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Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2016 verpflichtet, der Klägerin eine weitere Beihilfe i.H.v. 23,25 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Tatbestand
2Die Klägerin ist beihilfeberechtigt mit einem Beihilfebemessungssatz von 50 % ihrer beihilfefähigen Aufwendungen.
3Sie unterzog sich im November 2015 unter anderem einer Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse, worüber am 13.11.2015 eine Rechnung erstellt wurde. Mit Bescheid vom 30.11.2015 erkannte die Beklagte die Aufwendungen der Klägerin als beihilfefähig an und gewährte eine entsprechende Beihilfe. Nicht anerkannt wurde allerdings die Gebührenziffer 5733 GOÄ, die als Zuschlag für eine computergesteuerte Analyse aufgeführt war. Der Rechnungsbetrag belief sich insoweit auf 46,63 €. Mit Schreiben vom 29.12.2015 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein und übersandte eine Stellungnahme des behandelnden Arztes vom 16.12.2015. Die Beklagte übersandte der Klägerin ein Schreiben, indem sie diese über die Sach- und Rechtslage aus Sicht der Beklagten ausführlich informierte. Nachdem die Klägerin gleichwohl an ihrem Widerspruch festhielt, wies die Beklagte diesen mit Bescheid vom 14.03.2016 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass Beihilfe nach § 6 Abs. 3 der Beihilfevorschriften des Bundes (BBhV) nur für wirtschaftlich angemessene ärztliche Leistungen erbracht werde. Dies sei anzunehmen, wenn sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnungen für Ärzte entsprächen. Nach § 6 Abs. 2 GOÄ könnten selbstständige ärztliche Leistungen, die nicht in die Gebührenverzeichnisse aufgenommen sind, entsprechend einer gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Derartige Leistungen seien in dem von der Bundesärztekammer erstellten Verzeichnis der Analogbewertungen enthalten. Darüber hinaus bestehe ein Bedarf für analog Bewertungen regelmäßig nur für solche Leistungen, die auf einer Fortentwicklung von medizinischer Wissenschaft und Praxis beruhten. Vermeintliche weitere Lücken rechtfertigten keine analoge Bewertung. Vorliegend bestehe kein Bedarf an einer analogen Bewertung, weil der Gesetzgeber eine mehr als zweidimensionale sonographische Leistung bereits berücksichtigt habe. Bei einer Leistung nach Nr. 417 und 420 GOÄ sei eine dreidimensionale Darstellung bereits enthalten.
4Die Klägerin hat am 21.04.2016 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass die in der GOÄ berücksichtigte Sonographie in 2D-Ebenen mit einem 3D- Ultraschall nicht vergleichbar sei. Bei der 3D- Rekonstruktion werde mithilfe komplizierter Rechenprozesse der erhobene Befund ausgewertet, wozu es eines besonders ausgestatteten Geräts bedürfe, ferner einer computergestützten Analyse.
5Die Klägerin beantragt,
6die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2016 zu verpflichten, ihr eine weitere Beihilfe i.H.v. 23,25 EUR zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit zu gewähren.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Zur Begründung bezieht sie sich auf die rechtliche Würdigung in den ergangenen Bescheiden.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe
12Die zulässige Klage, über die der Berichterstatter als Einzelrichter entscheiden kann (§ 6 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) ist begründet. Der Beihilfebescheid der Beklagten vom 30.11.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.03.2016 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit die Beklagte die Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von 23,25 EUR abgelehnt hat.
13Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in dieser Höhe. Die Aufwendungen für die 3D-Sonografie nach GOÄ-Ziffer 5733 analog sind in der ärztlichen Liquidation vom 13.11.2015 zu Recht angesetzt worden und mit dem einfachen Gebührensatz beihilfefähig. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind die Beihilfevorschriften des Bundes, die zu dem Zeitpunkt galten, in dem die Aufwendungen entstanden sind, mithin vorliegend die Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung, im Folgenden: BBhV) vom 13.02.2009 (BGBl. I 326) in der vom Fassung vom 17.07.2015 (BGBl. I 1368).
14Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV sind Aufwendungen beihilfefähig, die dem Grunde nach notwendig und wirtschaftlich angemessen sind.
