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1. Die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 18 K 4143/19 gegen den Beschluss der Beschlusskammer 10 vom 12.6.2019 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 150.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
2Der sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren 18 K 4143/19
4gegen den Beschluss der Beschlusskammer 10 vom 12.6.2019
5anzuordnen,
6hat Erfolg.
7Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung der Bundesnetzagentur vom 12.6.2019 das öffentliche Vollzugsinteresse. Denn der Beschluss vom 12.6.2019 erweist sich danach insgesamt als materiell rechtswidrig.
8Die Verpflichtung der Antragstellerin in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses ist materiell rechtswidrig. Denn die dort ausgesprochene Verpflichtung, im Infrastrukturregister (ISR) eindeutig auszuweisen, welche Gleise von ihr als Schienenwege betrieben werden und ihren SNB unterfallen, erweist sich jedenfalls als unverhältnismäßig. Dabei hat die Kammer bereits Zweifel daran, dass die von der Antragstellerin derzeit angebotene Darstellung der Gleise im ISR unter Berücksichtigung der Verlinkung mit dem Anlagenportal-Netz (APN) hinsichtlich der Frage der Zuordnung, ob ein Gleis als Schienengleis oder als Abstellgleis qualifiziert ist, gegen das Transparenzgebot des § 10 Abs. 4 ERegG in der hier maßgeblichen Fassung vom 2.9.2016, BGBl. I 2016, 2082, verstößt. Diese Frage kann jedoch im vorliegenden Zusammenhang unentschieden bleiben. Denn die mit dem Tenor zu Ziffer 1 ausgesprochene Verpflichtung der Antragstellerin ist nicht erforderlich, weil es jedenfalls ein milderes Mittel gibt, das ebenso geeignet ist, den von der Antragsgegnerin geforderten Grad an Transparenz herbeizuführen. Dabei geht das Gericht nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin davon aus, dass diese keine Bedenken hinsichtlich der Transparenz und Klarheit der betriebsstellenbezogenen Darstellung und Zuordnung der Gleise in dem APN hat. Auch nach der Einschätzung des Gerichts ermöglicht das APN eine verlässliche Zuordnung eines Gleises zu den Kategorien Abstellgleis und Schienengleis. Das Gericht beachtet ferner, dass die Fälle, die die Antragstellerin mit dem Tenor zu Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses erfassen will, regelmäßig die Frage der Abrechnung nach erfolgter Heranziehung zu Entgelten für das Abstellen eines Zuges betreffen. Mit Rücksicht darauf könnte in den SNB der Antragstellerin ein Verweis auf das APN erfolgen, der dazu führte, dass das APN nicht nur durch eine tatsächliche Verlinkung im ISR, sondern durch einen rechtlich bindenden Verweis in den SNB für die Frage der Zuordnung eines Gleises maßgeblich wäre. Der Verweis könnte etwa in 5.4.1 der SNB als Sätze 2, 3 und 4 aufgenommen werden und lauten:
9„Für die Frage, ob ein Gleis einem Schienenweg i. S. d. Satzes 1 oder einer Serviceeinrichtung zugehört, sind die Darstellungen in dem Anlagenportal-Netz (APN) maßgeblich. Ist ein Gleis im APN aufgeführt und nach der dortigen Legende nicht als „keine Serviceeinrichtung“ gekennzeichnet, gehört es zu einer Serviceeinrichtung. Umgekehrt gehört ein Gleis zu einem Schienenweg i. S. d. Satzes 1, wenn es nicht im APN aufgeführt ist oder dort als „keine Serviceeinrichtung“ gekennzeichnet ist.“
10Bei einer derartigen Formulierung könnten die Zugangsberechtigten in dem hier hauptsächlich in Rede stehenden Fall der nachträglichen Abrechnungsüberprüfung nach Zuweisung eines Gleises durch den Anlagendisponenten schnell und einfach klären, ob das Gleis, für deren Nutzung sie ein Entgelt entrichten sollen, einer Serviceeinrichtung zugehört oder nicht. Auch unabhängig von einem Abrechnungsfall würde das APN bei dieser Formulierung hinreichend transparenten Aufschluss darüber geben, ob es sich jeweils um ein Schienengleis oder ein Abstellgleis handelt.
