Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Die Anträge werden abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
2Die Anträge,
3die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Ordnungsverfügungen des Schulamtes für die Stadt Köln vom 8. September 2021 hinsichtlich Ziffer 1. der jeweiligen Ordnungsverfügung wiederherzustellen und hinsichtlich Ziffer 3. der jeweiligen Ordnungsverfügung anzuordnen,
4haben keinen Erfolg.
5Die Anträge sind unbegründet. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zum Nachteil der Antragsteller aus. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Bescheide überwiegt das Interesse der Antragsteller, von der sofortigen Vollziehung der Verwaltungsakte verschont zu werden. Denn die Bescheide erweisen sich nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.
6Rechtsgrundlage für Ziffer 1 der Bescheide sind § 41 Abs. 1 und Abs. 5 SchulG NRW. Nach § 41 Abs. 1 SchulG NRW melden die Eltern ihr schulpflichtiges Kind bei der Schule an und sind dafür verantwortlich, dass es am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt. Erfüllen die Eltern diese Verpflichtung nicht, können sie nach § 41 Abs. 5 SchulG NRW von der Schulaufsichtsbehörde zur Erfüllung ihrer Pflichten angehalten werden.
7Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen liegen hinsichtlich der angefochtenen Ordnungsverfügungen vor. Der Sohn der Antragsteller ist schulpflichtig. Die Schulpflicht des Sohnes der Antragsteller ergibt sich aus § 34 Abs. 1 SchulG NRW. Danach besteht für jedes Kind mit Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen die Verpflichtung, regelmäßig eine Schule zu besuchen, an der die Schulpflicht erfüllt werden kann, sofern die Schulpflicht nicht ruht. Dieser Verpflichtung ist der Sohn der Antragsteller bislang nicht nachgekommen. Denn seit Beginn des Schuljahres 2020/2021 hat er, von zwei Tagen abgesehen, am Unterricht der Schule nicht teilgenommen.
8Der Sohn der Antragsteller ist auch nicht vom Unterricht beurlaubt. Das Gericht versteht das Vorbringen der Antragsteller im Verwaltungsverfahren dahin, dass die Antragsteller ihren Sohn bis zur Zulassung von Impfstoffen für Kinder seiner Altersgruppe selbst zu Hause unterrichten wollen (E-Mail vom 26. August 2021, Bl. 19 der Beiakte). Dieses Begehren zielt damit nicht lediglich auf eine Aufhebung seiner Anwesenheitspflicht im Schulgebäude während des Unterrichts ab, sondern auf eine Aufhebung seiner Teilnahmepflicht am Unterricht als solcher,
9vgl. zu dieser Unterscheidung: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 –, juris,
10womit einschlägige Rechtsgrundlage für das Begehren nicht § 3 Abs. 5 der Zweiten Verordnung zur befristeten Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen gemäß § 52 SchulG vom 2. Oktober 2020 (GV. NRW. S. 975) in der Fassung des Art. 11 der Verordnung vom 1. Mai 2021 (GV. NRW. S. 449), sondern § 43 Abs. 4 Satz 1 SchulG NRW ist.
11Nach dieser Bestimmung kann die Schulleiterin oder der Schulleiter Schülerinnen und Schüler auf Antrag der Eltern aus wichtigem Grund bis zur Dauer eines Schuljahres vom Unterricht beurlauben oder von der Teilnahme an einzelnen Unterrichts- oder Schulveranstaltungen befreien. Eine derartige Beurlaubung setzt schon nach dem Wortlaut der Vorschrift einen entsprechenden Antrag und eine positive Entscheidung der Schulleiterin oder des Schulleiters über die Beurlaubung voraus. Eine derartige Entscheidung liegt nicht vor. Bis zur Entscheidung über eine solche Befreiung hat der Sohn der Antragsteller am Unterricht der Schule teilzunehmen.
12Der Antragsgegner hat auch das ihm eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, die Anordnungen genügen insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sind zur Verwirklichung des gesetzlichen Ziels der Durchsetzung der Schulpflicht geeignet, erforderlich und angemessen. In diesem Zusammenhang steht der Annahme einer Verletzung der Elternpflichten nicht der Einwand der Antragsteller entgegen, ein Schulbesuch des Sohnes und eine Testung seien nicht zumutbar.
13Aus § 41 Abs. 1 SchulG NRW ergibt sich, dass Eltern umfassend dafür verantwortlich sind, dass ihr Kind am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnimmt. Nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 8 Abs. 2 Satz 1 LV NRW und Art. 7 GG ist die Schulpflicht eine Grundpflicht, die die Grundrechtspositionen von Eltern (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 LV NRW, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) und Schülern (u. a. Art. 2 Abs. 1 GG, auch i. V. m. Art. 4 Abs. 1 LV NRW) gleichermaßen einschränkt. Ziel der Schulpflicht ist die Durchsetzung des legitimen staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags, der sich nicht nur auf die Vermittlung von Wissen richtet, sondern auch auf die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und dem Ganzen gegenüber verantwortungsbewusst an den demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft sollen teilhaben können. Soweit die Grundrechtspositionen von Eltern und Kindern einerseits und der Erziehungsauftrag des Staats andererseits kollidieren, sind diese Konflikte im Einzelfall im Wege einer Abwägung nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz zu lösen. Nichts anderes gilt für eine mit der Schulbesuchspflicht einhergehende mögliche Betroffenheit des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Schüler (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, auch i. V. m. Art. 4 Abs. 1 LV NRW),
14OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 –, juris.
