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1.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
2.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens zu 80 %, der Antragsgegner zu 20 %.
3.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.381,25 Euro festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Antragsteller wendet sich gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnis sowie gegen ein Besitz- und Erwerbsverbot hinsichtlich erlaubnisfreier Waffen und Munition.
4Der Antragsteller ist Inhaber des am 00.00.2016 vom Antragsgegner ausgestellten Kleinen Waffenscheins Nr. 0000/00.
5Mit E-Mails vom 00. und 00.00.2020 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner eine Einzelfallausnahme gem. § 42 Abs. 2 WaffG für das Verbot des Führens von Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen nach § 42 Abs. 1 WaffG. Die Ausnahme sollte für den M. und die Y. der XXX am 00. und 00.00.2020 in D. gelten. Mit weiteren E-Mails vom 00. und 00.00.2020 beantragte der Antragsteller eine Schießerlaubnis zur Abgabe von Probeschüssen. Ebenfalls am 00.00.2020 zeigte der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner an, dass er gedenke, am Abend eine Schreckschusswaffe auf dem Weg ins Autokino zu führen. Am 00.00.2020 wandte sich der Antragsteller wiederum mit Nachfragen zum Formular WAFFG-012-DE-FL (Schießerlaubnis) an den Antragsgegner. Am 00.00.2020 kontaktierte der Antragsteller den Antragsgegner wegen des Führens von Waffen in der Stadtratssitzung am 00.00.2020 im D1. D. . Mit E-Mail vom 00.00.2020 begehrte der Antragsteller eine Erlaubnis zum Führen einer Schreckschusswaffe anlässlich von Wahlkampfveranstaltungen des D2. I. Bezirksbürgermeisters am 00.00.2020.
6Am 00.00.2020 wandte sich die Ehefrau des Antragstellers per E-Mail an den Antragsgegner, um Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs zu erstatten. Am gleichen Tag gegen 20:25 Uhr habe sich ihr Mann auf der Terrasse des Wohnhauses befunden, als der Tatverdächtige mit seinem Fahrrad etwa dreißig Meter auf ihr Grundstück vorgedrungen und am Aufgang zu der Terrasse stehengeblieben sei. Er habe dabei unverständliche, gurgelnde Geräusche von sich gegeben. Ihr Mann habe seine Waffe aus dem Haus geholt und einen Warnschuss abgegeben. Daraufhin habe der Tatverdächtige das Grundstück wieder verlassen. Der Tatverdächtige sei psychisch gestört und habe es auf sie abgesehen. Er empfinde offenbar eine sexuelle Lust, sie auf ihrem Grundstück durch seine Anwesenheit zu belästigen. Auf Fotos aus dem vergangenen Jahr sei seine Erektion durch die Hose zu erkennen.
7Ausweislich des Polizeiberichts suchte ein Beamter des Antragsgegners den Antragsteller und seine Ehefrau im Nachgang der Anzeigenerstattung am 00.00.2020 an ihrer Wohnanschrift auf. Der Antragsteller habe nach Belehrung angegeben, sich zur Tatzeit auf der Terrasse seines Hauses befunden zu haben. Zu diesem Zeitpunkt sei der Tatverdächtige – U. M1. , geboren am 00.00.2008 – mit seinem Fahrrad über den M2. -I1. -Y1. in den Garten seines Hauses gelangt. Der Tatverdächtigte habe sich dann weiter zu ihm in Richtung der Terrasse begeben. Der mehrfachen Aufforderung, das Grundstück zu verlassen, sei er nicht nachgekommen. Daraufhin habe der Antragsteller seine Schreckschusswaffe aus dem Haus geholt, sei wieder nach draußen gegangen und habe mit der Waffe einen Warnschuss in Richtung Boden abgegeben. Daraufhin habe der Tatverdächtige das Grundstück wieder verlassen. Der Tatverdächtigte sei männlich, 12–15 Jahre alt, von südländisch/arabischem Typ und vermutlich geistig behindert. Er könne den Tatverdächtigten wiedererkennen und sei sich sicher, dass es sich um dieselbe Person handele, welche bereits in der Vergangenheit wiederholt auf sein Grundstück eingedrungen sei. Der Tatverdächtige habe es auf die Ehefrau des Antragstellers abgesehen, dies könne er jedoch nicht näher belegen.
8In einer E-Mail vom gleichen Tag an die Leitung der Polizeiwache I2. hielt der Beamte fest, dass ihm der Antragsteller die Haustür geöffnet habe, wobei er über seinem T-Shirt offen ein Schulterholster mit einer griffbereiten PTB-Waffe getragen habe.
