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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Der 1988 geborene Kläger hat das Hobby „Groundhopping“. Groundhopping ist eine Sammelleidenschaft von Fußballfans (Groundhoppern), bei der es darum geht, Spiele in möglichst vielen verschiedenen Stadien zu besuchen (Wikipedia).
3Der Kläger wollte mit weiteren Fußballfans das am 12.11.2016 stattfindende Länderspiel zwischen Georgien und Moldawien sowie weitere Fußballspiele besuchen. Er wurde am 0.11.2016 von der Bundespolizei am Flughafen F. bei der grenzpolizeilichen Ausreisekontrolle aufgehalten. Bei der Ausreisekontrolle wurde festgestellt, dass der Kläger in der „Gewalttäter Sport“ – Datei der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) eingetragen ist. Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) registriert und beobachtet bundesweit Fußball-Gewalttäter im Rahmen der Datei „Gewalttäter Sport“. Dabei werden die Daten von Personen gespeichert, gegen die im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen wegen der folgenden Straftaten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde oder die aus den folgenden Tatbeständen rechtskräftig verurteilt worden sind (Wikipedia). Dem Kläger wurde zunächst die Weiterreise gestattet. Nachdem festgestellt wurde, dass weitere drei Personen, die ebenfalls in die Gewalttäter Sport Datei eingetragen waren, mitfliegen wollten, wurde Kontakt mit dem Fankundigen Beamten (FKB) der Bundespolizeiinspektion O. aufgenommen. Nach dessen Information war der Kläger einschlägig bekannt. Daraufhin untersagte die Bundespolizeidirektion U. C. dem Kläger vor Ort mündlich die Ausreise nach Georgien, befristete die Ausreiseuntersagung bis zum 12.11.2016 und verpflichtete den Kläger, sich in diesem Zeitraum täglich jeweils zwischen 6:00 Uhr und 21:00 Uhr bei der Bundespolizeiinspektion in O. zu melden. Die Verfügung wurde durch Bescheid vom 9.11.2016 schriftlich wiederholt und begründet. Laut der inzwischen eingeholten Auskunft der INPOL–Polizeidatenbank war der als Gewalttäter geführte Kläger dort wegen Landfriedensbruch (PP O. 2013 und PP O. 2014), Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs (KPI Y. 2009) und Gemeinschädliche Sachbeschädigung (KPI J. 2010) eingetragen. Der Kläger kam der Meldeauflage nach.
4Der – nicht begründete – Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 1.08.2017, zugestellt am 3.08.2017, zurückgewiesen.
5Der Kläger hat am 3.09.2017 Klage erhoben.
6Er trägt vor: Die Klage sei zulässig. Es bestehe das erforderliche Feststellungsinteresse an der Rechtswidrigkeit der Verfügung. Zum einen bestehe eine Wiederholungsgefahr. Zum anderen liege ein Rehabilitationsinteresse vor, da das Ausreiseverbot das Ansehen des Klägers in dessen sozialem Umfeld herabgesetzt habe. Denn mit dem Ausreiseverbot sei der Vorwurf strafbaren Verhaltens verknüpft gewesen.
