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1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 14 K 3854/19 hinsichtlich der Regelungen in den Ziffern I. bis IV. der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 22.5.2019 wiederherzustellen sowie hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Er ist teilweise unzulässig (unten I.), im Übrigen unbegründet (unten II., III.).
6I. Der Antrag ist zum größten Teil unzulässig (geworden).
7Er ist zwar insgesamt nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Die Klage hat in der Hauptsache wegen der gleichzeitig erfolgten Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der Regelungen in den Ziffern I. bis IV. der angegriffenen Ordnungsverfügung (Anordnung weiterer Untersuchungen des Bodens und des Grundwassers im Bereich des Betriebsgeländes des ehemaligen I. -Werkes II) nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in dem angegriffenen Bescheid hat von Gesetzes wegen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 112 JustG NRW keine aufschiebende Wirkung.
8Er ist jedoch nach Klage- und Antragserhebung wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses in überwiegenden Teilen unzulässig geworden.
9Die Antragstellerin hat nach ihren eigenen Angaben im Schriftsatz vom 9.6.2020, Seite 10, die in Ziffer I. 1., 2., 3., 5., 7., 9., 10. und 11. sowie nach den Angaben im Schriftsatz vom 14.7.2020 und den dazu vorgelegten Unterlagen (Anlagen 22 bis 25) auch die in Ziffer l. 6. geforderten Untersuchungen im März und Juni 2020, also im laufenden Klage- und Eilverfahren, durch einen von ihr beauftragten Gutachter nach § 18 BBodSchG (Anordnung Ziffer II.) durchführen lassen. Da sie die mit Ziffer I. 12. geforderten Dokumentationen zu diesen Untersuchungen jedoch nicht vorgelegt hat, kann nicht beurteilt werden, ob alle Untersuchungen und falls ja auch nach Art und Weise der geforderten Ausführung so durchgeführt worden sind und sich insoweit die Anordnung des Antragsgegners erledigt hat. Die Beteiligten haben auch keine Erledigungserklärung zu diesen Punkten der Ordnungsverfügung abgegeben. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, welches Rechtsschutzbedürfnis sie nunmehr noch für die im Eilverfahren allein begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage in Bezug auf diese Untersuchungen haben könnte. Die Fortsetzung des Eilverfahrens, nunmehr gerichtet auf eine Feststellung entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, wie sie der Antragstellerin möglicherweise vorschwebt, ist nicht statthaft. Es widerspräche dem Charakter des Eilverfahrens als eines vorläufigen und summarischen Verfahrens, wenn in ihm mit bindender Wirkung eine Feststellung über die Rechtswidrigkeit der Verfügung getroffen werden würde. Eine solche Feststellung ist allein der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
10So zu einem Antrag nach § 123 VwGO Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 5.6.1989 – 5 S 1104/89 –, juris, Rn. 3; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 16.1.2013 – 13 B 1306/12 –, juris, Rn. 4 f.; sowie Beschluss vom 04.06.2021 – 8 B 165/21 –, juris, Rn. 22 f., jeweils mit weiteren Nachweisen; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 27.1.1995 – 7 VR 16/94 –, juris; so auch Kopp/Schenke, VwGO, zu § 80, Rn. 131 f. .
11II. Soweit die Antragstellerin die Anordnungen in der Ordnungsverfügung nach ihrem Vortrag nicht erfüllt hat – Ziffern I. 4., 8., 12., (13.), III., IV. –, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zulässig, aber unbegründet.
121. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Untersuchungen, die der Antragstellerin mit der Ordnungsverfügung auferlegt werden, entspricht dem formalen Erfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Antragsgegnerin hat ausführlich und auf den Einzelfall abstellend begründet, warum ein umgehendes Handeln erforderlich erscheint. Ob diese Erwägungen sachlich zutreffend sind, insbesondere – was die Antragstellerin bezweifelt – tatsächlich ein öffentliches Dringlichkeitsinteresse besteht, und die Anordnung rechtfertigen, ist – worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist – keine Frage des Begründungserfordernisses, sondern im Rahmen der vom Gericht selbst vorzunehmenden Interessenabwägung im engeren Sinne (unten 2.b) zu prüfen.
132. Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus.
14Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die Behörde die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen, wenn das Interesse des Adressaten, von der Vollziehung vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist der Fall, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Eilverfahren regelmäßig allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als (offensichtlich) rechtswidrig darstellt, weil an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse besteht. Ist der Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung hingegen (offensichtlich) rechtmäßig, so überwiegt das Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO jedenfalls dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegeben ist. Lässt sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht klären bzw. ist der Ausgang der Hauptsache offen, so sind alleine die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten.
15Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014 – 7 VR 5.14 –, juris, Rn. 9.
16Bei summarischer Prüfung ist die angegriffene Ordnungsverfügung, soweit sie noch nicht erfüllt ist, teilweise rechtmäßig, im Übrigen jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig (unten a). Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 2 BBodSchG (unten aa) sind erfüllt (unten bb). Die in Ziffer I. angeordneten Untersuchungen sind auch notwendig. Die bisher vorliegenden Untersuchungen lassen eine abschließende Gefährdungsabschätzung nicht zu (unten cc). Die Antragstellerin ist als Eigentümerin verantwortlich nach § 4 Abs. 3 BBodSchG und ermessensfehlerfrei als Zustandsstörerin herangezogen worden (unten dd). Die geforderten weiteren Untersuchungen sind verhältnismäßig und der Antragstellerin zumutbar (unten ee). Sie kann sich nicht auf Vertrauensschutz dahingehend berufen, nach Erwerb des Grundstücks keine weiteren Untersuchungen durchführen zu müssen (unten ff). Gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnungen in Ziffer III. und IV. ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich (unten gg). Auch die weitere Interessenabwägung geht zulasten der Antragstellerin aus (unten b).
17a) Die Anordnung weiterer Untersuchungen des Bodens und des Grundwassers im Bereich des Betriebsgeländes des ehemaligen I. -Werkes II ist – soweit die Antragstellerin sie noch nicht erfüllt hat – teilweise rechtmäßig (Ziff. I. 12., 13., III., IV.), im Übrigen jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig (Ziff. I. 4. und 8.).
18aa) Die angefochtene Verfügung findet ihre hinreichende Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 2 BBodSchG i.V.m. § 4 Abs. 3, § 15 Abs. 2 BBodSchG.
19Das Bundesbodenschutzgesetz ist anwendbar, selbst wenn die angeordneten Untersuchungen auch darauf zielen, die schädlichen Veränderungen des Grundwassers und die mögliche Gefährdung des Oberflächenwassers im unmittelbar an dem Gelände vorbeifließenden Vorfluter (Waldbrölbach) abzuklären. Der Anwendungsbereich des Bundesbodenschutzgesetzes erstreckt sich auch auf Gewässerveränderungen, wenn sie durch schädliche Bodenveränderungen verursacht worden sind oder werden. Insoweit ist das Bundesbodenschutzgesetz gegenüber dem Wasserrecht vorrangig. Wie § 4 Abs. 4 Satz 3 BBodSchG zeigt, bestimmt das Bodenschutzrecht das „Ob“ der Inanspruchnahme, das Wasserrecht das „Wie“.
20Vgl. VG Ansbach, Urteil vom 5.2.2020 – AN 9 K 17.02181 – juris, Rn. 105; Urteil vom 8.2.2021 – AN 9 K 18.01334 –, juris, Rn. 68.
21bb) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 BBodSchG sind erfüllt.
22Danach kann die zuständige Behörde – hier der Antragsgegner – anordnen, dass die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast besteht.