9Mit E-Mail vom 00.00.2020 wandte sich die Ehefrau des Antragstellers erneut an den Antragsgegner. Die Ereignisse vom 00.00.2020 hätten sich an diesem Tag um 19:25 Uhr, 19:35 Uhr und um 19:40 Uhr wiederholt. Der damalige Tatverdächtige sei erneut mit dem Fahrrad auf das Grundstück des Antragstellers eingedrungen. Der Junge habe wie üblich nicht reagiert, er sei psychisch auffällig und nicht ansprechbar. Erst auf Schreckschüsse des Antragstellers hin habe der Junge das Grundstück verlassen, sei jedoch jeweils wieder zurückgekehrt, sodass sich der Vorfall wiederholt habe.
10In der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft D. (....) ist der Vorfall ebenfalls festgehalten. Danach soll der Tatverdächtige M1. um 18:25 Uhr, 18:35 Uhr und 18:40 Uhr jeweils auf das Grundstück des Antragstellers gegangen sein. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich der Antragsteller, seine Ehefrau und ein Nachbar im Garten befunden. Um den Jungen von seinem Grundstück zu vertreiben, habe der Antragsteller bei jedem Auftauchen zwei bis vier Mal mit seiner Schreckschusswaffe in die Luft geschossen. Der von den Polizeibeamten im Nachgang aufgesuchte U. M1. habe sich aufgrund seiner Behinderung nicht artikulieren können.
11In einer E-Mail vom 00.00.2020 teilte die Ehefrau des Antragstellers dem Antragsgegner mit, dass es gegen 18:45 Uhr an der Haustür geklingelt habe, ohne dass jemand vor der Tür gestanden hätte. Sie betone, dass sie und der Antragsteller gerade in Zeiten von Corona keine fremden Kinder und Jugendlichen auf ihrem Grundstück duldeten und sie sich weiterhin mit den ihnen zur Verfügung stehenden legalen Mitteln gegen den fortgesetzten Bruch des Hausfriedens zur Wehr setzen würden, sofern obrigkeitliche Hilfe nicht oder nicht rechtzeitig erreichbar sei.
12Mit Schreiben vom 00.00.2020 lud der Antragsgegner den Antragsteller zu einem „persönlichen Gespräch“ am 00.00.2020 in das Polizeipräsidium D3. . Im Zusammenhang mit dem Kleinen Waffenschein habe der Antragsteller eine Vielzahl von Anfragen gestellt, die der Sachbearbeiter gerne mit dem Antragsteller persönlich erörtern wolle.
13Der Termin fand letztlich am 00.00.2020 statt. Dem Antragsteller wurde dabei vom Antragsgegner ein Bescheid vom 00.00.2020 ausgehändigt. Darin widerrief der Antragsgegner den Kleinen Waffenschein Nr. 0000/00 (1.) und untersagte dem Antragsteller den Besitz und Erwerb von erlaubnisfreien Waffen und Munition auf unbefristete Zeit (2.). Weiter wurde angeordnet, dass der Antragsteller die aufgrund des Kleinen Waffenscheins erworbenen Waffen und die noch in seinem Besitz befindliche Munition innerhalb eines Monats nach der Vollziehbarkeit des Widerrufs entweder selbst unbrauchbar machen, sie unbrauchbar machen lassen oder sie einem Berechtigten übergeben müsse und dies schriftlich gegenüber dem Antragsgegner nachzuweisen habe (3.). Ferner wurde hinsichtlich Ziffern 2 und 3 die sofortige Vollziehung angeordnet (4.) und für den Fall, dass der Antragsteller der Anordnung unter Ziffer 3 innerhalb der Frist nicht nachkomme, ein Zwangsgeld von 250,00 Euro angedroht (5.). Der Antragsgegner setzte zudem eine Gebühr von 525,00 Euro fest (6.).
14Der Widerruf des Kleinen Waffenscheins erfolge auf Grundlage von § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG. Der Antragsteller sei unzuverlässig; es bestehe die begründete Annahme, dass der Antragsteller seine Waffen und Munition missbräuchlich i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG verwende. Der Antragsteller habe mehrfach anlässlich verschiedener vergleichbarer Situationen Schüsse aus einer PTB-Waffe abgegeben, als ein 11-jähriges Kind, welches nach der Kenntnislage des Antragstellers eine geistige Behinderung aufweise, das Grundstück des Antragstellers betreten und sich trotz entsprechender Aufforderung nicht entfernt habe. Dabei sei zweifelhaft, ob das Kind überhaupt in der Lage gewesen sei, den Aufforderungen des Antragstellers nachzukommen. Der Antragsteller habe sich nicht auf das Notwehrrecht berufen können. Das Handeln des Antragstellers sei schon nicht erforderlich gewesen. Der Warnschuss sei nicht das relativ mildeste Abwehrmittel gewesen. Es sei dem Antragsteller zumutbar gewesen, auf staatliche Hilfe zurückzugreifen. Auch ein Gespräch mit den Erziehungsberechtigten des Jungen sei denkbar gewesen. Jedenfalls seien die Handlungen des Antragstellers nicht geboten gewesen. Gegenüber Schuldunfähigen und insbesondere Kindern sei eine Berufung auf das Notwehrrecht nur eingeschränkt möglich und auf die schonendste Abwehrmöglichkeit begrenzt. Für den Antragsteller sei erkennbar gewesen, dass das Kind schon aufgrund seines Alters nicht in der Lage gewesen sei, die Unrechtmäßigkeit seines Handelns in vollem Umfang zu erkennen. Zudem habe der Antragsteller von den kognitiven Einschränkungen des Jungen gewusst. Der Junge habe lediglich das Grundstück betreten und sich nicht entfernt. Es habe ein grobes und sozialethisch nicht hinnehmbares Missverhältnis zwischen der Person des Angreifers, der Rechtsgutverletzung und dem gewählten Verteidigungsmittel bestanden. Die Frau des Antragstellers habe angekündigt, dass dieser sich auch in Zukunft gegen Bagatelldelikte wie „Klingelmännchen“ durch Kinder mit der Schreckschusswaffe zur Wehr setzen wolle.