7Er führt zur Begründetheit seiner Klage aus:
8Die Ausreiseuntersagung sei rechtswidrig, da die nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG erforderliche konkrete Gefahr der Gefährdung der inneren und äußeren Sicherheit oder sonstiger erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland nicht vorgelegen habe. Ausreichende tatsachenbasierte Anhaltspunkte für eine Prognose, dass vom Kläger Straftaten im Ausland konkret zu befürchten gewesen seien, hätten nicht bestanden und seien auch nicht überprüft worden. Allein der Eintrag in eine spezielle Datei – hier: Gewalttäter Sport - reiche für eine Gefahrenprognose nicht aus. Zwar könnten Ermittlungsverfahren wegen Strafvorwürfen im Zusammenhang mit Fußballspielen grundsätzlich für die Gefahrenprognose herangezogen werden. Dabei sei jedoch eine konkrete Analyse der Tatsachen erforderlich. Eine eigenständige Prüfung des Sachverhalts durch die handelnden Polizeibeamten sei aber nicht erfolgt. Die pauschale Bezugnahme auf Einträge in polizeilichen Datenbanken oder eine pauschale Auskunft bei einem FKB genügten hierfür ebenso wenig wie bloße Vermutungen und theoretische Überlegungen. Er sei in den letzten zwölf Monaten nicht in Zusammenhang mit Gewalttaten aufgefallen. Die Taten, aufgrund derer seine Eintragung in die Datei Gewalttäter Sport erfolgt sei, lägen bereits länger als ein Jahr zurück. Der Inhalt des Telefonats mit dem FKB aus O. sei nicht dokumentiert worden. Es halte auch nicht der FKB sondern der SKB – Szenekundiger Beamter – Kontakt zur Fanszene. Da es sich um ein preiswertes und attraktives Wochenende gehandelt habe, sei die Reise mit weiteren Personen aus der Liste „Gewalttäter Sport“ rein zufällig gewesen. Die Ausreiseuntersagung sei rechtswidrig, weil die Beklagte das ihr dabei zustehende Ermessen nicht ausgeübt habe. So habe sie nicht die individuellen Besonderheiten beim Kläger berücksichtigt. Es sei unbeachtet geblieben, dass er selbst nur Bayernanhänger und nicht Fan der deutschen Nationalmannschaft sei. Auch sei seine persönliche Entwicklung nicht bewertet worden. Die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Meldeauflage seien ebenfalls nicht gegeben.
9Ergänzend trägt der Kläger mit Schriftsatz vom 3.02.2020 vor, er sei in den Jahren 2009 bis heute zu insgesamt 200 Fußballspielen ins Ausland in 68 verschiedene Länder gereist und darüber hinaus alle Trainingslager, Pflichtspiele und Testspiele des FC D. O. besucht. Er habe keine Löschungsanträge bzgl. der Fahndungsausschreibungen gestellt. Eine Klage auf Schadensersatz habe er vor dem Zivilgericht nicht erhoben. Die im Widerspruchsbescheid genannten zwei Ermittlungsverfahren (beide O. , beide 2013) seien gem. § 153 Abs. 2 StPO bzw. gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
10Der Kläger beantragt,
11festzustellen, dass die Ausreiseuntersagung und Meldeauflage im Bescheid der Bundespolizeidirektion U. C. vom 9.11.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.08.2017 rechtswidrig gewesen sind.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie trägt vor: Dem Vorliegen einer konkreten Gefahr stehe es gleich, wenn Tatsachen die Annahme einer Gefahr rechtfertigten, also ein Gefahrenverdacht bestehe. Dabei sei eine ex-ante Perspektive zugrunde zu legen. In der Gesamtschau der Umstände habe sich für die Beamten ergeben, dass die Annahme einer Gefahr für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gerechtfertigt gewesen sei. Die Beamten hätten alle Maßnahmen ergriffen, die ihnen in der zur Verfügung stehenden kurzen Zeit möglich gewesen wären, um den Sachverhalt aufzuklären. Es habe sich um eine große Gruppe Fußballfans gehandelt, in der ein nicht unerheblicher Teil bereits wegen der wegen Gewalttätigkeiten im Rahmen von Fußballspielen aufgefallen gewesen sei. Der Kläger selbst sei als Teil der Hooligan- und Ultraszene bekannt gewesen. Er habe zudem keine Eintrittskarten für den Besuch der geplanten Spiele vorweisen können. Für die Beamten sei dadurch der Eindruck entstanden, dass der Besuch der Fußballspiele nur ein Vorwand gewesen sei, um gemeinsam mit den anderen deutschen Fans an Ausschreitungen teilzunehmen. Dieses Verhalten sei geeignet gewesen, das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland zu gefährden.
15Die Beamten hätten das ihnen eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Gegen einen Ermessensausfall spreche, dass dem Kläger und seinen Begleitern die Weiterreise zunächst gestattet worden sei. Für die Entscheidung sei unerheblich, dass der Kläger kein Fan der deutschen Nationalmannschaft sei. Individuelle Besonderheiten des Klägers hätten nicht berücksichtigt werden können. Eine Beobachtung und Bewertung der persönlichen Entwicklung des Klägers sei nicht möglich gewesen. Die Beamten hätten nur die ihnen bekannten Umstände in ihre Ermessensabwägung einstellen können. Eine kurzfristige Erlangung von Informationen aus dem Ausland sei nicht möglich gewesen.