23Wann von einem hinreichenden Verdacht auszugehen ist, wird durch § 3 Abs. 4 Satz 1 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) konkretisiert. Danach liegen konkrete Anhaltspunkte, die den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast i.S. des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG begründen, in der Regel vor, wenn (u.a.) Untersuchungen eine Überschreitung von Prüfwerten ergeben. Ist dies der Fall, soll nach Satz 2 eine Detailuntersuchung durchgeführt werden, um festzustellen, ob sich aus räumlich begrenzten Anreicherungen von Schadstoffen innerhalb einer Verdachtsfläche oder altlastverdächtigen Fläche Gefahren ergeben und ob und wie eine Abgrenzung von nicht belasteten Flächen geboten ist. Diese Detailuntersuchungen sind gemäß § 4 Abs. 4 BBodSchV daraufhin abschließend zu bewerten, ob und in welchem Umfang Sanierungs- (Dekontaminations-, Sicherungs-) bzw. Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen nach § 2 Abs. 7, 8 BBodSchG erforderlich sind. Zweck der Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung ist es festzustellen, ob eine Gefahr vorliegt, welches Ausmaß sie hat und in welchem Umfang Sanierungs- bzw. Sicherungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr erforderlich sind. Mit ihnen sollen nähere Erkenntnisse zum Ist-Zustand und einem Sanierungsbedarf gewonnen werden. Sie gehen den sog. sanierungsvorbereitenden Untersuchungen, denen dann die eigentliche förmliche Sanierungsplanung nachfolgt, zeitlich und systematisch voran.
24Vgl. zur Abgrenzung zwischen § 9 Abs. 1 und 2 BBodSchG VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2007 – 10 S 2351/06 –, juris, Rn. 32 bis 34.
25Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Anordnung kommt es maßgeblich auf den Erlasszeitpunkt an.
26Vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2007 – 10 S 2351/06 –, juris, Rn. 34, zu einer Sanierungsanordnung Urteil vom 8.3.2013 – 10 S 1190/09 -, juris, Rn. 47, Beschluss vom 29.3.2019 – 10 S 2788/17 -, juris, Rn. 6.
27Ob sich der Gefahrenverdacht aufgrund späterer Erkenntnisse als unbegründet erweist, ist für die Rechtmäßigkeit der Anordnung unerheblich. Dies kann allenfalls einen Kostenerstattungsanspruch des Adressaten der Untersuchungsanordnung nach § 24 Abs. 1 Satz 2 BBodSchG begründen, für den die Perspektive ex post nach Durchführung der angeordneten Untersuchungsmaßnahmen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist.
28VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.3.2019 – 10 S 2788/17 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
29Sowohl im Zeitpunkt des Erlasses der vorliegend angegriffenen Anordnung als auch aktuell lagen und liegen konkrete Anhaltspunkte für einen hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung / Altlast auf dem ehemaligen Betriebsgelände der I. -Werke II vor. Die bei zahlreichen Grundwasserproben auf dem Gelände über mehr als zwei Jahrzehnte festgestellten Werte für leichtflüchtige chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW), einer Untergruppe der leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffe (LHKW), überschritten die für die Belastung im Grundwasser geltenden Prüf- und Maßnahmenschwellenwerte.
30(1) Aufgrund der zwischen 1993 und 2018 durchgeführten Untersuchungen und Analysen des Bodens und des Grundwassers (Gutachter T. & K. , Dr. N. , J. , C. , T1. ) liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass auf dem ehemaligen Betriebsgelände schädliche Bodenveränderungen mit LCKW vorliegen, die bei der Produktion von Metallbeschlägen an verschiedenen Stellen des ehemaligen Betriebsgeländes in den Boden gelangt sind und beim Durchströmen mit unbelastetem Grund- und versickerndem Oberflächenwasser das Grundwasser verunreinigen.
31Bereits im Jahr 1993 genommene Boden-, Bodenluft- und Grundwasserproben in der Nähe des Fasslagers/Kunststofflagers (BS 3 vor dem Gebäude Nr. 16 im Lageplan mit ehemaliger Nutzung) und in der Schlosserwerkstatt (BS 6 im Gebäude 4.5.) – beide im südwestlichen Bereich nahe des dortigen Eingangs zum früheren Betriebsgelände – ergaben in der Bodenluft Belastungen u.a. mit chlorierten Kohlenwasserstoffen (CKW), bei denen die damaligen Gutachter weitergehende Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung forderten. Ursache für die hohe Schadstoffkonzentration in diesem Bereich sei wahrscheinlich das in Schlosserwerkstätten übliche Reinigen von ölverschmutzten Maschinenteilen mit chlorierten Kohlenwasserstoffen, insbesondere Tetrachlorethen (PER).
32Auch in den folgenden Jahren ergaben zahlreiche Probennahmen aus vier qualifizierten Grundwassermessstellen (GWM) und inzwischen insgesamt mehr als 40 Rammkernsondierungen (RKS), die in mehreren Kampagnen über das gesamte Gelände verteilt abgeteuft wurden, zu verschiedensten Jahreszeiten z.T. sehr hohe Belastungen des Grundwassers mit LCKW. Die höchsten Belastungen wurden immer wieder in Proben aus Pegeln im Bereich der parallel zum Talhang und zum Schmelzgraben hin gelegenen Betriebsgebäude gefunden, in denen sich nach Recherchen zur ehemaligen Nutzung die Galvanik am Mühlengraben, ein Neutralisationsbecken, die Abwasseranlage, die Eloxierhalle, die Poliererei und verschiedene Werkstätten der Schlosserei befanden. Besonders auffällig waren dabei nahezu durchgängig die Ergebnisse für die Summe LCKW in den Proben aus den Pegeln RKS 373 (ehemals 13/3, abgeteuft Februar 2015) zw. 1.522 und 2.779 µg/l, RKS 379 (ehemals 13/9, abgeteuft Februar 2015) zw. 3.240 und 9.949 µg/l, RKS 383 (ehemals 14/3, abgeteuft Oktober 2015) zw. 3.927 und 8.720 µg/I, RKS 385 (ehemals 14/5, abgeteuft Oktober 2015) zw. 2.239 und 8.720 µg/l, RKS 387 (ehemals 14/7, abgeteuft Oktober 2015) zw. 1.750 und 6.084 µg/l, RSK 419 (ehemals B7, abgeteuft September 2016) zw. 1.520 und 21.000 µg/l, und RSK 420 bis 424 zw. 3.110 und 9.730 µg/l.
33(2) Diese Werte überschreiten die für die Belastung mit LHKW im Grundwasser geltenden Prüf- und Maßnahmenschwellenwerte um das mehrere Hundert- bis mehrere Tausendfache.
34Die BBodSchV enthält in ihrem Anhang 2 hinsichtlich des hier allein in Betracht kommenden Wirkungspfades Boden-Grundwasser (vgl. 3.1 des Anhangs 2) (nur) Prüfwerte für die Belastung des Sickerwassers im Übergangsbereich von der ungesättigten zur wassergesättigten Bodenzone (§ 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 BBodSchV; Nr. 3.2 des Anhangs 2). Für die Beurteilung einer Belastung im Grundwasser selbst enthält sie keine Werte. Enthält die BBodSchV keine einschlägigen Werte, kann zur Beurteilung von schädlichen Grundwasserschäden weiterhin auf die bisher anerkannten und in der Rechtsprechung auch angewandten allgemeinen Regelwerke
35– Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), Empfehlungen für die Erkundung, Bewertung und Behandlung von Grundwasserschäden (im Folgenden: LAWA 1994), Stand: Oktober 1993, Tabelle 2: Prüf- und Maßnahmenschwellenwerte für einige Leitparameter der Hauptuntersuchung von Grundwasser, Tabelle 3: Orientierungswerte für Bodenbelastungen –
36zurückgegriffen werden.
37So zu einer Untersuchungsanordnung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG bei Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast: VG Köln, Beschluss vom 17.12.2012 – 14 L 437/12 -, juris, Rn. 20 m. w. N.
