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1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 1422/21 gegen den Zurückstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2021 (Az.: 00-00/000000 BA- 0) wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 625,00 Euro festgesetzt.
Gründe
2Das vorläufige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 1422/21 gegen den Zurückstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2021 (Az.: 00-00/000000 BA- 0) wiederherzustellen,
4ist zulässig und begründet.
5Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht zu treffende Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin geht zu Gunsten des Antragstellers aus. Denn der mit der Anfechtungsklage angegriffene Zurückstellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2021 (Az.: 00-00/000000 BA- 0) ist offensichtlich rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
6Die materiellen Voraussetzungen für die Zurückstellung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB lagen im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Zurückstellungsbescheides nicht vor.
7Nach dieser Vorschrift hat die Baugenehmigungsbehörde, wenn eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht beschlossen wird, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten auszusetzen, wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Das Erfordernis des Antrags entfällt, wenn – wie hier – die Gemeinde zugleich Baugenehmigungsbehörde ist. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB liegen nicht vor. Hiernach kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen, wenn der Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist. In materieller Hinsicht muss einer Veränderungssperre und damit auch einer Zurückstellung nach § 15 BauGB eine sicherungsfähige, d.h. erforderliche und hinreichend bestimmte Planung zu Grunde liegen, § 14 Abs. 1 BauGB. Danach muss die Planung, die durch eine Veränderungssperre gesichert werden soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lassen, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Denn wenn Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären – auch vor dem Hintergrund von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG – nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt. Insofern ist es grundsätzlich erforderlich, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp, sei es, dass sie nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 2a BauGB festsetzbare Nutzungen sowie Vorstellungen über das Maß der baulichen Nutzung, §§ 16 ff. BauNVO ins Auge gefasst hat.
8ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 09. August 2016 – 4 C 5.15 -, ZfBR 2017, 62, 64 Rn. 19; Urteil vom 30. August 2012 – 4 C 1.11 -, BVerwGE 144, 82 Rn. 12 jeweils mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Urteil der Kammer vom 16. Dezember 2020 – 2 K 2208/20 – juris.
9Dieses Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört zur normativen Konzeption des § 14 BauGB. Nach dessen Absatz 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde noch nicht völlig offen sind.
10vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 2010 – 4 BN 26.10 -, ZfBR 2011, 160 mit weiteren Nachweisen.
11Gemessen daran kann das Gericht nach der im Eilverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung nicht feststellen, dass vorliegend durch eine Veränderungssperre sicherbare, hinreichend konkretisierte Planungsabsichten der Antragsgegnerin für den Bereich der am 12. Juni 2003 und 18. April 2013 vom Rat der Antragsgegnerin beschlossene Änderung des Bebauungsplans Nr. 0000-00 (neu: Nr. 0000-0) gegeben sind. Nach Durchsicht des Planaufstellungsvorgangs liegen auf Seiten der Plangeberin keine konkreten Vorstellungen sowohl über die Art als auch das Maß der baulichen Nutzung der betroffenen Grundstücksflächen vor. Die Antragsgegnerin hat bislang weder einen bestimmten Baugebietstyp nach § 1 Abs. 2 BauNVO noch das Maß der baulichen Nutzung für den Planbereich ins Auge gefasst. In der Beschlussvorlage (Drucksachen-Nr. 0000000) zur Änderung des Bebauungsplans Nr. 0000-00 heißt es lediglich, Ziel der Planung sei es, die nach Verlagerung des Sitzes der Bundesregierung und eines großen Teils der Ministerien nach Berlin durch die eingetretene Entwicklung überholte Festsetzung von Sondergebiet für „Hauptstadteinrichtungen“ überwiegend in „Büro- und Verwaltungsnutzungen“ zu ändern. Die übrigen im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen sollten jedoch unverändert bleiben. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hatte zuvor mit Urteil vom 02. Februar 2002 (Az.: 7a D 224/98.NE) zum - das angrenzende Gebiet umfassenden - Bebauungsplan Nr. 0000-00 (G. -T. -Straße) die Funktionslosigkeit der Festsetzung von Sondergebiet „Hauptstadteinrichtungen“ festgestellt und den entsprechenden Bebauungsplan für nichtig erklärt. In der Folgezeit ging die Antragsgegnerin auch von der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans Nr. 0000-00 aus und beurteilte Bauvorhaben auf der Grundlage von § 34 BauGB. Gleichwohl hat der Rat der Antragsgegnerin in der Folgezeit mit Beschluss vom 18. April 2013 nochmals beschlossen, für den Bebauungsplan Nr. 0000-00 (ehemalige Landesvertretung Niedersachsen) ein Änderungsverfahren mit dem Ziel einzuleiten, „den Bebauungsplan rechtssicher zu machen“. Weiter hat der Rat in dieser Sitzung erneut beschlossen, dass die Festsetzungen, die Baugrenzen, Bauhöhen sowie GRZ und GFZ betreffen, erhalten bleiben sollen. Ziel der Planung sei zum einen, mit der Ausweisung eines