15Auch sei davon auszugehen, dass der Antragsteller die Waffe leichtfertig verwenden werde. Der Antragsteller sei irrtümlich von einem Notwehrrecht ausgegangen. Dies beruhe auf Leichtfertigkeit. Er habe vorschnell und in Ignoranz der geltenden rechtlichen Regelungen gehandelt. Aus zahlreichen Telefonaten und Schriftwechseln habe dem Antragsteller jedoch bekannt sein müssen, dass der Umgang mit Waffen gesetzlich strikt geregelt sei. Das Verhalten zeige aber auch eine besondere Rücksichtslosigkeit im Umgang mit der Waffe. Die bisherigen Anfragen des Antragstellers bezüglich der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit PTB-Waffen offenbarten eine ganz erhebliche Unsicherheit und Unkenntnis. Zwar sei zur Erteilung eines Kleinen Waffenscheins kein waffenrechtlicher Sachkundenachweis erforderlich, jedoch treffe den Antragsteller vor dem Hintergrund seiner ihm bewussten waffenrechtlichen Unkenntnis eine Informationspflicht.
16Das in Ziffer 2 ausgesprochene Waffenverbot beruhe auf § 41 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 4 WaffG. Der Antragsteller sei unzuverlässig. Das Waffenverbot sei verhältnismäßig. Insbesondere stehe kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung. Billigte man dem Antragsteller den Umgang mit Waffen und Munition zu, führe dies zu einer erheblichen Gefährdung, da der Antragsteller unzuverlässig sei. Das Interesse des Antragstellers am Erwerb und Besitz von Waffen und Munition müsse gegenüber dem Recht auf körperliche Unversehrtheit anderer Personen zurücktreten.
17Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten, da der Antragsteller durch sein Verhalten gezeigt habe, dass er auch weiterhin missbräuchlich Gebrauch von der Waffe machen wolle. Die aus dem Verhalten folgende Zukunftsprognose lasse den Schluss zu, dass es auch in Zukunft durch den Antragsteller zu gefahrenträchtigen Situationen kommen könne. Es könne nicht hingenommen werden, dass der Antragsteller für die Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine Gefahr für seine Mitmenschen darstelle.
18Die Gebührenfestsetzung beruhe auf § 50 Abs. 1 WaffG i.V.m. dem Gebührengesetz NRW sowie § 1 AVerwGebO NRW und der Tarifstelle 26 der Anlage zur AVerwGebO NRW.
19Am 11.08.2020 hat der Antragsteller Klage erhoben (Verfahren 20 K 4341/20) und zugleich den hiesigen Eilantrag gestellt. Mit Schreiben vom 31.08.2020 hat der Antragsgegner Ziffern 3 und 5 sowie die auf Ziffer 3 bezogene Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 06.07.2020 aufgehoben und insoweit die Kostenübernahme erklärt. Die Beteiligten haben insoweit die Erledigung des Verfahrens erklärt.