16Die Beklagte hat eine Auskunft aus der INPOL Datei vom 27.01.2020 vorgelegt, in der der Kläger als gewalttätig mit weiteren Eintragungen geführt wird. Der Kläger ist gegen die Eintragungen des Polizeipräsidiums M. aus den Jahren 2013 und 2014, von denen er aufgrund seiner Nachfrage Kenntnis hatte, nicht vorgegangen und hat deren Löschung nicht beantragt. Die Einstellung der strafrechtlichen Verfahren ist erst im Laufe des Klageverfahrens erfolgt.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Sie bezieht sich auf die Verfügung der Bundespolizeidirektion T. C. vom 9.11.2016, mit der dem Kläger befristet bis zum 12.11.2016, 12.00 Uhr, die Ausreise aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland untersagt worden ist und die sich durch den Fristablauf schon vor Klageerhebung erledigt hat.
20Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Der Kläger hat wegen des diskriminierenden Charakters der polizeilichen Maßnahme ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung (Rehabilitationsinteresse). Da die Ausreiseuntersagung einen gewichtigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen darstellt, ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes ein Feststellungsinteresse anzuerkennen.
21Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29.04.1997 – 1 C 2/95 -, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127, juris; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH Baden-Württemberg), Urteil vom 18.12.2003 – 1 S 2211/02 –, juris Rn. 32.
22Die Klage ist aber unbegründet.
23Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.08.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
241.
25Die Beklagte hat die Ausreiseuntersagung auf § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Paßgesetz vom 19.04.1986 i.d.F. vom 1.11.2015 (PaßG) gestützt. Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 PaßG können die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden, hier die gem. § 58 Abs. 2, § 2 Abs. 1 und 2 Bundespolizeigesetz (BPolG), § 10 Abs. 1 PaßG zuständige Bundespolizei, einem Deutschen die Ausreise in das Ausland untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass bei ihm die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 PaßG vorliegen. Die Frage, ob und mit welchem Gewicht durch die Anwesenheit eines deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Land Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet werden, ist uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar.
26VG Stuttgart, Urteil vom 17.08.2009 – 11 K 237/09 –, juris Rn. 18.
27Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestehen nicht. Sie schränkt die Ausreisefreiheit, die als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist, in zulässiger Weise als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung ein.
28Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 16.01.1957 – 1 BvR 253/56 -, BVerfGE 6, 32 ff., juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7.06.1995 – 1 S 3530/94 -, VBlBW 1996, 71, juris.
29Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Unter sonstigen erheblichen Belangen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alt. PaßG sind solche Interessen zu verstehen, die den beiden anderen Tatbestandsmerkmalen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG (innere oder äußere Sicherheit) in ihrer Gewichtigkeit zwar nicht gleichstehen, aber jedenfalls nahe kommen.
30Vgl. BVerfG, Urteil vom 16.01.1957 – 1 BvR 253/56 -, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 29.08.1968 – 1 C 67.67 -, DÖV 1969, 74, juris, und Beschluss vom 17.09.1998 – 1 B 28/98 -, Buchholz 402.00 § 7 PaßG Nr. 1, juris.
31Als eine Gefährdung erheblicher Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PaßG können unter besonderen Umständen auch Handlungen gewertet werden, die geeignet sind, dem internationalen Ansehen Deutschlands zu schaden,
32vgl. BVerwG, Urteil vom 29.08.1968 – 1 C 67.67 -, a.a.O.
33Sprechen bestimmte Tatsachen dafür, dass von einem Deutschen bei seinem Aufenthalt im Ausland derartige Handlungen zu befürchten sind, so rechtfertigt dies als Vorsorgemaßnahme gegenüber einer solchen Gefahr den Erlass eines Ausreiseverbots, die Beschränkung des Geltungsbereichs eines Passes/Personalausweises oder den Erlass einer Meldeauflage.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.07.2007, BVerwGE 129, 142; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.06.2000, NJW 2000, 3658 und Urteil vom 7.12.2004, VBlBW 2005, 231; juris Rn. 21.
35Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund seines gewalttätigen Auftretens anlässlich von Fußballspielen erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Es ist grundsätzlich anerkannt, dass das gewalttätige Auftreten deutscher Fußballfans im Ausland das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen kann,
36VG Frankfurt, Urteil vom 22.07.2014 - 5 K 4684/13.F -, juris Rn. 25, 26 m.w.N.; VG Stuttgart, Urteil vom 17.08.2009 – 11 K 237/09 –, juris Rn. 18, 19 m.w.N.
37Es besteht daher eine staatliche Verpflichtung, anlässlich von sportlichen Großereignissen mit vielen Zuschauern gewalttätige Auseinandersetzungen, bei denen es regelmäßig zu Körperverletzungen und Landfriedensbruch in großem Umfang kommt, zu verhindern,
38vgl. VG Berlin, Urteil vom 7.02.2017 – 23 K 524.15 –, juris Rn. 26 m.w.N.
39Die Bundespolizeibeamten konnten aufgrund der Eintragung des Klägers in die von der ZIS geführte Liste „Gewalttäter Sport“ davon ausgehen, dass beim Kläger aufgrund seines gewalttätigen Auftretens anlässlich von Fußballspielen die Gefahr besteht, dass er durch ein zu befürchtendes gewalttätiges Auftreten im Ausland das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland schädigen kann und damit erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Nach allgemeiner Erfahrung besteht ein erhebliches Risiko, dass Personen, die anlässlich von Fußballspielen gegenüber gegnerischen Fangruppen gewalttätig geworden sind, solche Ausschreitungen wiederholen. Denn wer sich bei solchen eigentlich rein sportlichen Ereignissen an Gewalttätigkeiten beteiligt und dabei auch vor der körperlichen Verletzung anderer Personen nicht zurückschreckt, zeugt von Rücksichtslosigkeit und Unverstand,
40vgl. VG Berlin, Urteil vom 7.02.2017 – 23 K 524.15 –, juris Rn. 26; VG Frankfurt, Urteil vom 22.07.2014 – 5 K 4684/13 -, juris Rn. 26, 27, 37,
41was die Gefahr der Wiederholung eines solchen Verhaltens naheliegend erscheinen lässt.
42Die von der Bundespolizei im Zeitpunkt der beabsichtigten Ausreise des Klägers zugrunde gelegte Prognose ist anhand der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht zu beanstanden. Nach den zum polizeilichen Gefahrenbegriff entwickelten Grundsätzen ist bei der Prüfung der Frage, ob im Hinblick auf das zu befürchtende gewalttätiges Auftreten im Ausland eine Ausreiseuntersagung ausgesprochen werden kann, entscheidend, ob der handelnde Beamte aus der ex-ante-Sicht mit Blick auf die ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen aufgrund hinreichender Anhaltspunkte vom Vorliegen einer Gefährdung ausgehen kann und diese Prognose dem Urteil eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Amtswalters entspricht.
43Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7.12.2004 – 1 S 2218/03 –, juris Rn. 24, 25 m.w.N.; VG Berlin, Urteil vom 7.02.2017 – 23 K 524.15 -, juris Rn. 26, m.w.N.
44Denn die zur Gefahrenabwehr berufenen Behörden können die legitime Aufgabe präventiven Rechtsgüterschutzes nur effektiv erfüllen, wenn sie unter Umständen auch auf unsicherer Tatsachengrundlage einschreiten. Um zu vermeiden, dass ein im Rahmen dieser Aufgabe als Dienstpflicht auferlegtes Handeln in die Illegalität gedrängt wird, ist daher bei der Beurteilung der Frage, ob eine Gefahr vorliegt, allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des konkret handelnden Beamten zum Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen. Dabei ist zu prüfen, ob dem Beamten ein Vorwurf gemacht werden kann, wenn er seiner Entscheidung Informationen zugrunde gelegt hat, die unvollständig oder falsch waren oder die aus Rechtsgründen nicht mehr hätten verwertet werden können.
45Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7.12.2004 – 1 S 2218/03 –, juris Rn. 25 m.w.N.
46Die von der Bundespolizei getroffene Prognoseentscheidung ist unter Beachtung dieser Grundsätze getroffen worden und rechtlich nicht zu beanstanden.