15Aufwendungen sind dem Grund nach notwendig, wenn sie für eine medizinische gebotene Behandlung entstanden sind, die der Wiedererlangung der Gesundheit, der Besserung oder Linderung von Leiden sowie der Beseitigung oder zum Ausgleich körperlicher Beeinträchtigungen dient.
16Vgl. BVerwG, Urteil vom 07.11.2006 – 2 C 11.06 –, juris.
17Dabei setzt die Notwendigkeit von Aufwendungen für Untersuchungen und Behandlungen gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 BBhV grundsätzlich voraus, dass diese nach einer wissenschaftlich anerkannten Methode vorgenommen werden. Als nicht notwendig gelten gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 BBhV in der Regel Untersuchungen und Behandlungen, soweit sie in der Anlage 1 ausgeschlossen sind. Nachdem an der medizinischen Gebotenheit einer 3D-Sonographie (Ultraschalluntersuchung) im Rahmen der Behandlung und Kontrolle der Schilddrüse keine Zweifel erkennbar sind und ein solcher Ausschluss nicht gegeben ist, bestehen an der Notwendigkeit der Behandlung keine Zweifel.
18Wirtschaftlich angemessen sind nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BBhV grundsätzlich Aufwendungen für ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Leistungen, wenn sie dem Gebührenrahmen der Gebührenordnungen für Ärzte, Zahnärzte sowie für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten entsprechen. Die Angemessenheit der Aufwendungen beurteilt sich damit bei ärztlichen Leistungen ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der GOÄ. Von der Ausnahme in § 6 Abs. 3 Satz 2 BBhV abgesehen umschreibt die BBhV den Begriff der Angemessenheit nicht, sondern verweist auf die Vorschriften der ärztlichen Gebührenordnung. Angemessen und demnach beihilfefähig sind Aufwendungen, die dem Arzt nach Maßgabe der GOÄ zustehen. Ob der Arzt seine Forderung zu Recht geltend gemacht hat, ist eine der Beihilfegewährung vorgreifliche und nach der Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Arzt und Patient dem Zivilrecht zuzuordnende Rechtsfrage, über die die Zivilgerichte letztverbindlich zu entscheiden haben. Deren Beurteilung präjudiziert die Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche Leistungen im beihilferechtlichen Sinne. Ist - wie hier - eine Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg indes nicht ergangen, hat der Dienstherr zu prüfen, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Recht begründet sind.
19Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 – 2 C 19.06 -, juris.
20Der hier streitbefangene Honoraranspruch des behandelnden Arztes gegen die Klägerin beruht auf § 6 Abs. 2 GOÄ (i. V. m. Nr. 5733 GOÄ). Danach können selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob eine nach einer bestimmten GOÄ-Nummer abgerechnete ärztliche Leistung beihilfefähig ist, und damit zugleich für die Beurteilung der Angemessenheit von Aufwendungen ist mithin die - vorgreifliche - Auslegung des ärztlichen Gebührenrechtes durch die Zivilgerichte. Denn die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine ärztliche Behandlung setzt grundsätzlich voraus, dass der Arzt die Rechnungsbeträge auf der Basis einer zutreffenden Auslegung der Gebührenordnung in Rechnung gestellt hat, das geforderte Honorar ihm also von Rechts wegen zusteht. Dabei muss nicht mit letzter Gewissheit feststehen, wie die Zivilgerichte insoweit entscheiden würden. Unklarheiten dürfen bei der Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung nicht zu Lasten des Beamten gehen. Dieser wäre sonst vor die Wahl gestellt, entweder auf sein Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung über eine objektiv zweifelhafte Rechtsposition zu führen oder den an sich auf die Beihilfe entfallenden Anteil des zweifelhaften Rechnungsbetrages selbst zu tragen. Deshalb sind die Aufwendungen eines vom Arzt berechneten Betrages schon dann unter Zugrundelegung der Gebührenordnung beihilferechtlich als angemessen anzusehen, wenn sie einer vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entsprechen und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat.
21Vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 16.12.2009 – 2 C 79.08 –, juris.
22Ausgehend von diesen Maßstäben ist die vorgenommene Analogabrechnung rechtlich zulässig.
