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1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob die
im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.12.2014 auf § 1 Abs. 1 und 2, § 2 Abs. 1, §§ 37, 39, 40 ÜBesG NRW in der bis zum 30.06.2016 geltenden Fassung i.V.m. Anlage III, IV (Tabelle West) und V (Tabelle West) in der Fassung durch das Gesetz zur Anpassung des Familienzuschlags für dritte und weitere Kinder vom 20.12.2007 (GV.NRW S. 750), das Gesetz zur Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge 2008 im Land Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2007 (GV.NRW S. 750), das Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2009/2010 im Land Nordrhein-Westfalen vom 10.11.2009 (GV.NRW, S. 570), das Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2011/2012 im Land Nordrhein-Westfalen vom 05.04.2011 (GV.NRW, S. 202), das Gesetz zur Anpassung der Dienst- und Versorgungsbezüge 2013/2014 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen vom 16.07.2013 (GV.NRW S. 486) sowie das Gesetz zur Änderung des Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2013/2014 Nordrhein-Westfalen vom 11.11.2014 (GV.NRW S. 734)
beruhende Alimentation des Klägers im Jahr 2014 mit Art. 33 Abs. 5 GG in seiner ab dem 01.09.2006 geltenden Fassung insoweit unvereinbar ist, dass der Gesetzgeber es unterlassen hat, die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile bei Richter_innen der Besoldungsgruppe R2 mit vier Kindern in einer am Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation entsprechenden Höhe festzusetzen.
2. Die Sache wird vertagt.
Gründe
2I.
3Der Kläger begehrt die Zahlung höherer familienbezogener Besoldungsbestandteile für sein drittes und viertes Kind für das Jahr 2014.
4Er steht als Richter am Finanzgericht im Dienst des beklagten Landes. Er ist Vater von vier Kindern, die am 22.07.1991, 09.08.1993, 25.09.1996 und 25.07.1998 geboren wurden und für die er im streitgegenständlichen Jahr 2014 Anspruch auf Familienzuschlag hatte.
5Mit Schreiben vom 11.02.2014 beantragte der Kläger beim Landesamt für Besoldung und Versorgung (im Folgenden: LBV) eine Erhöhung des kinderbezogenen Anteils im Familienzuschlag ab dem dritten Kind für das Jahr 2014 um mindestens 25,- Euro netto. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müsse die Besoldung den durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes um mindestens 15% übersteigen. Diese Berechnungsgröße sei durch die Verwaltungsgerichte für die Jahre bis 2006 fortgeschrieben worden und betreffe daher auch den aktuellen Zeitraum, in dem der Bedarf nach dem SGB II und XII zu ermitteln sei. Auf die in der Vergangenheit erhobenen Klagen hin habe der nordrhein-westfälische Gesetzgeber eine verfassungskonforme Rechtslage dadurch hergestellt, dass er die Familienzuschläge ab dem dritten Kind um jeweils 50 Euro erhöht habe. Damit sei der Mehrbedarf für eine Übergangszeit gedeckt gewesen. Spätestens seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sei der durchschnittliche sozialhilferechtliche Gesamtbedarf eines Kindes erheblich gestiegen. Es seien insbesondere diverse Sachleistungen zu berücksichtigen und zum Zwecke des Vergleichs in Geld umzurechnen. Er könne nicht erkennen, dass der ihm gezahlte monatliche Nettomehrbetrag für sein drittes und viertes Kind seit dem 01.01.2014 115% des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs für die beiden Kinder noch abdecke. Der Familienzuschlag sei jeweils um den gleichen Prozentsatz gestiegen wie der Familienzuschlag für das erste und zweite Kind. Er gehe deshalb im Wege der Schätzung davon aus, dass der ihm zustehende Mehrbetrag für das dritte und vierte Kind sich auf jeweils mindestens 25 Euro monatlich netto belaufe. Der Dienstherr habe die notwendigen Berechnungen des einzustellenden Nettogehalts sowie des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs vorzunehmen und in allen Einzelheiten offenzulegen.
6Das LBV lehnte den Antrag mit Bescheid vom 24.02.2014 ab. Die Familienzuschläge für dritte und weitere Kinder seien unter Berücksichtigung der Grundsätze des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. – ab dem 01.07.2007 pauschal um 50,- Euro pro Monat auf 280,58 Euro angehoben worden. Der angehobene Familienzuschlag werde seitdem fortlaufend gewährt und habe sich durch Bezügeanpassungen zum 01.08.2008 auf 288,72 Euro, zum 01.03.2009 auf 297,38, zum 01.10.2010 auf 300,95 Euro, zum 01.04.2011 auf 305,46 Euro, zum 01.01.2012 auf 311,26 Euro, zum 01.01.2013 auf 319,51 Euro und zum 01.01.2014 auf 328,94 Euro erhöht. Gemäß des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts bemesse sich eine ausreichende Alimentierung für kinderreiche Beamt_innen nach dem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes. Hinzukommen müsse ein Aufschlag von 15%, um den verfassungsrechtlich gebotenen Unterschied zwischen dem äußersten Mindestbedarf einer Sozialhilfe und dem einem Beamten bzw. einer Beamtin geschuldeten Unterhalt hinreichend deutlich zu machen. Hierzu habe das Bundesverfassungsgericht ein Berechnungsschema für die Ermittlung des zutreffenden Betrages vorgegeben, wobei Pauschalierungen ausdrücklich zugelassen worden seien. Durch die in Nordrhein-Westfalen vorgenommene Pauschalierung werde auch im Vergleich zu einer Spitzabrechnung die amtsangemessene Alimentation von Beamt_innen mit mehr als zwei Kindern in der weit überwiegenden Anzahl der Fälle sichergestellt. Lediglich in den obersten Besoldungsgruppen könne sich betragsmäßig eine geringfügige Abweichung ergeben.
7Der Kläger legte gegen den Ablehnungsbescheid mit Schreiben vom 04.03.2014 Widerspruch ein. In den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts würden tatsächlich an mehreren Stellen Pauschalierungen vorgenommen. Die Gerichte hätten aber nirgends eine Pauschalierung in dem Sinne zugelassen, dass es ausreiche, wenn die amtsangemessene Alimentation von Beamt_innen mit mehr als zwei Kindern nur in der „weit überwiegenden Anzahl der Fälle“ sichergestellt sei. Deshalb sei es nicht hinzunehmen, wenn in den oberen Besoldungsgruppen die 115%-Grenze unterschritten werde. Es handele sich um eine absolute Grenze im Sinne einer Mindestbesoldung.
8Der Kläger hat am 10.11.2014 Klage erhoben.
9Das LBV hat den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.2015 zurückgewiesen. Die Familienzuschläge ab dem dritten Kind für das Jahr 2014 erfüllten bereits die verfassungsgerichtlichen Vorgaben. Die Summe aus kinderbezogenen Besoldungsbestandteilen (derzeit 869,- Euro), Kindergeld sowie steuerlichen Entlastungen sei im Jahr 2014 so bemessen, dass der Nettoabstand von Kind zu Kind ab dem dritten unterhaltsberechtigten Kind im Durchschnitt den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Wert von 115% des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs für ein Kind erreiche. Da der Gesetzgeber nicht zuletzt aus Gründen der Praktikabilität pauschaliert berechnete Familienzuschläge festsetze, könnten sich im Einzelfall geringfügige Schwankungen ergeben. Diese Schwankungen führten jedoch nicht dazu, dass der Kläger auf die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse ganz oder teilweise verzichten müsse.
10Der Kläger ist der Ansicht, dass die aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. – folgenden Vorgaben für den Landesgesetzgeber im Jahr 2014 nicht (mehr) umgesetzt würden. Deswegen sei die in dem Beschluss enthaltene Vollstreckungsanordnung (wieder) wirksam, wonach die Fachgerichte befugt seien, Mehrbeträge unmittelbar zuzusprechen.
11Der Kläger hat zunächst lediglich die Verurteilung des beklagten Landes zur Zahlung höherer Familienzuschläge für sein drittes und viertes Kind begehrt. In der mündlichen Verhandlung hat er – nach einem entsprechenden gerichtlichen Hinweis – seine Klage um einen hilfsweisen Feststellungsantrag erweitert.
12Der Kläger beantragt nunmehr,
13den Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 24.02.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.01.2015 aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilen, die Familienzuschläge für sein drittes Kind und viertes Kind für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.12.2014 abweichend von den jeweiligen Besoldungsmitteilungen zu ermitteln und hierbei höhere Familienzuschläge nach Maßgabe der Grundsätze im Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.11.1998 zu berechnen, die ihm zustehenden Bezüge nachzuzahlen
14sowie
15diese Bezüge für die Zeit ab Klagezustellung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen,
16hilfsweise
17festzustellen, dass die familienbezogenen Besoldungsbestandteile seiner Besoldung im Kalenderjahr 2014 hinsichtlich seines dritten und vierten Kindes verfassungswidrig zu niedrig bemessen gewesen sind und den Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen vom 24.02.2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 06.01.2015 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
18Das beklagte Land beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Es bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
21Die Aussetzung des Verfahrens, dessen Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sowie die Vertagung sind mit den ehrenamtlichen Richtern im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 03.05.2017 beraten und sodann beschlossen worden.
22Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes Bezug genommen.
23II.
24Das Verfahren wird ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 BVerfGG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Alimentation des Klägers im Jahr 2014 in Bezug auf die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile bei Richterinnen und Richtern der Besoldungsgruppe R2 mit vier Kindern mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar ist. Auf diese Frage kommt es im Sinne von Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG für die Entscheidung der Kammer über die Klage des Klägers teilweise an (1.). Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass die Alimentation des Klägers im Jahr 2014 in Bezug auf die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile bei Richterinnen und Richtern mit vier Kindern mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar ist (2.).
251. Für die Entscheidung über die Klage ist die verfassungsrechtliche Beurteilung des Vorlagegegenstandes entscheidungserheblich. Verstoßen die besoldungsrechtlichen Regelungen gegen Art. 33 Abs. 5 GG und sind deshalb ungültig, ist der Klage teilweise stattzugeben. Anderenfalls ist die Klage insgesamt abzuweisen.
26Der Entscheidung sind die zuletzt gestellten Anträge des Klägers zugrunde zu legen. Soweit in der Erweiterung der Klage um den zusätzlichen hilfsweisen Feststellungsantrag eine Klageänderung zu sehen ist, ist diese jedenfalls sachdienlich (§ 91 Abs. 1 VwGO), weil der Streitstoff auch für die geänderte Klage im Wesentlichen derselbe ist und die Klageerweiterung die endgültige Beilegung des Streites fördert.
27a) Die Klage ist, soweit sie auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von höheren Familienzuschlägen für das dritte und vierte Kind nach Maßgabe der Grundsätze im Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.11.1998 (2 BvL 26/91 u.a.) gerichtet ist, mangels Klagebefugnis unzulässig.
28aa) Aufgrund des besoldungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers können Beamtinnen und Beamten auch dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit ihrer Alimentation in Frage steht, keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Vielmehr sind sie darauf verwiesen, ihren Alimentationsanspruch dadurch geltend zu machen, dass sie Klagen auf Feststellung erheben, ihr Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen. Teilt das Verwaltungsgericht diese Beurteilung, so muss es nach Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Besoldungsgesetzes einholen, das die Dienstbezüge festlegt. Demnach wird den Beamtinnen und Beamten im Erfolgsfall zugemutet abzuwarten, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen hat. Aufgrund der Bindung des Gesetzgebers an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) ist dieser Weg trotz des damit verbundenen Zuwartens auf ein Tätigwerden des Gesetzgebers mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar. Lediglich in wirtschaftlichen Notlagen – für deren Vorliegen hier nichts ersichtlich ist – kommen möglicherweise unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht vorläufige Zahlungen in Betracht.
29BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 – 2 C 49/07 –, juris, Rn. 29 m.w.N.
30bb) Ein Anspruch auf Zahlung eines höheren als des gesetzlich festgelegten Familienzuschlags ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24.11.1998 (2 BvL 26/91 u.a.), weil diese Anordnung für das hier streitgegenständliche Jahr 2014 bereits erledigt war.
31Das Bundesverfassungsgericht hat in der zitierten Entscheidung festgestellt, dass die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile bei Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richtern mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern bezogen auf verschiedene Kalenderjahre und Besoldungsgruppen nicht dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation entsprachen. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht den Besoldungsgesetzgeber verpflichtet, die beanstandete Rechtslage bis zum 31.12.1999 mit der Verfassung in Übereinstimmung zu bringen. Für den Fall, dass der Gesetzgeber dieser Verpflichtung nicht nachkomme, gelte mit Wirkung vom 01.01.2000, dass Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfänger für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115% des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes, der entsprechend der Vorgaben des Gerichts zu berechnen sei, habe.
32Die Entscheidungsformel zu 2. der genannten Entscheidung begründet auf der Grundlage einer sog. Vollstreckungsanordnung (§ 35 BVerfGG) Leistungsansprüche jenseits gesetzgeberischer Maßnahmen, sofern der Gesetzgeber den zuvor ausgesprochenen legislatorischen Verpflichtungen nicht nachkommt. Die Vollstreckungsanordnung ist damit grundsätzlich unmittelbar anspruchsbegründend.
33Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 – 2 C 34/02 –, juris, Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 26 ff.; dass., Urteil vom 15.01.2007 – 1 A 3433/05 –, juris, Rn. 34 ff.
34Der Dienstherr war daraus verpflichtet, Beamtinnen und Beamten und Richterinnen und Richtern für ihr drittes und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115% des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes zu zahlen. Ob und in welcher Höhe ein Besoldungsdefizit bestand, ergab sich nach Maßgabe der Entscheidungsgründe zu C.III.3. aus einem Vergleich von 115% des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes mit dem monatlichen Mehrbetrag des pauschalierend und typisierend ermittelten Nettoeinkommens, den Beamtinnen und Beamte und Richterinnen und Richter der jeweiligen Besoldungsgruppe mit drei bzw. mehr Kindern gegenüber solchen mit zwei Kindern erzielten.
35Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris, Rn. 57; BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 – 2 C 34/02 –, juris, Rn. 31 ff.
36Dementsprechend waren Fachgerichte auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts befugt, eine den dortigen Vorgaben nicht genügende, nämlich mit Blick auf das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind zu niedrige Besoldung festzustellen, die Differenz nach Maßgabe der Gründe des vorgenannten Beschlusses zu C.III.3. selbst zu berechnen und den Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfängern zusätzliche familienbezogene Gehaltsbestandteile unmittelbar zuzusprechen.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 – 2 C 34/02 –, juris, Rn. 18 ff.; OVG NRW, Urteil vom 06.10.2006 – 1 A 1927/05 –, juris, Rn. 31 ff.; dass., Urteil vom 15.01.2007 – 1 A 3433/05 –, juris, Rn. 34 ff.; dass., Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 31 ff.
38Diese Befugnis gilt indes nicht mehr für das hier streitgegenständliche Jahr 2014, weil die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts sich bis zu diesem Zeitpunkt allgemein erledigt hat. Eine solche Erledigung konnte entweder dadurch eintreten, dass der Gesetzgeber zwischenzeitlich aus eigener Kompetenz Maßstäbe bildet und Parameter festlegt, nach denen die Besoldung der kinderreichen Beamtinnen und Beamten (ausreichend) bemessen und der Bedarf eines dritten und jedes weiteren Kindes ermittelt wird,
39vgl. dazu, dass in diesem Fall das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts wieder den Vorrang gewinnt: BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 – 2 C 34/02 –, juris, Leitsatz und Rn. 26,
40oder aber dadurch, dass infolge einer Änderung der maßgeblichen Berechnungsgrundlagen die Berechnungsmethode des Bundesverfassungsgerichts nicht oder nicht mehr sinnvoll angewendet werden kann.
41Siehe etwa OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 37, 40.
42Jedenfalls Letzteres ist nunmehr der Fall.
43Es kann dahinstehen, ob eine den vorbezeichneten Anforderungen genügende Gesetzgebung im Zuge der in Nordrhein-Westfalen rückwirkend zum 01.01.2007 erfolgten deutlichen Anhebung des Kinderzuschlags ab dem dritten Kind durch das Gesetz zur Anpassung des Familienzuschlags für dritte und weitere Kinder vom 20.12.2007 (GV. NRW. S. 750) erfolgt ist.
44Ablehnend VG Münster, Urteil vom 13.04.2011 – 4 K 16/10 –, juris, Rn. 25. Die vorangegangene Gesetzgebung wurde von der Rechtsprechung ganz überwiegend als nicht ausreichend angesehen, vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 15.01.2007 – 1 A 3433/05 –, juris, Rn. 52 ff.; dass., Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 37 ff.; OVG Saarland, Urteil vom 23.03.2007 – 1 R 25/06 –, juris, Rn. 73 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.12.2007 – 1 L 137/06 –, juris, Rn. 30 f.
45Die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts ist jedenfalls in Ansehung zwischenzeitlicher Änderungen bei den Berechnungsgrundlagen gegenstandslos geworden, weil sie nicht mehr sinnvoll angewendet werden kann.
46Die Fachgerichte sind an die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 unter C.III.3. vorgegebene Berechnungsmethode strikt gebunden, wobei ihnen auch in Einzelheiten eine Abweichung von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts verwehrt ist.
47So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 – 2 C 34/02 –, juris, Rn. 30.