11Mit Rücksicht auf das Vorliegen eines für die Antragstellerin deutlich einfacheren und damit milderen Mittels ist die Anordnung, das gesamte ISR umzugestalten, unabhängig von der Frage, wie hoch die Kosten für eine Umgestaltung genau sein werden, jedenfalls unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig.
12Wegen dieses milderen Mittels ist auch die Anordnung unter 2.2.2 des angegriffenen Beschlusses rechtswidrig. Denn die Problematik der sog. Scheinschienenwege wird sich bei einer strengen Heranziehung allein des APN als maßgebliches Unterscheidungskriterium nicht stellen. Denn auch die Betreiber der Serviceeinrichtungen richten sich hinsichtlich der Frage der Abrechnungsfähigkeit einer Gleiskapazität nach den Festsetzungen in dem APN.
13Unabhängig davon bestehen gegen die Rechtmäßigkeit von Ziffer 2.2.2 unter folgenden Gesichtspunkten weitere rechtliche Bedenken: Zum einen wird in Satz 1 der genannten Ziffer eine Fiktionswirkung des Inhalts geregelt, dass das betreffende Gleis als Schienenweg gilt und zum anderen wird eine Freistellungsverpflichtung der Antragstellerin als Betreiberin der Schienenwege geregelt. Auch diese Regelung ist – jedenfalls in der Kombination – übermäßig. Denn allein die Freistellungsverpflichtung wäre ausreichend, um die von der Antragsgegnerin offenbar gewünschte Begünstigung der Zugangsberechtigten zu erzielen. Soweit darüber hinaus noch die Fiktionswirkung geregelt wird, ist die Regelung in sich widersprüchlich, weil für die Inanspruchnahme eines Gleises, das als Schienenweg gilt und damit rechtlich als Schienenweg zu betrachten ist, kein Nutzungsentgelt für die Inanspruchnahme einer Serviceeinrichtung erhoben werden kann und damit kein Raum für eine Freistellungsverpflichtung wäre. Diese Regelung wäre außerdem auch falsch verortet, weil die Frage, ob ein Gleis, das tatsächlich einer Serviceeinrichtung zugehört, abrechnungsfähig ist, allein in den Nutzungsbedingungen für Serviceeinrichtungen (NBS) und nicht in den SNB geregelt werden darf. Eine Regelung zur Abrechnungsfähigkeit einer Kapazität in einer Serviceeinrichtung in den SNB wäre wegen dieser falschen Verortung ihrerseits intransparent und damit rechtswidrig. Soweit die Fiktionswirkung nach dem Willen der Antragsgegnerin möglicherweise nur gegenüber der Antragstellerin als Betreiberin der Schienenwege und nicht gegenüber den Betreibern der Serviceeinrichtungen gelten soll, wird dies in dem Wortlaut der Anordnung nicht hinreichend deutlich. Auch bei einem derartigen Verständnis ist die Anordnung deshalb wegen fehlender Klarheit des Regelungsbefehls rechtswidrig.
14Schließlich ist auch die Anordnung in Ziffer 2.2.1 des angegriffenen Bescheides materiell rechtswidrig. Soweit die Antragsgegnerin die Antragstellerin verpflichten will, folgenden Satz 2 in Ziffer 5.4.1 einzufügen: „Eine Zugtrasse im Sinne von Satz 1 ist jede Zugfahrt in Erfüllung eines Trassennutzungsvertrages“ bestehen gegen diese Anordnung in dreifacher Hinsicht rechtliche Bedenken.
15Erstens hat das Gericht unter Transparenzgesichtspunkten durchgreifende Bedenken dagegen, den in § 1 Abs. 20 ERegG legaldefinierten Begriff der Zugtrasse in den SNB in einem – leicht – veränderten Sinn zu gebrauchen. Denn die bedeutungsverschiedene Verwendung ein und desselben Begriffes im Gesetz einerseits und in den SNB andererseits ist geeignet, Intransparenz zu bewirken.
