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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger bezog während seines Studiums in den Jahren 1974 bis 1979 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Mit Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 08.03.1986 wurde der Gesamtbetrag des Darlehens auf 6.528,00 DM, die Förderungshöchstdauer auf den letzten Tag des Monats September 1981 und daraus resultierend der Rückzahlungsbeginn auf den 31.10.1986 festgesetzt.
3Mit Schreiben vom 01.06.2016 beantragte der Kläger beim Bundesverwaltungsamt, seine bis zum 30.06.2016 bestehende Freistellung von der Darlehensrückzahlungspflicht ab dem 01.07.2016 für die Dauer eines Jahres zu verlängern, da sein Einkommen voraussichtlich auch weiterhin unter der gesetzlichen Höchstgrenze liege.
4Mit Bescheid vom 21.07.2016 lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung verwies es auf die Regelung des § 18 Abs. 3 Satz 1 BAföG. Danach sei das Darlehen innerhalb von 20 Jahren zurückzuzahlen. Der Rückzahlungszeitraum könne durch Freistellungen um maximal 10 Jahre auf insgesamt 30 Jahre verlängert werden. Dieser Zeitraum laufe am 30.09.2016 ab, weshalb die von dem Kläger beantragte Freistellung nicht gewährt werden könne. Stattdessen könne der Kläger eine Stundung nach § 59 Bundeshaushaltsordnung (BHO) beantragen.
5Hiergegen legte der Kläger unter dem 05.08.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, er sei zwar grundsätzlich verpflichtet, das Darlehen innerhalb von 30 Jahren zurückzuzahlen. Von dieser Rückzahlungsverpflichtung sei er jedoch nach § 18a BAföG freizustellen. Es gebe keine gesetzliche Grundlage dafür, dass in diesem Fall § 18a BAföG nicht anwendbar sei. Ergänzend führte er mit Schreiben vom 08.08.2016 aus, dass die Regelung des § 18a Abs. 5 BAföG, auf den das Bundes-verwaltungsamt die Ablehnung der Freistellung stütze, erst im Juli 1979 (BGBl. I, 1979, S. 1040) in Kraft getreten sei und somit erst zu einem Zeitpunkt, zu welchem der Kläger die Leistungen nach dem BAföG bereits empfangen habe. Die Regelung sei daher in seinem Fall nicht anzuwenden. Das BAföG in seiner maßgeblichen Fassung vom 09.04.1976 (BGBl. I 1976, S. 995) habe keine entsprechende Regelung enthalten.
6Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2016 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies es erneut auf die Regelung der §§ 18 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 18a Abs. 5 Satz 1 BAföG, wonach eine weitere Freistellung über den 30.09.2016 nicht mehr gewährt werden könne. Zudem wurde der Kläger erneut auf die Möglichkeit einer Stundung nach § 59 BHO hingewiesen.
7Mit Schreiben vom 25.08.2016 wies der Kläger das Bundesamt auf seine ergänzende Widerspruchsbegründung in dem Schreiben vom 08.08.2016 hin. Auf dieses Argument sei das Bundesverwaltungsamt in seiner Widerspruchsbegründung nicht eingegangen.
8Mit Schreiben vom 29.08.2016 bestätigte das Bundesverwaltungsamt den Eingang der Schreiben des Klägers vom 08.08.2016 und vom 25.08.2016. Die inhaltliche Prüfung des Widerspruchs sei mit der Erstellung des Widerspruchsbescheids vom 15.08.2016 abgeschlossen. Es bestehe das Rechtsmittel der Klage bei dem Verwaltungsgericht Köln. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass der Feststellungs- und Rück-zahlungsbescheid am 08.03.1986 erstellt worden sei.
