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Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die in § 113b Abs. 3 Nr. 1-3 TKG in der Fassung von Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I 2218) genannten Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie den Internetzugang vermittelt, zu speichern und die in § 113b Abs. 2 Sätze 1 und 2 TKG genannten Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie den Zugang zu öffentlichen Telefondiensten vermittelt, zu speichern.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
2Die Klägerin ist ein deutsches Telekommunikationsunternehmen. Sie wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die ihr durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG in der Fassung von Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2218 ff.) auferlegte Pflicht, ab dem 1. Juli 2017 Telekommunikationsverkehrsdaten auf Vorrat speichern zu müssen.
3Die Klägerin beantragte – nach vorangegangener Korrespondenz – mit Schreiben vom 21. September 2016 zunächst bei der Bundesnetzagentur, festzustellen, dass eine Verpflichtung zur Erhebung, Speicherung und Beauskunftung der den Teilnehmern für die Internetnutzung zugewiesenen Internetprotokoll-Adressen nicht besteht, sofern die Internetnutzung mittels einer Mobilfunkdatenverbindung oder mittels eines öffentlich zugänglichen WLAN-Hotspots erfolgt, bei der das NAPT-Verfahren zum Einsatz kommt. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass in diesen Fällen die Internetprotokoll-Adresse für die Ermittlungstätigkeit der zur Auskunft berechtigten Stellen keinen Mehrwert darstelle. Eine eindeutige Zuordnung der Internet-Protokolladresse zu einem Teilnehmer sei technisch nämlich nicht möglich. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2016 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie verwies darauf, dass die Vorschrift des § 113b Abs. 3 TKG nicht zwischen verschiedenen Formen von Internetzugangsdiensten differenziere. Zudem könne auch dann, wenn eine Internet-Protokolladresse zumindest einem Personenkreis zugeordnet werden könne, nicht ausgeschlossen werden, dass dadurch eine Grundlage für weitere Ermittlungen der zur Auskunft berechtigten Behörden geschaffen werde.
4Am 11. Mai 2017 hat die Klägerin Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (9 L 2085/17). Zur Begründung vertieft sie ihr vorprozessuales Vorbringen gegenüber der Beklagten und macht geltend, dass angesichts der gesetzlichen Anordnung der Speicherung lediglich der öffentlichen Internet-Protokolladresse keine Möglichkeit der Zuordnung dieser Internet-Protokolladresse zu einem Teilnehmer bestehe, sofern eine Mobilfunkdatenverbindung oder ein öffentlich zugänglicher WLAN-Hotspot jeweils unter Einsatz des NAPT-Verfahrens genutzt werde. Es lasse sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch ausschließen, dass eine Verdichtung eines Personenkreises mittels der öffentlichen Internet-Protokolladresse erfolgen könne. Denn dies sei nur dann möglich, wenn auch eine gesetzlich nicht vorgesehene Speicherung der internen Internetprotokoll-Adresse sowie der Port-Adresse erfolge. Vor diesem Hintergrund erweise sich § 113b Abs. 3 Nr. 1 TKG als unverhältnismäßiger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit, sofern die Vorschrift nicht einschränkend dahingehend ausgelegt werde, dass von der in § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG angeordneten Speicherpflicht die Speicherung von Internet-Protokolladressen ausgenommen ist, sofern die Internetnutzung mittels einer Mobilfunkdatenverbindung oder mittels eines öffentlich zugänglichen WLAN-Hotspots erfolgt, bei der das NAPT-Verfahren zum Einsatz kommt.
5Zunächst hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber der Klägerin Maßnahmen wegen des Unterlassens der Speicherung der dem Teilnehmer für seine Internetnutzung zugewiesenen öffentlichen Internetprotokoll-Adresse in den Fällen einzuleiten, in denen die Internetnutzung unter Einsatz des NAPT-Verfahrens (Network Address and Port Translation Verfahren) erfolgt, hilfsweise festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die dem Teilnehmer für seine Internetnutzung zugewiesene öffentliche Internetprotokoll-Adresse gemäß § 113b Abs. 3 Nr. 1 TKG in den Fällen zu speichern, in denen die Internetnutzung unter Einsatz des NAPT-Verfahrens (Network Address and Port Translation Verfahren) erfolgt. Nachdem das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Verfahren 13 B 238/17 durch Beschluss vom 22. Juni 2017 vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens 9 K 3859/16 festgestellt hatte, dass die dortige Antragstellerin nicht verpflichtet ist, die in § 113b Abs. 3 TKG in der Fassung von Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2218 ff.) genannten Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie den Internetzugang vermittelt, zu speichern, und die Bundesnetzagentur auf ihrer Internetseite die Mitteilung veröffentlicht hatte, dass sie bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens von Anordnungen und sonstigen Maßnahmen zur Durchsetzung der in § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG geregelten Speicherverpflichtung absieht und auch keine Bußgeldverfahren gegen die betreffenden Telekommunikationsunternehmen eingeleitet werden, wendet sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren ebenfalls gegen die ihr durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG auferlegte Speicherpflicht als solche. Insoweit führt sie aus, dass sie dieses – neue – Begehren im Wege der zulässigen Klageerweiterung im vorliegenden Verfahren geltend machen könne. Des Weiteren verweist sie insbesondere auf die Begründung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Juni 2017 im Verfahren 13 B 238/17.
6Die Klägerin beantragt zuletzt,
7festzustellen, dass sie nicht verpflichtet ist, die in § 113b Abs. 3 Nr. 1-3 TKG in der Fassung von Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I 2218) genannten Telekommunikations-Verkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie den Internetzugang vermittelt, zu speichern und die in § 113b Abs. 2 Sätze 1 und 2 TKG genannten Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden, denen sie den Zugang zu öffentlichen Telefondiensten vermittelt, zu speichern, hilfsweise festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, die dem Teilnehmer für seine Internetnutzung zugewiesene öffentliche Internetprotokoll-Adresse gemäß § 113b Abs. 3 Nr. 1 TKG in den Fällen zu speichern, in denen die Internetnutzung unter Einsatz des NAPT-Verfahrens (Network Address and Port Translation Verfahren) erfolgt, äußerst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber der Klägerin Maßnahmen wegen des Unterlassens der Speicherung der dem Teilnehmer für seine Internetnutzung zugewiesenen öffentlichen Internetprotokoll-Adresse in den Fällen einzuleiten, in denen die Internetnutzung unter Einsatz des NAPT-Verfahrens (Network Address and Port Translation Verfahren) erfolgt.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen
10Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen die Ausführungen in ihrem Schreiben vom 7. Oktober 2016 und führt vertiefend aus, dass sich die gesetzlich angeordnete Speicherpflicht zwar lediglich auf die öffentliche Internetprotokoll-Adresse beziehe, darüber hinaus aber – abgesehen von registrierungsfreien Hotspots – auch eine Benutzerkennung sowie eine Anschlusskennung zu speichern seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei es auch möglich, eine von der Klägerin in Zweifel gezogene Verdichtung eines Personenkreises vorzunehmen. Im Falle von Hotspots, die dauerhaft mit einer statischen öffentlichen Internetprotokoll-Adresse angebunden sind, bestehe überdies schon von Gesetzes wegen keine Speicherpflicht. Vor diesem Hintergrund sei auch § 113b Abs. 3 Nr. 1 TKG nicht in der von der Klägerin begehrten Art und Weise auszulegen. Denn es sei ausreichend, dass durch die aufgezeigte Möglichkeit der Verdichtung eines Personenkreises erste Ermittlungsansätze erzielt werden könnten.
11Hinsichtlich der Vereinbarkeit der in § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG normierten Speicherpflicht mit Unionsrecht vertritt die Beklagte die Auffassung, dass eine entsprechende Vereinbarkeit gegeben, die Frage der Vereinbarkeit zumindest aber offen sei. Sie sei durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht beantwortet. Aus dieser Rechtsprechung ließen sich nämlich keine zwingenden Schlussfolgerungen zur Unionskonformität anderer nationaler Regelungen als derjenigen ziehen, die der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Dezember 2016 zugrunde lagen. Denn Gegenstand der Regelungen des § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG sei gerade keine allgemeine und unterschiedslose Speicherung sämtlicher Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer und registrierter Nutzer in Bezug auf alle elektronischen Kommunikationsmittel. Bestimmte Kommunikationsdaten wie E-Mail und Messenger sowie bestimmte Personengruppen seien von der Speicherpflicht ausgenommen, zudem würden nur bestimmte Diensteanbieter zur Datenspeicherung verpflichtet. Des Weiteren sei nicht erkennbar, ob der Europäische Gerichtshof die Feststellung, eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung sei unionsrechtswidrig, völlig unabhängig von der Frage getroffen habe, ob die betreffenden Regelungen adäquate Beschränkungen im Hinblick auf den Schutz der gespeicherten Daten und den Zugang hierzu enthalten.
12Das Gericht hat den Antrag der Klägerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 30. Juni 2017 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 25. August 2017 zurückgewiesen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Akte des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
14Entscheidungsgründe
15Die von der Klägerin erklärte Klageänderung ist zulässig. Dies folgt zumindest aus § 91 Abs. 1 VwGO. Danach ist eine Klageänderung zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Unabhängig davon, ob vorliegend die Voraussetzungen des § 173 VwGO i.V.m. § 264 ZPO gegeben sind oder die Beklagte gemäß § 91 Abs. 1 VwGO eingewilligt hat, ist die Klageänderung jedenfalls sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO. Denn aufgeworfen werden mit der Klageänderung weitere Rechtsfragen im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Vorratsdatenspeicherung, die auch zuvor den Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren bildeten.
