Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der – sinngemäße – Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 20 K 4449/21 gegen Ziffer 1 des Bescheides des Antragsgegners vom 11.08.2021 anzuordnen und gegen Ziffer 2 des Bescheides des Antragsgegners vom 11.08.2021 wiederherzustellen,
4hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
5I. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheides begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken.
6Ziffer 2 des Bescheides enthält die Anordnung gegenüber dem Antragsteller, die in seiner Waffenbesitzkarte eingetragene halbautomatische Pistole, Kaliber 9 mm Luger, Hersteller I. 00 XXX0, Herstellungsnummer XXXX000, bis zum 01.09.2021 dauerhaft unbrauchbar zu machen, zur Vernichtung bei dem Antragsgegner abzugeben oder einem Berechtigten zu überlassen und dies bis zum 15.09.2021 nachzuweisen.
7Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich dieser Ziffer damit begründet, dass sie im öffentlichen Interesse liege und dass dieses öffentliche Interesse das Interesse des Antragstellers am Waffenbesitz überwiege. Das mit jedem Waffen- und Munitionsbesitz zwangsläufig verbundene Sicherheitsrisiko solle so gering wie möglich gehalten werden. Die Allgemeinheit könne diesem Risiko nur ausgesetzt werden, wenn nur Personen hiermit den Umgang ausübten, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienten, dass sie diesen ohne Ausnahmen vorschriftsgemäß ausübten. Zum Schutz der hochrangigen Rechtsgüter wie u.a. Leben, Gesundheit und Eigentum könne daher nicht hingenommen werden, die aufschiebende Wirkung einer evtl. eingelegten Klage abzuwarten. In diesem Fall könnte der Antragsteller bis zur Rechtskraft der Anordnung weiterhin die tatsächliche Gewalt über erlaubnisfreie Waffen und Munition ausüben. Weil bis dahin mehrere Jahre verstreichen könnten, könnten sich in dieser Zeit auch die mit Schusswaffen und Munition im Besitz ungeeigneter Personen verbundenen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für schwerwiegende Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit, verwirklichen.
8Diese Begründung genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat hinreichend deutlich gemacht, warum er es im vorliegenden (Einzel-) Fall für erforderlich hält, sicherzustellen, dass die Pistole des Antragstellers für die Zeit eines evtl. Klageverfahrens nicht in dessen Besitz verbleibt bzw. nicht in dessen Besitz zurückgelangt.
9Der formellen Ordnungsgemäßheit der Anordnung der sofortigen Vollziehung steht es nicht entgegen, dass sich die Waffe des Antragstellers im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides (11.08.2021) bereits bei dem Antragsgegner in Verwahrung befand. Ohne den Widerruf der Waffenbesitzkarte und die Anordnung in Ziffer 2 des Bescheides hätte der Antragsteller die Pistole unter Umständen noch von dem Antragsgegner herausverlangen können. Alternativ hätte der Antragsgegner diese weiter unentgeltlich verwahren müssen. Mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 2 des Bescheides hat der Antragsgegner eine Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Antragstellers, die Waffe dauerhaft unbrauchbar zu machen, sie zur Vernichtung freizugeben bzw. sie einem Berechtigten zu überlassen, geschaffen. An dieser Anordnung bestand mithin ein objektives Interesse des Antragsgegners. Ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung in materieller Hinsicht trägt, ist keine Frage der formellen Ordnungsgemäßheit der Anordnung der sofortigen Vollziehung, sondern des besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses (s. unten).
10Soweit der Antragsgegner in der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ausführt, dass nicht hingenommen werden könne, die aufschiebende Wirkung einer evtl. eingelegten Klage abzuwarten, weil dies dazu führen würde, dass der Antragsteller bis zur Rechtskraft der Anordnung weiterhin die tatsächliche Gewalt über erlaubnisfreie Waffen und Munition ausüben könne, dürfte es sich hier um einen bloßen sprachlichen Fehler handeln. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgte ersichtlich zu dem Zweck, den weiteren Besitz an der erlaubnispflichtigen Waffe (der Pistole des Antragstellers) für die Dauer eines evtl. Klageverfahrens zu unterbinden.
11II. Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 11.08.2021 begegnet auch in materieller Hinsicht keinen Bedenken. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen geht zu Lasten des Antragstellers aus, weil das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 11.08.2021 das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
121. Dies gilt zunächst hinsichtlich des nach § 45 Abs. 5 WaffG sofort vollziehbaren Widerrufs der dem Antragsteller erteilten Waffenbesitzkarte Nr. 000/0000. Bei summarischer Prüfung spricht Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit des Widerrufs. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 WaffG liegen vor.
13Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.
14Die Waffenbesitzkarte des Antragstellers ist eine auf Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG erteilte Erlaubnis.
15Eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz erhält nur, wer die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG).
16Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes, des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen, des Sprengstoffgesetzes oder des Bundesjagdgesetzes verstoßen haben (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1c WaffG).
17Dies zugrunde gelegt, ist der Antragsteller als unzuverlässig einzustufen.
18Der Antragsteller ist seit November 2019 Inhaber einer grünen Waffenbesitzkarte. Diese wurde ihm auf der Grundlage eines waffenrechtlichen Bedürfnisses als Sportschütze erteilt. Der Bund der Militär- und Polizeischützen e.V. (BDMP e.V.) hatte ihm im April 2019 zwei Bescheinigungen über sein waffenrechtliches Bedürfnis als Sportschütze ausgestellt. In den Bescheinigungen heißt es, dass der Antragsteller den Schießsport seit mindestens 12 Monaten regelmäßig betreibe und dass ihm gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 WaffG ein waffenrechtliches Bedürfnis für eine halbautomatische Pistole, Kaliber 9 mm Luger, welche nach der Sportordnung des BDMP e.V. für die Disziplin C.6A, „Police Pistol 1 (PP 1)“ zugelassen und erforderlich sei, sowie für einen Revolver des Kalibers .357Mag, welcher nach der Sportordnung des BDMP e.V. für die Disziplin C.7, „NPA Service Pistol (Service Pistol B)“ zugelassen und erforderlich sei, bescheinigt werde.
19Der Antragsteller erwarb am 27.11.2019 eine halbautomatische Pistole, Kaliber 9 mm Luger.
20Am 28.11.2019 beantragte er eine Erwerbsberechtigung nebst Munitionserwerbsberechtigung für einen Revolver, Kaliber .357Mag. Zur Begründung verwies er auf die entsprechende Bedürfnisbescheinigung des BDMP e.V. vom 18.04.2019. Der Antragsgegner erteilte ihm im Dezember 2019 die beantragte Erwerbsberechtigung nebst Munitionserwerbsberechtigung.
21Am 09.12.2019 erwarb der Antragsteller bei der X. Y. GmbH einen Revolver des Herstellers Ruger, Kaliber .38Spec. mit einem 2,5 Zoll-Lauf. Den Erwerb zeigte er dem Antragsgegner unter dem 12.12.2019 an, wobei er die Waffe als „Ruger, USA Revolver, Kaliber .38Spec. 357, Hersteller Ruger“ bezeichnete. Die Rechnung der X. Y. GmbH legte er bei. Die dortige Artikelbezeichnung lautet „Ruger, USA Revolver, Mod. SP 101, .38Spec., S/N: 571-10274“. In der Waffenbesitzkarte des Antragstellers ist der Erwerb eines Revolvers des Kalibers .357Mag, „Ruger SP 101, S/N: 571-10274“ eingetragen und vom Antragsgegner abgestempelt.
22Im Februar 2020 fiel dem Antragsgegner auf der Grundlage der ihm vorliegenden Unterlagen auf, dass der Revolver, den der Antragsteller erworben hatte, nicht dem Revolver entsprach, für den die Erwerbsberechtigung erteilt worden war. Die X. Y. GmbH teilte auf Nachfrage mit, dass der Revolver mit dem Kaliber .38 Special dem Antragsteller ausgereicht habe. Da das Kaliber schwächer sei als das im Voreintrag eingetragene Kaliber .357 Magnum, sei dieser Verkauf legitim gewesen.
23Der Antragsgegner forderte in der Folge Lichtbilder des vom Antragsteller erworbenen Revolvers an. Er vermerkte in den Akten, dass es sich um einen Revolver des Herstellers Ruger, SP 101, Kaliber .38Spec mit einer Fünfschusstrommel, einem „Compat“-Visier und einem 2,5 Zoll-Lauf handele, welcher als Verteidigungswaffe ausgelegt sei. Weiter hielt er fest, dass es sich bei der Schießdisziplin C.7, „NPA Service Pistol (Service Pistol B)“, die in der Bedürfnisbescheinigung für den Revolver Kaliber .357Mag vom 18.04.2019 genannt ist, um eine Disziplin handelt, für die nur Revolver im Kaliber von .354 (9 mm) bis .455 zugelassen sind und in der aus 4 verschiedenen Positionen jeweils 6 Schüsse abgegeben werden.