9Der Kläger hat am 20.09.2016 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, er lege auf die Begründung seines Widerspruchs, wie er sie in seinem Brief vom 05.08.2016 vorgetragen habe, keinen Wert mehr, da diese vermutlich die Bedeutung von § 18a Abs. 5 BAföG verkenne. Dagegen halte er seine am 08.08.2016 nachgereichte Argumentation weiter aufrecht. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Befreiung von der Rückzahlungsverpflichtung, so wie sie das 2. BAföG-Änderungsgesetz vom 31.07.1974 enthalten habe und die bis Juli 1979 unverändert gültig geblieben seien, seien Bestandteil des Darlehensvertrags geworden. Diese Vertragsbedingungen könnten nicht ohne Zustimmung beider Vertragsparteien nachträglich geändert werden. Wenn die Beklagte auf den Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 08.03.1986 verweise, scheine diese damit argumentieren zu wollen, dass durch diesen Bescheid – gleichgültig, welche Bestimmungen vor diesem Datum gegolten hätten – unanfechtbar festgestellt worden sei, welches Recht bei der Entscheidung über die Gewährung von Freistellungen anzuwenden sei. Es sei jedoch verfehlt, anzunehmen, mit diesem Bescheid seien sämtliche für die Rückzahlung maßgeblichen Details geregelt und festgeschrieben worden. Vielmehr bestehe der Regelungsgehalt des Bescheids lediglich darin, die Höhe der Darlehensschuld und die Förderungshöchstdauer festzustellen, die jedoch im vorliegenden Fall gar nicht strittig sei.
10Der Kläger beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesverwaltungsamtes vom 21.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2016 zu verpflichten, ihn für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 30.06.2017 von der Verpflichtung zur Rückzahlung des Ausbildungsförderungsdarlehens freizustellen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in den vom Kläger angegriffenen Bescheiden.
15Mit Verfügung vom 20.09.2016 hat das Gericht dem Kläger empfohlen, den im Widerspruchsbescheid vom 15.08.2016 wiederholt genannten Stundungsantrag zu stellen.
16Mit Beschluss vom 24.04.2017 hat das Gericht den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs ergänzend Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
20Der Bescheid vom 21.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Freistellung von der Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 18a BAföG.
21Ein solcher Anspruch scheidet hier nach § 18a Abs. 5 Satz 1 i. V. m. § 18 Abs. 3 Satz 1 BAföG aus.
22Nach § 18 Abs. 3 Satz 1 BAföG ist das Darlehen innerhalb von 20 Jahren in monatlichen Raten zurückzuzahlen. Dabei ist die erste Rate fünf Jahre nach dem Ende der Förderungshöchstdauer zu leisten, § 18 Abs. 3 Satz 3 BAföG. Hier endete die Förderungshöchstdauer nach dem – bereits seit langem bestandskräftigen – Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid vom 08.03.1986 am letzten Tag des Monats September 1981. Demnach war der Rückzahlungsbeginn laut Feststellungs- und Rückzahlungsbescheid auf den 31.10.1986 festgesetzt worden.]
23Nach § 18a Abs. 5 Satz 1 BAföG wird diese Frist höchstens bis zu 10 Jahren durch Zeiten gehemmt, in denen der Darlehensnehmer von der Rückzahlungsfrist freigestellt worden ist. Demnach war eine Freistellung über den 30.09.2016 hinaus nicht mehr zulässig. Entgegen der zunächst vom Kläger in seiner Widerspruchsbegründung dargelegten Rechtsauffassung, die dieser in seiner Klageschrift mittlerweile selbst in Zweifel gezogen hat, konnte der Kläger von dieser Rückzahlungspflicht nach dem Ablauf der 30 Jahre nicht mehr nach § 18a BAföG freigestellt werden. Vielmehr ist nach dem Ablauf der höchstens 30 Jahre die zu diesem Zeitpunkt noch verbliebene Darlehensverbindlichkeit ohne Rücksicht auf die Einkommenssituation des Darlehensnehmers auf einmal fällig,
24Pesch, in: Ramsauer/Stallbaum, BAföG, Kommentar, 6. Auflage 2016, § 18a Rn. 27.
25Ist der Darlehensnehmer zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht in der Lage, die Darlehensschuld zu begleichen, so käme nur eine im Ermessen des Bundes-verwaltungsamtes liegende Stundung nach § 59 BHO in Betracht,
26Pesch, a. a. O., m. w. N.