48Hieraus folgt zwar nicht, dass jede Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Art gleichsam automatisch die Befugnis der Fachgerichte entfallen lässt, allein auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erhöhte familienbezogene Besoldungsbestandteile zuzusprechen. Vielmehr sind diese gehalten, im Wege einer sachgerechten Umsetzung der – zukunftsgerichteten – Vollstreckungsanordnung die vom Bundesverfassungsgericht seinerzeit zugrunde gelegten Berechnungsparameter an in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht geänderte Verhältnisse anzupassen, wenn und soweit die in den Gründen zu C.III.3. vorgegebene Berechnungsmethode und die dieser zugrunde liegenden Maßstäbe als solche nicht der Modifizierung bedürfen, um auch weiterhin noch sinnvoll angewendet werden zu können. Jedenfalls solange eine solche Anpassung in einer sinn- und maßstabserhaltenden Weise ohne weiteres möglich ist, bleiben die Verwaltungsgerichte im Interesse einer effektiven Rechtsschutzgewährung befugt und verpflichtet, die Vollstreckungsanordnung anzuwenden. Erst wenn Letzteres nicht mehr der Fall ist, etwa infolge systemverändernder, der Berechnungsmethode des Bundesverfassungsgerichts die sie tragende Grundlage entziehender Neuregelungen, endet diese Befugnis mit der Folge einer etwaigen Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG.
49OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 43; ebenso Hess. VGH, Beschluss vom 28.08.2006 – 1 UZ 1270/06 –, juris, Rn. 13; OVG Saarland, Urteil vom 23.03.2007 – 1 R 25/06 –, juris, Rn. 118 ff.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.12.2007 – 1 L 137/06 –, juris, Rn. 34 ff.; VG Magdeburg, Urteil vom 16.05.2006 – 5 A 279/05 –, juris, Rn. 45.
50Gemessen hieran sind jedenfalls hinsichtlich der Bedarfsberechnung relevante, die Fortgeltung der Vollstreckungsanordnung berührende Änderungen rechtlicher Art erkennbar.
51Zwar steht der weiteren Anwendung der Vollstreckungsanordnung nicht entgegen, dass die Besoldung seit dem Jahr 2003 in Bund und Ländern unterschiedlich geregelt ist, nachdem der Bund mit dem BBVAnpG 2003/2004 (BGBl. I 2003 S. 1798) das Gesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1998 (BGBl. I S. 3642) und das Urlaubsgeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.05.2002 (BGBl. I S. 1780) aufgehoben und bestimmt hat, dass diese Gesetze (lediglich) bis zum Inkrafttreten bundes- oder landesgesetzlicher Regelungen zur Gewährung von jährlichen Sonderzahlungen weiter anzuwenden sind. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 24.11.1998, a.a.O., unter C.III.2. lediglich vorgegeben, dass hinsichtlich der erforderlichen Einkommensberechnung von den jährlichen Nettoeinkommen der Beamt_innen auszugehen ist. Dass diese Berechnung notwendigerweise eine bundeseinheitlich geregelte Besoldung der Beamtinnen und Beamten voraussetzt, ergibt sich aus der Entscheidung nicht. Soweit mittlerweile unterschiedliche Regelungen vorliegen, ist das anzusetzende Nettoeinkommen daher bei der in diesem Zusammenhang gebotenen realitätsnahen, wenn auch typisierenden Betrachtung aufgrund der für die jeweilige Beamtin oder den jeweiligen Beamten geltenden Vorschriften zu ermitteln. Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit den maßgeblichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
52Siehe OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 46 f. m.zahlr.w.N.
53Auf der Bedarfsseite wird die sinnvolle Umsetzung der Vollstreckungsanordnung ferner nicht dadurch beeinträchtigt, dass das Bundesverfassungsgericht bei der Berechnung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes hinsichtlich der Unterkunftskosten von dem im Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung abgedruckten Mietindex des Statistischen Bundesamtes ausgegangen ist, dieser Bericht aber seit dem Jahr 2004 infolge der Änderung des § 39 WoGG nicht mehr in einem zweijährigen, sondern nunmehr in einem vierjährigen Turnus erstellt wird. Dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998, a.a.O., kann nicht entnommen werden, dass der Wohngeld- und Mietenbericht jährlich oder alle zwei Jahre vorgelegt werden muss, um die Unterkunftskosten berechnen zu können. Im Gegenteil hat auch das Bundesverfassungsgericht die anzusetzende Durchschnittsmiete anhand des im Wohngeld- und Mietenbericht 1997 abgedruckten Mietindexes ausdrücklich „zurückgerechnet und fortgeschrieben“ (dort unter C.III.3.). Entsprechend lässt sich nach wie vor vorgehen, wobei hinsichtlich des vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Maßstabs ohne Belang ist, ob im Einzelfall – soweit erforderlich – eine Zurückrechnung oder eine Fortschreibung anhand des vom Statistischen Bundesamt ermittelten einschlägigen Mietindexes erfolgt.
54Siehe OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 52 f. m.zahlr.w.N.
55Schließlich ist eine Bedarfsmittlung nach Maßgabe der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts seit dem 01.01.2005 nicht deswegen ausgeschlossen, weil mit Ablauf des 31.12.2004 das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) – weitgehend – außer Kraft und an dessen Stelle das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – in Kraft getreten ist.
56Das Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes allein bedingt keine über die systemkonforme Anpassung einzelner Berechnungsparameter hinausgehende und damit nicht (mehr) in der Befugnis der Verwaltungsgerichte stehende Modifizierung der seitens des Bundesverfassungsgerichts vorgegebenen Berechnungsmethode.
57Allerdings war zur Ermittlung des Gesamtbedarfs eines Kindes ab dem 01.01.2005 nicht mehr – auch nicht im Wege der Fortschreibung – auf das Regelsatzsystem des § 22 BSHG zurückzugreifen. Die Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes sind – anders als vom Bundesverfassungsgericht zugrunde gelegt – mit dessen Außerkrafttreten nicht mehr Bestandteil der geltenden Rechtsordnung, die als solche die Bemessung des äußersten Mindestbedarfs eines Kindes ermöglichen und von daher zur Ermittlung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs herangezogen werden können.
58OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 55 ff.; im Ergebnis ebenso OVG Saarland, Urteil vom Urteil vom 23.03.2007 – 1 R 25/06 –, juris, Rn. 131; VG Münster, Urteil vom 13.04.2011 – 4 K 16/10 –, juris, Rn. 35; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 02.05.2007 – 1 K 249/06 –, juris, Rn. 43.
59Vielmehr ist ab dem Jahr 2005 als Berechnungsgrundlage auf das SGB XII als das nunmehr geltende Leistungsgesetz für die „Sozialhilfe“ (vgl. insoweit die Überschrift des Gesetzes) abzustellen.
60Nach Maßgabe der Gründe des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998, a.a.O., zu C.III.3. beurteilt sich die Frage, ob der Gesetzgeber mit den zur Prüfung stehenden Besoldungsregelungen eine ausreichende Alimentation von Beamtinnen und Beamten (oder Richterinnen und Richtern) mit mehr als zwei Kindern sichergestellt hat, auf der Basis des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes. Dazu war in einem ersten Rechenschritt ein Durchschnittsregelsatz nach § 22 BSHG für das alte Bundesgebiet zu bilden; hinzuzurechnen waren ein Zuschlag von 20% zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt, ferner Zuschläge für anteilige, auf ein Kind entfallende Unterkunfts- und Energiekosten. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dabei in dem gedanklichen Ausgangspunkt der vorgenommenen Maßstabsbildung erkennbar von der Erwägung leiten lassen, dass der Gesetzgeber sich bei der – primär ihm obliegenden – Bemessung des alimentativen Mehrbedarfs von Beamtinnen und Beamten bzw. Richterinnen und Richtern mit mehr als zwei Kindern an den sozialhilferechtlichen Regelsätzen für den Kindesunterhalt orientieren kann, weil die Rechtsordnung insoweit Bestimmungen zur Verfügung stellt, die am äußersten Mindestbedarf eines Kindes ausgerichtet sind. Zugleich hat es, weil die geschuldete amtsangemessene Alimentation qualitativ etwas anderes ist als staatliche Hilfe zur Erhaltung eines Mindestmaßes sozialer Sicherung und eines sozialen Standards für alle, einen Zuschlag von 15% auf den von ihm im einzelnen definierten sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf für erforderlich erachtet, um den von Verfassungs wegen gebotenen Unterschied zwischen der der Sozialhilfe allein obliegenden Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs und dem Beamtinnen und Beamten bzw. Richterinnen und Richtern und ihren Familien geschuldeten Unterhalt hinreichend deutlich werden zu lassen.
