sein, wenn die Forderung nach einem Abstinenznachweis auf einer entsprechenden einzelfallbezogenen (Vor-)Einschätzung durch die Begutachtungsstelle beruhen würde. Vielmehr dürfte es in diesem Fall die Sache des Betroffenen sein, das Gutachten ohne Abstinenznachweis erstatten zu lassen und es bei negativem Ergebnis zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.03.2021 – 16 B 22/21 –, juris, Rn. 29 ff.
46Der Antragsgegner ist im Hinblick auf solche Abstinenznachweise zudem nicht gehalten, diese innerhalb der Frist zur Vorlage des Gutachtens zu ermöglichen. Selbst wenn eine längere Abstinenzphase nötig wäre, um ein positives Fahreignungsgutachten erlangen zu können, wäre das kein Grund, die Beibringungsfrist zu verlängern. Denn die Gutachtenfrist dient allein dem Nachweis der bestehenden Fahreignung, nicht ihrer Wiedererlangung.
47Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 09.05.2019 – 16 B 1860/18 –, juris, Rn. 8; Bay. VGH, Beschluss vom 16.08.2018 – 11 Cs 18.1398 –, juris, Rn. 12; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 23.06.2020 – 9 K 4695/19 –, juris, Rn. 66; VG Düsseldorf, Beschluss vom 22.04.2020 – 14 L 338/20 –, juris, Rn. 29; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., 2020, § 11 FeV, Rn 45.
48Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung folgt daraus, dass das Interesse an der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer Vorrang vor den Interessen des Antragstellers hat. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis für den Antragsteller mit Härten – hier Schwierigkeiten bei der Absolvierung eines Praktikums bei einer Ausbildungsstätte – verbunden sein kann. Dieser Gesichtspunkt muss hier jedoch zurückstehen. Denn die Allgemeinheit hat ein dringendes Interesse daran, dass Kraftfahrer, von deren mangelnder Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei summarischer Überprüfung auszugehen ist, sofort von einer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen werden. Im Interesse der Verkehrssicherheit gilt dies auch dann, falls dem Antragsteller durch die sofortige Entziehung der Fahrerlaubnis berufliche Nachteile entstehen sollten.
49II. Der nach § 123 Abs. 5, § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO auf Anordnung der auf-schiebenden Wirkung gerichtete Antrag ist statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers mit dem Aktenzeichen 6 K 3930/21 gegen den Bescheid vom 16.07.2021 hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung hier kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 112 JustG NRW) entfallen ist.
50Der Antrag ist jedoch mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Der Antragsteller ist der Abgabeverpflichtung bereits nachgekommen. Er hat seinen Führerschein am 23.07.2021 abgegeben hat (Bl. 74 f. d. Beiakte 1). Dementsprechend hat sich die Zwangsmittelandrohung erledigt.
51III. Ferner ist der nach §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Gebührenfestsetzung abzielende Antrag statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers insoweit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO kraft Gesetzes entfallen ist. Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO im maßgeblichen Zeitpunkt der Stellung des Eilantrags nicht erfüllt waren. Nach dieser Vorschrift ist bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Bei diesem Erfordernis handelt es sich um eine nach Stellung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr nachholbare Zugangsvoraussetzung, nicht lediglich um eine bloße Sachentscheidungsvoraussetzung.
52Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13.07.2012 – 9 B 818/12 –, juris, Rn. 2 ff. m.w.N., und vom 29.04.2021 – 9 B 567/21 –, juris, Rn. 2 ff.
53Der Antragsteller hat weder einen Antrag nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO vor Einleitung des gerichtlichen Eilverfahrens gestellt, noch war ein solcher Antrag wegen Vorliegens der Voraussetzungen von § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO ausnahmsweise entbehrlich.
54IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Für die beantragte Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ist bei dieser Kostenfolge kein Raum.
55V. Der gemäß § 52 Abs. 1, 2 § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG festgesetzte Streitwert entspricht in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Hälfte des Betrags, der im Hauptsacheverfahren anzusetzen ist. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist der Streitwert in Hauptsacheverfahren wegen der Entziehung einer Fahrerlaubnis regelmäßig auf den Auffangbetrag festzusetzen. Ein streitwerterhöhendes besonderes Interesse liegt nicht vor. Die Zwangsmittelandrohung bleibt nach Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für die Streitwertfestsetzung außer Betracht.
56Rechtsmittelbelehrung
57Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
58Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
59Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
60Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
61Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
62Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
63Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
64Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
65Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.