16Die Klage ist zulässig und begründet.
17Die von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist statthaft. Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
18Zwischen der Klägerin und der Beklagten als Rechtsträgerin der Bundesnetzagentur steht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO im Streit. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein. Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (auch) voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Es müssen sich also aus dieser Rechtsbeziehung heraus bestimmte Rechtsfolgen ergeben können, was wiederum die Anwendung von bestimmten Normen auf den konkreten Sachverhalt voraussetzt. Daran fehlt es insbesondere, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Auch bloße Vorfragen oder unselbstständige Elemente eines Rechtsverhältnisses können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein.
19Siehe (zusammenfassend und mit Blick auf ein Begehren der Feststellung der Rechtswidrigkeit von „self-executing“ Normen) BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris (Rn. 24); ferner etwa BVerwG, Urteile vom 13. Januar 1969 – 1 C 86. 64 –, juris; vom 23. Januar 1992 – 3 C 50.89 –, juris; und vom 23. August 2007 – 7 C 2.07 –, juris; und – 7 C 13.06 –, juris.
20Die Klägerin begehrt die Feststellung des „Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses“ (§ 43 Abs. 1 VwGO). Zwar kann eine Klage mit dem alleinigen Ziel der Nichtigkeitsfeststellung einer Rechtsnorm nicht auf § 43 VwGO gestützt werden, da eine solche Klage auf kein Rechtsverhältnis abzielt, sondern eine Umgehung des § 47 VwGO ermöglichen würde; dasselbe gilt für eine Klage auf Feststellung der Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm wegen eines Verstoßes gegen Europarecht.
21So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 – 7 C 13.06 –, juris (Rn. 20).
22Im Rahmen einer Klage nach § 43 VwGO kann allenfalls die Feststellung begehrt werden, dass wegen Ungültigkeit oder Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm kein Rechtsverhältnis zu dem anderen Beteiligten begründet ist. Denn wenn die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, kann die Rechtmäßigkeit der Norm als – wenn auch streitentscheidende – Vorfrage aufgeworfen werden.
23Siehe dazu etwa BVerwG, Urteile vom 28. Juni 2000 – BVerwG 11 C 13.99 –, juris; vom 23. August 2007 – 7 C 2.07 –, juris; und – 7 C 13.06 –, juris; und vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris.
24Um einen solchen Fall geht es hier.
25Als Beteiligte an einem Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO kommen grundsätzlich in Betracht der Normgeber, der Normadressat und (als Vollzugsbehörde) der Normanwender. Im Regelfall eröffnet sich ein Rechtsverhältnis zwischen dem Normadressaten und dem Normanwender, hier somit zwischen der Klägerin und der Beklagten als Rechtsträgerin der Bundesnetzagentur. Dagegen besteht im Regelfall kein Rechtsverhältnis zwischen Normadressat und Normgeber, da letzterer an der Umsetzung der Norm gegenüber dem Adressaten nicht beteiligt ist. Dies gilt ebenso für „self-executing“ Normen, d. h. solche Normen, aus denen sich unmittelbar Rechte und Pflichten ergeben, soweit dort Verwaltungsvollzug möglich ist. Auch hier stehen sich im Regelfall als alleinige Zuordnungssubjekte der Normadressat und der Normanwender gegenüber; denn auf der einen Seite findet sich die normbetroffene Person, der auf der anderen Seite die vollziehende Behörde gegenüber steht, die die Regelungen durchzusetzen oder ihre Befolgung zu überwachen hat.
26BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 – 7 C 13.06 –, juris (Rn. 21).
27Im vorliegenden Fall stehen zwischen den Beteiligten die Regelungen des § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG im Streit. Dabei handelt es sich um „self-executing“ Normen, da sich aus ihnen unmittelbar von Gesetzes wegen die Pflicht der in § 113a Abs. 1 TKG Genannten ergibt, die Telekommunikationsverkehrsdaten im Sinne des § 113b TKG zu speichern. Allerdings folgt eine Befugnis zum Vollzug im vorstehenden Sinne insoweit aus § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG, wonach die Bundesnetzagentur Anordnungen und andere Maßnahmen treffen kann, um die Einhaltung der Vorschriften des Teils 7 des Telekommunikationsgesetzes und der auf Grund dieses Teils ergangenen Rechtsverordnungen sowie der jeweils anzuwendenden Technischen Richtlinien sicherzustellen. Ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO besteht hier somit nur zwischen der Klägerin und der Beklagten als Rechtsträgerin der Bundesnetzagentur als vollziehende Behörde im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG.
28Es kann demzufolge dahinstehen, ob es über den Ausnahmefall der zulässigen (und Art. 19 Abs. 4 GG geschuldeten) Normerlassklage hinaus einer weiteren „atypischen Feststellungsklage“ gegen den Normgeber bedarf.
29Dies (noch) verneinend BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 – 7 C 13.06 –, juris (Rn. 23) mit dem Hinweis, dafür streite auch nicht das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes, da die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Norm im Rahmen der gegen die Vollzugsbehörde gerichteten Feststellungsklage in derselben Weise als streitentscheidende und inzident zu prüfende Vorfrage aufgeworfen werde wie bei einer gegen den Normgeber gerichteten atypischen Feststellungsklage.
30Denn eine solche Klage ist vorliegend weder erhoben, noch stößt die gegen die Beklagte als Rechtsträgerin der Bundesnetzagentur erhobene Feststellungsklage mit Blick auf eine etwaige Möglichkeit der Erhebung einer atypischen Feststellungsklage gegen den Normgeber auf durchgreifende rechtliche Bedenken. Zwar scheidet in Ausnahmefällen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Feststellungsklage gegen den Normgeber dann nicht aus, wenn mangels administrativen Vollzugs kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Normanwender und Normadressat begründet, die Rechtsbeeinträchtigung bereits unmittelbar durch die Norm bewirkt wird und effektiver Rechtsschutz nur im Rechtsverhältnis zwischen Normgeber und Normadressat gewährt werden kann. Dass eine Norm „self-executing“ ist, begründe – so das Bundesverwaltungsgericht weiter – indes kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Normgeber, soweit noch Verwaltungsvollzug möglich ist. Auch bei solchen Normen könnten sich normbetroffene Personen und eine die Norm vollziehende Behörde gegenüberstehen, die die Regelungen konkretisiert oder individualisiert und Anordnungen für den Einzelfall aufgrund gesetzlicher Befugnisse trifft. In solchen Fällen müsse die Feststellung eines konkreten streitigen Rechtsverhältnisses zwischen Normadressat und Normanwender geklärt werden und nicht eine Rechtsbeziehung zum Normgeber. Eine Feststellungsklage gegen den Normgeber komme allenfalls dann in Betracht, wenn die betreffende Norm unmittelbar Rechte und Pflichten der Betroffenen begründet, ohne dass eine Konkretisierung oder Individualisierung durch Verwaltungsvollzug vorgesehen oder möglich ist.
31Siehe BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris (Rn. 30).
32Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch – wie gezeigt – nicht gegeben.
33Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, welche Bedeutung die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu Flugrouten zu und von Flughäfen zukommt, die vom Luftfahrt-Bundesamt jeweils durch Rechtsverordnung (§ 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO) festgelegt werden (BVerwG, Urteile vom 28. Juni 2000 – BVerwG 11 C 13.99 –, BVerwGE 111, 276 ff.; vom 26. November 2003 – BVerwG 9 C 6.02 –, BVerwGE 119, 245 ff.; und vom 24. Juni 2004 – BVerwG 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152 ff.). Ob diesen Entscheidungen Feststellungsklagen zugrunde lagen, die allein das Normvollzugsverhältnis betrafen, sich jeweils gegen die Bundesrepublik Deutschland richteten und richten konnten, weil die Luftverkehrsverwaltung gemäß Art. 87d GG in bundeseigener Verwaltung geführt wird – so BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 – 7 C 13.06 –, juris (Rn. 25) – bedarf vorliegend keiner näheren Würdigung. Denn unabhängig davon, dass auch im Bereich des Telekommunikationsrechts gemäß Art. 87f Abs. 2 Satz 2 GG Hoheitsaufgaben in bundeseigener Verwaltung ausgeführt werden und demzufolge sowohl eine gegen den Normgeber als auch eine gegen den Normanwender gerichtete Feststellungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten wäre, bestehen – wie gezeigt – gegen eine gegen die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträgerin der Bundesnetzagentur erhobene Feststellungsklage keine durchgreifenden Bedenken.
34Bedenken hinsichtlich der Statthaftigkeit der Feststellungsklage ergeben sich ebenso wenig daraus, dass im vorliegenden Fall die Klägerin (insbesondere) die Unionsrechtswidrigkeit des § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG geltend macht. Zwar setzt ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO – wie gezeigt – voraus, dass die Anwendung von bestimmten Normen auf einen konkreten Sachverhalt im Streit steht. Daran fehlt es, wenn nur abstrakte Rechtsfragen wie die Gültigkeit einer Norm zur Entscheidung gestellt werden. Die vorliegend von der Klägerin erhobene Feststellungsklage ist indes nicht allein auf die Feststellung der Anwendbarkeit oder Unanwendbarkeit einer Norm und damit gleichsam auf eine lediglich abstrakte Rechtsfrage gerichtet.