38Die Empfehlungen in der LAWA 1994 unterscheiden zwischen Prüfwerten und Maßnahmenschwellenwerten. Bei Überschreitung der Prüfwerte ist in der Regel eine weitere Sachverhaltsermittlung geboten, bei Überschreitung der Maßnahmenschwellenwerte sind weitere Maßnahmen erforderlich, z.B. eine Sanierung oder Sicherung. Hinsichtlich der in den Grundwasserproben nachgewiesenen LHKW in Summe liegt der Prüfwert grundsätzlich bei 2-10 µg/l, der Maßnahmenschwellenwert bei 20-50 µg/l. Für karzinogene LHKW liegt der Prüfwert bei 1-3 µg/l und der Maßnahmenschwellenwert bei 5-15 µg/l. Diese Empfehlungen sind 2016 dahin aktualisiert worden, dass der Geringfügigkeitsschwellenwert für LHKW (Summe) bei 20 µg/l liegt.
39Die unter (1) dargelegten Ergebnisse der Grundwasserbeprobungen überschritten bei allen Messkampagnen zwischen 1993 und April 2018 an vielen Pegeln auf dem Gelände mit Werten über 1.000 bis hin zu über 20.000 µg/l für die Belastung mit LCKW sämtliche Prüf- und Maßnahmenschwellenwerte um ein Vielfaches.
40(3) Die Untersuchungen durch weitere, von der Antragstellerin eingeschaltete Gutachter (C. , T1. ) geben keinen Anlass, von der Regelannahme schädlicher Bodenveränderungen aufgrund der festgestellten Grundwasserbelastungen auf dem Gelände der Antragstellerin abzuweichen. Zwar wiesen die Grundwasserproben, die im April 2018 von ihnen genommen wurden, an allen Rammkernpegeln Summenwerte für LCKW in einer deutlich geringeren Konzentration, nämlich zwischen 0,6 und 1.520 µg/l, und damit vollkommen andere Größenordnungen auf. Einer der Gutachter vermutete für diese massive Abweichung zu den bei früheren Probennahmen gefundenen Werten, dass bei den älteren Proben die bestehenden Pegel vorher möglicherweise nicht klar gepumpt worden seien und daher die Proben auch Schlammpartikel enthalten haben könnten, was die früheren Analyseergebnisse verfälscht haben könnte. Dies lässt sich zwar nicht mit Sicherheit ausschließen, erscheint aber nicht überzeugend. Die Proben wurden von Fachunternehmen genommen, bei denen zunächst unterstellt werden muss, dass ihnen diese Problematik bewusst war und bei der Probennahme darauf geachtet wurde, dass solche „Verunreinigungen“ der Grundwasserprobe nicht auftreten. Dass auf derartige „Verunreinigungen‘‘ geachtet wurde, die das Analyseergebnis verfälschen können, belegt der Umstand, dass in den Prüfprotokollen etwaige Auffälligkeiten wie Schlieren auf der Oberfläche festgehalten sind. Zudem lagen die früheren Probenergebnisse auch bei gerade neu abgeteuften „jungfräulichen“ Pegeln in Größenordnungen, die sich mehr als deutlich von den Ergebnissen aus April 2018 unterscheiden. Selbst wenn man jedoch nur auf die Analyseergebnisse der von der Antragstellerin selbst beauftragten Beprobung vom April 2018 abstellen würde, liegen sie an 19 von 47 beprobten Pegeln/GWM auch noch über den Prüf- und Geringfügigkeitsschwellenwerten für die Summe LHKW. Damit besteht auch danach ein hinreichender Verdacht einer Bodenverunreinigung, der weitere Untersuchungen zur Sachverhaltsabklärung und Eingrenzung des Schadens erfordert.
41Auch die Analyseergebnisse von Bodenproben, die bei der Errichtung von neuen Pegeln im Februar 2015 (vier Bodenproben) und im September 2015 (vier weitere Bodenproben) genommen wurden, widerlegen den hinreichenden Verdacht der schädlichen Bodenverunreinigung auf dem Gelände der Antragstellerin nicht. Von acht Bodenproben wiesen zwei auffällige Werte auf, die über den Empfehlungen der LAWA 1994zu Prüf- und Maßnahmenschwellenwerten für LHKW (C1+C2) in Bodenproben und in der Bodenluft lagen. Nach diesen Empfehlungen liegt der Prüfwert grundsätzlich bei 1-5 mg/kg und der Maßnahmenschwellenwert bei 5-25 mg/kg, für karzinogene LHKW gesamt ist der Prüfwert auf 0,1-1 mg/kg, der Maßnahmenschwellenwert auf 0,1-5 mg/kg herabgesetzt. In der Bodenluft liegt er für LHKW gesamt bei 5-10 mg/m³, der Maßnahmenschwellenwert bei 50 mg/m³. Die Probe 13/10/4 lag mit 26,7 mg/kg LHKW (Summe) über dem Maßnahmenschwellenwert, die Probe 14/3/4 vom September 2015 mit einem Summenwert LHKW und VC von 1,28 mg/kg TS im Bereich der Prüfwerte.
42Auch wenn bei dieser Beprobung „nur‘‘ zwei der acht Bodenproben in Bezug auf LHKW auffällig waren, spricht dies nicht gegen die Annahme, dass der Boden im Bereich des ehemaligen Betriebsgeländes der Antragstellerin stärker verunreinigt ist und dies zu den festgestellten Grundwasserverunreinigungen führt. Zum einen gehen alle Gutachter davon aus, dass die Bodenverunreinigungen aufgrund der geologischen Verhältnisse in diesem Bereich nur kleinräumig und punktuell auftreten. Dies hat der Gutachter des Antragsgegners im Erörterungstermin auf Nachfrage des Gerichts ausdrücklich bestätigt. Werden in einer Probe keine Belastungen des Bodens festgestellt, kann sich in der nahen Umgebung trotzdem eine Bodenverunreinigung befinden, ohne dass sich dies an dem Ort der Probennahme in der Analyse notwendig zeigen muss.
43Zum anderen haben auch die Bodenproben, die beim Niederbringen der Rammkernsondierungen im März/Juni 2020 genommen wurden, an verschiedenen Stellen LCKW-Verunreinigungen in einer Höhe aufgewiesen, die entgegen der Ansicht des Gutachters der Antragstellerin die bei früheren Untersuchungen gefundenen hohen CKW-Konzentrationen im Grundwasser erklären können und hinsichtlich der karzigonenen Abbauprodukte Tetrachlorethen und cis-1,2-Dichlorethen im Bereich der Prüf- und Maßnahmenschwellenwerte liegen. Daher kann offen bleiben, ob drei Messpegel an dem falschen Ort niedergebracht wurden (17 bis 25 Meter von den kartographischen Vorgaben in der Ordnungsverfügung) oder ob insgesamt eine unsachgemäße Probennahme (beispielsweise fehlende Überschichtung mit Methanol, um die Verflüchtigung der LCKW aus der Probe zu verhindern) zu nicht belastbaren Analyse-Ergebnissen mit geringeren LCKW-Belastungen geführt hat, wie der Antragsgegner/Gutachter des Antragsgegners als Erklärungsversuch in den Raum stellt. Beides kann ohnehin erst anhand der Protokolle über die Niederbringung der Messpegel und die Probennahme geprüft werden, die die Antragstellerin bisher nicht vorgelegt hat.
44(4) Die Vermutung des Geschäftsführers der Antragstellerin, dass die Grundwasserverunreinigungen im Bereich des ehemaligen Betriebsgeländes, der jetzt im Eigentum der Antragstellerin steht, allein durch Bodenverunreinigungen auf dem jetzigen Nachbargrundstück (sog. LIDL-Grundstück) und nur über die Grundwasserströmung auf das Gelände der Antragstellerin verlagert würden, findet in den vorliegenden Gutachten keine Stütze.