61Ausgehend hiervon standen mit den Bestimmungen des SGB XII zunächst – soweit hier von Interesse – auch nach Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes in der Rechtsordnung Regelungen zur Verfügung, die den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Maßstab in vergleichbarer Weise ausfüllen konnten. Der Leistungskatalog des SGB XII umfasste ebenso wie zuvor der des Bundessozialhilfegesetzes u.a. „Hilfe zum Lebensunterhalt“ (§§ 8 Nr. 1, 27 bis 40 SGB XII und §§ 1 Abs. 1, 11 bis 26 BSHG), die nach Regelsätzen erbracht wurde. Die vom Bundesverfassungsgericht als Ausgangspunkt der Bedarfsermittlung herangezogenen Regelsätze nach § 22 BSHG fanden sich demgemäß in § 28 SGB XII wieder. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB XII wurde der gesamte Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis 34 nach Regelsätzen erbracht, die von den Ländern unter Berücksichtigung von § 28 Abs. 3 und 4 SGB XII i.V.m. der Regelsatzverordnung vom 03.06.2004 (BGBl. I S. 1067) festgesetzt werden. Zwar hat das SGB XII damit die bisherige systematische Unterscheidung in laufende Leistungen und einmalige Beihilfen aufgegeben. Während nach dem Bundessozialhilfegesetz neben den nach Regelsätzen gewährten laufenden Leistungen und den Leistungen für Unterkunft und Heizung in erheblichem Umfang einmalige Beihilfen – etwa für die Beschaffung von Bekleidung und Hausrat, vgl. die nicht abschließende Aufzählung in § 21 Abs. 1a BSHG – vorgesehen waren, waren diese zunächst nahezu vollständig in die Regelsätze eingeflossen, die zum Ausgleich dementsprechend deutlich angehoben worden sind. Diese Neuordnung der Systematik der Bedarfe im Sozialhilferecht führte in dem hier interessierenden Zusammenhang, nämlich für die Frage, ob die Rechtsordnung nach wie vor (vergleichbare) Bestimmungen vorgibt, welche es dem Besoldungsgesetzgeber bzw. den Fachgerichten erlauben, in einem ersten Berechnungsschritt den äußersten Mindestbedarf eines Kindes zu ermitteln, zunächst nicht zu einem grundlegenden Systemwechsel. Die Berechnungsmethode des Bundesverfassungsgerichts als solche und der ihr zugrunde gelegte Maßstab blieben hiervon unberührt. Vielmehr bedurften allein die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Berechnungsparameter insoweit der Anpassung, als der dem gewichteten sozialhilferechtlichen Durchschnittsbedarf hinzuzurechnende Zuschlag von 20% zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt ab dem 01.01.2005 entfiel, da die Regelsätze mit Ausnahmen der Sonderbedarfe pauschal den gesamten notwendigen Lebensunterhalt abdeckten und somit bei Kindern regelmäßig zusätzlich nur noch Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung in Betracht kamen, die in der Summe aber kaum ins Gewicht fielen und mithin vernachlässigbar waren.
62OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 61 ff.; siehe auch OVG Saarland, Urteil vom 23.03.2007 – 1 R 25/06 –, juris, Rn. 135; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.12.2007 – 1 L 137/06 –, juris, Rn. 42.
63Allerdings lässt sich der vom Bundesverfassungsgericht mit der Vollstreckungsanordnung vorgegebene Maßstab seit dem Jahr 2011 nicht mehr in vergleichbarer Weise ausfüllen.
64Rückwirkend zum 01.01.2011 trat das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.11.2011 in Betracht. Damit kam der Gesetzgeber seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 – 1 BvL 1, 3 und 4/09 – nach, in dem u.a. festgestellt worden war, dass der Gesetzgeber bei der Ermittlung der Regelleistung von den Strukturprinzipien des selbst gewählten Statistikmodells ohne sachliche Rechtfertigung in verfassungswidriger Weise abgewichen sei sowie dass die Bemessung des Sozialgeldes für Kinder bis 14 Jahre mit 60% der Regelleistung für einen alleinstehenden Erwachsenen auf keiner vertretbaren Methode zur Bestimmung des Existenzminimums für Kinder beruhe. Trotz des besonderen kinder- und altersspezifischen Bedarfs – vor allem bei schulpflichtigen Kindern – habe es der Gesetzgeber versäumt, das Existenzminimum eines bei seinen Eltern lebenden minderjährigen Kindes zu ermitteln.
65Der Gesetzgeber hat daraufhin zwar – unter Neuberechnung und -bemessung des Regelbedarfs nach SGB XII – an dem System aus grundsätzlich bedarfsdeckenden pauschalierten laufenden Leistungen und den Leistungen für Unterkunft und Heizung festgehalten. Er hat dieses System allerdings – und dies ist im vorliegenden Zusammenhang insoweit allein relevant – speziell für Kinder und Jugendliche um einen wesentlichen Bedarf erweitert, nämlich die Leistungen für Bildung und Teilhabe (§ 34 SGB XII).
66Diese Leistungen gehören nach der Gesetzeskonzeption zum sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf (1). Sie können bei dessen Berechnung im hier interessierenden Zusammenhang auch nicht vernachlässigt werden, weil sie – zumindest teilweise – typische Bedarfspositionen abdecken und betragsmäßig durchaus ins Gewicht fallen (2). Weil die Vollstreckungsanordnung aber keine Vorgabe zum Umfang einer Berücksichtigung dieser Positionen bzw. deren betragsmäßiger Bezifferung enthält, lässt sich die Vollstreckungsanordnung nicht mehr sinnvoll anwenden (3).
67(1) Nach der rückwirkend zum 01.01.2011 in Kraft getretenen Reform des SGB XII sind die Leistungen für Bildung und Teilhabe nach § 34 SGB XII grundsätzlich Teil des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs von Kindern und Jugendlichen.
68Siehe auch BVerfG, Urteil vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 u.a. –, juris, Rn. 130 („Teil des existenzsichernden Bedarfs“).
69Davon ging ausweislich der Gesetzesbegründung,
70BR-Drucks. 661/10, S. 76,
71auch der Gesetzgeber aus. Dort heißt es:
72„Der gesetzliche Leistungsanspruch ist so ausgestaltet, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt. Es wird an dem bewährten System der typisierenden Betrachtung des Regelbedarfs festgehalten. Er sichert typisierend zusammen mit den Leistungen für Unterkunft und Heizung, den Mehrbedarfen und für Kinder und Jugendliche mit den Leistungen für Bildung und Teilhabe, den Lebensunterhalt.“
73Dementsprechend werden gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Bedarfe für Bildung (§ 34 Abs. 2 bis 6 SGB XII) von Schülerinnen und Schülern, die eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen, sowie Bedarfe von Kindern und Jugendlichen für Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (§ 34 Abs. 7 SGB XII) neben den maßgebenden Regelbedarfsstufen gesondert berücksichtigt.
74(2) Wenngleich der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf typisierend und anhand einer Durchschnittsberechnung zu ermitteln ist,
75vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u. a. –, juris, Rn. 58,
76sind die Leistungen für Bildung und Teilhabe bei der anzustellenden Vergleichsberechnung zwingend zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei gerade nicht um Mehrbedarfe, die sich aus besonderen Lebensumständen ergeben, wie etwa die – bei der Berechnung des Gesamtbedarfs vom Bundesverfassungsgericht unberücksichtigt gelassenen – Mehrbedarfe nach § 23 BSHG, sondern um solche, die klassischerweise bei allen Kindern und Jugendlichen – jedenfalls in einer gewissen Altersspanne – anfallen. Dies gilt jedenfalls für die Teilleistungen
77- Bedarfe für Schulausflüge und mehrtätige Klassenfahrten (§ 34 Abs. 2 SGB XII),
78- Bedarfe für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf (§ 34 Abs. 3 SGB XII) und
79- den Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit; Unterricht in künstlerischen Fächern und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und die Teilnahme an Freizeiten, § 34 Abs. 7 SGB XII).
80So im Ergebnis auch Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 (Achter Existenzminimumbericht) vom 30.05.2011, BT-Drucks. 17/5550, S. 5 f.; Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014 vom 7.11.2012 (Neunter Existenzminimumbericht), BT-Drs. 17/11425, S. 5.
81Die Bedarfe für Schülerbeförderung (§ 34 Abs. 4 SGB XII), für Lernförderung (§ 34 Abs. 5 SGB XII) sowie die Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung (§ 34 Abs. 6 SGB XII) sind demgegenüber aus Sicht der Kammer im Rahmen des typisierten sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs unberücksichtigt zu lassen, weil sie an besondere Anspruchsvoraussetzungen geknüpft sind und davon auszugehen ist, dass lediglich eine Minderheit an Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfängern anspruchsberechtigt ist. So knüpft der Bedarf für Schülerbeförderung daran an, dass eine entsprechende Angewiesenheit besteht (die Schule also in einer gewissen Entfernung zum Wohnort liegt) sowie dass dafür Kosten entstehen, die nicht von einem Dritten übernommen werden. Letzteres dürfte aber ganz überwiegend der Fall sein, weil die anfallenden Kosten in der Regel nicht von den Schülerinnen und Schülern bzw. Eltern selbst getragen werden müssen. So muss etwa in Nordrhein-Westfalen der Schulträger für die Schülerbeförderungskosten aufkommen (siehe § 4 Abs. 1 Satz 1 Schülerfahrkostenverordnung NRW). Soweit ein Eigenanteil geleistet werden muss, entfällt dieser regelmäßig ab dem dritten Kind (siehe etwa § 2 Abs. 3 Schülerfahrkostenverordnung NRW). Der Bedarf für Lernförderung setzt voraus, dass eine solche zusätzlich erforderlich ist, um die wesentlichen Lernziele zu erreichen. Anspruchsberechtigt dürften daher lediglich besonders leistungsschwache Schülerinnen und Schüler sein. Der Bedarf für die Teilnahme an der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung wird Schülerinnen und Schülern nur dann erstattet, wenn die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird. Ein entsprechendes Angebot dürfte bereits in einer Vielzahl von Schulen fehlen, was dafür spricht, dass der Gesetzgeber von einer grundsätzlichen Deckung des Bedarfs für Mittagsverpflegung auch ohne eine Erstattung nach § 34 Abs. 6 SGB ausging.