35Dem System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes kann nicht entnommen werden, dass die Überprüfung von Rechtsetzungsakten außerhalb dafür eigens vorgesehener Verfahren ausgeschlossen sein soll. Es gehört zur richterlichen Prüfungskompetenz, auch die – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Maßgaben des Art 100 GG – Gültigkeit und Anwendbarkeit einer Rechtsnorm, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem beziehungsweise hinsichtlich des Unionsrechts jedenfalls vorrangig anwendbarem Recht, zu überprüfen, sofern es für den Ausgang des Rechtsstreits hierauf ankommt. Etwas anderes kann lediglich dann gelten, wenn mit einem Rechtsschutzbegehren lediglich die Klärung der Gültigkeit einer Rechtsnorm oder einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines ungewissen künftigen Sachverhalts erreicht werden soll; in einem solchen Fall würde der Rechtsstreit nicht der Durchsetzung von konkreten Rechten der Beteiligten, sondern dazu dienen, Rechtsfragen gleichsam um ihrer selbst willen theoretisch zu lösen. Anders liegt es dagegen, wenn die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten, in der Wirklichkeit gegebenen Sachverhalt streitig ist, so dass die Rechtmäßigkeit der Norm als – wenn auch streitentscheidende – Vorfrage aufgeworfen wird.
36Siehe nur BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, juris (Rn. 25).
37So liegt der Fall hier. Die von der Klägerin begehrte Feststellung bezieht sich auf ihre Verpflichtung gemäß § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG, die Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden zu speichern.
38Dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 21).
39Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze steht insoweit ein hinreichend konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten als Rechtsträgerin der Bundesnetzagentur im Streit. Die Klägerin begehrt gerade nicht (nur) die abstrakte Klärung der Vereinbarkeit der angegriffenen gesetzlichen Regelung mit höherrangigem beziehungsweise hinsichtlich des Unionsrechts jedenfalls vorrangig anwendbarem Recht aufgrund eines noch ungewissen Sachverhalts. Vielmehr bezieht sich die begehrte Feststellung auf die Bindung der Klägerin an die durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG angeordnete Speicherpflicht von Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden. Die Pflicht zur Speicherung dieser Telekommunikationsverkehrsdaten ergibt sich – wie gezeigt – zwar unmittelbar aus den angegriffenen Rechtsnormen. Hinsichtlich der Speicherpflicht als solcher bedarf es auch keiner – möglicher – Anordnungen und anderer Maßnahmen im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG. Indes hatte die Bundesnetzagentur die von der Klägerin zunächst außergerichtlich erstrebte Bestätigung, nicht zur Speicherung verpflichtet zu sein, abgelehnt und so zum Ausdruck gebracht, dass sie in Ansehung der ihr nach § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG gesetzlich eingeräumten Befugnis, Anordnungen und andere Maßnahmen gegenüber der Klägerin treffen zu können, um die Einhaltung (auch) der durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG angeordneten Speicherpflicht sicherzustellen, von der Klägerin die Erfüllung ihrer von Gesetzes wegen angeordneten Speicherpflicht erwartet.
40Siehe dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 21).
41Überdies sind Zweifel am Vorliegen eines von § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten streitigen konkreten Rechtsverhältnisses nicht ersichtlich. Das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten ist insbesondere auch hinreichend konkret; es bezieht sich auf einen bestimmten, überschaubaren Sachverhalt. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten haben sich bereits dadurch ausreichend verdichtet, dass die Klägerin an die durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG angeordnete Speicherpflicht von Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden gebunden ist.
42Zur hinreichenden Konkretheit des Rechtsverhältnisses mit Blick auf die durch § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG angeordnete Speicherpflicht von Telekommunikationsverkehrsdaten auch OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 21).
43Das zwischen den Beteiligten bestehende konkrete Rechtsverhältnis ist zwischen ihnen auch streitig. Voraussetzung dafür ist nach der vorstehend skizzierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass zwischen den Beteiligten eines Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können. Ein solcher Meinungsstreit ergibt sich bereits aus der Ablehnung der von der Klägerin zunächst außergerichtlich erstrebte Bestätigung der Bundesnetzagentur, nicht zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten gemäß § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG verpflichtet zu sein.
44Siehe dazu nochmals OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 21).
45Zweifel am Vorliegen eines streitigen Rechtsverhältnisses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ergeben sich schließlich auch nicht etwa daraus, dass die Einleitung von Vollzugsmaßnahmen gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht konkret absehbar war und ist. Denn ein streitiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO setzt nach dem Bundesverwaltungsgericht gerade nicht voraus, dass zwischen Normadressat und normanwendender Behörde etwa schriftlich ausgetauschte Divergenzen offenkundig geworden sein müssten.
46BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 – 7 C 13.06 –, juris (Rn. 28).
47Schließlich kann dahinstehen, ob ein Rechtsverhältnis nach § 43 Abs. 1 VwGO, welches nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – wie gezeigt – zumindest einen Meinungsstreit zwischen den Beteiligten erfordert, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können, stets subjektiv-öffentliche Rechte und Pflichten zum Gegenstand haben muss.
48Siehe dazu Sodan, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 43, Rn. 9; ferner Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 43, Rn. 11; Möstl, in: Posser/Wolff (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2013, § 43, Rn. 2; Glaser, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2013, § 43, Rn. 42.
49Denn ausreichend ist zumindest, dass subjektiv-öffentliche Pflichten im Streit stehen.
50Ausführlich Sodan, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 43, Rn. 10.
51Mit der Speicherpflicht aus § 113a Abs. 1 i.V.m § 113b TKG sind vorliegend solche subjektiv-öffentlichen Pflichten der Klägerin streitgegenständlich.
52Im Rahmen einer gegen den Normanwender gerichteten Feststellungsklage kann die Klägerin schließlich auch beantragen, festzustellen, dass die Pflicht zur Speicherung der in § 113b TKG genannten Telekommunikationsverkehrsdaten wegen Verstoßes der Regelungen des § 113a TKG i.V.m. § 113b TKG gegen höherrangiges beziehungsweise hinsichtlich des Unionsrechts jedenfalls vorrangig anwendbares Recht nicht besteht. Eine Beschränkung auf einen Antrag, dass die Bundesnetzagentur nicht berechtigt ist, Anordnungen und andere Maßnahmen nach § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG zu erlassen, erfordert § 43 Abs. 1 VwGO nicht.
53Siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 1 BvR 1014/13 –, juris (Rn. 7 f.) mit dem Hinweis, dass in Rechtsprechung und Literatur anerkannt sei, dass die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft ist, wenn die Feststellung begehrt wird, dass wegen Ungültigkeit oder Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm kein Rechtsverhältnis zu dem anderen Beteiligten begründet ist und im Wege der negativen Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO die Verwaltungsgerichte angerufen werden und dort auf Feststellung geklagt werden kann, dass keine Verpflichtung besteht, einer gesetzlichen Anforderung (im betreffenden Fall der Teilnahme am Spielersperrsystem nach § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 11 HessSpielhG mitzuwirken) nachzukommen und die damit gesetzlich verbundenen Pflichten zu erfüllen. Siehe zu einem entsprechenden Antrag (im Falle einer Rechtsverordnung), der dem Bundesverwaltungsgericht keinen Grund zur Beanstandung gab, BVerwG, Urteil vom 23. August 2007 – 7 C 13.06 –, juris (Rn. 5). Unter Hinweis auf eine „unmittelbar gegen die Bundesrepublik Deutschland“ gerichtete Feststellungsklage ähnlich BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 – 1 BvR 541/02 –, juris (Rn. 50); ferner BVerfG, Beschlüsse vom 18. August 2000 – 1 BvR 1329/00 –, juris (Rn. 12); und vom 25. Februar 2004 – 1 BvR 2016/01 –, juris (Rn. 53).
54Zweifel daran begründet zumindest im Falle der Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit einer Norm auch nicht etwa der Umstand, dass in derartigen Fällen eine fachgerichtliche Prüfung günstigstenfalls dazu führen kann, dass die nachteilige gesetzliche Regelung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird. Eine solche Prüfung ist nämlich regelmäßig geboten, um zu vermeiden, dass das Bundesverfassungsgericht ohne die Fallanschauung der Fachgerichte auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage entscheiden muss. Ein zulässiger Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht zur Klärung der verfassungsrechtlichen Fragen setzt voraus, dass das vorlegende Gericht die Anwendbarkeit und Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Norm sorgfältig geprüft hat. Es muss dabei auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen und unter Umständen auch eine verfassungskonforme Auslegung in Betracht ziehen.
55Siehe BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 1 BvR 1014/13 –, juris (Rn. 10).
56Die Feststellungsklage ist auch sonst zulässig.
57Insbesondere hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse an einer alsbaldigen Feststellung, nicht zur Speicherung der in § 113b TKG genannten Telekommunikationsverkehrsdaten verpflichtet zu sein. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Klägerin vorliegend (zumindest auch) eine vorbeugende Feststellungsklage erhoben hat. Eine solche ist dadurch gekennzeichnet, dass eine belastende staatliche Maßnahme bevorsteht, welche – wie hier – durch eine verwaltungsgerichtliche Feststellung, die Behörde sei dazu nicht berechtigt, abgewehrt werden soll.
58Dazu etwa Sodan, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 4. Aufl. 2014, § 43, Rn. 104.
59Obschon die Klägerin vorliegend nicht lediglich die Feststellung begehrt, dass die Bundesnetzagentur nicht berechtigt ist, Maßnahmen auf der Grundlage des § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG zu ergreifen, sondern vielmehr festgestellt wissen will, dass sie nicht verpflichtet ist, gemäß § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG Telekommunikationsverkehrsdaten zu speichern, sind diese Voraussetzungen hier gegeben. Denn dem Begehren der Klägerin ist zumindest auch immanent, dass sie Maßnahmen der Bundesnetzagentur gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG vorbeugend abgewehrt wissen will.
60Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz ist vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltenteilung und des im Ausgangspunkt reaktiv konzipierten Gebots eines effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG zwar grundsätzlich nicht vorbeugend ausgestaltet. Ein Abweichen von dieser Grundentscheidung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der nachträgliche Rechtsschutz mit unzumutbaren Nachteilen für den Betroffenen verbunden wäre. Danach ist für eine hier erhobene vorbeugende Feststellungsklage ein qualifiziertes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzbedürfnis notwendig. Dieses ist grundsätzlich zu verneinen, solange der Kläger in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung im Regelfall als angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden kann. Es ist in der Regel zumutbar, die Verwaltungsmaßnahme abzuwarten und anschließend Rechtsmittel gegen die Verwaltungsmaßnahme einzulegen. Ein qualifiziertes Rechtschutzbedürfnis ist hingegen zu bejahen, wenn ohne die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes die Gefahr bestünde, dass vollendete, nicht mehr rückgängig zu machende Tatsachen geschaffen würden oder wenn ein nicht mehr wiedergutzumachender Schaden entstünde. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
61Die Klägerin ist mit ihrem Rechtsschutzbegehren ausnahmsweise nicht darauf zu verweisen, den Erlass auf die Einhaltung der beanstandeten Speicherpflicht aus § 113a Abs. 1 i.V.m § 113b TKG gerichteter Anordnungen oder Maßnahmen der Bundesnetzagentur nach näherer Maßgabe von § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG abzuwarten. Denn eine vorsätzliche oder jedenfalls fahrlässige Nichterfüllung der Speicherpflicht aus § 113b TKG stellt zugleich gemäß § 149 Abs. 1 Nr. 36 TKG eine Ordnungswidrigkeit dar, die durch die Bundesnetzagentur nach § 149 Abs. 2 Nr. 1 TKG mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 500.000 Euro geahndet werden kann. Die Klägerin unter diesen Umständen auf die Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes gegen Anordnungen oder Maßnahmen der Bundesnetzagentur beziehungsweise gegen einen etwaigen Bußgeldbescheid der Bundesnetzagentur zu verweisen bedeutete mithin, sie dem Risiko einer Ahndung auszusetzen. Der Verweis auf die Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes wäre daher mit unzumutbaren Nachteilen für die Klägerin verbunden.
62Siehe dazu auch OVG NW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 26).
63Der Klägerin fehlt auch nicht die Klagebefugnis. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung, die in § 43 VwGO nicht genannt wird, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber seit langem anerkannt ist, ist nur dann nicht erfüllt, wenn subjektive Rechte des Klägers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können.
64Siehe allgemein etwa BVerwG, Urteile vom 28. Februar 1997 – 1 C 29.95 –, juris; und vom 10. Oktober 2002 – 6 C 8.01 –, juris.
65Sie dient ebenso wie im Anwendungsbereich des § 42 Abs. 2 VwGO dazu, Popularklagen zu verhindern.
66Dazu allgemein nur BVerwG, Urteile vom 6. Februar 1986 – 5 C 40.84 –, juris; und vom 29. Juni 1995 – 2 C 32.94 –, juris.
67Dagegen ist es nicht ihr Sinn, ernsthaft streitige Fragen über das Bestehen eines subjektiven Rechts, von deren Beantwortung der Klageerfolg abhängen kann, bereits vorab im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu klären.
68Siehe etwa BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 – 9 C 6.02 –, juris.
69Ausgehend von diesen Maßstäben kann der Klägerin die erforderliche Klagebefugnis nicht abgesprochen werden, da eine Verletzung subjektiver Rechte nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
70Siehe eingehend zur Verletzung subjektiver Rechte in vorliegendem Zusammenhang OVG NW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 30 ff.).
71Auch der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO steht vorliegend der Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Feststellungsklage nicht entgegen. Dies ergibt sich bereits aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft ist, wenn die Feststellung begehrt wird, dass wegen Ungültigkeit oder Unanwendbarkeit einer Rechtsnorm kein Rechtsverhältnis zu dem anderen Beteiligten begründet ist.
72Siehe nochmals BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 1 BvR 1014/13 –, juris (Rn. 7 f.).
73Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin auf die Möglichkeit verwiesen werden könnte, eine Unterlassungsklage gegen Maßnahmen der Bundesnetzagentur nach näherer Maßgabe von § 115 Abs. 1 Satz 1 TKG zu erheben. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Vorschrift des § 43 Abs. 2 VwGO, der zufolge die Feststellung eines Rechtsverhältnisses nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können, ihrem Zweck entsprechend einschränkend auszulegen und anzuwenden. Wo eine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren nicht droht, steht § 43 Abs. 2 VwGO danach der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage sachgerecht und ihrem Rechtsschutzinteresse voll Rechnung tragend durch Feststellungsurteil geklärt werden, verbietet es sich, den Kläger auf eine Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verweisen, in deren Rahmen das Rechtsverhältnis, an dessen selbstständiger Feststellung er ein berechtigtes Interesse hat, einerseits nur Vorfrage wäre, andererseits die weiteren Elemente des geltend zu machenden Anspruchs nur untergeordnete Bedeutung hätten.
74Siehe (die vorangegangene Rechtsprechung) zusammenfassend nur BVerwG, Urteil vom 29. April 1997 – 1 C 2.95 –, juris (Rn. 25).
75So liegt es hier. Die Klägerin begehrt die Feststellung, nicht gemäß § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG verpflichtet zu sein, die in § 113b TKG aufgeführten Telekommunikationsverkehrsdaten zu speichern. Mit diesem Begehren kann die Klägerin nach dem Vorstehenden nicht auf eine Unterlassungsklage gegen Maßnahmen der Bundesnetzagentur nach näherer Maßgabe von § 115 TKG verwiesen werden.
76Die nach alledem zulässige Klage ist auch begründet.
77Eine (vorliegend erhobene negative) Feststellungsklage ist begründet, wenn das streitgegenständliche Rechtsverhältnis nicht besteht. Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin ist nicht gemäß § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG verpflichtet, die in § 113b TKG aufgeführten Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden zu speichern. Die in § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG angeordnete Speicherpflicht verstößt gegen Unionsrecht und ist demzufolge nach allgemeinen Grundsätzen im Falle der Klägerin unanwendbar.
78Nach der Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen zur Reichweite und zu den materiell-rechtlichen Anforderungen des im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Unionsrechts durch den Europäischen Gerichtshof,
79EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15, C-698/15 –, juris,
80steht fest, dass die in § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG geregelte Pflicht zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation – Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation – (ABl. L 201, S. 37) zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. L 337 S. 11) im Lichte der Grundrechte aus Art. 7, 8 und 11 sowie Art. 52 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta unvereinbar ist.
81Der Europäische Gerichtshof hat ausgeführt, dass eine nationale Rechtsvorschrift, die den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste vorschreibt, Verkehrs- und Standortdaten auf Vorrat für die Zwecke der Strafverfolgung bzw. der Gefahrenabwehr zu speichern, in den Geltungsbereich von Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG fällt, weil damit zwangsläufig eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Betreiber elektronischer Kommunikationsdienste verbunden ist.
82EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15, C-698/15 –, juris (Rn. 72 f.).
83In der Sache steht Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG nach dem Europäischen Gerichtshof überdies einer nationalen Regelung entgegen, die für Zwecke der Bekämpfung von Straftaten eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung sämtlicher Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer und registrierten Nutzer in Bezug auf alle elektronischen Kommunikationsmittel vorsieht.
84EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15, C-698/15 –, juris (Rn. 82 ff.); zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes etwa Frenz, DVBl. 2017, 183 ff.; Priebe, EuZW 2017, 136 ff.; Roßnagel, NJW 2017, 696 ff.
85Das Gericht sieht sich an diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes – zumindest faktisch – gebunden.
86Zur faktischen Bindungswirkung der Verwaltungsgerichte an Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes im Falle so genannter Auslegungsurteile Middeke, in: Rengeling/Middeke/Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2003, § 10, Rn. 89.
87Ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erweist sich auch die in § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG geregelte Pflicht zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten als unionsrechtswidrig.
88Abgesehen davon, dass nach Art. 267 Abs. 3 AEUV im vorliegenden Verfahren keine dahingehende Pflicht besteht, sieht das Gericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Vorlagepflicht nationaler Gerichte – zusammenfassend dazu nur Callies, Staatsrecht III, 2014, 3. Teil, D, Rn. 51 – vorliegend keine Veranlassung, ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 2 AEUV anzustrengen.
89Dies folgt zumindest daraus, dass (auch) die Speicherpflicht nach § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG keinen Zusammenhang zwischen den auf Vorrat zu speichernden Daten und dem durch das Gesetz verfolgten Zweck der Bekämpfung schwerer Straftaten beziehungsweise der Abwehr schwerwiegender Gefahren für die öffentliche Sicherheit verlangt, sondern unterschiedslos ohne ausreichende Begrenzung nahezu sämtliche Nutzer der von § 113b TKG erfassten Telekommunikationsmittel erfasst.
90Ausführlich dazu OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 31 ff.).