45Einzig das Gutachten des Dr. N. aus April 2007 kam aufgrund einer eigenen orientierenden Untersuchung im Jahr 2005 von diesem Teil des ehemaligen Betriebsgeländes zu der Einschätzung, dass selbst unter ungünstigen hydrogeologischen Voraussetzungen keine Veränderungen des Grundwassers auftreten würden. Im Boden seien nur geringe Schadstoffbelastungen gefunden worden, die die Zuordnungswerte Z0 bzw. Z1.1 nach der Mitteilung Nr. 20 der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) einhalten würden.
46Unabhängig davon, dass diese Einschätzung auf Untersuchungen aus dem Jahr 2005 beruht, die nicht aktenkundig dokumentiert und deshalb nicht nachvollziehbar sind, ist sie durch die Ergebnisse der nachfolgenden Untersuchungen widerlegt. Bei allen Untersuchungen des Grundwassers an den verschiedensten Stellen des Geländes – November 2014 (Altbrunnen 025-028), Februar 2015 (14 Pegel), Oktober 2015 (27 Pegel), November 2015 (27 Pegel), Februar 2016 (22 Pegel), September 2016 (11 Pegel) und November 2016 (40 Pegel) – wurden, wie bereits dargestellt, z.T. extrem hohe Belastungen des Grundwassers mit LCKW nachgewiesen.
47(5) Diese Ergebnisse zu den Boden- und Grundwasserbelastungen an verschiedenen Stellen des streitgegenständlichen Grundstücks lassen sich zudem mit Erkenntnissen aus historischen Recherchen zu der Lage der Betriebsgebäude auf dem ehemaligen Betriebsgelände und den dortigen Produktionsvorgängen in Einklang bringen. Danach fanden auch auf dem westlichen Teil des Betriebsgeländes und nicht lediglich auf dem östlichen „Lidl-Gelände“ Arbeitsschritte statt, die einen Eintrag von LCKW in den Boden vermuten lassen und die angetroffenen Grundwasserverunreinigungen erklären können. So wurde bereits 1993 im Bereich der durchgeführten Sondierungsbohrung BS6, die im Gebäude der ehemaligen Schlosswerkstatt im südwestlichen Bereich des Betriebsgeländes lag, in der Bodenluft mit 15.520 µg/m³ ein stark erhöhter CKW-Gehalt und mit 620 µg/m³ ein leicht erhöhter BTEX-Gehalt festgestellt, die der damals tätige Gutachter damit erklärte, dass es üblich gewesen sei, von Öl verschmutzte Maschinenteile mit CKW, insbesondere Tetrachlorethen (PER, Einzelsubstanz in der Untergruppe der LCKW) zu reinigen. Die Bodenverunreinigung, die in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Kunststofflagers (Fasslagers) gefunden wurde, führte er auf Leckagen bzw. Handhabungsverluste mit Produktionsstoffen in dem Lager zurück. Bei den Untersuchungen 2007/2008 wurde als Quelle der dabei angetroffenen Grundwasserverunreinigungen neben der ehemaligen Galvanikhalle auch der Bereich davor angesehen, in dem nach damaligen Recherchen ein Becken zur Vorentfettung installiert gewesen war. Auch die Untersuchung im Februar 2015 machte verschiedene Schadstoffeintragsquellen auf dem Gelände der Antragstellerin für gefundene Grundwasserverunreinigungen aus. Neben den bereits genannten vermutete sie als weitere Quelle den Bereich eines Neutralisationsbeckens (Teil der früheren Abwasseranlage, Gebäude Nr. 25), das sich nach den vorliegenden Plänen unmittelbar neben dem Stichkanal vom Schmelzgraben zum Waldbrölbach befunden hatte (RKS 379, ehemals 13/9). Lediglich die Verunreinigung in der GWM 027 im nordöstlichen Bereich des Geländes nahe der Grenze zum „Lidl-Gelände“ könne möglicherweise von dort stammen; diese These verwarf der Gutachter allerdings nach weiteren Beprobungen im Oktober 2015. Zudem steht dieser These entgegen – wie der Antragsgegner unwidersprochen vorträgt –, dass auf dem „Lidl-Gelände“ das Grundwasser über eine Drainagesystem gefasst, die CKW-Belastung mittels Aktivkohlefilter gereinigt und es anschließend in den Waldbrölbach geleitet wird. Es ist nachvollziehbar, dass der Antragsgegner unter diesen Umständen eine Einspeisung des Grundwasserkörpers und damit einen Schadstoffeintrag aus dieser Richtung ausschließt.
48(6) Es ist daher davon auszugehen, dass mit dem Bodenaustausch im Jahr 2010 innerhalb des ehemaligen Galvanik-Betriebsgebäudes (Gebäude 12) nicht alle schädlichen Bodenveränderungen / Schadstoffherde im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin beseitigt worden sind. Hiervon gingen aufgrund der weiteren Grundwasser-Beprobung und -Analytik nach dem Bodenaustausch auch die Gutachter aus, die die I. -Werke GmbH als damalige Eigentümerin und Rechtsvorgängerin der Antragstellerin beauftragt hatte und die diese Maßnahme damals begleitet haben (J. , Dr. K1. ). In einer gutachterlichen Bewertung von Grundwasserproben aus Januar 2013 teilten sie der I. -Werke GmbH mit, dass nach den Ergebnissen der Beprobung aus den GWM 027 und 028 (früher 3 und 4) die Gehalte an LCKW wieder angestiegen seien und zum Teil über dem Niveau vor der Auskofferung des Galvanik-Betriebsgebäudes gelegen hätten. Entweder würden Schadstoffe aus dem tieferen Untergrund ins Grundwasser ausgewaschen oder es sei ein zweiter Schadensschwerpunkt im Umfeld der Grundwassermessstelle 028 (früher 4) zu finden. Der Schadstoffeintrag könne durch LCKW-Behälter, die dort gelagert bzw. umgefüllt worden seien, oder einen Standort eines Tauchbeckens außerhalb der eigentlichen Galvanik entstanden sein. Selbst die von der Antragstellerin eingeschalteten Gutachter (T1. ) kamen nach Auswertung der von der Antragsgegnerin überlassenen Daten der Messkampagnen zwischen November 2014 und November 2016 noch im Mai 2017 zu dem Ergebnis, dass „nach derzeitigem Wissensstand“ auf dem Gelände der Antragstellerin mehrere Schadensquellbereiche vorliegen.
49cc) Es spricht Vieles dafür, dass die angeordneten Untersuchungen notwendig sind um festzustellen, ob und in welchem Umfang Bodenveränderungen vorliegen und abschließend abschätzen zu können, ob von ihnen Gefahren ausgehen. Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens lässt sich dies aber in Bezug auf die hier noch maßgeblichen Ziffern I. 4 und 8 nicht abschließend klären; dies muss gegebenenfalls dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
50Detailuntersuchungen nach § 9 Abs. 2 BBodSchG sollen die Datengrundlage für die abschließende Gefährdungsabschätzung schaffen. Sie dienen nach § 2 Nr. 4 BBodSchV insbesondere der Feststellung von Menge und räumlicher Verteilung von Schadstoffen, ihrer mobilen oder mobilisierbaren Anteile, ihrer Ausbreitungsmöglichkeiten in Boden, Gewässer und Luft sowie der Möglichkeit ihrer Aufnahme durch Menschen, Tiere und Pflanzen. Nach § 3 Abs. 5 BBodSchV soll bei Detailuntersuchungen auch festgestellt werden, ob sich aus räumlich begrenzten Anreicherungen von Schadstoffen innerhalb einer Verdachtsfläche oder altlastverdächtigen Fläche Gefahren ergeben und ob und wie eine Abgrenzung von nicht belasteten Flächen geboten ist. Nach § 4 Abs. 4 BBodSchV sind die Ergebnisse der Detailuntersuchung unter Beachtung der Gegebenheiten des Einzelfalles, insbesondere auch anhand von Maßnahmenwerten, darauf zu bewerten, inwieweit Maßnahmen nach § 2 Abs. 7 oder 8 BBodSchG erforderlich sind. Von besonderer Bedeutung ist dabei nach § 4 Abs. 7 BBodSchV die Prognose des Stoffeintrages aus der ungesättigten Zone in das Grundwasser sowie die Ermittlung und Prognose der Ausbreitung von Schadstoffen im Grundwasser. Wenn erhöhte Schadstoffkonzentrationen im Sickerwasser oder andere Schadstoffausträge auf Dauer nur geringe Schadstofffrachten und nur lokal begrenzt erhöhte Schadstoffkonzentration in Gewässern erwarten lassen, ist dieser Sachverhalt bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Untersuchungs- und Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Was konkret „geringe Schadstofffrachten“, „lokal begrenzt erhöhte Schadstoffkonzentrationen“ sowie „auf Dauer“ bedeuten, regelt die BBodSchV selbst nicht. Hierzu kann auf die „Grundsätze des nachsorgenden Grundwasserschutzes bei punktuellen Schadstoffquellen“ als anerkanntes und angewandtes allgemeines Regelwerk zurückgegriffen werden.
51Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA)/ Länderarbeitsgemeinschaft Boden (LABO), Grundsätze des nachsorgenden Grundwasserschutzes bei punktuellen Schadstoffquellen, Mai 2006.
52Danach sind erhöhte Schadstoffkonzentrationen als lokal begrenzt gemäß § 4 Abs. 7 BBodSchV anzusehen, wenn der zu beurteilende Bereich, bei dem Konzentrationen über der Geringfügigkeitsschwelle gemessen werden, in der Größenordnung der horizontalen Ausdehnung der Schadstoffquelle in der ungesättigten Bodenzone in der Regel unter 1000 m2 liegt und die vertikale Ausbreitung der Verunreinigung auf ein Grundwasserstockwerk beschränkt ist. Geringe Schadstofffrachten liegen dann vor, wenn durch den Eintrag von Stoffen aus dem Boden in das Grundwasser über einen bestimmten Zeitraum die Stoffkonzentration in einem definierten Vergleichsvolumen maximal die Geringfügigkeitsschwelle (GFS) erreicht. Für die hier festgestellte Verunreinigung des Grundwassers mit LHKW wird die Geringfügigkeitsschwelle mit 20 µg/l und die Fracht mit 9,4 g am Tag (g/d) angenommen. Als dauerhaft ist diese Situation anzusehen, wenn davon auszugehen ist, dass sich der Sachverhalt - geringer Frachteintrag und lokal begrenzt erhöhte Schadstoffkonzentrationen, gleichbedeutend mit stationärer und lokal begrenzter Schadstofffahne - nicht nachteilig ändern wird. Voraussetzung dafür sind entsprechende Stoffumwandlungs- und -abbauprozesse unter konstant wirkenden Randbedingungen (z.B. gleichbleibende Grundwasserstände).
53LAWA/LABO, a.a.O., Punkt 6. Bewertungshilfen, 6.1. Stoffeintrag aus der ungesättigten Bodenzone in das Grundwasser.
54(1) Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze spricht alles dafür, dass der Antragsgegner zu Recht davon ausgegangen ist, dass trotz der seit 1993 durchgeführten Untersuchungen, insbesondere auch der, die die Antragstellerin im September/ November 2016 und April 2018 hatte durchführen lassen, die Datengrundlage nicht ausreichte, um entscheiden zu können, ob und wenn ja welche Sanierungs- bzw. Sicherungsmaßnahmen notwendig sind. Er stützt sich dabei auf die Einschätzungen des Gutachters Dr. L. (Fa. Dr. L. und M. ), den er hinzugezogen hat, um die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen zu prüfen. Auch das Gericht hält seine Einschätzung für nachvollziehbar und plausibel, dass die bis Mai 2019 vorliegenden Untersuchungen nicht für eine abschließende Gefährdungsabschätzung ausreichten. Es lagen danach keine Erkenntnisse zu den Boden-LCKW-Gehalten vor, die für eine Abschätzung der insgesamt im Boden vorhandenen LCKW-Masse notwendig sind und eine wesentliche Größe für Konzentrations- und Frachtbetrachtungen sind. Ebenso fehlten Daten zu den Vertikalprofilen der Boden-LCKW-Gehalte, um abschätzen zu können, über welchen Weg das LCKW in den Boden eingetragen worden ist. Von dem Eintragsmechanismus hängt nach Einschätzung dieses Gutachters die Beurteilung ab, inwieweit im unterlagernden Festgestein eine LCKW-Belastung vorliegen könnte. Auch die Rolle des vorhandenen Abwassersystems sowohl im Hinblick auf die mögliche LCKW-Ausbreitung in der Vergangenheit als auch im Hinblick auf den aktuellen LCKW-Austrag war bis dahin nicht betrachtet worden. Gleiches gilt für wesentliche Komponenten des Wasserhaushalts an dem Standort, insbesondere die Einbindung des Waldbrölbachs in das hydraulische System und die zeitliche Variabilität der Grundwasserstände. Diese Kenntnisse seien erforderlich, um beurteilen zu können, ob es sich um ein stationäres oder instationäres System handele
55- vgl. zu den Begriffen Wikipedia, „Strömungsverhältnisse“, abgerufen am 11.7.2021 -,
56was wiederum für die Frage des Schadstoffaustrags insbesondere in den Waldbrölbach wesentlich sei.
57Dass eine abschließende Gefährdungsabschätzung mit den bisher gewonnenen Daten und Erkenntnissen nicht möglich ist, zeigt gerade die Auseinandersetzung der Parteien um die Ergebnisse der von ihnen angestellten Frachtenberechnung. Nach überschlägiger Berechnung des Antragsgegners ist eine Schadstoffmenge von 274 g/d LCKW in Summe im Grundwasser zu erwarten, die aus dem südöstlichen Grundstücksbereich mit dem Abstrom in Richtung Nordwesten in bisher unbelastete Bereiche des Grundwassers und den Waldbrölbach verfrachtet wird. Er hält daher Sicherungsmaßnahmen für erforderlich und schlägt vor, das verunreinigte Grundwasser in einer Drainageleitung möglichst nah an dem oder den Schadensherden zu fassen und über Aktivkohlefilter zu reinigen, bevor es abgeleitet wird. Demgegenüber berechnen die Gutachter der Antragstellerin auf der Grundlage niedrigerer hydraulischer Kenngrößen die zu erwartende Fracht entlang der Trasse dieser vorgeschlagenen Drainleitung auf 12,0 bis 15,6 g/d (je nachdem ob der statistische Mittelwert, der geometrische Mittelwert oder der 75%-Quartilwert für die im November 2016 dort gemessenen LCKW-Konzentrationen angesetzt wird); läge die Trasse näher zum Waldbrölbach, ergäbe sich nur eine LCKW-Fracht im Grundwasser von 3,6 bis 4,2 g/d. Sie halten daher weder Sicherungsmaßnahmen für erforderlich noch sehen sie eine Gefährdung des Waldbrölbachs. Beide Berechnungen der zu erwartenden Schadstofffrachten beruhen auf unterschiedlichen Annahmen zu den hydraulischen Kennwerten (wie dem hydraulischen Gefälle (i), der mittleren Aquifer-Mächtigkeit, dem zu erwartenden Wasseranfall und dem Durchlässigkeitsbeiwert (kf) und zu den Schadstoffkonzentrationen im Grundwasser), deren Validität und Belastbarkeit wechselseitig bestritten wird, ohne dass jedenfalls für das Gericht offensichtlich ist, welche der Annahmen „richtiger“ ist.