23Es besteht eine unbeabsichtigte Regelungslücke. Insbesondere ist die hier streitige dreidimensionale Ultraschalluntersuchung nicht ausschließlich über die Ziffern 417 und 420 GOÄ abzurechnen. Diese betreffen zwar die Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse, erfassen aber nur die früher gebräuchliche zweidimensionale Darstellung. In dem hier einschlägigen Abschnitt C VI der Anlage zur GOÄ heißt es unter Ziffer 7, die sonographische Untersuchung eines Organs erfordere die Differenzierung der Organstrukturen in mindestens zwei Ebenen und schließe gegebenenfalls die Untersuchung unterschiedlicher Funktionszustände und die mit der gezielten Organuntersuchung verbundene Darstellung von Nachbarorganen mit ein. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit die dreidimensionale Darstellung erfasst wäre. Die bis zur Neufassung der GOÄ im Jahre 1996 gebräuchlichen Ultraschalluntersuchungen führten regelmäßig nur zu einer zweidimensionalen Darstellung der untersuchten Körperteile, auch wenn bereits verschiedene Schnittebenen nacheinander dargestellt werden konnten. Entsprechend ist die vorgenannte Regelung nach Ziffer 7 zu verstehen, dass also die vorgenannten Gebührenziffern Anwendung finden und die sonographische Untersuchung mindestens zwei (zweidimensionale) Ebenen umfassen müsse. Die hier streitige dreidimensionale Darstellung ist - ebenso wie die so genannte vierdimensionale Darstellung - erst nach 1996 zur klinischen Anwendung gelangt. Die Besonderheit dieses Verfahrens ist, dass eine dreidimensionale Volumendarstellung ermöglicht wird, wozu es spezieller Schallköpfe und Rechenprogramme bedarf,
24vgl.: Hoffmann/Kleinken, GOÄ, 3. Aufl. , CII, Nr. 401-424, S. 75, 77 m.w.N.
25Die Darstellung im Sinne von Abschnitt C VI Ziffer 7 der Anlage zur GOÄ meint eine viel fache sonographische Darstellung, jedoch in zweidimensionalen Bildern. Mehrere zweidimensionale Bilder sind aber kein dreidimensionales Bild, sondern bedürften zumindest einer ergänzenden Analyse, um eine der dreidimensionalen Darstellung entsprechende Aussage zu erhalten. Zweidimensional erfasste Messergebnisse sind unter Berücksichtigung der dritten Dimension in eine räumliche Darstellung umzuwandeln. Die dreidimensionale Darstellung entsteht durch die Auswertung einer Vielzahl von einzelnen Messergebnissen, die regelmäßig nur durch eine Computerberechnung in eine bildhafte Grafik umgewandelt werden können. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die Vielzahl der anzustellenden Berechnungen die menschlichen Fähigkeiten übersteigen.
26In dem von der Bundesärztekammer erstellten Verzeichnis über analoge Bewertungen und Abrechnungsempfehlungen (Stand Juli 2015) ist die Anwendung der streitigen Gebührenziffer nicht enthalten. Dies steht einer analogen Abrechnung jedoch nicht entgegen. Für die analoge Anwendung spricht nach Auffassung des Gerichts die Vergleichbarkeit der Sachverhalte, dass nämlich die Gebührenziffer 5733 im Rahmen der Magnetresonanztomographie zur Anwendung kommt, wenn eine computergesteuerte Analyse der erhobenen Daten erforderlich ist. Die Gebührenordnung nennt beispielhaft die Kinetik und die 3D-Rekonstruktion. Gemeint sind unter anderem die durch den Computer erstellte dreidimensionale Darstellung von einzelnen Strukturen und so genannte Bewegungsstudien (vierdimensionale Bilder, Filme),
27vgl. Hoffmann/Kleinken a.a.O., CII, Nr. 5700-5735, S. 66/3 m.w.N.
28Insoweit werden Vorgänge erfasst, die bei den modernen Ultraschalluntersuchungen der hier streitigen Art ebenfalls anfallen, nämlich die computergestützte Erstellung eines dreidimensionalen Bildes. Hinzu kommen die begleitenden Möglichkeiten, wenn etwa die Software durch das Herausrechnen überlagernder anderer Strukturen eine isolierte dreidimensionale Darstellung des untersuchten Bereiches ermöglicht. Entsprechend sind mit der dreidimensionalen Darstellungstechnik über die zweidimensionale Darstellung hinausgehende Untersuchungsebenen darstellbar.
29Gegen den Gebührenansatz im Übrigen bestehen keine Bedenken.
30Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Prozesszinsen ergibt sich aus § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB analog.
31Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.