24Am 11.02.2020 wurde eine Strafanzeige gegen den Antragsteller wegen Straftaten nach dem Waffengesetz (= Erwerb eines scharfen Revolvers ohne entsprechende Besitzberechtigung) aufgenommen (§§ 51, 52 WaffG). In der Beschuldigtenvernehmung gab der Antragsteller an, dass er beim Kauf des 38er Revolvers davon ausgegangen sei, dass es das gleiche Kaliber sei. Die Waffe sei günstig gewesen. Das Waffengeschäft habe ihm zugesagt, dass das gehe. Auf die Frage, für welche Schießdisziplin die Waffe gekauft worden sei, gab der Antragsteller an, dass sie bei dem Verein D. U. aus einer Entfernung von 10 Metern auf Zielscheiben schössen. Auf die weitere Frage, wie man diese Disziplin nenne, gab er an, dass er damit Sport mache. Auf den Vorhalt, dass es zum zielgerichteten Schießen mit einer Kurzwaffe einer Visierung bedürfe, und auf die Frage, welches Visier der Revolver, den der Antragsteller gekauft habe, habe, gab er an, dass er jetzt lieber einen Anwalt nehmen wolle und auch nichts unterschreiben werde.
25Am 12.03.2020 gab der Kläger seine halbautomatische Pistole und seinen Revolver freiwillig bei dem Antragsgegner ab. Auf die Erläuterung des Antragsgegners, dass er im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung mit einem Widerrufsverfahren rechnen müsse, gab der Antragsteller an, dass er selbstständiger Bewachungsunternehmer sei – derzeit noch ohne Aufträge mit Waffe. Dies sei auf kurz oder lang jedoch beabsichtigt. Er würde am liebsten auf den Revolver verzichten und die Sache löschen.
26In einem Telefonat, das noch an demselben Tag stattfand, gab der Antragsteller auf Nachfrage an, dass er bisher nur mit der Pistole geschossen habe. Er wolle auch Revolverschießen und habe ein lukratives Angebot gesehen und daher die Bedürfnisbescheinigung beantragt. Ihn habe nur der Preis gelockt. Um das Ganze abzuschließen, würde er nun lieber auf den Revolver verzichten.
27Das gegen den Antragsteller geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde am 14.08.2020 gemäß § 153 Abs. 1 StPO von der Staatsanwaltschaft eingestellt.
28Mit Schreiben vom 04.09.2020 bat der Antragsgegner den BDMP e.V. um Stellungnahme, ob der vom Antragsteller erworbene Revolver im Kaliber .38Spec für das Schießen in der beantragten Sportdisziplin C.7, „NPA Service Pistol (Service Pistol B)“, geeignet sei. Nach Auffassung des Antragsgegners sei dies nicht der Fall, da bei dieser Disziplin jeweils 6 Schüsse auf verschiedene Distanzen abgegeben würden, es sich bei dem vom Antragsteller erworbenen Revolver jedoch um einen Fünfschussrevolver mit einem „Compat“-Visier und einem 2,5 Zoll-Lauf handele. Der BDMP e.V. teilte darauf mit Schreiben vom 07.09.2020 mit, dass der vom Antragsteller erworbene Revolver unter das Verbot des § 6 Abs. 1 Nr. 1 AWaffV falle, wonach Kurzwaffen mit einer Lauflänge von weniger als 3 Zoll vom sportlichen Schießen ausgeschlossen seien. Die vom Antragsteller erworbene Waffe könnte zwar unter die Disziplin C.9.7.6. fallen. Hierzu müssten jedoch besondere Voraussetzungen erfüllt werden, die der Antragsteller nicht ansatzweise erfülle. Der Antragsteller habe vorschriftswidrig, eigenmächtig und unzuverlässig gehandelt, sodass ein Entzug der Waffenbesitzkarte vom BDMP e.V. befürwortet werde. Der Antragsteller werde vom BDMP e.V. keine weiteren Bedürfnisbescheinigungen erhalten.
29Den Revolver im Kaliber .38Spec hat der Antragsteller gemäß der Dokumentation im Verwaltungsvorgang im Oktober 2020 verkauft.
30Auf der Grundlage des geschilderten Sachverhalts hat der Antragsgegner den Antragsteller im Bescheid vom 11.08.2021 zu Recht als unzuverlässig eingestuft.
31Der Antragsteller hat mit dem Revolver im Kaliber .38Spec mit einem „Compat“-Visier und einem 2,5 Zoll-Lauf eine Waffe erworben, für die er keine Erwerbsberechtigung hatte. Die dem Antragsteller erteilte Erwerbsberechtigung bezog sich ausschließlich auf einen Revolver des Kalibers .357Mag. Darüber hinaus ist der von ihm konkret erworbene Revolver gemäß § 6 Abs. 1 AWaffV vom sportlichen Schießen grundsätzlich ausgeschlossen.