20Der Antragsgegner werfe ihm vor, sich gegen das Betreten seines Grundstückes zur Wehr zu setzen, dies sei allerdings das Recht jedes Bürgers. Er sei zudem aufgrund politisch motivierter Angriffe auf sich und sein Haus dauerhaft gefährdet. Die Polizei selbst habe nunmehr die Bewachung seines Hauses eingeleitet. Die waffenrechtliche Prognose des Antragsgegners sei aus der Luft gegriffen. Er besitze bereits seit 1995 eine Schreckschusswaffe und habe diese auch bisher ohne Beanstandung in der Öffentlichkeit geführt. Soweit ihm vorgeworfen werde, Anträge gem. § 42 Abs. 2 WaffG gestellt zu haben, könne eine gesetzlich zulässige Antragstellung niemals Zeichen mangelnder waffenrechtlicher Zuverlässigkeit sein. Auf seinem Grundstück sei es tatsächlich zu gefahrenträchtigen Situationen gekommen. Diese beruhten auf dem aggressiven Verhalten eines jugendlichen Eindringlings, der es auf seine Ehefrau abgesehen habe. Er bestreite mit Nichtwissen, dass der Jugendliche erst 11 Jahre alt sei. Dies sei jedoch ohnehin nicht relevant, da sich keine Frau der Welt sexuell motivierte Nachstellungen von männlichen Personen gleich welchen Alters gefallen lassen müsse. Eine Gefahr durch Hieb- und Stoßwaffen gehe von ihm keinesfalls aus. Ein Zeuge der Vorfälle, Herr O. D4. , sei zu dem Vorfall bis heute weder von der Polizei noch von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Aufgrund der Schwere der Vorwürfe hätte längst ein Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller eingeleitet werden müssen, dies sei jedoch nicht geschehen. Der Jugendliche habe am 00.00.2020 dreimal in Folge, noch während der Antragsteller mit der Notrufzentrale telefoniert habe, das Grundstück betreten. Angesichts der coronabedingten Ansteckungsgefahr habe es kein milderes Mittel gegeben. Jede Form des Körperkontakts sei ausgeschieden. Der Antragsteller habe an beiden Tagen mehrfach die Notrufzentrale verständigt, sei aber nur in Diskussionen verwickelt worden. Am 00.00.2020 sei erst eine Stunde nach dem Notruf eine Polizeistreife erschienen.
21Der Antragsteller beantragt nunmehr sinngemäß,
22die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 20 K 4341/20 gegen Ziffern 1 und 6 des Bescheides vom 06.07.2020 anzuordnen und sie hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheides wiederherzustellen.
23Der Antragsgegner beantragt,
24den Antrag abzulehnen.
25Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Zur Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers trage auch bei, dass dieser mehrere Anträge gestellt habe, seine Waffe bei öffentlichen Veranstaltungen führen zu dürfen, da er als XXX-Politiker besonders gefährdet sei. Eine tatsächliche Gefahrenlage habe jedoch zu keinem Zeitpunkt festgestellt werden können. Der Erteilung des Waffenverbots hätten keine sachfremden Erwägungen zugrunde gelegen.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners sowie der beigezogenen Strafakte der Staatsanwaltschaft D. mit dem Az. (...) Bezug genommen.
27II.
28Soweit die Beteiligten das vorläufige Rechtsschutzverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen.
29Im Übrigen bleibt der Antrag ohne Erfolg.
301. Er ist hinsichtlich der begehrten Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf Ziffer 6 des Bescheides schon unzulässig.
31Bei der Gebührenfestsetzung handelt es sich um die Anforderung von öffentlichen Abgaben gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO. Nach § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO ist der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch das Gericht nach Absatz 5 in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 nur zulässig, wenn die Behörde zuvor einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Bei diesem Erfordernis handelt es sich um eine nach Stellung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht mehr nachholbare Zugangsvoraussetzung, nicht lediglich um eine bloße Sachentscheidungsvoraussetzung.
32Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 13.07.2012 − 9 B 818/12 – NVwZ-RR 2012, 748.
33Ein Aussetzungsantrag bei der Behörde war auch nicht nach § 80 Abs. 6 S. 2 Nr. 2 VwGO im Hinblick auf eine drohende Vollstreckung ausnahmsweise entbehrlich. Diese Ausnahmeregelung setzt voraus, dass der Vollstreckungsgläubiger konkrete Vorbereitungshandlungen für die baldige Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen getroffen hat und aus der Sicht eines objektiven Betrachters die Vollstreckung so unmittelbar bevorsteht, dass es dem Schuldner nicht zuzumuten ist, zunächst bei der Behörde die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen, statt unmittelbar bei Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen.
34Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 13.07.2012 − 9 B 818/12 – NVwZ-RR 2012, 748.
35Dafür ist hier nichts ersichtlich.
36Rein vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass die Erhebung einer Gebühr von 55,00 Euro „für die Anordnung nach § 42 Abs. 2 WaffG gem. Tarifstelle 26.36 f)“ im Hinblick auf die Aufhebung von Ziffer 3 des Bescheides durch den Antragsgegner rechtlichen Zweifeln begegnet. Jedenfalls kommt ein Absehen von der Gebührenerhebung gem. § 3 AVerwGebO NRW in Betracht.
37Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Gebühr. Sie liegt hinsichtlich der einschlägigen Gebührentatbestände jeweils im mittleren Bereich des Gebührenrahmens und gebührenspezifische Einwände sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.
382. Der Antrag ist im Übrigen unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich Ziffer 2 des Bescheides vom 06.07.2020 formell rechtmäßig ist und das (wegen § 45 Abs. 5 WaffG teilweise kraft Gesetzes bestehende) öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
39a.) Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung betreffend Ziffer 2 ist formell rechtmäßig. Insbesondere genügt die vom Antragsgegner vorgebrachte Begründung – an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind – § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Es handelt sich um eine auf den konkreten Fall abstellende, nicht lediglich formelhafte schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes.