91Insoweit lässt sich nicht einwenden, § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG zeichne sich gerade dadurch aus, dass Beschränkungen im Hinblick auf den Schutz der gespeicherten Daten und den Zugang zu diesen bestehen. Denn der namentlich vom Bundesverfassungsgericht,
92BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 – 1 BvR 256, 263, 586/08 –, juris,
93im Rahmen der verfassungsrechtlichen Würdigung der Vorgängervorschriften des § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG in den Vordergrund gerückte,
94zur Frage, ob sich bereits aus der vormaligen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 und C-594/12 –, juris) ableiten ließ, dass eine allgemeine Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung als solche nicht zwingend über das absolut Notwendige hinausgeht, sofern mit ihr bestimmte Garantien hinsichtlich des Zugangs zu den Daten, der Dauer der Vorratsspeicherung und des Schutzes und der Sicherheit der Daten einhergehen, Spieker gen. Döhmann, JZ 2014, 1109 (1112); Wolff, DÖV 2014, 608 (610); Durner, DVBl. 2014, 712 (714); Simitis, NJW 2014, 2158 (2160); ferner etwa Boehm/Andrees, CR 2016, 146 (149 ff.),
95Aspekt einer Beschränkung der Zugriffsmöglichkeit der Sicherheitsbehörden auf die gespeicherten Daten findet in der nunmehrigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ersichtlich keinen Niederschlag.
96Dazu, dass einem kompensatorischen Ansatz im vorstehenden Sinne durch den Europäischen Gerichtshof eine Absage dadurch erteilt wurde, dass in dessen Rechtsprechung allgemein und verbindlich dargelegt wurde, welche materiell-rechtlichen Anforderungen sich aus Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG für die Zulässigkeit einer nationalen Regelungen zur Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ergeben, auch OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 62 ff.).
97Dies zeigt sich in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Dezember 2016 zuvörderst darin, dass der Europäische Gerichtshof die zweite ihm seinerzeit vorgelegte Frage, ob Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Schutz und die Sicherheit der Verkehrs- und Standortdaten, insbesondere den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den auf Vorrat gespeicherten Daten, zum Gegenstand hat, ohne diesen Zugang ausschließlich auf die Zwecke einer Bekämpfung schwerer Straftaten zu beschränken, ohne ihn einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsbehörde zu unterwerfen und ohne das Erfordernis vorzusehen, dass die betreffenden Daten im Gebiet der Union auf Vorrat zu speichern sind, entgegen dem vorlegenden Kammarrätt i Stockholm (Oberverwaltungsgericht Stockholm) als unabhängig von der Frage angesehen hat, ob eine Vorratsspeicherung von Daten im vorstehenden Sinne allgemein oder gezielt erfolgt.
98EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 –, juirs (Rn. 113). Siehe zu den aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu ziehenden Schlussfolgerungen für die Vorschriften des § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG auch Roßnagel, NJW 2017, 696 (698), unter Hinweis auf weitere Unvereinbarkeiten der Regelungen des § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG mit den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entwickelten Vorgaben; ferner Rößner, K&R 2017, 560 (561 f.); in diese Richtung wohl auch Priebe, EuZW 2017, 136 (139) unter Hinweis auf die Konstruktion des Europäischen Gerichtshofes eines doppelten Eingriffs in Rechte der Betroffenen durch die Erhebung von und den Zugang zu Daten; ähnlich ferner Derksen, NVwZ 2017, 1005 (1006 ff.), der es allerdings einer (weiteren) Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vorbehalten will, über die Unionsrechtskonformität des § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG zu entscheiden; zurückhaltend hingegen Frenz, DVBl. 2017, 183 (184).
99Da das vorlegende Kammarrätt i Stockholm (Oberverwaltungsgericht Stockholm) mit seiner zweiten Frage wissen wollte, ob nationale Regelungen betreffend die Vorratsdatenspeicherung unter bestimmten Voraussetzungen insbesondere hinsichtlich der Erhebung der betreffenden Daten zulässig sein können, obschon eine generelle Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Verkehrsdaten besteht, die sich auf alle Personen und alle elektronischen Kommunikationsmittel sowie auf sämtliche Verkehrsdaten erstreckt, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des Ziels der Bekämpfung von Straftaten vorzusehen,
100siehe EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 –, juris (Rn. 51),
101folgt daraus, dass der Europäische Gerichtshof zwischen der Speicherung von und dem Zugang zu Telekommunikationsverkehrsdaten kategorial unterscheidet. Mithin sind zum einen jedenfalls unionsrechtliche Anforderungen hinsichtlich der Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten auch dann zu wahren, wenn deren Speicherung den maßgeblichen unionsrechtlichen Vorgaben genügt. Zum anderen kann aber zugleich dem Umstand, dass nationale Regelungen betreffend die Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten unionsrechtlich nicht zu beanstanden sind, hinsichtlich der Frage nach der unionsrechtlichen Zulässigkeit ihrer Speicherung keine Bedeutung zukommen. Denn einen in der zweiten Vorlagefrage immanenten kompensatorischen Ansatz lässt der Europäische Gerichtshof gänzlich außer Acht.
102Zweifel an der Unionsrechtswidrigkeit des § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG ergeben sich auch nicht etwa daraus, dass die nationalen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung gerade nicht die Speicherung sämtlicher Telekommunikationsverkehrsdaten in Bezug auf alle elektronischen Kommunikationsmittel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erfordern, da bestimmte Telekommunikationsverkehrsdaten sowie im Einzelnen benannte Personengruppen von der Speicherpflicht ausgenommen sind und zudem nur bestimmte Telekommunikationsunternehmen zur Datenspeicherung verpflichtet werden. In Anbetracht der durch den Europäischen Gerichtshof dargelegten Anforderungen an die Zulässigkeit nationaler Vorschriften betreffend die Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten,
103EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 –, juris (Rn. 108 ff.),
104fallen diese Unterschiede nicht dergestalt ins Gewicht, dass anzunehmen ist, dass für eine Beurteilung der hier in Rede stehenden Regelungen in § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG gänzlich andere unionsrechtliche Anforderungen aufzustellen wären.
105Denn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lagen nationale Regelungen zugrunde, die zur Vorratsspeicherung derjenigen Daten verpflichteten, für die dies in der Richtlinie 2006/24/EG vorgesehen war.
106EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 –, juris (Rn. 17, 97).
107Dabei handelte es sich ausweislich Art. 5 der Richtlinie 2006/24/EG um Daten betreffend das Telefonfestnetz und den Mobilfunk sowie betreffend den Internetzugang, die Internet-E-Mail und die Internet-Telefonie. Die Vorschriften der Richtlinie 2006/24/EG qualifizierte der Europäische Gerichtshof selbst indes als solche, die sich generell auf alle Personen und alle elektronischen Kommunikationsmittel sowie auf sämtliche Verkehrsdaten erstrecken.
108EuGH, Urteil vom 8. April 2014 – C-293/12 –, juris (Rn. 57).
109Ausgehend davon kann schon nicht angenommen werden, dass der Umstand, dass § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG hinsichtlich des Umfangs der Vorratsdatenspeicherung nicht der Richtlinie 2006/24/EG entspricht, einen derart wesentlichen Gesichtspunkt darstellt, der im Hinblick auf die vom Europäischen Gerichtshof festgestellte Unionsrechtswidrigkeit einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung ein abweichendes Ergebnis zulässt.
110Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber bewusst hinter den Vorgaben aus Art. 3 i.V.m. Art. 5 der Richtlinie 2006/24/EG und der deren Umsetzung dienenden Vorgängerregelung des § 113a TKG in der Fassung von Art. 2 Nr. 6 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) zurückgeblieben ist, um den seinerzeit erkennbaren verfassungs- und unionsrechtlichen Maßstäben zu genügen, OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 79).
111Zwar ging auch der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des betreffenden Gesetzentwurfs davon aus, nicht nur die Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten entsprechend den unions- und verfassungsrechtlichen Vorgaben normiert, sondern auch hinsichtlich der Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten die Eingriffsintensität deutlich reduziert zu haben.
112BT-Drs. 18/5088, S. 2, 23 f.
113Indes hat der Europäische Gerichtshof darauf rekurriert, dass eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung sämtlicher Verkehrs- und Standortdaten aller Teilnehmer und registrierten Nutzer in Bezug auf alle elektronischen Kommunikationsmittel sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben derjenigen Personen zulasse, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, etwa auf Gewohnheiten des täglichen Lebens, ständige oder vorübergehende Aufenthaltsorte, tägliche oder in anderem Rhythmus erfolgende Ortsveränderungen, ausgeübte Tätigkeiten, soziale Beziehungen dieser Personen und das soziale Umfeld, in dem sie verkehren. Ermöglicht werde – so der Europäische Gerichtshof weiter – mithin die Erstellung des Profils der betroffenen Personen, das im Hinblick auf das Recht auf Achtung der Privatsphäre eine genauso sensible Information darstellt wie der Inhalt der Kommunikationen selbst.
114EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 –, juris (Rn. 98 f.).
115Ausgehend davon kann nicht angenommen werden, dass entsprechende Gefahren nicht auch dann drohen, wenn – wie nach § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG – bestimmte Telekommunikationsverkehrsdaten sowie im Einzelnen benannte Personengruppen von der Speicherpflicht ausgenommen sind und zudem nur bestimmte Telekommunikationsunternehmen zur Datenspeicherung verpflichtet werden.
116Darüber hinaus lässt sich aus den vorstehend genannten Unterschieden auch ganz grundsätzlich nicht ableiten, dass es sich bei den nationalen Regelungen des § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG nicht um eine im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes anlasslose Vorratsdatenspeicherung handelt, die auf durchgreifende unionsrechtliche Bedenken stößt. Denn der Europäische Gerichtshof hat ausdrücklich Anforderungen an eine zulässige Vorratsdatenspeicherung formuliert, denen § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG auch in Ansehung dieser Unterschiede nicht genügt.
117Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 untersagt es nach dem Europäischen Gerichtshof einem Mitgliedstaat nicht, eine Regelung zu erlassen, die zur Bekämpfung schwerer Straftaten vorbeugend die gezielte Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ermöglicht, sofern die Vorratsdatenspeicherung hinsichtlich der Kategorien der zu speichernden Daten, der erfassten elektronischen Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Dauer der Vorratsspeicherung auf das absolut Notwendige beschränkt ist. Eine solche Regelung müsse indes – so der Europäische Gerichtshof weiter – klare und präzise Regeln über die Tragweite und die Anwendung einer solchen Maßnahme der Vorratsdatenspeicherung vorsehen und Mindesterfordernisse aufstellen, so dass die Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, über ausreichende Garantien verfügen, die einen wirksamen Schutz ihrer personenbezogenen Daten vor Missbrauchsrisiken ermöglichen. Sie müsse insbesondere angeben, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme der Vorratsdatenspeicherung vorbeugend getroffen werden darf, um so zu gewährleisten, dass eine derartige Maßnahme auf das absolut Notwendige beschränkt wird. Ferner könnten sich die materiellen Voraussetzungen, die eine nationale Regelung, die im Rahmen der Bekämpfung von Straftaten vorbeugend die Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten ermöglicht, erfüllen muss, um zu gewährleisten, dass sie auf das absolut Notwendige beschränkt wird, zwar je nach den zur Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten getroffenen Maßnahmen unterscheiden, doch müsse die Vorratsspeicherung der Daten stets objektiven Kriterien genügen, die einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden Daten und dem verfolgten Ziel herstellen. Diese Voraussetzungen müssten auch in der Praxis geeignet sein, den Umfang der Maßnahme und infolgedessen die betroffenen Personenkreise wirksam zu begrenzen. Bei der Begrenzung einer solchen Maßnahme im Hinblick auf die potenziell betroffenen Personenkreise und Situationen müsse sich die nationale Regelung auf objektive Anknüpfungspunkte stützen, die es ermöglichen, Personenkreise zu erfassen, deren Daten geeignet sind, einen zumindest mittelbaren Zusammenhang mit schweren Straftaten sichtbar zu machen, auf irgendeine Weise zur Bekämpfung schwerer Kriminalität beizutragen oder eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu verhindern. Eine solche Begrenzung lasse sich durch ein geografisches Kriterium gewährleisten, wenn die zuständigen nationalen Behörden aufgrund objektiver Anhaltspunkte annehmen, dass in einem oder mehreren geografischen Gebieten ein erhöhtes Risiko besteht, dass solche Taten vorbereitet oder begangen werden.
118EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 –, juris (Rn. 107 ff.).
119Angesichts dessen, dass der Europäische Gerichtshof sowohl formelle als auch materielle Anforderungen benennt, vermag die Tatsache, dass § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG nicht die Speicherung sämtlicher Telekommunikationsverkehrsdaten in Bezug auf alle elektronischen Kommunikationsmittel erfordert und zudem nur bestimmte Telekommunikationsunternehmen zur Datenspeicherung verpflichtet, allenfalls den formellen Anforderungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu genügen, für sich genommen nach dem Vorstehenden aber nicht die Feststellung zu rechtfertigen, es handele sich nicht um eine im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes anlasslose und demzufolge unionsrechtswidrige Vorratsdatenspeicherung. Denn nach dem Europäischen Gerichtshof muss die Vorratsdatenspeicherung hinsichtlich der Kategorien der zu speichernden Daten, der erfassten elektronischen Kommunikationsmittel, der betroffenen Personen und der vorgesehenen Dauer der Vorratsspeicherung auf das absolut Notwendige beschränkt sein.
120EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 –, juris (Rn. 108).
121Dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes eine nationale Regelung betreffend die Vorratsdatenspeicherung gerade in jeder Hinsicht auf das absolut Notwendige beschränkt sein muss, schließt es aus, dass dem Umstand, dass bestimmte Telekommunikationsverkehrsdaten sowie im Einzelnen benannte Personengruppen von der Speicherpflicht ausgenommen sind und zudem nur bestimmte Telekommunikationsunternehmen zur Datenspeicherung verpflichtet werden, maßgebliche Bedeutung im Hinblick auf das Verdikt der Unionsrechtswidrigkeit einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung beizumessen ist.
122Nach dem Europäischen Gerichtshof überschreitet eine nationale Regelung, die keinen Zusammenhang zwischen den Daten, deren Vorratsspeicherung vorgesehen ist, und einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit verlangt und sich insbesondere weder auf die Daten eines Zeitraums und/oder eines geografischen Gebiets und/oder eines Personenkreises beschränkt, der in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt sein könnte, noch auf Personen, deren auf Vorrat gespeicherte Daten aus anderen Gründen zur Bekämpfung von Straftaten beitragen könnten, die Grenzen des absolut Notwendigen und kann nicht als in einer demokratischen Gesellschaft gerechtfertigt angesehen werden, wie es Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 verlangt. Da § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG diesen vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Vorgaben nicht Rechnung trägt, erweisen sich diese Regelungen unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes als unionsrechtswidrig.
123Die Klägerin wird durch die in § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG angeordnete Speicherpflicht auch in ihren Rechten verletzt.
124Eine Feststellungsklage im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO ist nur begründet, wenn der Kläger auch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Die Verletzung eines subjektiven Rechts ist – wie gezeigt – im Regelfall bei der Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses mitzuprüfen. Wenn allerdings (wie vorliegend) ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO auf der Grundlage einer zwischen den Beteiligten des betreffenden Rechtsverhältnisses bestehenden Pflicht gründet, bedarf es der (zusätzlichen) Prüfung einer subjektiven Rechtsverletzung analog § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
125Allgemein dazu Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 9. Aufl. 2014, § 29, Rn. 4.
126Was die Verletzung der Klägerin in ihren subjektiven Rechten angeht, ist vorliegend überdies zu berücksichtigen, dass es sich bei § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG um „self-executing“ Normen handelt, die sich – wie gezeigt – als unionsrechtswidrig erweisen. Während im Regelfall eines exekutiven Einzelakts bei Unionsrechtswidrigkeit der diesbezüglichen Ermächtigungsgrundlage unter Zugrundelegung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßgaben, wonach grundrechtlich geschützte Interessen nur durch Normen eingeschränkt werden können, die ihrerseits formell und materiell mit der Verfassung übereinstimmen, eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG anzunehmen wäre,
127siehe dazu auch Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2013, Art. 2, Rn. 59,
128gilt dies im Falle unionsrechtswidriger „self-executing“ Normen nicht. Zwar ist der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so zu verstehen, dass nur ein in jeder Hinsicht verfassungsgemäßes Gesetz Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit rechtfertigen kann. Dies schließt indes nicht die Möglichkeit der Geltendmachung der Unionsrechtswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung ein. Die Klägerin kann folglich nicht geltend machen, sie werde bereits durch die Unionsrechtswidrigkeit der in § 113a Abs. 1 i.V.m § 113b TKG normierten Speicherpflicht namentlich in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt.
129Die Möglichkeit der Rüge der Unionsrechtswidrigkeit im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG dezidiert verneinend Hillgruber, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG, Bd. I, 2002, Art. 2 I, Rn. 192 ff.; dazu, dass die Unionsrechtswidrigkeit einer Norm eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG implizieren kann, wohl Di Fabio, in: Maunz/Dürig (Begr.), Art. 2 (2001), Rn. 43; ebenso wohl Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 2, Rn. 21.
130Das Bundesverfassungsgericht hat anfänglich zwar lediglich betont, dass die Rüge, durch die Unvereinbarkeit eines Gesetzes mit europäischem Gemeinschaftsrecht im Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt zu sein, im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde nicht zu prüfen sei. Das Bundesverfassungsgericht sei zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar ist und ob ihr deshalb die Geltung versagt werden muss, nicht zuständig; eine Entscheidung über diese Normenkollision sei der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen Gerichte überlassen.
131BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990 – 2 BvL 12/88 –, juris (Rn. 134).
132Inzwischen betont das Bundesverfassungsgericht allerdings, dass ausgehend von der Prämisse, dass dem Unionsrecht nur ein Anwendungs-, aber kein Geltungsvorrang vor nationalem Recht zukommt, ein Verstoß gegen Unionsrecht nach nationalem Recht weder ohne weiteres einen Verstoß gegen das Grundgesetz nach sich zieht, noch dieser Verstoß zur Nichtigkeit einer nationalen Regelung führt. Genügt die nationale Regelung den innerstaatlichen Rechtsvorschriften, bleibt sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vielmehr ein grundrechtliche Schutzbereiche wirksam beschränkendes Gesetz – und zwar auch dann, wenn sie gegen Unionsrecht verstößt.
133BVerfG, Beschlüsse vom 4. November 2015 – 2 BvR 282/13, 2 BvQ 56/12 –, juris (Rn. 19); vom 31. März 2016 – 2 BvR 929/14 –, juris (Rn. 23); und vom 2. Februar 2017 – 2 BvR 787/16 –, juris (Rn. 30).
134Die Klägerin kann sich jedoch auf eine Verletzung in ihrem Recht aus Art. 16 EU-Grundrechtecharta berufen.
135Eingehend – allerdings ohne nähere Befassung mit der Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta – dazu bereits OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 85 ff.).