82Die Berücksichtigung der Bedarfe für Bildung und Teilhabe ist aus Sicht der Kammer nicht deshalb ausgeschlossen, weil diese z.T. eines gesonderten Antrags bedürfen (vgl. § 34a Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Auch ist der Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme in diesem Zusammenhang nur von untergeordneter Bedeutung. Der Umstand, dass Anspruchsberechtigte ihnen gesetzlich zustehende Leistungen aus verschiedensten Gründen tatsächlich nicht in Anspruch nehmen, ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber diese dem existenzsichernden Bedarf zugeordnet hat.
83Die Bedarfe nach § 34 Abs. 2, 3 und 7 SGB XII sind hinsichtlich ihres monetären Werts auch nicht derart gering, dass sie im Rahmen der Berechnung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs vernachlässigt werden könnten.
84So isoliert für die Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 63 f. m.w.N.
85Allein der Bedarf für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf (§ 34 Abs. 3 SGB XII) beträgt 100,- Euro pro Jahr. Im Rahmen des Bedarfs zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft (§ 34 Abs. 7 SGB XII) werden bis zu 10,- Euro monatlich übernommen. Der Bedarf für Ausflüge und Klassenfahrten ist nach Ansicht der Kammer mit monatlich mindestens 3,- Euro zu veranschlagen.
86So ausdrücklich Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 (Achter Existenzminimumbericht) vom 30.05.2011, BT-Drucks. 17/5550, S. 5; Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014 vom 7.11.2012 (Neunter Existenzminimumbericht), BT-Drs. 17/11425, S. 5.
87Im Ergebnis sind bei der Berechnung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs die Bedarfe für Bildung und Teilhabe nach Auffassung der Kammer mit durchschnittlich mindestens 19,- Euro pro Monat anzusetzen. Diese Summe ergibt sich aus einer altersspezifischen Berechnung des nach Lebensjahren gewichteten Durchschnitts. Dabei wird der Bedarf für Schulausstattung für die Lebensjahre von 6 bis unter 18 in Ansatz gebracht, Bedarfe für Schul- bzw. Kita-Ausflüge und Klassenfahrten von 3 bis unter 18 Jahren und der Bedarf zur Teilhabe (§ 34 Abs. 7 SGB XII) für sämtliche Lebensjahre:
88Bedarf |
Lebensalter des Kindes |
Anzahl der Lebensjahre |
Betrag pro Monat |
Anzahl x Betrag |
Schulausstattung |
6 bis unter 18 |
12 |
100/12 |
100 |
Schul- bzw. Kita-Ausflüge |
3 bis unter 18 |
15 |
3 |
45 |
Teilhabe |
Bis unter 18 |
18 |
10 |
180 |
Summe |
325 |
|||
Wert pro Lebensjahr (Summe / 18), aufgerundet |
19 |
Siehe Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2012 (Achter Existenzminimumbericht) vom 30.05.2011, BT-Drucks. 17/5550, S. 5; Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014 vom 7.11.2012 (Neunter Existenzminimumbericht), BT-Drs. 17/11425, S. 5.
90Die Summe in Höhe von 19,- Euro ist angesichts des Gesamtbedarfs ohne diese zusätzlichen Leistungen in Höhe von unter 400,- Euro kein Betrag, der rechnerisch vernachlässigt werden könnte.
91(3) Angesichts der bei der Berechnung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs zwingend zu berücksichtigenden Leistungen für Bildung und Teilhabe lässt sich die bundesverfassungsgerichtliche Vollstreckungsanordnung nicht mehr sinnvoll anwenden, weil sie keinerlei Vorgaben zum Umfang und zur betragsmäßigen Bezifferung dieses Bedarfs enthält. Bereits bei der Frage, welche der in § 34 SGB XII geregelten Bedarfe im Rahmen einer typisierten Durchschnittsberechnung berücksichtigt werden sollen, handelt es sich um eine allein von der Kammer getroffene Wertung. Auch die betragsmäßige Höhe der Positionen lässt sich – jedenfalls im Hinblick auf die Leistungen für Schul- bzw. Kita-Ausflüge – weder aus der verfassungsgerichtlichen Entscheidung noch aus den gesetzlichen Vorschriften ableiten, weil dort lediglich auf die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen abgestellt wird. Jeder von der Kammer hier angesetzte Wert wäre demzufolge „gegriffen“ und ohne Grundlage in der Vollstreckungsanordnung.
92Vgl. dazu auch Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Das Bildungs- und Teilhabepaket: Chancen für Kinder aus Familien mit Kinderzuschlag, 2012, S. 38, wo allein für eintägige Schul- und Kita-Ausflüge monatlich 2,50 Euro angesetzt werden und zusätzlich 13,20 Euro für mehrtägige Klassenfahrten (ausgehend von hierfür anfallenden durchschnittlichen Kosten i.H.v. 158,- Euro sowie der – aus Sicht der Kammer fernliegenden – Annahme, dass diese jährlich stattfinden).
93Ein gerichtlicher Zahlungsausspruch würde sich nicht mehr im Rahmen einer Anpassung und zulässigen Fortentwicklung der Vollstreckungsanordnung halten, sondern ganz eigene Wert- und Berechnungsmaßstäbe aufstellen. Die von den einzelnen Fachgerichten in der Folge auszusprechenden Zahlungsverpflichtungen würden voraussichtlich in nicht unerheblichem Umfang variieren. Dies ist mit Sinn und Zweck der – inzwischen über 18 Jahre alten – Vollstreckungsanordnung nicht zu vereinbaren.
94b) Die Klage ist in Bezug auf den mit dem Hilfsantrag verfolgten Feststellungsantrag zulässig.
95aa) Die Feststellungsklage ist vorliegend die statthafte Klageart. Da sich aus der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts kein Zahlungsanspruch begründen lässt und damit auch eine darauf gerichtete Leistungsklage unzulässig ist, kann der Kläger nach den – oben bereits dargelegten – allgemeinen Grundsätzen die Verfassungswidrigkeit der Alimentation in Bezug auf die ihm für sein drittes und viertes Kind gewährten familienbezogenen Besoldungsbestandteile lediglich im Wege der Feststellungsklage geltend machen.
96bb) Der Kläger hat das gem. § 126 BRRG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW in der bis zum 30.06.2016 geltenden Fassung in beamtenrechtlichen Besoldungsstreitigkeiten auch vor der Erhebung einer Feststellungsklage erforderliche Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Seinen form- und fristgerecht eingelegten Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 24.02.2014 hat das LBV mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.2015 zurückgewiesen, den der Kläger zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht hat. Der ordnungsgemäßen Durchführung des Widerspruchsverfahrens steht nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger zunächst Anträge auf Auszahlung einer amtsangemessenen Besoldung gestellt hatte und erst im Zuge des gerichtlichen Verfahrens neben seinem Leistungs- nunmehr auch das Feststellungsbegehren hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit der Alimentation geltend machte.
97Das Feststellungsbegehren war der Sache nach von Beginn des Verwaltungsverfahrens an vom klägerischen Begehren umfasst. Es ist als nachrangiges Begehren in dem weitergehenden Leistungsantrag enthalten gewesen.
98Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.06.1996 – 2 C 7/95 –, juris, Rn. 20; dass., Urteil vom 28.04.2005 – 2 C 1/04 –, juris, Rn. 18; im Anschluss daran OVG NRW, Beschluss vom 09.07.2009 – 1 A 1416/08 –, juris, Rn. 162 und 175 f.
99Dies gilt umso mehr, als der Kläger bereits im Vorverfahren die Frage der verfassungswidrig zu niedrig bemessenen Alimentation aufgeworfen hat.
100Vgl. hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 09.07.2009 – 1 A 1416/08 –, juris, Rn. 162.
101Angesichts des Umstands, dass im Rahmen des Widerspruchsverfahrens von Beamtinnen und Beamten in Fällen wie dem vorliegenden gar kein ausdrücklicher Antrag nötig, sondern die schlichte Erhebung des Widerspruches gegen die Höhe der Alimentierung ausreichend gewesen wäre, kann dem Kläger zudem nunmehr nicht der Umstand entgegengehalten werden, dass er im Verwaltungsverfahren gleichwohl einen ausdrücklichen Antrag formuliert hat.
102cc) Es fehlt dem Kläger auch nicht an der Klagebefugnis. Der begehrten Feststellung steht der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung nicht entgegen.
103Vgl. zu diesem Grundsatz BVerfG, Beschluss vom 22.03.1990 – 2 BvL 1/86 –, juris, Rn. 68 ff.
104Der Kläger hat den streitgegenständlichen Anspruch zeitnah geltend gemacht, indem er mit Schreiben vom 11.02.2014 beim LBV eine Erhöhung des kinderbezogenen Anteils im Familienzuschlag ab dem dritten Kind für das Jahr 2014 beantragt und sich zur Begründung darauf berufen hat, die Höhe seiner Besoldung entspreche nicht den bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben zur Alimentierung kinderreicher Beamtinnen und Beamten.