40b.) Der Antragsteller hat nach Abwägung seines privaten Interesses mit dem öffentlichen Vollzugsinteresse keinen Anspruch auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
41aa.) Dies gilt zunächst hinsichtlich des – gem. § 45 Abs. 5 WaffG sofort vollziehbaren – Widerrufs des Kleinen Waffenscheins in Ziffer 1 des Bescheides vom 06.07.2020.
42Bei seiner Entscheidung darüber, ob gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs angeordnet wird, hat das Gericht das öffentliche Vollziehungs- und das private Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen und dabei die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht abschätzen, ist eine Abwägung zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung und dem allgemeinen öffentlichen Interesse bzw. dem privaten Interesse sonstiger Beteiligter am Vollzug vorzunehmen. Im Rahmen dieser Abwägung ist auch eine gesetzgeberische Grundentscheidung (für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) in den Blick zu nehmen.
43Im vorliegenden Fall ergibt die summarische Prüfung, dass keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Klage in der Hauptsache angenommen werden kann. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis. Der Widerruf ist voraussichtlich sowohl formell als auch materiell rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
44Der Widerruf des Kleinen Waffenscheins konnte auf Grundlage von § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG erfolgen.
45(1) Es kann dahinstehen, ob der Antragsteller hinsichtlich des Widerrufs in einer § 28 Abs. 1 VwVfG NRW entsprechenden Weise angehört worden ist. Insoweit ist nicht eindeutig, ob dem Antragsteller die Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Zwar wurde der Antragsteller zu einem „Erörterungsgespräch“ am 00.00.2020 in die Diensträume des Antragsgegners geladen. Dort wurde ihm jedoch unmittelbar nach Eröffnung des eigentlichen Grundes des Gesprächs der bereits gefertigte Widerrufsbescheid übergeben.
46Die etwaige Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 28 VwVfG NRW führt schon dann nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, wenn – wie hier – die Anhörung (zumindest) noch nachgeholt werden kann.
47Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 04.02.2002 – 18 B 693/00 – BeckRS 2015, 50959 und OVG Hamburg, Beschl. v. 18.12.2006 – 3 Bs 218/05 – NVwZ-RR 2007, 364.
48Überdies dürfte der Mangel der Anhörung hier bereits gem. § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG NRW geheilt sein.
49Die Heilung durch Nachholung der Anhörung kann auch in einem Austausch von Sachäußerungen in einem gerichtlichen Verfahren bestehen. Dies setzt voraus, dass die Behörde den Vortrag des Betroffenen zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und zu erwägen, ob sie unter Berücksichtigung der nunmehr vorgebrachten Tatsachen und rechtlichen Erwägungen an ihrer Entscheidung mit diesem konkreten Inhalt festhalten will und das Ergebnis der Überprüfung mitteilt.
50Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 14.06.2010 – 10 B 270/10 – BeckRS 2010, 55839 sowie Beschl. v. 02.02.2021 – 5 A 2418/19 –.
51Vorliegend hat der Antragsgegner in Ansehung der Antragsschrift seinen Bescheid teilweise aufgehoben und im Übrigen an seiner Entscheidung festgehalten.
52(2) Der Widerruf ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
53Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf des Kleinen Waffenscheins des Antragstellers ist § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG. Danach ist eine Erlaubnis nach diesem Gesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Der Kleine Waffenschein ist eine auf Grundlage von § 10 Abs. 4 S. 4 WaffG erteilte Erlaubnis.
54Eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz erhält nur, wer die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG). Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen Personen u. a. nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG). Die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden Risiken sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen.
55St. Rspr. vgl. BVerwG, Urt. v. 28.01.2015 – 6 C 1.14 – NJW 2015, 3594, 3595 und OVG NRW, Beschl. v. 15.09.2017 – 20 B 339/17 – BeckRS 2017, 139052 jeweils m.w.N.
56Ein Mangel der Zuverlässigkeit setzt nicht den Nachweis voraus, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird. Vielmehr genügt, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen besteht. Wird im Rahmen der anzustellenden Prognose von einem gezeigten Verhalten als Tatsache auf das in Zukunft zu erwartende Verhalten des Betroffenen geschlossen, muss im Bereich des Waffenrechts kein Restrisiko hingenommen werden.
57Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 02.05.2013 – 16 A 2255/12 – BeckRS 2013, 50602 zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG und ferner Beschl. v. 15.09.2017 – 20 B 339/17 – BeckRS 2017, 139052 m.w.N zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG.
58Ausgehend hiervon ist der Antragsteller unzuverlässig gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WaffG. Er hat spezifisch waffenrechtlich bedenkliche Verhaltensweisen gezeigt, was die Prognose rechtfertigt und trägt, er werde auch zukünftig missbräuchlich oder leichtfertig mit Waffen umgehen.
59Eine missbräuchliche Verwendung liegt vor, wenn schuldhaft, in der Regel wohl mindestens bedingt vorsätzlich, von der Schusswaffe in einer Art und Weise Gebrauch gemacht wird, die vom Recht nicht gedeckt ist.
60Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 25.10.1993 – 1 S 995/93 – NJW 1994, 956.
61Leichtfertigkeit erfordert in der Regel einen hohen, zumindest aber einen gesteigerten Grad von meist bewusster Fahrlässigkeit, der darin zu erblicken ist, dass der Betroffene aus besonderer Gleichgültigkeit handelt.
62Vgl. Steindorf/N. Heinrich, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 WaffG Rn. 10.
63Der Antragsteller ist bei den Vorfällen am 00.00.2020 und am 00.00.2020 wenigstens leichtfertig mit seiner Schreckschusswaffe umgegangen.
64So war der Einsatz der Waffe am 00.00.2020 von der Rechtsordnung nicht gedeckt.
65Dem steht zunächst nicht entgegen, dass gem. § 12 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 lit. b WaffG das Schießen mit Schusswaffen, aus denen nur Kartuschenmunition verschossen werden kann, durch den Inhaber des Hausrechts oder mit dessen Zustimmung im befriedeten Besitztum keiner Erlaubnis bedarf. Auch solche Schussabgaben auf dem eigenen Grundstück können im Einzelfall die Besorgnis begründen, dass der Schütze missbräuchlich oder leichtfertig mit Waffen und Munition umgeht.
66Vgl. etwa VG Köln, Urt. v. 18.09.2020 – 20 K 5801/19 – BeckRS 2020, 31026 zum Schießen mit Schreckschusswaffen in der Wohnung als „Werbemaßnahme“.
67Der Antragsteller dürfte durch das Abfeuern der Schreckschusswaffe den Straftatbestand der Nötigung (§ 240 StGB) verwirklicht haben.
68Die Abgabe eines „Warnschusses“ beinhaltet regelmäßig die Androhung des Schusswaffengebrauchs gegen Personen oder Sachen (vgl. etwa § 61 Abs. 1 S. 3 PolG NRW). Der Antragsteller hat durch die Schussabgaben auf den Nachbarsjungen einwirken wollen und ihm dadurch konkludent in Aussicht gestellt, dass er eine Schusswaffe gegen ihn einsetzen werde. Damit hat er ein empfindliches Übel, nämlich jedenfalls schwere Verletzungen, in Aussicht gestellt. Auf die objektive Gefährlichkeit der verwendeten Schreckschusswaffe kommt es dabei nicht an. Der Täter muss sein Opfer nicht von der Ernsthaftigkeit der Drohung überzeugen wollen. Es genügt, dass er weiß oder billigend damit rechnet, die Drohung sei geeignet, Furcht vor ihrer Verwirklichung hervorzurufen. Dafür kann es ausreichen, dass das Opfer die Ausführung der Drohung nur für möglich halten soll.
69Vgl. BGH, Urt. v. 16.03.1976 – 5 StR 72/76 – BGHSt 26, 309, 310, juris Rn. 7.
70Eine Schreckschusspistole ist dabei jedenfalls für Laien von einer erlaubnispflichtigen („echten“) Feuerwaffe nicht zu unterscheiden.
71Diese Tat war nach den im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln nicht als Notwehr gem. § 32 Abs. 1 StGB gerechtfertigt. Mit dem Eindringen des Nachbarsjungen in das befriedete Besitztum des Antragstellers dürfte zwar ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff in Form eines Hausfriedensbruchs (§ 123 Abs. 1 StGB) vorgelegen haben. Der Antragsteller durfte sich dagegen jedoch nicht mit der Androhung des Schusswaffengebrauchs wehren. Dem Antragsteller stand nur ein eingeschränktes Notwehrrecht zur Seite.
72Vgl. zur Herleitung der sozialethischen Notwehreinschränkungen ausführlich LK-StGB/Rönnau/Hohn, 13. Aufl. 2019, § 32 StGB Rn. 225 ff.
73Es kann dahinstehen, ob dies schon daraus folgt, dass hier durch das bloße Betreten des Grundstücks möglicherweise nur ein Bagatellangriff vorlag.
74Vgl. BGH, Urt. v. 31.07.1979 – 1 StR 296/79 – juris Rn. 12 und ferner BayObLG, Urt. v. 05.08.1964 – RReg. 1 a St 632/63 – NJW 1965, 163: Drohung des Grundstückseigentümers, mit Hunden und Schusswaffen gegen Wanderer vorzugehen.
75Die vergleichsweise geringe Rechtsgutbeeinträchtigung führte jedenfalls in Anbetracht des Alters des Angreifers und seiner augenscheinlichen geistigen Behinderung zu einer Einschränkung des Notwehrrechts.
76Gegenüber Kindern (§ 19 StGB) und anderen ohne Schuld Handelnden kann es geboten sein, auf Abwehr zu verzichten. Das individuelle Interesse, sich von einem rechtswidrig handelnden Angreifer keine Beschränkungen der eigenen Handlungsfreiheit aufdrängen zu lassen, ist durch die gegenläufige Pflicht zu einer gewissen Nachsicht und Rücksichtnahme gegenüber nicht freiverantwortlich handelnden Rechtsgenossen stark herabgesetzt.
