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1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten es hinsichtlich der Anträge zu 1 – 7 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
2. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen, wie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.2017 – 3 C 19/15 - in den Leitungsvermerken und behördeninternen Mailwechseln des Bundesministeriums für Gesundheit, die nach Erlass des Urteils bis zum Zeitpunkt des Gutachtenauftrags durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an Herrn Professor Dr. Dr. G. am 08.06.2017 verfasst wurden und sich mit der Bewertung des Urteils und den sich daraus ggf. zu ziehenden Konsequenzen befassen, bewertet wurde und welche Konsequenzen in den genannten Dokumenten erörtert wurden.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
21. Soweit die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich der Anträge zu 1.-7. übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Die Kostenentscheidung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO, über die im Rahmen einer einheitlichen Kostenentscheidung für das Verfahren zu entscheiden ist, ergibt sich hinsichtlich des erledigten Teils aus der Kostenübernahmeerklärung der Antragsgegnerin.
32. Der sinngemäße Antrag zu 8. des Antragstellers,
4der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, dem Antragsteller Auskunft darüber zu erteilen, wie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.2017 – 3 C 19/15 - in den Leitungsvermerken und behördeninternen Mailwechseln des Bundesministeriums für Gesundheit, die nach Erlass des Urteils bis zum Zeitpunkt des Gutachtenauftrags durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an Herrn Professor Dr. Dr. G. am 08.06.2017 verfasst wurden und sich mit der Bewertung des Urteils und den sich daraus ggf. zu ziehenden Konsequenzen befassen, bewertet wurde und welche Konsequenzen in den genannten Dokumenten erörtert wurden,
5hat Erfolg.
6Der Antrag war entsprechend § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller nur Auskunft über die behördeninternen Vermerke und E-Mails begehrt, die bis zum Zeitpunkt des Gutachtenauftrags am 08.06.2017 an Herrn Professor Dr. Dr. G. verfasst wurden. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Schriftsatz des Antragstellers vom 07.06.2018.
7Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind sowohl die tatsächlichen Voraussetzungen des zugrunde liegenden materiellen Anspruchs (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Geht es wie hier nicht um eine nur vorläufige Maßnahme, sondern um eine endgültige Entscheidung, die die Hauptsache vorwegnimmt, ist dies im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO ausnahmsweise gerechtfertigt, wenn der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist und das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen.
8Hiervon ausgehend hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
9Der Anspruch des Antragstellers folgt aus dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Hiernach können Pressevertreter in geeigneter Form behördliche Auskünfte verlangen, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen nicht entgegenstehen.
10Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 -, juris Rn. 16, m.w.N.
11Nach ihrem Sinn und Zweck können sich presserechtliche Auskunftsansprüche grundsätzlich nur auf die Beantwortung konkreter Fragen beziehen. Wesentlich für ein Auskunftsbegehren ist die Benennung eines konkreten Sachkomplexes, hinsichtlich dessen bestimmte Informationen gewünscht werden. Die Auskunftserteilung ist mithin auf die Beantwortung bestimmter Fragen ausgerichtet.
12- OVG NRW Beschluss vom 29.09.2017 – 15 B 778/17 m.w.N. -.
13In welcher Form die Behörde die Frage beantwortet, liegt in ihrem Ermessen. Allerdings muss die Form der Auskunft pressegeeignet und sachgerecht sein.
14Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 2013 - 5 A 413/11 -.
15Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gewährleistet das Grundrecht der Pressefreiheit grundsätzlich nicht eine Aktennutzung durch Einsichtnahme in Behördenakten oder einer Kopie von Behördenakten.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2013 - 6 A 5.13 -, juris Rn. 24; siehe dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 17. März 2017 - 15 B 1112/15 -, juris Rn. 65.
17Lediglich ausnahmsweise mag allein die Zurverfügungstellung von Akten o.ä. die allein ermessensgerechte Form der behördlichen Beantwortung des Ersuchens sein.
18Vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 19. September 2013 - 1 L 219/13 -, juris Rn. 25; Burkhardt, in: Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 LPG Rn. 87.
19Hiervon ausgehend liegt in dem Gesuch des Antragstellers entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch der Sache nach kein Antrag auf Akteneinsicht. Alleine der Umstand, dass der Antragsteller eine detaillierte Auskunftserteilung begehrt, bedeutet nicht, dass das Begehren auf eine umfassende Einsicht in die betreffenden Dokumente gerichtet ist. Vielmehr hat der Antragsteller hinreichend konkret deutlich gemacht, dass es ihm um die Bewertung des arzneimittelrechtlichen Urteils zum Erwerb eines Betäubungsmittels zum Zweck der Selbsttötung und die daraus zu ziehenden Konsequenzen, d.h. die Beauftragung eines externen Rechtsgutachtens, geht. Dass die begehrte Auskunft nicht mittels einer – ausführlichen - Zusammenfassung der entsprechenden Schriftstücke erteilt werden kann, ist nicht erkennbar, zumal es dem Antragsteller nur um die interne Bewertung im Bundesministerium für Gesundheit und nicht zusätzlich noch im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geht.
20Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Im Rahmen der Abwägung kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Entscheidend ist vielmehr, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den presserechtlichen Auskunftsanspruch ausschließen.
21Der Inhalt des presserechtlichen Auskunftsanspruchs wird maßgeblich durch die Funktionen bestimmt, die die Presse in der freiheitlichen Demokratie erfüllt. Ihr kommt neben einer Informations- insbesondere eine Kontrollfunktion zu. Die effektive funktionsgemäße Betätigung der Presse setzt voraus, dass ihre Vertreter in hinreichendem Maß von staatlichen Stellen Auskunft über Angelegenheiten erhalten, die nach ihrem Dafürhalten von öffentlichem Interesse sind. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse hat diesen Funktionen Rechnung zu tragen. Dies ist gewährleistet, wenn er in seinem materiell-rechtlichen Gehalt nicht hinter dem Inhalt derjenigen presserechtlichen Auskunftsansprüche zurückbleibt, die die Landesgesetzgeber im Wesentlichen inhaltsgleich, auf eine Abwägung zielend und den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genügend in den Landespressegesetzen normiert haben. Der auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG beruhende Auskunftsanspruch fordert dementsprechend hier eine Abwägung im Einzelfall.
22Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 - 6 C 65.14 -, juris Rn. 16, m.w.N.
23Als dem presserechtlichen Auskunftsanspruch entgegenstehendes schutzwürdiges öffentliches Interesse kommt hier der regierungsinterne Beratungs- und Meinungsbildungsprozess in Betracht.
24Vgl. zum Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung auch OVG NRW, Urteil vom 02.06.2015 – 15 A 2062/12 - zu § 3 Nr. 3 b) IFG.
25Dies steht vorliegend dem Informationsinteresse der Presse jedoch nicht entgegen. Das Vertraulichkeitsinteresse fällt vorliegend weniger ins Gewicht, da der vom Auskunftsbegehren des Antragstellers umfasste interne Beratungsprozess mit dem Gutachtenauftrag bereits abgeschlossen ist. Zu berücksichtigen ist auch, dass es hier nicht um den Kernbereich exekutiver Aufgabenerfüllung geht. Vielmehr betreffen die Vorgänge die besondere Fallkonstellation, dass ein Ministerium als Teil der Exekutive zur Bewertung eines letztinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Urteils – eines Akts der Judikative – ein Gutachten einholt, welches sich u.a. mit den verfassungsrechtlichen Auswirkungen dieses Urteils befasst. Das Interesse an dem regierungsinternen Beratungsprozess muss daher im vorliegenden Fall hinter dem Auskunftsrecht der Presse zurücktreten.
26Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. In Fällen presserechtlicher Auskunftsansprüche darf an das Vorliegen eines schweren, die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Nachteils kein zu strenger Maßstab angelegt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung.
27Vgl. BVerfG, Beschluss vom 08. September 2014 ‑ 1 BvR 23/14‑, Rn. 25 f.; BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2017 ‑BVerwG 6 VR 1.17 ‑. Rn. 13; OVG NRW, Beschluss vom 17. März 2017 – 15 B 1112/15 –, Rn. 34.
28Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Das betreffende Gutachten „Erwerbserlaubnis letal wirkender Mittel zur Selbsttötung in existentiellen Notlagen“ wurde am 15.01.2018 auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlicht
29Vgl. https://www.bfarm.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/pm1-2018.html
30und war Gegenstand der Presseberichterstattung.
31Vgl. die vom Antragsteller als Anlagen zur Antragsschrift vorgelegten Presseberichte.
32Die öffentliche Diskussion zum Erwerb von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung dauert an.
33Vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten vom 11.05.2018, BT-Drs. 19/2090.
34Die Kostenentscheidung hinsichtlich des nicht erledigten Teils beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO.
35Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus §§ 52 Absatz 2, 53 Absatz 3 Nr. 1 GKG, wobei die Kammer im Hinblick auf die vom Antragsteller begehrte endgültige Vorwegnahme der Hauptsache den vollen Auffangstreitwert angesetzt hat.
36Rechtsmittelbelehrung
37Gegen Ziffer 2 dieses Beschlusses kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.
38Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
39Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, eingeht.
40Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.
41Die Beteiligten müssen sich bei der Einlegung und der Begründung der Beschwerde durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
42Gegen Ziffer 4 dieses Beschlusses kann innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, Beschwerde eingelegt werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
43Die Beschwerde ist schriftlich, zur Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen.
44Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
45Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.