136Die EU-Grundrechtecharta findet hier Anwendung. Zwar findet nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,
137ausführlich dazu in vorliegendem Zusammenhang Starke, DVBl. 2017, 721 ff.,
138die EU-Grundrechtecharta nur dann Anwendung, wenn Vorschriften des nationalen Rechts durch Unionsrecht determiniert sind. Nur dann liege – so das Bundesverfassungsgericht – ein Fall der Durchführung des Rechts der Europäischen Union vor, der allein die Bindung der Mitgliedstaaten an die Grundrechtecharta gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta rechtfertige.
139Zuletzt nur BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 –, juris (Rn. 88); darauf in vorliegendem Zusammenhang bezugnehmend auch Wollenschläger/Krönke, NJW 2016, 906 ff.
140Im Einzelnen hat das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Determiniertheit verneint, wenn es keine unionsrechtliche Bestimmung gibt, die die Bundesrepublik Deutschland zu den in Rede stehenden gesetzlichen Regelungen verpflichtet, sie an deren Erlass hindert oder ihr diesbezüglich inhaltliche Vorgaben macht.
141BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 –, juris (Rn. 90).
142Für eine Bindung der Mitgliedstaaten durch die in der EU-Grundrechtecharta niedergelegten Grundrechte der Europäischen Union reichten – so das Bundesverfassungsgericht – mithin nicht jeder sachliche Bezug einer Regelung zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrechts oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses aus.
143BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 –, juris (Rn. 91).
144Ob eine solche Determiniertheit im vorliegenden Fall bereits deswegen anzunehmen ist, weil nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die durch § 113a Abs. 1 TKG i.V.m. § 113b TKG angeordnete Verpflichtung zur Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten an Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG zu messen ist,
145dies verneinend Wollenschläger/Krönke, NJW 2016, 906 (907), dazu auch Derksen, NVwZ 2017, 1005 (1005); siehe aber auch Boehm/Andrees, CR 2016, 146 (147 f.); die Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta dezidiert bejahend von Danwitz, DuD 2015, 581 (583); ferner Bäcker, Jura 2014, 1263 (1272); siehe auch Roßnagel, MMR 2014, 372 (376); Boehm/Cole, MMR 2014, 569 (570); Priebe, EuZW 2014, 456 (458); ausführlich dazu Schiedermair/Mrozek, DÖV 2016, 89 (91 ff.),
146bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
147Denn die EU-Grundrechtecharta findet nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes im Allgemeinen in unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung. Insoweit hat der Europäische Gerichtshof grundlegend festgestellt, dass er eine nationale Rechtsvorschrift nicht im Hinblick auf die EU-Grundrechtecharta beurteilen kann, wenn sie nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt. Sobald dagegen eine solche Vorschrift in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, habe – so der Europäische Gerichtshof – der im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens angerufene Europäische Gerichtshof dem vorlegenden Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die es benötigt, um die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den Grundrechten beurteilen zu können, deren Wahrung er sichert.
148EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – C-617/10 –, juris (Rn. 19). Relativierend demgegenüber etwa EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – C-198/13 –, juris (Rn. 35), wonach die Grundrechte der Union im Verhältnis zu einer nationalen Regelung unanwendbar sind, wenn die unionsrechtlichen Vorschriften in dem betreffenden Sachbereich keine bestimmten Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den im Ausgangsverfahren fraglichen Sachverhalt schaffen. Siehe ferner EuGH, Urteil vom 6. März 2014 – C-206/13 –, juris, wonach der Begriff der „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 EU-Grundrechtecharta einen hinreichenden Zusammenhang von einem gewissen Grad verlangt, der darüber hinausgeht, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann; um festzustellen, ob eine nationale Regelung die Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 EU-Grundrechtecharta betrifft, ist – so der Europäische Gerichtshof – u. a. zu prüfen, ob mit ihr eine Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, welchen Charakter diese Regelung hat und ob mit ihr nicht andere als die unter das Unionsrecht fallenden Ziele verfolgt werden, selbst wenn sie das Unionsrecht mittelbar beeinflussen kann, sowie ferner, ob es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für diesen Bereich spezifisch ist oder ihn beeinflussen kann. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in vorliegendem Zusammenhang nur Wollenschläger/Krönke, NJW 2016, 906 (906). Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus, dass der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes keine Lesart unterlegt werden dürfe, nach der diese offensichtlich als Ultra-vires-Akt zu beurteilen wäre oder Schutz und Durchsetzung der mitgliedstaatlichen Grundrechte in einer Weise gefährdete, dass dies die Identität der durch das Grundgesetz errichteten Verfassungsordnung in Frage stellte. Insofern dürfe die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht in einer Weise verstanden und angewendet werden, nach der für eine Bindung der Mitgliedstaaten durch die in der EU-Grundrechtecharta niedergelegten Grundrechte der Europäischen Union jeder sachliche Bezug einer Regelung zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrecht oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses ausreiche, siehe BVerfG, Urteil vom 24. April 2013 – 1 BvR 1215/07 –, juris (Rn. 91).
149Des Weiteren ist nach dem Europäischen Gerichtshof dann, wenn ein Mitgliedstaat sich auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses beruft, um eine Regelung zu rechtfertigen, die geeignet ist, die Ausübung der europäischen Grundfreiheiten zu behindern, diese im Unionsrecht vorgesehene Rechtfertigung im Lichte der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts und insbesondere der durch die EU-Grundrechtecharta garantierten Grundrechte auszulegen. Erweist sich demnach eine nationale Regelung als geeignet, die Ausübung einer oder mehrerer europäischer Grundfreiheiten zu beschränken, können nach dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes die im Unionsrecht vorgesehenen diesbezüglichen Ausnahmen somit für die betreffende Regelung nur insoweit als Rechtfertigung herangezogen werden, als den Grundrechten der EU-Grundrechtecharta Genüge getan wird. Nimmt ein Mitgliedstaat im Unionsrecht vorgesehene Ausnahmen in Anspruch, um eine Beschränkung einer oder mehrerer europäischer Grundfreiheiten zu rechtfertigen, muss dies – so der Europäische Gerichtshof – daher als „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta angesehen werden.
150Dazu zuletzt EuGH, Urteil vom 30. April 2014 – C-390/12 –, juris (Rn. 35 f.); dazu in vorliegendem Zusammenhang auch Boehm/Andrees, CR 2016, 146 (148); Schiedermair/Mrozek, DÖV 2016, 89 (94 f.).
151Ausgehend von den vorstehenden Maßgaben stellt sich die Speicherpflicht nach § 113a Abs. 1 i.V.m § 113b TKG zunächst als Beschränkung der europäischen Grundfreiheiten dar.
152Siehe dazu auch Wollenschläger/Krönke, NJW 2016, 906 (908); dies offenlassend BVerfG, Beschlüsse vom 28. September 2017 – 1 BvR 847/16 –; – 1 BvR 1560/16 –.
153Dies folgt schon daraus, dass mit der insoweit bestehenden Verpflichtung der Speicherung der in § 113b TKG aufgeführten Telekommunikationsverkehrsdaten gerade im Inland ersichtlich eine Einschränkung hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit der Art. 56 ff. AEUV einhergeht, da es Telekommunikationsunternehmen aus anderen Mitgliedstaaten unmöglich gemacht wird, etwaige bereits vorhandene Speichereinrichtungen zu nutzen. Eine Einschränkung ergibt sich des Weiteren im Hinblick auf die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Datenspeicherung.
154Siehe dazu auch BT-Drs. 18/5088, S. 37; ferner Schiedermair/Mrozek, DÖV 2016, 89 (94).
155Bereits aus diesem Grund führt – unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes – die insoweit bestehende Verpflichtung zur Beachtung der Grundrechte der EU-Grundrechtecharta dazu, im vorliegenden Fall eine „Durchführung des Rechts der Union“ im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta anzunehmen.
156Siehe auch Starke, DVBl. 2017, 721 (729); kritisch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Schiedermair/Mrozek, DÖV 2016, 89 (94); kritisch zur Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta in vorliegendem Zusammenhang insoweit Wollenschläger/Krönke, NJW 2016, 906 (908) mit dem Hinweis, die Pflicht zur Speicherung der Verkehrsdaten im Inland könne keine umfassende Bindung an die Unionsgrundrechte im Kontext der Verkehrsdatenspeicherung begründen, obgleich hierin eine Beschränkung der Marktfreiheiten liege; zwar griffen die Unionsgrundrechte auch nach Inkrafttreten der EU-Grundrechtecharta mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bei einer Beschränkung der Marktfreiheiten, allerdings verbiete es sich auf Grund der unionsrechtlich vorgezeichneten beschränkten Bindung der Mitgliedstaaten an EU-Grundrechte, aus einer den EU-Grundrechtsschutz aktivierenden punktuellen Beschränkung eine umfassende Grundrechtsbindung für einen Gesamtkomplex herzuleiten. Allgemein zum Ganzen etwa nur Ladenburger/Vondung, in: Stern/Sachs (Hrsg.), EU-Grundrechtecharta, 2. Aufl. 2016, Art. 51, Rn. 47.
157Demgegenüber kann die Anwendbarkeit der EU-Grundrechtecharta nicht unmittelbar aus Art. 15 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 2002/58/EG hergeleitet werden, die bestimmt, dass alle nach dieser Vorschrift ergriffenen Maßnahmen den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts einschließlich der in Art. 6 Abs. 1 und 2 EUV niedergelegten Grundsätze entsprechen müssen, zu denen neben den so genannten allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts auch die Grundrechte der EU-Grundrechtecharta gehören. Als Sekundärrecht kann diese Regelung nämlich den im Rang des Primärrechts stehenden Art. 51 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundrechtecharta weder einschränken noch erweitern.