77Vgl. MüKo-StGB/Erb, 4. Aufl. 2020, § 32 StGB Rn. 209; LK-StGB/Rönnau/Hohn, 13. Aufl. 2019, § 32 StGB Rn. 242.
78Vom Verteidiger ist in einer solchen Situation zu erwarten, dass er Möglichkeiten nutzt, dem Angriff ohne substantiellen Rechtsverlust auszuweichen und er sich auf bloße Schutzwehr beschränkt. Ist dies nicht möglich, ist bei einer Trutzwehr der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz strikt zu beachten.
79Vgl. Schönke/Schröder/Perron/Eisele, 30. Aufl. 2019, § 32 StGB Rn. 52; Fischer, 67. Aufl. 2020, § 32 StGB Rn. 37; ferner OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.06.2016 – 1 Ws 63/16 – BeckRS 2016, 14622.
80Dem ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Zwar drang der Nachbarsjunge wiederholt auf das Grundstück des Antragstellers vor. Eine weitergehende Rechtsgutsbeeinträchtigung des Antragstellers war damit jedoch nicht verbunden.
81So sei der Junge nach den Angaben der Ehefrau des Antragstellers vor dem Aufgang zur Terrasse stehengeblieben und habe unverständliche, gurgelnde Geräusche von sich gegeben. Der Antragsteller habe sich in das Haus begeben, seine Waffe geholt und einen Warnschuss abgegeben. Hier ist schon völlig unklar, ob der Antragsteller überhaupt einen Versuch unternommen hat, auf das Kind verbal einzuwirken. Angesichts des sich in einem bloßen Betreten des Grundstücks manifestierenden Hausfriedensbruchs, wäre es dem Antragsteller – der den Jungen zur Vermeidung von Körperkontakt nicht vom Grundstück führen wollte – aber jedenfalls ohne weiteres zuzumuten gewesen, sich in das Haus zurückzuziehen und ggf. (erneut) die Polizei zu verständigen. Die Androhung des Schusswaffengebrauchs, der schwere oder sogar tödliche Verletzungen zur Folge haben kann, stand zur Rechtgutsverletzung in keinem Verhältnis. Dies gilt umso mehr, als dem Antragsteller bewusst war, dass der Nachbarsjunge geistig behindert ist.
82Diese Umstände begründen auch die Verwerflichkeit der Tat nach § 240 Abs. 2 StGB. Der Einsatz einer Schreckschusswaffe stand in krassem Missverhältnis zum Vertreiben des geistig behinderten Nachbarskindes vom Grundstück des Antragstellers.
83Für eine gem. § 33 StGB nicht zu bestrafende Überschreitung der Notwehr ist nichts ersichtlich. So wird der Störungsgrad der „Furcht“ gem. § 33 StGB nur erreicht, wenn ein gesteigertes Maß an Angst vorliegt. Bei dem Täter muss ein durch das Gefühl des Bedrohtseins verursachter psychischer Ausnahmezustand mit einem solchen Störungsgrad gegeben sein, dass der Täter das Geschehen nur noch in erheblich reduziertem Maße verarbeiten kann.
84Vgl. BGH, Urt. v. 06.02.1997 – 5 StR 589/96 – NStZ-RR 1997, 194.
85Ein derartiger Notwehrexzess wäre überdies auch nicht per se geeignet, Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers auszuräumen.
86Vgl. Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018, § 5 WaffG Rn. 11 und Steindorf/N. Heinrich, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 WaffG Rn. 9, wonach eine missbräuchliche Verwendung von Waffen und Munition insbesondere bei einem Notwehr-, Nothilfe- oder Selbsthilfeexzess in Betracht kommt.
87Auch für die Schussabgaben am 00.00.2020 sind keine Faktoren ersichtlich, die eine andere Bewertung rechtfertigten.
88Der Antragsgegner durfte daher angesichts der wiederholten Vorfälle mit einem unberechtigten Schusswaffengebrauch durch den Antragsteller davon ausgehen, dass der Antragsteller Waffen auch in Zukunft missbräuchlich bzw. leichtfertig verwenden werde. In dieser Gesamtschau durfte auch berücksichtigt werden, dass die Ehefrau des Antragstellers insoweit in einer E-Mail vom 00.00.2020 gegenüber dem Antragsgegner angekündigt hatte, dass sie und der Antragsteller sich weiterhin mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den fortgesetzten Bruch des Hausfriedens zur Wehr setzen würden.
89bb.) Auch das mit Ziffer 2 des Bescheides ausgesprochene unbefristete Verbot des Besitzes und Erwerbs erlaubnisfreier Waffen und Munition wird sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.
90(1) Die etwaige Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 28 VwVfG NRW wäre hier ebenfalls durch die Nachholung im gerichtlichen Verfahren geheilt, § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG NRW.