32Der Antragsteller wusste, dass er mit dem Revolver im Kaliber .38Spec eine andere Waffe erwarb als die, auf die sich die in der Waffenbesitzkarte eingetragene Erwerbserlaubnis bezog. Ebenso war ihm nach eigenen Angaben bekannt, dass der von ihm erworbene Revolver überhaupt nicht für sportliche Wettkämpfe und damit auch nicht für seinen Bedürfniszweck – das sportliche Schießen – benutzt werden kann. Der Antragsteller hat im Verwaltungsverfahren auch offenbart, dass er nicht ansatzweise eine hinreichende Sachkunde in Bezug auf das sportliche Schießen und die dabei verwendeten Sportwaffen besitzt. Auf die Frage in der Beschuldigtenvernehmung vom 12.03.2020, für welche Disziplin er den Revolver im Kaliber .38Spec gekauft habe, gab er an, dass sie in seinem Schützenverein aus einer Entfernung von 10 Metern auf Zielscheiben schössen. Auf die weitere Frage, wie man diese Disziplin nenne, gab er an, dass er damit Sport mache. Auf den Vorhalt, dass es zum zielgerichteten Schießen mit einer Kurzwaffe einer Visierung bedürfe, und auf die Frage, welches Visier der Revolver, den der Antragsteller gekauft habe, habe, sagte er, dass er jetzt lieber einen Anwalt nehmen wollte und nichts unterschreiben werde.
33Der Antragsteller hat durch sein Verhalten gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 WaffG).
34Er hat (mindestens) grob fahrlässig eine Waffe erworben, für die er keine Erwerbserlaubnis hatte. Damit hat er den Straftatbestand des § 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG erfüllt. Bei der von ihm erworbenen Waffe handelte es sich darüber hinaus um eine solche, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 AWaffG vom sportlichen Schießen ausgeschlossen ist. Die Waffe kam damit für eine Verwendung innerhalb des Bedürfniszwecks des Antragstellers überhaupt nicht in Frage.
35Dieser Verstoß ist als „gröblich“ im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG einzustufen. Gröblich ist ein Verstoß dann, wenn sich in seiner Verwirklichung die fehlerhafte Einstellung des*der Begehenden zu den waffen-, munitions- oder jagdrechtlichen Ordnungsvorschriften widerspiegelt.
36Vgl. Gade in: Gade, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 31.
37Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dem Antragsteller als Sportschützen hätte sich aufdrängen müssen, dass eine Erwerbserlaubnis für eine bestimmte Waffe nicht ohne Rücksprache mit der zuständigen Behörde für den Erwerb einer anderen Waffe verwendet werden darf – überdies einer solchen, die gar nicht für den Bedürfniszweck des Antragstellers, das sportliche Schießen, zugelassen ist. Dies gilt unabhängig davon, wie sich die „Schießkolleg*innen“ des Antragstellers und der Händler, von dem er den Revolver erworben hat, zu der Frage der Erwerbserlaubnis im Einzelnen geäußert haben. Der Antragsteller hat hier vollkommen ohne Problembewusstsein und damit sorglos und nachlässig gehandelt.
38Dass das Ermittlungsverfahren gegen ihn von der Staatsanwaltschaft gemäß § 153 StPO eingestellt worden ist, steht der waffenrechtlichen Einschätzung, dass der Antragsteller einen gröblichen Verstoß gegen das Waffengesetz begangen hat, nicht entgegen. Die Verwaltungsbehörden und im Streitfall die Verwaltungsgerichte haben eigenständig festzustellen, welchen Gesetzesverstoß der*die Inhaber*in der waffenrechtlichen Erlaubnis begangen hat, und rechtlich zu beurteilen, ob dieser Verstoß im Sinne des Waffengesetzes „gröblich“ ist.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.03.1996 – 1 C 12/95 –, juris, Rn. 24.
40Gründe, die ein ausnahmsweises Abweichen von der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 Alt. 2 WaffG rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
41Der Antragsteller hat, wie bereits dargestellt, im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht nur ein mangelndes Problembewusstsein hinsichtlich der waffenrechtlichen Erlaubnispflicht offenbart, sondern auch eine mangelnde Sachkunde als Sportschütze. Die Prognose, dass bei ihm auch zukünftig mit (gröblichen) Verstößen gegen das Waffengesetz gerechnet werden muss, ist vor diesem Hintergrund gerechtfertigt.