58Das Gericht hat keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung zu bestehenden Erkenntnisdefiziten und zur Notwendigkeit weiterer Untersuchungsmaßnahmen nicht zutrifft. Vielmehr hielten auch die Gutachter der Antragstellerin (Ingenieurgeologisches Büro C. , Fa. T1. GmbH - Hr. I. ) noch im Mai 2017 weitere Untersuchungen für erforderlich, um u.a. die Schadensquellbereiche in ihrer lateralen sowie vertikalen Ausdehnung zu erkunden und die hydrogeologischen Basisparameter (wie kf-Wert-Verteilungen, Aquifer-Geometrien, effektiv durchströmbare Porositäten, Fließgeschwindigkeiten, Grundwasserspiegel- und Gefälleschwankungen im Jahresverlauf, Abflussdaten der Vorfluter) hinsichtlich erzielbarer Entnahmeraten und Schadstofffrachten sowie im Hinblick auf Wirkstoffeintrag und Wirkstoffverteilung zu ermitteln. Sie empfahlen deshalb (auch), Bodenproben aus dem Grundwasserschwankungsbereich zu entnehmen, um die zu behandelnden Schadensquell- und Fahnenbereiche in ihrer lateralen sowie vertikalen Ausdehnung zu erfassen und kleinkalibrige Messstellen zu quasikontinuierliche Messungen der Grundwasserstände mittels Datenloggern zu errichten, um Daten über die geologischen und hydraulischen Eigenschaften des Untergrundes u.a. zur Bestimmung der örtlichen hydraulischen Durchlässigkeitsverhältnisse zu gewinnen. Auch in einer Besprechung im November 2017 hielten sie die hydraulische Situation für unzureichend bekannt und befürchteten, dass die Probennahme stark schwankende Messwerte zeige und zeigen könnten.
59Diese Befürchtung bestätigte sich bei den Untersuchungen, die im Auftrag der Antragstellerin im April 2018 durchgeführt wurden. Nach Regeneration und Beprobung aller bestehenden Messstellen (4 qualifizierte Grundwassermessstellen und 43 RKS) zeigten die Analysen Werte zur Belastung des Grundwassers mit LCKW, die von den im November 2016 gemessenen Werten ganz erheblich nach unten abwichen. Besonders auffällig war die Abweichung nach unten an den Pegeln 419 (statt 21.000 nur 1520 µg/Liter), 420 (statt 4810 nur 33,7 µg/Liter), 424 (statt 9730 nur 270 µg/Liter) und an der Grundwassermessstelle 028 (statt 14.800 nur 249 µg/Liter). Statistisch ergab sich daraus ein Konzentrationswert, der nur bei ca. einem Zehntel des Wertes lag, den der Antragsgegner seiner Frachtenberechnung zugrunde gelegt hatte. Auf der Grundlage dieser vergleichsweise sehr niedrigen LCKW-Konzentrationen wurde entlang der vorgeschlagenen Draintrasse eine Fracht von 0,53 g/d errechnet, die noch weit unter der geringen Fracht von 9,4 g/d liegt. Hiervon ausgehend wiederholten die Gutachter der Antragstellerin ihre Bewertung, dass keine Maßnahmen zur Unterbindung von Schadstoffverfrachtungen auf dem Gelände erforderlich seien.
60Ob diese massive Abweichung der Schadstoffkonzentration nach unten auf eine technisch schlechte Probenahme und den (verschlammten) Zustand der Pegel bei den vorherigen Untersuchungen zurückgeführt werden kann, sodass die Proben durch anhaftende stoffpartikelgebundene Schadstoffanteile in der analysierten Wasserprobe verfälscht worden sind – davon gehen die Gutachter der Antragstellerin aus – oder ob die Schadstoffkonzentration durch das Klarpumpen und unzureichende Auffüllen mit Grundwasser stark verdünnt worden ist – so eine mögliche Erklärung nach dem Gutachter des Antragsgegners – oder ob gar die hydraulischen Rahmenbedingungen zu dieser niedrigen Fracht geführt haben, ist offen und kann vom Gericht nicht beurteilt werden. Gerade diese sehr erheblichen Schwankungen des Schadstoffgehalts in den bisher genommenen Grundwasserproben und die Unsicherheiten hinsichtlich der hydraulischen Kenngrößen für eine Frachtenbetrachtung sind schon Anlass genug, weitere Untersuchungen für erforderlich zu halten, um eine abschließende Gefährdungsabschätzung vorzunehmen.
61Zudem fehlen Erkenntnisse zu weiteren Faktoren, die nach den oben dargelegten Grundsätzen bei der Bewertung der Schadenssituation in den Blick zu nehmen sind. So wurden und werden die Lage, der Umfang und jedenfalls die vertikale Ausdehnung der Schadstoffquelle/n weiterhin nur vermutet. Die Antragstellerin bestreitet im laufenden Verfahren sogar, dass solche überhaupt auf ihrem Grundstück existieren. Vollkommen ungeklärt war und ist auch die Frage, wie bzw. ob sich die Verunreinigung z.B. auf vereinzelten Fließbahnen entlang der Wandung alter Leitungen ausbreitet und ob das zweite Grundwasserstockwerk betroffen ist. Ebenso wenig waren die Stoffumwandlungs- und Stoffabbauprozesse näher untersucht worden. Es gibt nicht zuletzt keine Untersuchungen dazu, ob die hydraulischen Randbedingungen wie beispielsweise die Grundwasserstände, ja sogar die Grundwasserfließrichtung weitgehend gleichbleibend oder – wie in der Nähe größerer Vorfluter durchaus anzutreffen - je nach deren Wasserstand wechselnd sind.
62(2) Soweit die Antragstellerin die Notwendigkeit einzelner der angeordneten Untersuchungen ursprünglich bestritten hat, wurden sie zum Teil in einer direkt an den Gutachter des Antragsgegners gerichteten Stellungnahme auch von den von ihr eigeschalteten Gutachtern für notwendig gehalten bzw. hat sie trotz der Bedenken durchführen lassen.
63Offen ist nunmehr wohl (nur) noch die Frage, ob die Untersuchungen notwendig sind, die in Ziffer I. 4. und I. 8. von der Antragstellerin gefordert werden. Danach sollen die Grundwasserstände an den 9 Grundwasserstellen über einen Zeitraum von 6 Monaten in einem mindestens 15 minütigen Rhythmus kontinuierlich per Datenlogger erfasst und mit örtlichen Niederschlagsdaten verglichen werden (Ziffer I. 4.) und im Nahbereich der Kanäle sollen aus 10 provisorischen Rammpegeln Grundwasserproben genommen und auf die sog. Schmutzwasserindikatoren (u.a. Koffein, Diclofenac und Carbamazeptin) untersucht werden (Ziffer I. 8.), um die vermutete Wechselwirkung zwischen dem Abwassernetz und dem Grundwasser aufzuklären.
64Die Antragstellerin hat die Notwendigkeit dieser Untersuchungen substantiiert über ihre Gutachter bestritten. Jedenfalls in diesem Umfang sei die Erfassung der Grundwasserstände nicht notwendig; auf der Basis von charakteristisch ausgewählten Stichtagsmessungen könnten hinreichend genau Aussagen zum Einfluss der Grundwasserdynamik abgeleitet werden. Mit dem Nachweis der aus dem Schmutzabwasser stammenden Wirkstoffe im Grundwasser könne lediglich gezeigt werden, dass das örtliche Abwassersystem Leckagen gegenüber dem Grundwasser aufweise.
65Insoweit ist offen, ob diese Untersuchungen in diesem Umfang tatsächlich notwendig sind und die Verfügung rechtmäßig ist. Das Gericht kann dies im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens weder aufklären noch aus eigener Sachkunde beurteilen. Diese Frage müsste, wenn es darauf ankommen sollte, im Hauptsacheverfahren durch Einholung eines Gutachtens geklärt werden.
66Soweit die Anordnungen in Ziffer I. 12. und 13. (Dokumentation und Beachtung technischer Regeln bei den angeordneten Untersuchungen noch Gegenstand der rechtlichen Prüfung sind, zieht die Antragstellerin deren Rechtmäßigkeit nicht isoliert in Zweifel. Solche Zweifel sind auch ansonsten nicht ersichtlich.