105c) Die Begründetheit des Feststellungsantrags hängt allein vom Vorlagegegenstand ab. Im Falle einer durch das Bundesverfassungsgericht festgestellten Unvereinbarkeit der den Vorlagegegenstand bildenden besoldungsrechtlichen Normen mit Art. 33 Abs. 5 GG hätte die Kammer anders zu entscheiden als im Falle der Gültigkeit des Vorlagegegenstandes. Erweisen sich die für die Besoldung des Klägers in Bezug auf den für sein drittes und viertes Kind gewährten Familienzuschlag im Jahr 2014 maßgeblichen Vorschriften als verfassungswidrig, muss die Kammer der Klage teilweise stattgeben. Anderenfalls ist die Klage insgesamt abzuweisen. Sonstige Gründe, aus denen die Klage Erfolg haben könnte, sind nicht gegeben. Die dem Kläger bislang gewährten Familienzuschläge entsprechen dem besoldungsrechtlich allein maßgeblichen Gesetz, welches angesichts der genau bezifferten Besoldungshöhe keiner Auslegung zugänglich ist.
1062. Die familienbezogenen Besoldungsbestandteile bei Richterinnen und Richtern der Besoldungsgruppe R2 mit vier Kindern waren im Jahr 2014 verfassungswidrig zu niedrig bemessen.
107a) Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur amtsangemessenen Alimentation von Beamtinnen und Beamten mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom 30.03.1977, vom 22.03.1990 sowie vom 24.11.1998 entwickelt,
108BVerfG, Beschluss vom 30.03.1977 – 2 BvR 1039/75 und 2 BvR 1045/75 –, juris; Beschluss vom 22.03.1990 – 2 BvL 1/86 –, juris; Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris.
109Ausgangspunkt der Beurteilung der Amtsangemessenheit der Besoldung auch kinderreicher Beamtenfamilien ist das Alimentationsprinzip. Das Alimentationsprinzip gehört zu den hergebrachten und vom Gesetzgeber zu beachtenden Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG. Es gibt der einzelnen Beamtin oder dem einzelnen Beamten ein grundrechtsähnliches Individualrecht gegenüber dem Staat. Der Dienstherr ist danach verpflichtet, der Beamtin oder dem Beamten amtsangemessenen Unterhalt zu leisten. Dies umfasst auch die Pflicht, die der Beamtin oder dem Beamten durch ihre/seine Familie entstehenden Unterhaltspflichten realitätsgerecht zu berücksichtigen. Damit trägt der Dienstherr nicht zuletzt der Aufgabe des Berufsbeamtentums Rechnung, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern. Im Rahmen seiner Verpflichtung zur amtsangemessenen Alimentation hat der Gesetzgeber die Attraktivität des Beamtenverhältnisses für qualifizierte Kräfte und das Ansehen des Amtes in der Gesellschaft zu festigen, Ausbildungsstand, Beanspruchung und Verantwortung des Amtsinhabers zu berücksichtigen und dafür Sorge zu tragen, dass jede Beamtin und jeder Beamte außer den Grundbedürfnissen ein „Minimum an Lebenskomfort“ befriedigen und ihre/seine Unterhaltspflichten gegenüber der Familie erfüllen kann. Aus der Sicherungsfunktion, welche die Alimentation für das Berufsbeamtentum hat, folgt daher, dass die Beamtin oder der Beamte nicht vor die Wahl gestellt werden darf, entweder ein „Minimum an Lebenskomfort“ zu befriedigen oder, unter Verzicht darauf, eine Familie zu haben und diese entsprechend den damit übernommenen Verpflichtungen angemessen zu unterhalten. Bei der Beurteilung und Regelung dessen, was eine amtsangemessene Besoldung ausmacht, kann die Zahl der Kinder einer Beamtin oder eines Beamten deshalb nicht ohne Bedeutung sein.
110BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris, Rn. 35 f.
111Das gegenwärtige System der Besoldungsstruktur geht davon aus, dass bei einer Familie mit einem oder zwei Kindern der Kindesunterhalt ganz überwiegend aus den allgemeinen, d.h. den „familienneutralen“ und insoweit auch ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten. In diesem Fall bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, wenn dieser Betrag in seiner Höhe erheblich unter den Beträgen bleibt, die von der Rechtsordnung als Regelsätze für Kindesunterhalt als angemessen erachtet und veranschlagt werden. Ganz anders verhält es sich dagegen bei der Beamtenfamilie, zu der drei und mehr unterhaltsberechtigte Kinder gehören. Hier vervielfältigt sich die Differenz zwischen Unterhaltsbedarf und kinderbezogenen Gehaltsbestandteilen entsprechend der Zahl der Köpfe in einem solchen Maße, dass hierdurch wesentliche Teile der „familienneutral“ gewährten Besoldung aufgezehrt werden. Das Prinzip amtsangemessener Alimentation verlangt hier zusätzliche Leistungen, um die Auszehrung der familienneutralen allgemeinen Gehaltsbestandteile durch Unterhaltsleistungen zu verhindern,
112BVerfG, Beschluss vom 30.03.1977 – 2 BvR 1039/75 und 2 BvR 1045/75 –, juris, Rn. 63.
113Art. 33 Abs. 5 GG belässt dem Gesetzgeber hinsichtlich der zusätzlichen Leistungen einen Gestaltungsspielraum. Ob die Dienstbezüge der Beamtin oder des Beamten amtsangemessen sind, beurteilt sich nach dem Nettoeinkommen. Daher steht es dem Gesetzgeber frei, das von der Verfassung vorgegebene Ziel durch eine entsprechende Bemessung der Bruttobezüge zu erreichen, die Beamtinnen und Beamten an einem allgemein gewährten Kindergeld teilhaben zu lassen, steuerrechtlich die durch den Kindesunterhalt verminderte Leistungsfähigkeit auszugleichen oder diese Möglichkeiten miteinander zu verbinden,
114BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998, – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris, Rn. 36 f.
115Ob der Gesetzgeber eine ausreichende Alimentation von Richterinnen und Richtern und Beamtinnen und Beamten mit mehr als zwei Kindern sichergestellt hat, beurteilt sich sodann auf der Basis des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Alimentation der Beamtinnen und Beamten gegenüber dem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf etwas qualitativ anderes ist. Dieser Unterschied muss bei der Bemessung der kinderbezogenen Bestandteile des Gehalts sichtbar werden. Ein um 15% über dem sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf liegender Betrag („15 v.H.-Betrag“) lässt den verfassungsgebotenen Unterschied zwischen der der Sozialhilfe obliegenden Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs und dem den Richterinnen und Richtern bzw. Beamtinnen und Beamten und deren Familien geschuldeten Unterhalt hinreichend deutlich werden. Weisen die der Richterin/dem Richter oder der Beamtin/dem Beamten für das dritte und jedes weitere Kind gewährten Zuschläge hingegen nicht einmal einen Abstand von 15% zum sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf auf, so hat der Gesetzgeber den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten,
116vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris, Rn. 57.
117Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 24.11.1998 folgende Berechnungsmethode für die Bestimmung der Amtsangemessenheit der Besoldung von Richter_innen und Beamt_innen mit mehr als zwei Kindern vorgegeben:
118In einem ersten Schritt ist der durchschnittliche Nettomehrbetrag zu bestimmen, den eine Richterin/ein Richter oder eine Beamtin/ein Beamter für das dritte und jedes weitere Kind erhält. Es ist dabei von den jährlichen Bezügen auszugehen. Dazu gehören das Grundgehalt in der Endstufe, der Ortszuschlag, die Stellenzulage nach Nr. 27 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B, die jährliche Sonderzuwendung und das Urlaubsgeld sowie etwaige Einmalzahlungen. Die Nettobezüge ergeben sich nach Abzug der Lohnsteuer (nach Maßgabe der besonderen Lohnsteuertabellen), der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags (soweit dieser im maßgeblichen Jahr erhoben wurde) und unter Hinzurechnung des Kindergeldes.
119In einem zweiten Schritt ist der um 15% erhöhte sozialhilferechtliche Gesamtbedarf eines Kindes zu ermitteln. Zu dessen Bestimmung ist zunächst ein Durchschnittsregelsatz nach § 22 BSHG für das bisherige Bundesgebiet zu errechnen. Hinzuzurechnen sind sodann ein durchschnittlicher Zuschlag von 20% zur Abgeltung einmaliger Leistungen zum Lebensunterhalt und die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem Wohnbedarf von 11 qm pro Kind (die Berechnung der Durchschnittsmiete erfolgt anhand des Mietenindexes des Statistischen Bundesamtes). Schließlich sind die Energiekosten für ein Kind mit 20% der Kaltmiete zu berücksichtigen.
120Der „15 v.H.-Betrag“ des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfes ist dem auf das dritte und jedes weitere Kind entfallenden durchschnittlichen Nettomehrbetrag sodann gegenüberzustellen.
121BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris, Rn. 56 ff.