16Zweitens bestehen gegen die Anordnung in Ziffer 2.2.1 des angegriffenen Beschlusses auch inhaltliche Bedenken, weil die Regelung in 5.4.1 Satz 1 SNB zur Überzeugung des Gerichts nicht intransparent ist. Der Satz „Das Abstellen auf Schienenwegen für mehr als 60 Minuten außerhalb des mit einer Zugtrasse i. S. d. § 1 Abs. 20 EregG zugewiesenen Zeitraums ist eine entgeltpflichtige Zusatzleistung der X .“ ist aus sich heraus in dem von der Antragstellerin dargestellten Sinn verständlich. Sie erfasst den Fall, dass ein Zug nach erfolgter Trassennutzung – etwa vor dem Einfahren in eine Serviceeinrichtung – noch für einige Zeit abgestellt werden muss. Die von der Antragstellerin angesprochene Problematik, ob diese Bestimmung auch Anwendung findet, wenn ein Zug im Zusammenhang mit der erneuten Bereitstellung noch auf Schienenwegen steht, ist nach dem Wortlaut der Bestimmung eher fernliegend und macht die Regelung deshalb nicht intransparent. Dabei geht das Gericht davon aus, dass der Sprachgebrauch in eisenbahnrechtlichen Zusammenhängen zwischen den Begriffen „abstellen“ und „bereitstellen“ unterscheidet. Dies zeigt sich etwa daran, dass in der Legende zu dem APN bezüglich der Kategorisierung von Gleisen die Bezeichnung „Ab- /Bereitstellungsgleis“ gewählt wurde. Auch gibt es - nach der Veröffentlichung der Stellenangebote der X. im Internet - das Berufsbild des Zugbereitstellers. Das Gericht ist deshalb überzeugt, dass auch den Zugangsberechtigten die Unterscheidung zwischen den Begriffen „abstellen“ und „bereitstellen“ so geläufig ist, dass sie die Bestimmung in 5.4.1 Satz 1 SNB regelmäßig nicht in der Weise verstehen, dass sie auch auf die Bereitstellung des Zuges Anwendung findet.
17Drittens ist Anordnung in Ziffer 2.2.1 jedenfalls unverhältnismäßig, weil auch sie nicht erforderlich ist. Selbst wenn die von der Antragsgegnerin angenommene Intransparenz hinsichtlich des Falles, in dem ein Zug bereitgestellt wird, bestünde, wäre es zur Beseitigung der Intransparenz ausreichend, der Antragstellerin aufzugeben, diesen Fall zu regeln. Die Vorgabe, diesen Fall zugunsten der Zugangsberechtigten zu regeln, findet hingegen selbst bei Annahme einer Intransparenz im Gesetz keine Stütze. Denn die Antragstellerin ist rechtlich nicht verpflichtet, den Zugangsberechtigten Schienenwegskapazität unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
18Auch der Umstand, dass bei einer zivilgerichtlichen Kontrolle von AGB bei unklaren Klauseln die Auslegung gewählt wird, die dem Vertragspartner des Verwenders der AGB am günstigsten ist, rechtfertigt die von der Antragsgegnerin getroffene Anordnung nicht. Denn die Antragsgegnerin hat bei der Überprüfung der SNB die Befugnis, der Antragstellerin Änderungen aufzugeben, um Unklarheiten in den SNB zu beseitigen. Diese Befugnis steht den Zivilgerichten gerade nicht zu.
19Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Dabei wurde für die Anordnung zu Ziffer 1 des Beschlusses der Antragsgegnerin ein Streitwert von 100.000,- Euro angesetzt. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die Aufwendungen für die Umgestaltung des ISR bei einer Verpflichtung zur Umsetzung von Ziffer 1 des Beschlusses vom 12.6.2019 unmittelbar in voller Höhe anfallen würden. Deshalb war diesbezüglich der Streitwert für das Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu halbieren. Für die Regelungen unter Ziffer 2.2.1 und 2.2.2 wurde jeweils ein Streitwert von 50.000,- Euro angesetzt, der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes halbiert wurde.
20Rechtsmittelbelehrung
21Gegen Ziffer 1 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
22Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
23Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
24Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
25Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
26Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
27Die Beschwerde ist schriftlich, zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
28Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
29Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.