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Die Erinnerung der Beklagten gegen die Kostenrechnung vom 19. November 2020 wird zurückgewiesen.
Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
2Über die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Erinnerung gegen die Kostenrechnung entscheidet nach § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Einzelrichter.
3Die Erinnerung ist unbegründet. Die Einwände der Beklagten gegen die angesetzte Terminsgebühr greifen nicht durch.
4Nach Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) beträgt die Terminsgebühr das 1,2-fache der Wertgebühr nach § 13 RVG. In der Anmerkung zu Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses heißt es in Absatz 1 Nr. 2, dass die Gebühr auch entsteht, wenn nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn im vorliegenden Verfahren ist durch Gerichtsbescheid entschieden worden, gegen den die Beteiligten nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO mündliche Verhandlung beantragen konnten.
5Die Beklagte tritt dieser Subsumtion mit der Begründung entgegen, dass der Gebührentatbestand dem Wortlaut nach zwar erfüllt sei. Allerdings müsse dieser vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung einschränkend ausgelegt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei der Gebührentatbestand nur dann erfüllt, wenn ein Anwendungsfall des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gegeben sei. Es müsse sich also um einen Fall handeln, in dem gegen den Gerichtsbescheid ein Rechtsmittel nicht gegeben und daher ausschließlich die Möglichkeit bestehe, mündliche Verhandlung zu beantragen. Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, dass die Voraussetzungen des Gebührentatbestandes im vorliegenden Fall auch deshalb nicht erfüllt seien, weil der Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung mangels Beschwer offensichtlich unzulässig gewesen wäre, da dieser vollständig obsiegt habe.
6Dem ist nicht zu folgen. Die von der Beklagten vertretene eingeschränkte Auslegung teilt das Gericht nicht.
7Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem sie steht.
8So BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 15. September 2011 – 1 BvR 519/10 –, juris, Rn. 38 m. w. N. Vgl. hierzu auch Würdinger, JuS 2016, S. 4.
9Auslegungsziel muss die Erfassung des Regelungsinhalts des Gesetzes sein, d.h. die Ermittlung des Willens des historischen Gesetzgebers, so wie er im Gesetz seinen Ausdruck gefunden hat; die einzig verfassungsgemäße Auslegungsmethode ist daher die subjektiv-teleologische in den Grenzen von Wortlaut und Systematik.
10So Hillgruber, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 92. EL August 2020, Art. 97 Rn. 57.
11Ausgehend von diesen Maßstäben lässt sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts die von der Beklagten vertretene Auslegung mit dem Wortlaut des einschlägigen Gebührentatbestands nicht vereinbaren; die Beklagte übertritt mit ihrer Auslegung die Grenze, die der Wortlaut der Norm zieht.
12Es mag sein, dass der Gesetzgeber mit der von der Beklagten benannten Gesetzesänderung die Geltendmachung einer „fiktiven“ Terminsgebühr auf die Fälle des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beschränken wollte. Allerdings hat dieser Wille im Wortlaut von Abs. 1 Nr. 2 der Anmerkung zu Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses keinen Ausdruck gefunden. Es wäre dem Gesetzgeber ohne weiteres möglich gewesen, etwa zu formulieren, dass die Gebühr auch entsteht, wenn nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden wird und nur eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann. Damit wäre der Anwendungsbereich eindeutig auf die Fälle des § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO beschränkt gewesen. Dies hat der Gesetzgeber indes nicht getan. Im Ergebnis führt die von der Beklagten vertretene einschränkende Auslegung damit nicht etwa zu einer genaueren Erfassung des Regelungsinhalts der Norm, sondern sie gibt der Norm vielmehr einen anderen Regelungsinhalt. Dies ist jedoch kein zulässiges Auslegungsziel.
13Die vom Wortlaut nicht getragene Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm ist – in Anlehnung an das Instrument der verfassungskonformen Auslegung – auch nicht deshalb geboten, um die Vereinbarkeit mit höherrangigem oder sonstigem Recht herzustellen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber den Gebührentatbestand mit dem hier vertretenen Regelungsgehalt nicht hätte erlassen dürfen.
14Die Beklagte dringt auch mit ihrem weiteren Einwand nicht durch. Soweit sie geltend macht, bei einem vollständigen Obsiegen des anwaltlich vertretenen Klägers – wie hier – könne dieser mangels Beschwer offensichtlich keinen zulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen, übersieht sie, dass der Gebührentatbestand nicht darauf abstellt, ob gerade der Kläger einen Antrag auf mündliche Verhandlung stellen kann. Vorliegend hätte die Beklagte – als unterlegene Beteiligte – mündliche Verhandlung beantragen können. Dies reicht für das Entstehen der „fiktiven“ Terminsgebühr aus. Hierfür ist nur zu verlangen, dass (überhaupt) eine mündliche Verhandlung erzwungen werden kann. Die Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 des Vergütungsverzeichnisses entsteht mithin dann, wenn ein Gerichtsbescheid ergeht und von keinem Verfahrensbeteiligten der statthafte Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt wird.
15Vgl. hierzu auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. März 2017 – 13 I 6/17 –, juris, Rn. 5 m. w. N.
16Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.
17Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).