91(2) Nach § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt.
92Dies ist beim Antragsteller – wie dargelegt – der Fall.
93Der Antragsgegner hat das ihm bei der Entscheidung nach § 41 Abs. 1 WaffG zukommende Ermessen erkannt und es fehlerfrei ausgeübt. Er hat bei seiner Entscheidung die zuvor festgestellte Unzuverlässigkeit des Antragstellers in den Blick genommen. Im Hinblick auf den Zweck des Waffengesetzes, den Umgang mit Waffen und Munition zu begrenzen und den zuverlässigen und sachkundigen Umgang mit Waffen zu gewährleisten, um die naturgemäß aus dem Besitz und Gebrauch von Waffen resultierenden erheblichen Gefahren einzugrenzen und überwachen zu können, ist das strafbewehrte Besitzverbot (vgl. § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG) ein geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr. Ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, Gefahren zu begegnen, die auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition im Besitz des nicht zuverlässigen Antragstellers ausgehen, ist nicht ersichtlich.
94Das Waffenbesitzverbot ist auch nicht unverhältnismäßig. Dies gilt zunächst im Hinblick darauf, dass es sich auf sämtliche erlaubnisfreien Waffen, insbesondere auch alle Hieb- und Stoßwaffen, bezieht. Auch die vom Antragsteller geltend gemachte Gefährdungslage aufgrund seiner politischen Tätigkeit führt zu keiner anderen Betrachtung. Der Antragsteller hat diese Gefährdungslage nicht näher konkretisiert. Aus Presseberichten ist der Kammer bekannt, dass Unbekannte einen mit blauer Farbe gefüllten Glasbehälter gegen die Hauswand des Wohnhauses des Antragstellers geworfen haben und dass der Antragsteller in eine körperliche Auseinandersetzung verwickelt war, bei der er Pfefferspray einsetzte.
95Vgl. den Bericht im General-Anzeiger Bonn vom 07.09.2020, abrufbar unter https://ga.de/bonn/bad-godesberg/afd-in-bonn-staatsschutz-ermittelt-nach-farbattacke-auf-wohnhaus_aid-53197853.
96Auch bei einer auf Grundlage dieser Ereignisse unterstellten Gefährdungslage für den Antragsteller ist nicht ersichtlich, dass er auf den Besitz von erlaubnisfreien Waffen angewiesen wäre, zumal er selbst geltend macht, nunmehr von der Polizei geschützt zu werden.
973. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 S. 1, 161 Abs. 2 S. 1 VwGO.
98Da der Antragsgegner die Kostenübernahme hinsichtlich des erledigten Teils erklärt hat, ist ihm der darauf entfallende Kostenanteil aufzuerlegen. Dabei geht die Kammer hinsichtlich der Anordnung der Besitzaufgabe der „aufgrund des Kleinen Waffenscheins erworbenen“ Waffen und Munition und des darauf bezogenen Zwangsgeldes von einem nur untergeordneten Kostenanteil im Hinblick auf den Gesamtstreitwert aus. Ziffer 3 des Bescheides hat keinen eigenen Regelungsgehalt, da ein Kleiner Waffenschein keine Besitz- bzw. Erwerbsberechtigung darstellt, sondern das Führen erlaubnisfreier Waffen gestattet. Ein Waffen- bzw. Munitionserwerb „aufgrund“ eines Kleinen Waffenscheins kommt damit nicht in Betracht.
994. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 und 3 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dabei geht das Gericht von einem (Auffang-)Streitwert von 5.000 Euro für den Widerruf des Kleinen Waffenscheins und von 7.500 Euro für das Waffenbesitzverbot aus, womit auch das Interesse des Antragstellers am Besitzerhalt der bereits erworbenen erlaubnisfreien Waffen abgegolten ist.
100Vgl. zum Kleinen Waffenschein OVG NRW, Beschl. v. 23.06.2010 – 20 B 45/10 – BeckRS 2010, 50354 und zum Waffenbesitzverbot Beschl. v. 15.09.2017 – 20 B 339/17 – BeckRS 2017, 139052.
101Das angedrohte Zwangsgeld von 250 Euro ist nicht streitwerterhöhend. Dies ergibt unter Berücksichtigung der festgesetzten Gebühr,
102vgl. dazu OVG NRW, Beschl. v. 26.06.2019 – 20 E 6/18 – BeckRS 2019, 13327 Rn. 7,
103von 525 Euro einen Gesamtstreitwert von 13.025 Euro, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechend Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 6.381,25 Euro zu reduzieren ist (halber Streitwert hinsichtlich Ziffern 1–3 des Bescheides und ein Viertel des Streitwerts hinsichtlich Ziffer 6).
104Rechtsmittelbelehrung
105Ziffer 1 dieses Beschlusses ist unanfechtbar.
106Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
107Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
108Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
109Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
110Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
111Gegen Ziffer 3 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
112Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
113Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
114Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.