42Soweit der Antragsteller geltend macht, dass es der gängigen Meinung entspreche, dass die Erwerbsberechtigung für das Kaliber .357 Magnum auch das „wesentlich schwächere“ Kaliber .36 Special umfasse, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Der Antragsteller bestätigt mit diesem Einwand sein mangelndes Verständnis in Bezug auf die dem Waffengesetz zugrundeliegenden Wertungen. Die dem Antragsteller vom Antragsgegner erteilte Waffenerwerbserlaubnis war strikt an das vom Antragsteller mit der Bedürfnisbescheinigung vom 18.04.2019 aufgezeigte waffenrechtliche Bedürfnis als Sportschütze geknüpft. Der vom Antragsteller mithilfe der Erwerbserlaubnis erworbene Revolver ist hingegen vom sportlichen Schießen ausgeschlossen. Die pauschale Argumentation, die erworbene Waffe habe ein „schwächeres“ Kaliber und sei damit von der Erlaubnis mitumfasst, geht vor diesem Hintergrund schon vom Ansatz her fehl. Das Waffengesetz sieht zwar vor, dass Inhaber*innen von Waffenbesitzkarten für bereits vorhandene Waffen z.B. Wechsel- und Austauschläufe gleichen oder geringeren Kalibers ohne separate Erlaubnis erwerben dürfen (siehe Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 2 WaffG); diese Ausnahme bezieht sich aber ausdrücklich nicht auf ganze Waffen.
43Nach alldem geht die vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs und dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers zu Lasten des Antragstellers aus. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nach der in § 45 Abs. 5 WaffG getroffenen grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers Rechtsbehelfe in den dort bezeichneten Fällen keine aufschiebende Wirkung entfalten. Damit hat der Gesetzgeber bewusst entschieden, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit waffenrechtlicher Widerrufsverfügungen wegen Unzuverlässigkeit grundsätzlich das private Interesse des*der Betroffenen, die behördliche Maßnahme nicht ohne vorherige Überprüfung der Rechtmäßigkeit befolgen zu müssen, überwiegt.
442. Hinsichtlich der Ziffer 2 des Bescheides vom 11.08.2021 überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ebenfalls das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Ziffer 2 des Bescheides ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Auch besteht ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer.
45Ziffer 2 des Bescheides vom 11.08.2021 enthält die Aufforderung an den Antragsteller, die in seiner Waffenbesitzkarte eingetragene halbautomatische Pistole, Kaliber 9 mm Luger, Hersteller I. 00 XXX0, Herstellungsnummer XXXX000, bis zum 01.09.2021 dauerhaft unbrauchbar zu machen, zur Vernichtung bei dem Antragsgegner abzugeben oder einem Berechtigten zu überlassen und dies bis zum 15.09.2021 nachzuweisen.
46Der Antragsgegner stützt diese Anordnung auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG.
47Danach kann die zuständige Behörde im Falle des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis anordnen, dass der*die Betroffene binnen angemessener Frist die von der Erlaubnis erfassten Waffen dauerhaft unbrauchbar macht oder einer berechtigten Person überlässt und den Nachweis darüber gegenüber der Behörde führt.
48Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG liegen vor und Ermessensfehler des Antragsgegners sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
49Es besteht auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung in Ziffer 2 des Bescheides. Die besondere Sicherheitslage im Waffenrecht, wonach Waffen in den Händen unzuverlässiger Personen für die Gemeinschaft nicht hinnehmbare Gefahren mit sich bringen, rechtfertigt grundsätzlich die sofortige Vollziehung.
50Das öffentliche Vollzugsinteresse entfällt vorliegend auch nicht deswegen, weil die Waffe des Antragstellers sich im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 11.08.2021 bei dem Antragsgegner in Verwahrung befand. Wie bereits dargestellt, hätte der Antragsteller vor dem Widerruf der Waffenbesitzkarte und der sofort vollziehbaren Anordnung in Ziffer 2 des Bescheides die Waffe unter Umständen noch von dem Antragsgegner herausverlangen können. Alternativ hätte der Antragsgegner die Waffe weiter unentgeltlich verwahren müssen. Mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 2 des Bescheides hat der Antragsgegner die Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Antragstellers geschaffen, die Waffe dauerhaft unbrauchbar zu machen, sie zur Vernichtung durch den Antragsgegner freizugeben oder sie einem*einer Berechtigten zu überlassen. An dieser Anordnung bestand – entsprechend den vorstehenden Erwägungen – sowohl ein Interesse des Antragsgegners als auch ein Allgemeininteresse.
51III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen.
52Rechtsmittelbelehrung
53Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
54Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
55Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
56Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
57Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
58Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
59Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
60Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
61Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.