158Ausführlich dazu Wollenschläger/Krönke, NJW 2016, 906 (908); dazu ferner Schiedermair/Mrozek, DÖV 2016, 89 (92); siehe aber auch Roßnagel, NJW 2016533 (538 f.); Boehm/Andrees, CR 2016, 146 (147); Bäcker, Jura 2014, 1263 (1272). Auch der Europäische Gerichtshof hat ausgeführt, dass zwar „nach Art. 15 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 2002/58 ‚[a]lle in [Art. 15 Abs. 1 dieser Richtlinie] genannten Maßnahmen […] den allgemeinen Grundsätzen des [Unions]rechts einschließlich de[r] in Artikel 6 Absätze 1 und 2 [EUV] niedergelegten Grundsätze[...] entsprechen‘ [müssen], zu denen die allgemeinen Grundsätze und die Grundrechte gehören, die nunmehr durch die Charta gewährleistet werden“; daraus hat der Europäische Gerichtshof indes (nur) den Schluss gezogen, dass Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 „somit im Licht der von der Charta garantierten Grundrechte ausgelegt werden“ muss, siehe EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 –, juris (Rn. 91).
159Die Klägerin wird durch die ihr auferlegte Speicherpflicht auch in ihrer durch Art. 16 EU-Grundrechtecharta garantierten unternehmerischen Freiheit verletzt.
160Gemäß Art. 16 EU-Grundrechtecharta wird die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt. Der durch Art. 16 EU-Grundrechtecharta gewährte Schutz umfasst die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb.
161Siehe etwa EuGH, Urteil vom 22. Januar 2013 – C-283/11 –, juris (Rn. 42). Ferner EuGH, Urteile vom 27. März 2014 – C-314/12 –, juris (Rn. 49); und vom 30. Juni 2016 – C-134/15 –, juris (Rn. 26 f.).
162Art. 52 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta lässt Einschränkungen der Ausübung der Rechte und Freiheiten – wie der unternehmerischen Freiheit – zu, sofern diese Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Europäischen Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
163EuGH, Urteil vom 22. Januar 2013 – C-283/11 –, juris (Rn. 48).
164Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gilt danach (auch) die unternehmerische Freiheit nicht schrankenlos. Sie kann einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können.
165Dazu nur EuGH, Urteil vom 22. Januar 2013 – C-283/11 –, juris (Rn. 45 f.).
166Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt insoweit, dass die maßgeblichen Handlungen nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei zu beachten ist, dass dann, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen.
167Siehe etwa EuGH, Urteile vom 8. Juli 2010 – C-343/09 –, juris (Rn. 45); vom 23. Oktober 2012 – C-581/10 und C-629/10 – juris (Rn. 71); und vom 22. Januar 2013 – C-283/11 –, juris (Rn. 50).
168Das Erfordernis, dass jede Einschränkung der Ausübung der Grundrechte gesetzlich vorgesehen sein muss,
169keine Bedeutung ist insoweit vorliegend dem Umstand beizumessen, dass es sich bei § 113a Abs. 1 i.V.m § 113b TKG um eine „self-executing“ Norm handelt; siehe dazu aber auch Ladenburger/Vondung, in: Stern/Sachs (Hrsg.), EU-Grundrechtecharta, 2. Aufl. 2016, Art. 52, Rn. 32 mit dem Hinweis, relevant sei der Rechtsnormvorbehalt nur, wenn der Eingriff nicht bereits selbst durch eine abstrakt-generelle Regelung bewirkt wird,
170bedeutet ferner, dass die gesetzliche Grundlage für den Eingriff in die Grundrechte den Umfang der Einschränkung der Ausübung des betreffenden Rechts selbst festlegen muss.
171Zuletzt dazu etwa EuGH, Gutachten vom 26. Juli 2017 – 1/15 –, juris (Rn. 141).
172In der Speicherpflicht gemäß § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG liegt angesichts des damit verbundenen technischen und finanziellen Aufwandes ein Eingriff in die durch Art. 16 EU-Grundrechtecharta garantierte unternehmerische Freiheit der Klägerin, der nach dem Vorstehenden nur dann unionsrechtlich gerechtfertigt ist, wenn er nach Maßgabe von Art. 52 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta gesetzlich vorgesehen ist, den Wesensgehalt dieses Rechts achtet und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt.
173Siehe dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 125).
174§ 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG erfüllt indes bereits nicht die Anforderung, dass der Eingriff in die durch Art. 16 EU-Grundrechtecharta garantierte unternehmerische Freiheit der Klägerin gesetzlich vorgesehen ist. Dies folgt daraus, dass eine Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen dann ausgeschlossen ist, wenn die betreffende Maßnahme gegen sonstiges Unionsrecht verstößt.
175Siehe dazu EuGH, Urteil vom 30. April 2014 – C-390/12 –, juris (Rn. 59) mit dem Hinweis, dass eine nicht gerechtfertigte oder im Hinblick auf den in Art. 56 AEUV verankerten freien Dienstleistungsverkehr unverhältnismäßige Einschränkung auch nicht nach Art. 52 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta in Bezug auf deren Art. 15 bis 17 zulässig ist; dies allgemein aufgreifend Jarass, EU-Grundrechtecharta, 3. Aufl. 2016, Art. 52, Rn. 22.
176Da vorliegend § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG – wie gezeigt – gegen Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG verstößt, kommt eine Rechtfertigung des mit der darin normierten Speicherpflicht einhergehenden Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 16 EU-Grundrechtecharta gemäß Art. 52 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta nicht in Betracht. Denn bereits aus dem Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts, wonach wegen der Eigenständigkeit des Unionsrechts keine wie auch immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein Charakter als Unionsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Union selbst in Frage gestellt werden soll,
177grundlegend EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964 – 6/64 –, juris; siehe zum auch vom Bundesverfassungsgericht (auf anderer Grundlage) anerkannten Anwendungsvorrang des Unionsrechts grundlegend ferner BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 2 BvR 197/83 –, juris; Urteil vom 12. Oktober 1993 – 2 BvR 2134/92 –, juris,
178folgt, dass § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG unangewendet bleiben muss, mit der Folge, dass der in der darin geregelten Speicherpflicht zu sehende Eingriff in das Grundrecht aus Art. 16 EU-Grundrechtecharta nicht im Sinne des Art. 52 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta gesetzlich vorgesehen ist.
179Der Europäische Gerichtshof hat namentlich mit Blick auf die Vorratsdatenspeicherung gerade auch im Anwendungsbereich des Art. 52 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta ausdrücklich ausgeführt, dass eine nationale Regelung an Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58 zu messen ist, siehe EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2016 – C-203/15 und C-698/15 –, juris (Rn. 94 ff.); dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass eine grundrechtsrelevante Einschränkung dann nicht mehr gesetzlich vorgesehen im Sinne des Art. 52 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta ist, wenn eine nationale Regelung gegen Unionsrecht verstößt.
180Des Weiteren ist das Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage in Art. 52 Abs. 1 EU-Grundrechtecharta im Lichte der zu seiner Auslegung heranzuziehenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu den Schrankenvorbehalten der Art. 8 bis 11 EMRK, auszulegen.
181Darauf bezugnehmend OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 127 ff.); allgemein dazu ferner Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Auflage 2014, Art. 52, Rn. 20. Auch der Europäische Gerichtshof hat unter ausdrücklicher Inbezugnahme der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ausgeführt, dass die Anforderung, dass jede Einschränkung der Ausübung eines Rechts gesetzlich vorgesehen sein muss, bedeutet, dass die gesetzliche Grundlage hinreichend klar und genau sein muss und dass sie dadurch, dass sie selbst den Umfang der Einschränkung der Ausübung eines Rechts festlegt, einen gewissen Schutz gegen etwaige willkürliche Eingriffe bietet, siehe EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 – C-419/14 –, juris (Rn. 81).
182(Auch) nach dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist eine grundrechtsbeschränkende Maßnahme nur dann gesetzlich vorgesehen, wenn sie ihrerseits mit dem einschlägigen höherrangigen oder vorrangig anwendbaren Recht übereinstimmt.
183Zusammenfassend etwa Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Auflage 2011, Art. 8, Rn. 101; ferner Pätzold, in: Karpenstein/Mayer (Hrsg.), EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 8, Rn. 91; in vorliegendem Zusammenhang OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 129 f.).
184Der in der Speicherpflicht sowie dem damit einhergehenden technischen und finanziellen Aufwand liegende Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Klägerin ist auch aus diesem Grund nicht durch die Regelungen des § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG als dem Grunde nach gerechtfertigt anzusehen, weil es insoweit an einer mit Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2002/58/EG zu vereinbarenden gesetzlichen Grundlage fehlt.
185Siehe dazu OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 13 B 238/17 –, juris (Rn. 131).
186Die Klägerin ist daher in ihrem Recht aus Art. 16 EU-Grundrechtecharta verletzt.
187Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Pflicht zur Speicherpflicht von Telekommunikationsverkehrsdaten ihrer Kunden auch die Erbringer von Telekommunikationsdienstleistungen in der Ausübung ihrer Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigt.
188Siehe dazu wohl Boehm/Andrees, CR 2016, 146 (148); Schiedermair/Mrozek, DÖV 2016, 89 (94).
189Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
190Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.
191Die Berufung wird nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Die hier entscheidungserhebliche Frage der Unionsrechtswidrigkeit des § 113a Abs. 1 i.V.m. § 113b TKG ist allgemein klärungsbedürftig. Da es sich hierbei um eine Rechtsfrage handelt, die Bundesrecht und damit nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO revisibeles Recht betrifft, lässt die Kammer zugleich die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) zu, § 134 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.