27Dem steht nicht entgegen, dass eine dem heutigen § 18a Abs. 5 BAföG entsprechende Regelung erstmals im Juli 1979 in Kraft getreten ist und somit erst zu einem Zeitpunkt, zu welchem der Kläger die Leistungen nach dem BAföG bereits empfangen hatte. Denn entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind die gesetzlichen Bestimmungen zur Befreiung von der Rückzahlungsverpflichtung, so wie sie sich zum Zeitpunkt des Leistungsbezugs nach dem BAföG gestalteten, nicht derart zum Bestandteil eines Darlehensvertrags geworden, dass diese Darlehensmodalitäten nicht ohne Zustimmung beider Vertragsparteien nachträglich geändert werden könnten. Das ausbildungs-förderungsrechtliche Darlehensverhältnis nach § 17 Abs. 2 BAföG entsteht, anders als der Kläger wohl meint, nicht aufgrund eines – grundsätzlich der Vertragsfreiheit der Vertragspartner unterliegenden – (quasi-) privatrechtlichen Rechtsakts, sondern unmittelbar kraft Gesetzes als öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis,
28OVG NRW, Beschluss vom 16.01.2013 - 12 A 1020/12 - juris, Rn. 3 f. m. w. N.
29Entsprechend werden die Darlehensmodalitäten zwischen den Beteiligten auch nicht ausgehandelt, sondern sie sind in den §§ 18 ff. BAföG in Verbindung mit der Verordnung über die Einziehung der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geleisteten Darlehen (DarlehensV) gesetzlich geregelt. Sie unterliegen damit – in den verfassungsrechtlichen Grenzen – der Disposition des Gesetzgebers,
30OVG NRW, Beschluss vom 16.01.2013 - 12 A 1020/12 - juris, Rn. 5.
31Im vorliegenden Fall sind diese verfassungsrechtlichen Grenzen durch den Gesetz-geber eingehalten worden. Insbesondere liegt hier kein Fall der ausnahmsweise unzulässigen sogenannten unechten Rückwirkung vor. Eine Regelung entfaltet unechte Rückwirkung, wenn sie auf einen gegenwärtigen, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet oder wenn die Rechtsfolgen einer Norm zwar erst nach ihrer Verkündung eintreten, der gesetzliche Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor der Verkündung „ins Werk gesetzt“ worden waren,
32vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.12.2012 - 12 A 1994/11 - juris, Rn. 39.
33Im vorliegenden Fall liegt in dem Umstand, dass nach der Gewährung von Leistungen nach dem BAföG an den Kläger der Rückzahlungszeitraums auf 20 Jahre bzw. dessen Hemmung durch zwischenzeitlich gewährte Freistellungen für höchstens 10 Jahre begrenzt wurde, bereits deshalb keine unechte Rückwirkung, weil es in Bezug auf die jeweils nur zeitabschnittsweise gewährte und von einer rechtzeitigen Antragstellung abhängige Freistellung nach § 18a BAföG für im Zeitpunkt ihres Wegfalls noch nicht beschiedene Zeitabschnitte schon unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes schutzwürdigen und hinreichend verfestigten Rechtsposition des Klägers als betroffenen Darlehensnehmer fehlte,
34vgl. zur Abschaffung des sog. Kinderteilerlasses OVG NRW, Urteil vom 17.12.2012 - 12 A 1994/11 - juris, Rn. 40 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 07.12.2010 - BvR 2628/07 - BverfGE 128, 90 - juris.
35Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde zu seinen Gunsten unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt. Insbesondere, wenn wie im vorliegenden Fall die beeinträchtigte Rechtsposition – deren Bestehen hier einmal unterstellt wird – auf staatlicher Gewährung beruht, geht der verfassungs-rechtliche Vertrauensschutz jedenfalls nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren,
36OVG NRW, Urteil vom 17.12.2012 - 12 A 1994/11 - juris, Rn. 50 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 04.11.2010 - 1 BvR 1981/07 und 07.12.2010 - 1 BvR 2628/07 -, BVerfGE 128, 90, juris.
37Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).