Sondergebiets „Büro- und Verwaltung“ den erfolgten Strukturwandel auch planungsrechtlich nachzuvollziehen. Zum anderen solle der im Bereich der ehemaligen Landesvertretung Niedersachsen auf der Grundlage von § 34 BauGB bereits im Rahmen einer Bauvoranfrage des Antragstellers positiv beschiedene Bau eines vier- bis siebengeschossigen Bürokomplexes mit Ausbildung eines markanten, neungeschossigen Kopfbaus ebenfalls planungsrechtlich nachvollzogen werden. In der Folgezeit - bis zum heutigen Tag - ruhte das Planänderungsverfahren jedoch u.a. wegen der politisch noch nicht abschließend definierten und bei der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Rahmenplanung Bundesviertel. Im Beschluss des Hauptausschusses vom 07. Mai 2020 zur Rahmenplanung Bundesviertel heißt es unter Ziffer 3 nunmehr, die Verwaltung wird beauftragt, die Rahmenplanung Bundesviertel dahingehend anzupassen, den Wohnanteil (im Bundesviertel) deutlich zu erhöhen. Nach Erlass des angegriffenen Zurückstellungsbescheids vom 10. Februar 2021 hat der Rat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 28. Juni 2021 nunmehr beschlossen, dass der erneuten Überarbeitung der Rahmenplanung Bundesviertel mit einem Wohnanteil von rund 65% bezogen auf den in der Rahmenplanung aufgezeigten potentiellen Zuwachs an Geschossfläche zugestimmt wird. Aus einer Gesamtschau ergibt sich daher, dass in keiner Weise zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Zurückstellungsbescheids vom 10. Februar 2021 verlässlich absehbar war, inwieweit die streitgegenständlichen Grundstücksflächen im Plangebiet im Wege von Festsetzungen zur Art und zum Maß der baulichen Nutzung konkret bebaubar sein sollen. Es lässt sich auch nicht nur annäherungsweise absehen, wie die Zahl der Vollgeschosse nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO oder die Höhe der baulichen Anlagen nach § 18 BauNVO festgelegt werden soll.
12Die entgegenstehende Auffassung der Antragsgegnerin ist nicht tragfähig und geht offensichtlich von einem fehlerhaften Verständnis der Sicherungsfähigkeit einer Bauleitplanung aus. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der zu ändernde Bebauungsplan Nr. 0000-00 wegen Funktionslosigkeit – wovon auch die Antragsgegnerin ausweislich der Verwaltungsvorgänge unzweifelhaft ausgegangen ist – nichtig ist und damit keinerlei Rechtswirkungen mehr hat. Damit verbietet sich ein Rückgriff auf die Festsetzungen dieses Planes, die u.a. Bauhöhen betreffen, von vornherein. Insgesamt erwecken die Planungsabsichten der Antragsgegnerin den Eindruck, dass die Planung in ihren Grundzügen weiterhin vollkommen offen ist. Dies dokumentiert auch die Formulierung im Beschluss des Rates der Antragsgegnerin vom 18. April 2013, wenn es dort heißt, für den Bebauungsplan Nr. 0000-00 werde ein Änderungsverfahren mit dem Ziel eingeleitet, den Bebauungsplan „rechtssicher zu machen“. In welcher Art und Weise durch die Antragsgegnerin eine „Rechtssicherheit“ des Bebauungsplans Nr. 0000-00 herbeigeführt werden soll, ist allerdings in den letzten mehr als 8 ½ Jahren nicht deutlich geworden, auch wenn eine Beteiligung von Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange nach § 4 BauGB ausweislich der Verwaltungsvorgänge bereits im Jahr 2015 erfolgt ist. Eine derartige „Planung“ kann nicht durch eine Veränderungssperre gesichert werden. Denn Zweck einer derartigen Satzung ist es, eine bestimmte Bauleitplanung zu sichern. Sie dient nicht dazu, die Planungshoheit der Gemeinde allgemein zu sichern. Gerade dies ist aber der Fall, wenn eine Gemeinde eine Veränderungssperre erlässt, bzw. – wie hier – einen Bauantrag zurückstellt, um auf diese Weise Zeit zu gewinnen für die Entwicklung eines bestimmten Planungskonzepts,
13so ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 16.03 -, ZfBR 2004, 460, 463.
14Damit fehlt es aller Voraussicht nach auch an der weiteren Voraussetzung für die Zurückstellung des Vorhabens des Antragstellers auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Da die städtebauliche Planung der Antragsgegnerin – wie soeben dargelegt – mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht hinreichend konkretisiert ist, lässt sich nicht feststellen, dass das streitige Bauvorhaben des Antragstellers die Durchführung der Planung unmöglich macht oder zumindest wesentlich erschweren würde.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
16Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht orientiert sich in ständiger Rechtsprechung an Ziffer 6 des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW vom 22. Januar 2019 (BauR 2019, 610), wobei das Interesse des Antragstellers bei einer Anfechtung des Zurückstellungsbescheids dem Verpflichtungsinteresse entspricht. Hiervon sind für die Baugenehmigung betreffend die Errichtung eines Dachgartens 5.000,00 Euro angesetzt worden, davon 25% = 1.250,00 Euro. Das Gericht hat wegen der Vorläufigkeit des Verfahrens den danach zu bemessenden Streitwert der Hauptsache gemäß Ziffer 14 lit. a) des Streitwertkatalogs der Bausenate des OVG NRW halbiert.
17Rechtsmittelbelehrung
18Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
19Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
20Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
21Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
22Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
23Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
24Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
25Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
26Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.