67dd) Die Antragstellerin ist sogenannte Zustandsstörerin und ermessensfehlerfrei zu den Untersuchungen herangezogen worden.
68Sie gehört als Eigentümerin nach § 4 Abs. 3 BBodSchG zum Kreis der Pflichtigen. Andere Verantwortliche nach dem Bundesbodenschutzgesetz sind entweder nicht mehr existent oder ihre Heranziehung kommt aus Gründen der effektiven Gefahrenabwehr nicht in Betracht.
69Auch wenn sich in dem angegriffenen Bescheid die Begründung zur Auswahl der Antragstellerin als Adressatin der Anordnung nur sehr kursorisch wiederfindet, ist dies nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG unbeachtlich, wenn sie nachgeholt wird. Dies kann nach § 114 Satz 2 VwGO auch noch im gerichtlichen Verfahren geschehen
70Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 29.1.2018 – 9 B 1540/17 –, juris, Rn. 37 ff.; vgl. zur Zulässigkeit eines solchen „Nachvollzugs“ der Ermessensausübung unter strengen Voraussetzungen Bayerischer VGH, Urteil vom 30.1.2018 – 22 B 16.2099 –, juris, Rn. 36.
71Der Antragsgegner hat im gerichtlichen Verfahren ergänzend zu dem Aktenvermerk von Januar 2019 u.a. erläutert, dass und warum eine Heranziehung anderer Verantwortlicher von vorneherein nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden musste.
72Die I. -Werk GmbH, die aller Wahrscheinlichkeit nach der Verursacher der Bodenverunreinigung war, ist liquidiert und im Handelsregister gelöscht. Sie entfällt damit als Verantwortliche. Ein Rechtsnachfolger ist nicht (mehr) vorhanden. Die Titus GmbH, die 2007 die I. -Werke GmbH übernommen hatte, ist ebenfalls liquidiert und 2016 im Handelsregister gelöscht worden. Auch sie ist damit nicht mehr existent.
73Die Heranziehung des Herrn U. N. , der von 2008 bis zur Zwangsversteigerung 2015 Eigentümer des Geländes war, kommt schon wegen fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit nicht in Betracht bzw. ist uneffektiv. Der Antragsgegner konnte und musste davon ausgehen, dass eine Heranziehung zu den Untersuchungen wegen der damit verbundenen Kosten schon aus finanziellen Gründen scheitern würde. Zudem wäre ihm die Durchführung nur nach einer entsprechenden Duldungsverfügung gegenüber der Antragstellerin möglich gewesen, da er nicht mehr Eigentümer oder Besitzer des Geländes ist.
74Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass der Antragsgegner von vorneherein nicht in Betracht gezogen hat, eine Leitungsperson der früheren I. -Werke GmbH als persönlich Verhaltensverantwortlichen zu ermitteln. Zwar können Leitungspersonen einer juristischen Person des Privatrechts oder einer dieser strukturell weitgehend gleichgestellten Personengesellschaft selbst als Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung ordnungspflichtig sein, wenn sie die zu der schädlichen Bodenveränderung führenden Umstände in dem betreffenden Unternehmen zentral und umfassend gesteuert haben.
75Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.5.2015 – 16 A 1686/09 –, juris, Rn. 96, 121 ff.
76Angesichts der erforderlichen Effektivität der Gefahrenabwehr brauchte der Antragsgegner diese Möglichkeit aber nicht in den Blick zu nehmen. Die vom Antragsgegner dazu in der Antragserwiderung dargelegten Umstände – Einstellung der Produktion vor Jahrzehnten, ca. 30 Jahre langer Zeitraum des möglichen Schadstoffeintrags durch die Produktion von Metallbeschlägen - lassen es nicht als ernsthaft möglich erscheinen, die Betriebs- und Produktionsabläufe so aufzuklären, dass Personen namentlich benannt werden könnten, die wesentliche Verursachungsbeiträge innerhalb des Unternehmens für den Schadstoffeintrag beim Umgang mit LCKW-haltigen Stoffen in der Produktion gesetzt haben könnten. Damit fehlen die wesentlichen Anknüpfungspunkte, um nachzuweisen, dass frühere Leitungspersonen der I. -Werke GmbH herangezogen werden könnten.
77Soweit der Antragsgegner die XXX-GmbH in dem Vermerk nicht genannt und betrachtet hat, ist auch dies nicht zu beanstanden. Es ist weder von der Antragstellerin vorgetragen noch ersichtlich, dass diese zu dem in § 4 Abs. 3, 5 oder 6 BBodSchG genannten Kreis der Verantwortlichen gehört oder gehört hat. Insbesondere ergibt sich aus dem Handelsregister nicht, dass sie Gesamtrechtsnachfolgerin der früheren I. -Werke GmbH ist, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass sie an dem hier fraglichen Standort produziert und damit einen Verursachungsbeitrag gesetzt haben könnte.
78ee) Die geforderten weiteren Untersuchungen sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.
79Der Antragsgegner hat die für diese Maßnahmen anfallenden Kosten in seine Ermessenserwägungen eingestellt, ihnen aber kein besonderes Gewicht beigemessen. Dabei hat er zu Recht darauf abgestellt, dass das Grundstück selbst unter Ansatz von Risikoabschlägen einen Verkehrswert von mindestens 838.000 Euro hat. Dieser Wert übersteigt die geschätzten Kosten der angeordneten Untersuchungen von ca. 50.000 bis 60.000 Euro bei weitem.
80Die angeordneten Untersuchungen sind nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Antragstellerin – wie sie behauptet – Gefahr läuft, sich finanziell zu überschulden, wenn sie sie durchführen lässt. Zwar war sie nach dem von ihr vorgelegten Jahresabschluss 2018 bilanziell überschuldet. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass sie die angeordneten Maßnahmen nicht finanzieren kann. Sie hat danach allein stille Reserven von 220.000 Euro, die sie notfalls aktivieren müsste. Zudem waren Abschreibungen von mehr als 93.000 Euro in die Bilanz eingestellt und die jährlichen Mieteinnahmen aus den Gebäuden auf den Grundstücken betrugen mehr als 172.000 Euro. Eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn lag ausdrücklich nicht vor. Zudem kommt die Antragstellerin unmittelbar in den Genuss der wirtschaftlich positiven Folgen, wenn die Altlastensituation mit den angeordneten Untersuchungen geklärt wird. Stellt sich dabei heraus, dass die Bodenverunreinigungen ein derart geringes Maß haben, dass keine Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind, steigert sich der Verkehrswert des Geländes. Damit verbessert sich auch die finanzielle Gesamtsituation der Antragstellerin und eröffnet ihr neue Möglichkeiten, das Gelände zu nutzen oder zu vermarkten.
81Der Antragsgegner hat auch die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Zumutbarkeitsgrenzen der Zustandsstörerhaftung gesehen und hinreichend beachtet. Nach dieser Rechtsprechung kann derjenige, der bewusst ein altlastenverdächtiges oder -belastetes Grundstück erwirbt, seiner Inanspruchnahme als Zustandsverantwortlicher nicht entgegenhalten, seine Haftung müsse aus Gründen des Eigentumsschutzes begrenzt sein. Denn das freiwillig übernommene Risiko mindert die Schutzwürdigkeit des Eigentümers.
82Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.2.2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 -, juris, Leitsatz Ziffer 3.