47Die Beamten konnten anhand des vorliegenden Erkenntnismaterials davon ausgehen, dass es sich beim Kläger um einen gewaltbereiten Fußballfan handelt, da der Kläger in der Datei „Gewalttäter Sport“ aufgrund von zwei Ausschreibungen des Polizeipräsidiums O. als Gewalttäter eingetragen ist. In der Datei „Gewalttäter Sport“ werden die Daten von Personen gespeichert, gegen die im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen wegen der folgenden Straftaten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde oder die aus den folgenden Tatbeständen rechtskräftig verurteilt worden sind. Der Registrierung des Klägers lagen mehrere Straftaten des Landfriedensbruchs, des einmaligen besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs und der gemeinschädlichen Sachbeschädigung zugrunde. Der Kläger war u. a. am 0.00.2013 im Vorfeld des Bundesligaspiels zwischen dem (..........) bei gewalttätigen und massiven Ausschreitungen zwischen den beiden Fanlagern und gegenüber Einsatzkräften beteiligt sowie am 0.00.2013 an einer körperlichen Auseinandersetzung unter zu Hilfenahme von Gegenständen zwischen Anhängern des (..........) . Gegen den Kläger wurden mehrere Strafverfahren eingeleitet und er wurde infolgedessen vom Polizeipräsidium O. als Gewalttäter Sport in die Datei eingetragen. Der Kläger hat die Rechtmäßigkeit seiner Registrierung als Gewalttäter am Flughafen nicht bestritten. Die Gewalttätigkeiten in Zusammenhang mit Fußballspielen sind zwar nicht in jüngerer Zeit, d. h. innerhalb der letzten zwölf Monate aufgetreten, was darauf beruhen dürfte, dass gegen den Kläger am 17.07.2013 ein bundesweites Stadionverbot und am 2.09.2013 ein Hausverbot für die (......) verhängt worden war. Die massive Häufung der gewalttätigen Ausschreitungen des Klägers in den vorangegangenen Jahren ist aber geeignet gewesen, in Zusammenhang mit den weiteren Umständen auf die Gefährlichkeit des Klägers zu schließen. Soweit in der Gesetzesbegründung aufgeführt ist, dass der Betroffene als gewaltbereiter Hooligan bekannt sein und in jüngerer Zeit, d. h. innerhalb der letzten zwölf Monate im Zusammenhang mit Gewalttaten oder als Teilnehmer an gewalttätigen Ausschreitungen aufgefallen sein müsse,
48BTDrucks 14/2726, S. 6 zu Art. 1 Nr. 9,
49ist dies nicht als starre zeitliche Beschränkung aufzufassen, da eine solche der sachgerechten einzelfallbezogenen Gefährdungsprognose entgegenstehen würde.
50So auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7.12.2004 – 1 S 2218/03 –, juris Rn. 27.
51Die Prognoseentscheidung der Bundespolizei beruhte nicht allein auf der Ausschreibung als Gewalttäter Sport, denn dem Kläger ist zunächst ungeachtet seiner Eintragung in der Datei die Weiterreise gestattet worden. Vielmehr haben die Beamten in ihre Überlegungen einbezogen, dass nach dem Kläger weitere Fußballfans mit ähnlichen Ausschreibungen eincheckten. Erst dies hat zu einer weiteren Überprüfung und letztendlich in der Gesamtschau bei der Gefährdungsprognose zu der Ausreiseuntersagung geführt.