122b) Die vorgenannten, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe zur Alimentation kinderreicher Familien sind nach wie vor heranzuziehen. Dies betrifft sowohl die in ständiger Rechtsprechung vorgenommene Differenzierung zwischen der Alimentation von Familien mit bis zu zwei Kindern einerseits und der zusätzlichen Alimentation für das dritte und jedes weitere Kind andererseits (unter aa)) als auch die „115 v.H.-Regel“ (unter bb)).
123aa) Die in ständiger Rechtsprechung vorgenommene Differenzierung zwischen der Alimentation von Familien mit bis zu zwei Kindern einerseits und der zusätzlichen Alimentation für das dritte und jedes weitere Kind andererseits ist nach wie vor anwendbar.
124Das Bundesverfassungsgericht hat diese Differenzierung unter der Prämisse entwickelt, das gegenwärtige System der Besoldungsstruktur gehe davon aus, bei einer Familie mit einem oder zwei Kindern könne der Kindesunterhalt ganz überwiegend aus den allgemeinen, d.h. den „familienneutralen“ und insoweit auch ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile träten ergänzend hinzu. Bei einer Familie, die drei oder mehr Kinder habe, seien entsprechend zusätzliche Leistungen vorzusehen, um die Auszehrung der familienneutralen allgemeinen Gehaltsbestandteile durch Unterhaltsleistungen zu verhindern.
125BVerfG, Beschluss vom 30.03.1977 – 2 BvR 1039/75 und 2 BvR 1045/75 –, juris, Rn. 63.
126Es ist nicht ersichtlich, dass sich bezüglich dieser Besoldungsstruktur in den seit dieser Entscheidung vergangenen Jahren wesentliche Veränderungen ergeben haben. Insbesondere hat der Gesetzgeber in Bezug auf das Besoldungssystem insoweit keine strukturverändernden Maßnahmen ergriffen. Die familienneutralen Besoldungsbestandteile sind damit grundsätzlich nach wie vor an der amtsangemessenen Alimentierung einer vierköpfigen Familie orientiert. Davon geht ausweislich seiner jüngsten Entscheidung zur Beamtenbesoldung,
127BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a. –, juris, Rn. 94,
128auch das Bundesverfassungsgericht aus, indem es insbesondere darauf abstellt, ob die Dienstbezüge generell ausreichen, um als Alleinverdiener den angemessenen Lebensunterhalt einer vierköpfigen Familie durchgängig aufzubringen.
129Soweit dies auf der Annahme beruht, das erforderliche Minimum an Lebenskomfort könne bei einer vierköpfigen Familie noch aus den familienneutralen Gehaltsbestandteilen bestritten werden, ab einer fünfköpfigen Familie sei dies hingegen nicht mehr möglich, ist dies nach wie vor zutreffend. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die aktuellen familienneutralen Gehaltsbestandteile eine Überalimentierung bewirken mit der Folge, dass Richterinnen und Richter bzw. Beamtinnen und Beamte nunmehr aus den familienneutralen Gehaltsbestandteilen in zumutbarer Weise auch die Unterhaltsleistungen für dritte und weitere Kinder aufbringen können. Die Besoldung von Richterinnen und Richtern und Beamtinnen und Beamten ist in den vergangenen Jahrzehnten nur in adäquatem Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Lage erhöht worden. Dies belegt auch der Vergleich der Besoldungsentwicklungen mit den Parametern der Entwicklung der Nominallöhne, des Verbraucherpreisindexes und der Tariflöhne im öffentlichen Dienst, wie ihn das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen zur R- und A-Besoldung 2015 ausführlich dargestellt hat,
130BVerfG, Urteil vom 05.05.2015 – 2 BvL 17/09 u.a. –, juris; dass., Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a. –, juris.
131Nach diesem Vergleich ist vielmehr davon auszugehen, dass sich der familienneutrale Teil des Gehalts eher am unteren Ende dessen bewegt, was noch als amtsangemessen anzusehen ist. Dies belegen auch die zahlreichen gerichtlichen Verfahren und Entscheidungen, in denen die Verfassungswidrigkeit der Alimentation gerügt bzw. angenommen wird,
132s. beispielhaft OVG NRW, Beschluss vom 09.07.2009 – 1 A 373/08 –, juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.06.2016 – OVG 4 B 1.09 –, juris; VG Bremen, Beschluss vom 17.03.2016 – 6 K 83/14 –, juris.
133bb) Es ist weiter auch nicht erkennbar, dass der nach der Alimentationspflicht gebotene Abstand von 15% zum Sozialhilfebedarf einer Neuausrichtung oder Korrektur bedürfte. So stellt auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur A-Besoldung hinsichtlich der Alimentation einer vierköpfigen Beamtenfamilie darauf ab, ob 115% des Sozialhilfebedarfs zur Verfügung stehen.
134BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015, – 2 BvL 19/09 u.a. –, juris, Rn. 94.
135cc) Es liegen schließlich keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass das Bundesverfassungsgericht die in den Entscheidungen aus den Jahren 1977, 1990 und 1998 aufgestellten Maßstäbe zur Alimentierung kindereicher Familien grundsätzlich nicht mehr heranzuziehen beabsichtigt. Die jüngsten Entscheidungen zur Angemessenheit der R- und A-Besoldung,
136BVerfG, Urteil vom 05.05.2015 – 2 BvL 17/09 u.a. –, juris; dass., Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a. –, juris,
137legen vielmehr nahe, dass diese Maßstäbe weiterhin Geltung beanspruchen. So enthält das Urteil vom 05.05.2015 in Rn. 134 den Hinweis, die Alimentation kinderreicher Familien sei „nicht verfahrensgegenständlich“ und verweist zu dieser Frage ausdrücklich auf den Beschluss vom 24.11.1998, ohne diesen Verweis in irgendeiner Form einzuschränken.
138So auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.06.2016 – 4 S 1094/15 –, juris, Rn. 43 ff.
139Ein ähnlicher Hinweis auf den Beschluss vom 24.11.1998 findet sich auch im Beschluss vom 17.11.2015 in Rn. 94.
140c) Die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene „15-v.H.-Regel“ muss in jedem Einzelfall und in Bezug auf jede Besoldungsgruppe eingehalten werden. Entgegen der Ansicht des beklagten Landes sind Pauschalierungen lediglich in Bezug auf die Berechnung des Nettoeinkommens sowie des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs vorzunehmen. Der Nettomehrbetrag, der Beamt_innen ab dem dritten Kind zusteht, muss hingegen – ausgehend von dieser pauschalierten Berechnung – in jedem Einzelfall 115% des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs betragen. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen nicht vorgenommen und die Vollstreckungsanordnung dementsprechend auch umfassend formuliert.
141Bei Heranziehung der vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 24.11.1998 vorgegebenen und nach Maßgabe der besoldungsrelevanten Gesetzesänderungen sowie der veränderten Tatsachengrundlagen im Jahr 2014 fortentwickelten Berechnungsparameter ist die Kammer davon überzeugt, dass die kinderbezogenen Besoldungsbestandteile von Richterinnen und Richtern der Besoldungsgruppe R2 mit vier unterhaltsberechtigten Kindern im Jahr 2014 verfassungswidrig zu niedrig bemessen waren.
142Der erhöhte sozialhilferechtliche Monatsgesamtbedarf von zwei Kindern war im Jahr 2014 nicht durch die einer Richterin oder einem Richter mit vier unterhaltsberechtigten Kindern zusätzlich zustehenden familienbezogenen Besoldungsbestandteile gedeckt. Denn während die Differenz zwischen dem Nettoeinkommen, das einer verheirateten Richterin oder einem verheirateten Richter der Besoldungsgruppe R2 mit zwei Kindern einerseits und einer verheirateten Richterin oder einem verheirateten Richter mit vier Kindern andererseits zustand, im Jahr 2014 bei pauschalierender Berechnung 858,56 Euro monatlich betrug (unter aa)), lag der um 15% erhöhte sozialhilferechtliche Monatsgesamtbedarf des dritten und vierten Kindes bei mindestens 863,24 Euro (unter bb)).
143aa) Die Differenz zwischen dem Nettoeinkommen, das einem verheirateten Richter oder einer verheirateten Richterin der Besoldungsgruppe R2 mit zwei Kindern einerseits und einem verheirateten Richter oder einer verheirateten Richterin mit vier Kindern andererseits zustand, betrug im Jahr 2014 bei pauschalierender Berechnung 858,56 Euro monatlich.
144Im Rahmen der Nettoeinkommensberechnung ist die Kirchensteuer dabei mit 9% anzusetzen, da in der Mehrzahl der alten Bundesländer, nämlich in allen alten Bundesländern mit Ausnahme von Bayern und Baden-Württemberg, im Jahr 2014 die Kirchensteuer 9% betrug und dieser Wert damit der insoweit maßgeblichen Durchschnittsbetrachtung entspricht,
145Vgl. OVG NRW, Urteil vom 06.10.2006 – 1 A 1927/05 –, juris, Rn. 54.
146Es kann vorliegend offen bleiben, ob bei der Berechnung des Nettoeinkommens Aufwendungen für eine Krankheitskostenversicherung in Abzug zu bringen sind.
147Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 u.a. –, juris, Rn. 94, wo diese Frage aufgeworfen, aber nicht abschließend beantwortet wird; ablehnend Urteil der Kammer vom 03.05.2017 – 3 K 3895/12 –.
148Da die aufzubringenden Gesamtkosten für einen alle Familienmitglieder umfassenden entsprechenden Versicherungsschutz bei einer Familie mit vier Kindern in jedem Fall höher sind als bei einer Familie mit zwei Kindern (vgl. dazu § 12 Abs. 1 BVO NRW), würde sich dadurch die Nettoeinkommensdifferenz weiter verringern. Diese erreicht aber auch ohne die Berücksichtigung der genannten Kosten nicht 115% des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs.
149(1) Das monatliche Nettoeinkommen einer verheirateten R2-Richterin oder eines verheirateten R2-Richters mit zwei Kindern in der Endstufe, Steuerklasse 3, zwei Kinderfreibeträge, Kirchenteuer 9% betrug im Jahr 2014 pauschaliert 5.603,47 Euro (67.241,63 Euro im Jahr).
150Zum Grundgehalt in der Endstufe von 75.535,36 Euro jährlich (8 x 6.254,18 + 4 x 6.375,48) traten Familienzuschläge in Höhe von 4.014,96 Euro (334,58 x 12), der Grundbetrag der Sonderzahlung in Höhe von 2.013,02 Euro (30% von 6.710,06) sowie die Sonderbeträge der Sonderzahlung in Höhe von 51,12 Euro (25,56/Kind) hinzu. Von dem sich daraus ergebenden Jahresbruttoeinkommen von 81.614,46 Euro waren Einkommensteuer (17.012,-), Kirchensteuer (1.102,86) und Solidaritätszuschlag (673,97) abzuziehen. Das Kindergeld von 4.416,- Euro (368 x 12) war sodann hinzuzurechnen. Damit ergibt sich ein Jahresnettoeinkommen von 67.241,63 Euro, d.h. ein monatliches Nettoeinkommen von 5.603,47 Euro.
151(2) Das monatliche Nettoeinkommen einer verheirateten R2-Richterin oder eines verheirateten R2-Richters mit vier Kindern in der Endstufe, Steuerklasse 3, vier Kinderfreibeträge, Kirchenteuer 9% betrug im Jahr 2014 pauschaliert 6.462,03 Euro (77.544,37 im Jahr).
152Zum Grundgehalt in der Endstufe von 75.535,36 Euro jährlich (s.o.) traten Familienzuschläge in Höhe von 11.909,52 Euro (992,46 x 12), der Grundbetrag der Sonderzahlung in Höhe von 2.210,38 Euro (30% von 7.367,94) sowie die Sonderbeträge der Sonderzahlung in Höhe von 102,24 (25,56/Kind) hinzu. Von dem sich daraus ergebenden Jahresbruttoeinkommen von 89.757,50 Euro waren Einkommensteuer (19.982,-), Kirchensteuer (935,46) und Solidaritätszuschlag (571,67) abzuziehen. Das Kindergeld von 9.276,- (773,- x 12) war sodann hinzuzurechnen. Damit ergibt sich ein Jahresnettoeinkommen von 77.544,37 Euro, d.h. ein monatliches Nettoeinkommen von 6.462,03 Euro.
153(3) Bei einem Vergleich des monatlichen Nettoeinkommens einer Richterfamilie mit zwei Kindern und einer Richterfamilie mit vier Kindern ergibt sich damit im Jahr 2014 eine Differenz von monatlich 858,56 Euro (6.462,03 – 5.603,47).
154bb) Der alimentationsrechtliche Bedarf des dritten und vierten Kindes belief sich im Jahr 2014 auf der Grundlage von 115% des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs unter Berücksichtigung der seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 veränderten Rahmenbedingungen im Bereich der Sozialhilfe (s. oben unter II.1.a)) auf mindestens 863,24 Euro monatlich.
155Zu berechnen ist, bezogen auf die alten Bundesländer, zunächst der bundes- und jahresdurchschnittliche monatliche Regelsatz für Minderjährige, die mit beiden Elternteilen zusammenleben, im Alter ab der Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (unter (1)). Nach den 2005 neu gefassten sozialhilferechtlichen Regelungen ist kein Zuschlag mehr von 20% zur Abgeltung einmaliger Leistungen hinzuzurechnen (s. oben unter II.1.a)). Zusätzlich zu den Regelsätzen sind nunmehr jedoch die in § 34 SGB XII geregelten Ansprüche auf Bildung und Teilhabe – soweit sie typische Bedarfspositionen abdecken – zu berücksichtigen (unter (2)). Hinzuzurechnen ist weiter ein Zuschlag für die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem Wohnbedarf von 11 qm für das Kind (unter (3)) sowie mindestens ein Zuschlag von 20% der anteiligen Durchschnittsmiete (durchschnittlichen Bruttokaltmiete) zur Abgeltung der auf das Kind entfallenden Energiekosten (unter (4)). Der so errechnete sozialhilferechtliche Gesamtbedarf ist um 15% zu erhöhen (unter (5)).
156(1) Der alimentationsrechtlich maßgebliche Durchschnittsregelsatz betrug im Jahr 2014 pro Kind 258,11 Euro.
157Die maßgeblichen Regelsätze ergeben sich aus der Anlage zu § 28 des SGB XII. Sie beliefen sich im Jahr 2014 in allen alten Bundesländern für Kinder der Regelbedarfsstufe 6 (0-6 Jahre) auf 229 Euro, für Kinder und Jugendliche der Regelbedarfsstufe 5 (7-14 Jahre) auf 261 Euro und für Jugendliche der Regelbedarfsstufe 4 (15-18 Jahre) auf 296 Euro. Der daraus berechnete gewichtete Durchschnittsregelsatz bei Anwendung eines Gewichtungsfaktors für jede der gebildeten Altersgruppen entsprechend der Anzahl der erfassten Jahrgänge beläuft sich auf 258,11 Euro.
158Vgl. zur Bildung des gewichteten Durchschnittsregelsatzes BVerwG, Urteil vom 17.06.2004 – 2 C 34/02 –, juris, Rn. 38.
159(2) Die in § 34 SGB XII geregelten Ansprüche auf Bildung und Teilhabe belaufen sich, soweit sie typische Bedarfspositionen abdecken, auf mindestens 19 Euro monatlich pro Kind (s. oben unter II.1.a)).
160(3) Die Kosten der Unterkunft, ausgehend von einem Pro-Kind-Wohnbedarf von 11 Quadratmetern, betrugen im Jahr 2014 81,84 Euro (11 x 7,44). Dieser Wert ergibt sich aus der Hochrechnung der durchschnittlichen Bruttokaltmiete in den alten Bundesländern im Jahr 2013 von 7,33 Euro/qm,
161Wohngeld- und Mietenbericht 2014, BT-Drs. 18/6540, S. 23.
162Da der Wohngeld- und Mietenbericht nur alle vier Jahre erstellt wird, ist dieser Wert anhand des Mietenindexes des Statistischen Bundesamtes,
163abgedruckt im Wohngeld- und Mietenbericht 2014, BT-Drucks. 18/6540, S. 31,
164fortzuschreiben. Da sich danach die Mieten im Jahr 2014 um durchschnittlich 1,5% erhöhten, ergibt sich eine Durchschnittsmiete von 7,44 Euro/qm (7,33 x 1,015).
165Vgl. zur Zulässigkeit dieser Fortschreibung BVerfG, Beschluss vom 24.11.1998 – 2 BvL 26/91 u.a. –, juris, Rn. 58; OVG NRW, Urteil vom 27.02.2008 – 1 A 30/07 –, juris, Rn. 52 m.w.N.
166(4) Der anzusetzende Zuschlag für anteilige Energiekosten beträgt, die Berechnungsvorgabe des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24.11.1998 (a.a.O.) zugrunde gelegt, mindestens 16,37 Euro (20% von 81,84 Euro).
167Es kann offen bleiben, ob der 20%-Parameter des Bundesverfassungsgerichts insoweit eine bindende Berechnungsvorgabe darstellt,
168so VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 06.06.2016 – 4 S 1094/15 –, juris, Rn. 109,
169oder ob er an den tatsächlich für das Jahr 2014 pro Kind angenommenen durchschnittlichen Energiebedarf anzupassen ist.
170Denn die nach dem Neunten Existenzminimumbericht für das Jahr 2014 pro Kind zugrunde gelegten Energiekosten beliefen sich auf 22,37% der anteiligen Mietkosten für 2014,
171Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2014 vom 7.11.2012 (Neunter Existenzminimumbericht), BT-Drs. 17/11425, S. 6,
172und waren damit jedenfalls nicht geringer als die vom Bundesverfassungsgericht veranschlagten 20%.
173(5) Der sozialhilferechtliche Gesamtbedarf für das dritte und vierte Kind beträgt damit mindestens 750,64 Euro (2 x 258,11 + 2 x 19 + 2 x 81,84 + 2 x 16,37). Unter Berücksichtigung eines Zuschlags von 15% hierauf beläuft sich der alimentationsrechtliche Mindestbedarf 2014 auf monatlich 863,24 Euro.