83Hiernach ist die Antragstellerin grundsätzlich nicht schutzwürdig und sind ihr die angeordneten Untersuchungen und Vorlage eines Gutachtens zur abschließenden Gefährdungsabschätzung zumutbar. Sie hat das Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben, obwohl im Zwangsversteigerungsverfahren ausdrücklich auf den bestehenden Altlastenverdacht, bestehende Untersuchungsdefizite, die eine abschließende Beurteilung bisher ausschließen würden, und den bestehenden Sanierungsbedarf hingewiesen wurde. Deswegen wurde der Verkehrswert der Grundstücke im Zwangsversteigerungsverfahren unter Risikoabschlägen auf 838.000 Euro festgesetzt. Der Antragstellerin wäre daher im Grundsatz selbst eine Kostenbelastung zumutbar, die den Verkehrswert des Grundstücks übersteigt. Bei geschätzten Kosten für die angeordneten Untersuchungen von 50.000 bis 60.000 Euro liegt die Kostenbelastung jedoch noch weit unter dem Verkehrswert des Grundstücks, selbst wenn man berücksichtigt, dass die Antragstellerin nach eigenen Angaben bereits 50.000 Euro für die bisher erfolgten Untersuchungen und Maßnahmen aufgewendet haben will.
84ff) Die Antragstellerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz dahingehend berufen, nach Erwerb des Grundstücks keine weiteren Untersuchungen durchführen zu müssen.
85Es ist schon nicht ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, worauf die Antragstellerin dieses Vertrauen meint stützen zu können. Vielmehr spricht gegen irgendwelche „Zusicherungen“ in diese Richtung, dass der Zwangsversteigerungsbeschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 8.10.2014 ausdrücklich auf Unsicherheiten wegen eventueller Altlastenprobleme und entsprechender Risikoabschläge bei der Verkehrswertermittlung hinwies. Im dazugehörigen Verkehrswertgutachten wurde dazu näher ausgeführt, dass nach Auskunft des Amtes für technischen Umweltschutz des Rhein-Sieg-Kreises der Grundbesitz Altlastenverdachtsfläche sei und Untersuchungsdefizite bestünden, sodass eine abschließende Beurteilung noch nicht möglich sei. Wegen der festgestellten Grundwasserverunreinigung bestehe ein Sanierungsbedarf. Der Rhein-Sieg Kreis habe deshalb den Rechtsnachfolger des Verursachers aufgefordert, ein Gutachten zur Feststellung des Sanierungsbedarfs vorzulegen. Dieses läge noch nicht vor bzw. sei noch nicht beauftragt.
86Soweit der Geschäftsführer der Antragstellerin sich auf Äußerungen der Mitarbeiter bei einer Vorsprache im Bauaufsichtsamt des Antragsgegners beruft, sind sie in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Selbst wenn sie sich in irgendeiner Form zu dieser Frage geäußert haben sollten – was bestritten ist –, sind sie rechtlich nicht relevant, weil dieses Amt nicht für den Bodenschutz zuständig ist.
87gg) Gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnungen in Ziffer III. und IV. (Mitteilung der Termine für die Untersuchungen, Vorlage eines Gutachtens mit Ergebnissen und Bewertung der Belastungssituation) ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
88b) Ist nach alledem allenfalls offen, ob die in Ziffer I. 4. und 8. geforderten Untersuchungen ganz oder teilweise notwendig sind, fällt die weitere Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO zulasten der Antragstellerin aus. Ihr Aussetzungsinteresse muss hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Ordnungsverfügung zurücktreten.
89Das private Interesse der Antragstellerin, vorläufig keine Detailuntersuchungen vornehmen zu müssen, ist soweit ersichtlich allein finanzieller Natur. Eine Existenzgefährdung hat die Antragstellerin zwar behauptet, aber nicht substantiiert dargetan oder gar belegt. Auch werden durch die Anordnung keine vollendeten Tatsachen hinsichtlich ihrer finanziellen Belastung geschaffen. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 BBodSchG sind nämlich dem zur Untersuchung Herangezogenen die Kosten zu erstatten, wenn die angeordneten Untersuchungen den Verdacht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG nicht bestätigen und er die Umstände nicht zu vertreten hat, die den Verdacht begründet haben.
90Diesem deshalb gering zu bewertenden rein finanziellen Aussetzungsinteresse der Antragstellerin steht mit hohem Gewicht das allgemeine öffentliche Interesse daran gegenüber, schädliche Bodenveränderungen aufzuklären und so Gefahren für den Boden und das Grund- und Oberflächenwasser als Bestandteile der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) und der von der Trinkwasserqualität abhängigen Gesundheit der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) auszuschließen bzw. abzuwehren.
91Bayerischer VGH, Beschluss vom 15.5.2018 – 22 CS 18.566 –, juris, Rn. 31 ff.; vgl. zu einem ähnlichen Fall auch OVG NRW, Beschluss vom 8.5.2020 – 20 B 1027/19 –, n.v., S. 8 f. des amtlichen Umdrucks.
92Diese Gefahr wiegt hier umso schwerer, als das Gelände unmittelbar an den Waldbrölbach angrenzt, der in diesem Bereich ein ausgewiesenes FFH-Gebiet u.a. zum Schutz der wertvollen Habitate für Lachs, Groppe, Bach- und Flussneunauge ist. Ein großflächiger Zustrom von verunreinigtem Grundwasser über das hyporheische Interstitial (Sediment unter und neben dem Gewässer, Flussbett, u.a. Gewässerboden) birgt erhebliche Risiken für diesen sensiblen Gewässerbereich, der der Aufwuchsbereich bodenlaichender Fische, aquatischen Makrophyten und der Ufervegetation ist. Auch wenn sich bisher nur geringe LCKW-Gehalte im Oberflächenwasser des Baches feststellen lassen, lässt sich diese Gefahr nicht ausschließen, zeigt sich doch, dass die vorhandenen Kontaminationen nachweislich in relevantem Ausmaß mobilisierbar sind und auf diesem Weg in den Waldbrölbach gelangen können.
93Der Einwand der Antragstellerin, der Antragsgegner habe durch jahrelange Untätigkeit erst die Dringlichkeit verursacht, mit der er jetzt die sofortige Vollziehung der Anordnung rechtfertige, geht erkennbar an den Tatsachen vorbei. Der Antragsgegner hat seit 2007 durchgehend zunächst gegen die Verursacherin – die I. -Werke GmbH –, dann deren Liquidator Anordnungen getroffen und zum Teil im Wege der Ersatzvornahme selbst durchführen lassen, um das Ausmaß der Bodenverunreinigung und der davon ausgehenden Gefährdungen abklären zu können. Sie hat zudem im Juli 2018 im Wege der Amtsermittlung nach § 9 Abs. 1 BBodSchG noch den Waldbrölbach untersuchen lassen, um abzuklären, ob und inwieweit sich die LCKW-Grundwasserverunreinigung bereits auf das Oberflächenwasser ausgewirkt hat. Nicht zuletzt hat auch das Verhalten der Antragstellerin seit Erwerb des Grundstücks vor mehr als vier Jahren dazu beigetragen, dass eine abschließende Gefährdungsabschätzung bis heute nicht getroffen werden konnte.
94III. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohungen ist unbegründet. Rechtsgrundlage der Zwangsgeldandrohungen im angefochtenen Bescheid sind § 55 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Nr. 2, § 60 Abs. 1, § 63 Abs. 1 VwVG NRW. Mit Blick auf die Ausführungen unter der vorstehenden Ziffer II. sind sie – soweit sie nicht durch die nach Angaben der Antragstellerin bereits durchgeführten Maßnahmen teilweise gegenstandslos geworden sein sollten – rechtlich nicht zu beanstanden.
95Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
96Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht orientiert sich zugunsten der Antragstellerin nur an den Kosten, die der Antragsgegner für die angeordneten Maßnahmen mit 50.000 bis 60.000 Euro beziffert. Das angedrohte Zwangsgeld wirkt sich nach Ziffer 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht streitwerterhöhend aus. In Einklang mit dessen Ziffer 1.5 wird der für das Hauptsacheverfahren festzusetzende Wert wegen der Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens halbiert.
97Rechtsmittelbelehrung
98Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
99Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
100Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
101Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
102Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
103Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
104Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
105Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
106Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.