52So hat die Bundespolizei die Eintragung des Klägers in der Datei nochmals durch Abfrage bei der Bundespolizei in O. überprüft. Dabei ist ihr von dem Fankundigen Beamten der Bundespolizeiinspektion mitgeteilt worden, dass der Kläger als Rädelsführer in der aktiven Hooliganszene bekannt sei und bei Spielen des (....) immer wieder verhaltensauffällig geworden sei. Unerheblich ist, dass die Auskunft vom Fankundigen Beamten und nicht, wie der Kläger moniert, vom Szenekundigen Beamten erfolgt ist. Szenekundige Beamte sind speziell geschulte Beamte der Landespolizei, die bereits präventiv versuchen, die aktiven Szenen, insbesondere Hooligans und Ultras, anzusprechen. Sie stehen der Polizeieinsatzleitung bei Heim- wie auch Auswärtsspielen zur Verfügung. Sie arbeiten eng mit den Vereinen zusammen, sind bei deren Sicherheitsbesprechungen zu sicherheitsrelevanten Spielen anwesend und tauschen sich regelmäßig mit den in den Vereinen Verantwortlichen aus. Sie leisten direkte Aufklärungsarbeit bei Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen. Die Aufgaben der Fankundigen Beamten der Bundespolizei sind denen der Szenekundigen Beamten der Landespolizei ähnlich, nur mit dem Unterschied, dass ihr Zuständigkeitsbereich den Bereich der Bundesbahn und der Flughäfen betrifft (Wikipedia). Von daher konnte der Bundespolizeibeamte am Flughafen F. sich auf die Auskunft des FKB der Bundespolizei in O. stützen. Dass der Inhalt der Auskunft nicht schriftlich festgehalten wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass der Fankundige Bundespolizeibeamte in O. bestätigte, dass der Kläger als Rädelsführer in der aktiven Hooliganszene und damit als Gewalttäter Sport bekannt gewesen ist.
53Ein weiterer, wesentlicher Anhaltspunkt für die Gefährdungsprognose ist insbesondere der Umstand gewesen, dass der Kläger sich in einem Umfeld von gewaltbereiten Personen befunden hat, die ebenfalls in der Datei „Gewalttäter Sport“ registriert waren und denen ebenfalls die Ausreise untersagt wurde. So ist in der „Checkliste zur Bewertung der Zulässigkeit einer Ausreiseuntersagung“ vermerkt, dass der Kläger sich in einer „Gruppe von 5 Gewa-Sport-Ausgeschriebenen“ befand. Da der Kläger zweimal vom Polizeipräsidium O. als Gewalttäter Sport registriert und dem Fankundigen Beamten der Bundespolizei als Rädelsführer der Hooliganszene bekannt war, ist die von den Beamten getroffene Prognose, er könne zusammen mit den anderen gewaltbereiten Fußballfans an gewalttätigen Ausschreitungen bei Fußballspielen im Ausland teilnehmen, nachvollziehbar. Dabei berücksichtigt die Kammer auch, dass den Beamten aufgrund der laufenden Boarding-Time nur wenig Zeit zu weiteren Ermittlungen zur Verfügung stand.
54Das Monitum des Klägers, die Bundespolizei habe das ihr zustehende Ermessen nicht bzw. fehlerhaft ausgeübt, ist unzutreffend. Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass das Gesetz bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 PaßG dem öffentlichen Interesse grundsätzlich Vorrang vor den privaten Interessen des Passinhabers/Passbewerbers einräumt. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme hat die Beklagte dem privaten Interesse des Klägers durch Beschränkung der Ausreiseuntersagung allein für die Ausreise nach Georgien und mit der Befristung bis zum 12.11.2016 – 12:00 Uhr - Rechnung getragen. Im Rahmen der Interessensabwägung ist die Feststellung, dass der Kläger kein Fan der deutschen Nationalmannschaft ist, unerheblich. Seine persönliche Entwicklung konnte von den Beamten anhand des vorliegenden Erkenntnismaterials nicht nachgeprüft werden. Die Einstellung der Ermittlungsverfahren ist erst während des Klageverfahrens erfolgt und konnte im Rahmen der Gefährdungsprognose zum Zeitpunkt der beabsichtigten Ausreise keine Berücksichtigung finden.
552.
56Die Anordnung der Meldeauflage, sich bis zum 12.11.2016 täglich zwischen 6:00 Uhr und 21:00 Uhr bei der Bundespolizeiinspektion O. zu melden, ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 1, § 1 und § 2 BPolG. Die Meldeauflage ist zur Durchsetzung der Ausreiseuntersagung und aus Gründen der Gefahrenabwehr erforderlich gewesen.
57Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
58Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
59Rechtsmittelbelehrung
60Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
611. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
68Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
69Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
70Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
71Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
72Beschluss
73Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
745.000,00 €
75festgesetzt.
76Gründe
77Der Wert des Streitgegenstandes entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert im Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 52 Abs. 2 GKG).
78Rechtsmittelbelehrung
79Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
80Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
81Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
82Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
83Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.