15Die Gesundheit des Kindes hat nicht prinzipiell Vorrang vor dem staatlichen Erziehungsauftrag. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers und der ausführenden Schulverwaltung, den Konflikt zwischen den teilweise widerstreitenden Rechtspositionen unter Berücksichtigung der insoweit bestehenden Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsräume in verhältnismäßiger Weise zu konkretisieren,
16OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 –, juris.
17Daran gemessen ist derzeit nicht davon auszugehen, dass die Teilnahme einer Schülerin oder eines Schülers am Präsenzunterricht mit unverhältnismäßigen Gesundheitsgefahren verbunden ist. Bei der Beurteilung dieser Frage folgt die Kammer der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen,
18Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 –, juris,
19wonach nicht ersichtlich ist, dass die hinsichtlich des Schulbetriebs angewandten Schutzinstrumente ungeeignet sind, das Risiko von gesundheitlichen Beeinträchtigungen jedenfalls zu minimieren, und es unter Berücksichtigung dem Antragsgegner zuzugestehenden Gestaltungs- und Entscheidungsspielraums vertretbar ist, am Präsenzunterricht unter Beachtung der in der Coronabetreuungsverordnung statuierten allgemeinen Regelungen für schulische Gemeinschaftseinrichtungen, der Maskenpflicht in schulischen Gemeinschaftseinrichtungen, der Teilnahme- und Zugangsbeschränkungen für schulische Gemeinschaftseinrichtungen und der Schultestungen festzuhalten,
20OVG NRW, Beschluss vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 –, juris.
21Etwas anderes folgt entgegen dem Vorbringen der Antragsteller auch nicht aus dem angeblichen Verstoß gegen die CoronaSchVO im Rahmen des Elternabends am 23. August 2021, bei dem die Klassenlehrerin die Eltern aufgefordert haben soll, ihre Masken abzulegen. Ein etwaiger Einzelverstoß stellt die Geeignetheit des Gesamtkonzepts der Schutzinstrumente nicht infrage. Zudem ergibt sich aus der Antwort des Gesundheitsamtes auf die Meldung der Kläger, dass die zuständigen Behörden die CoronaSchVO auch durchsetzen, indem sie etwaigen Verstößen nachgehen.
22Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht mit Blick auf den Vortrag der Antragsteller, ihrem Sohn sei eine Testung nicht zuzumuten und er könne deshalb nicht am Unterricht teilnehmen. Zutreffend ist, dass nach § 3 Abs. 1 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 im Bereich der Betreuungsinfrastruktur (CoronaBetrVO) vom 13. August 2021 (GV. NRW. S. 948) am Unterricht sowie allen anderen schulischen und außerschulischen Nutzungen in Schulgebäuden grundsätzlich nur Personen teilnehmen dürfen, die immunisiert oder getestet sind,
23vgl. zur Eignung regelmäßig durchgeführter Schultestungen OVG NRW, Beschlüsse vom 22. September 2021 – 19 B 1458/21 –, juris, Rn. 50 und vom 5. August 2021 – 13 B 991/21 –, juris.
24Andere Personen sind vom Unterricht sowie von allen anderen schulischen und außerschulischen Nutzungen in Schulgebäuden ausgeschlossen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 4 CoronaBetrVO vom 13. August 2021 (GV. NRW. S. 948) gilt dies ausnahmsweise nicht für eine Schülerin oder einen Schüler, für die oder den die Schulleiterin oder der Schulleiter festgestellt hat, dass ihre oder seine Teilnahme am Unterricht beziehungsweise sonstigen Bildungsangeboten in Präsenz zur Vermeidung unzumutbarer persönlicher Härten erforderlich ist. Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, lässt sich nicht feststellen. Es fehlt bereits an einer entsprechenden Entscheidung der Schulleiterin. Im Übrigen ist aber auch nicht nachvollziehbar dargelegt und auch nicht belegt, dass dem Sohn der Antragsteller eine Testung nicht möglich oder unzumutbar ist.
25Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung. Dieses ergibt sich bereits daraus, dass ein weiteres Fernbleiben des Sohnes der Antragsteller von der Schule seine persönliche und schulische Entwicklung nachhaltig gefährden würde.
26Die Androhungen der Zwangsgelder für den Fall, dass die Antragsteller nicht dafür Sorge tragen, dass ihr Sohn die Schule besucht, sind offensichtlich rechtmäßig. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in § 41 Abs. 5 SchulG NRW i. V. m. §§ 57 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 1, 63 VwVG NRW. Die in den Zwangsgeldandrohungen bestimmten Fristen sind angemessen (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwVG NRW).
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Der Streitwert der Hauptsache beträgt 10.000 Euro. Für die jeweilige Ordnungsverfügung wird je Antragsteller der Auffangstreitwert von 5.000 Euro zugrunde gelegt, wobei die Kammer im Eilverfahren die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts zugrunde gelegt hat.
28Rechtsmittelbelehrung
29Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
30Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
31Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
32Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
33Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
34Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
35Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
36Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
37Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.