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Die Beklagte wird unter teilweiser Abänderung des Festsetzungsbescheides vom 19. 11. 2012 verpflichtet, den Elternbeitrag für das Jahr 2012 neu festzusetzen und in diesem Zusammenhang die steuerlich als Sonderausgaben anerkannten Kinderbetreuungskosten einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
T a t b e s t a n d
2Die Kläger sind die Eltern der Kinder Q. und K. N. . K. besucht seit August 2011 die KiTa M. Str. 00 in Bonn.
3Mit Änderungsbescheid vom 19. 11. 2012 wurde der Elternbeitrag für K. für das Jahr 2012 auf 383,- € (Januar bis März 2012) bzw. 324,- € (ab April 2012) festgesetzt. Dem lag eine Eingruppierung der Kläger in die Einkommensgruppe über 73.626,- € zu Grunde.
4Unter dem 03. 02. 2013 legten die Kläger die Lohnsteuerbescheinigungen für das Jahr 2012 vor und beantragten die Neufestsetzung des Elternbeitrags.
5Mit Schreiben ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 03. 05. 2013 lehnte die Beklagte eine Neufestsetzung ab und führte zur Begründung aus, das Einkommen der Kläger im Jahr 2012 liege über 73.626,- €, der Elternbeitragsbescheid vom 19. 11. 2012 behalte deshalb weiter seine Gültigkeit. Kinderbetreuungskosten seien keine Werbungskosten mehr und könnten deshalb nicht in Abzug gebracht werden.
6Mit Schreiben vom 14. 05. und 14. 07. 2013 legten die Kläger den Steuerbescheid für 2012 vor, verwiesen auf die als Sonderausgaben berücksichtigten Kinderbetreuungskosten in Höhe von 2.926,- € sowie auf § 2 Abs. 5 Satz 2 EStG und baten erneut um Neufestsetzung des Elternbeitrags.
7Mit Schreiben ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 27. 08. 2013 lehnte die Beklagte eine Neufestsetzung erneut ab.
8Die Kläger haben am 25. 09. 2013 Klage erhoben. Sie berufen sich weiterhin auf § 2 Abs. 5a Satz 2 EStG und machen geltend, die Kinderbetreuungskosten hätten vom Einkommen in Abzug gebracht werden müssen. Der Bundesgesetzgeber habe verhindern wollen, dass die ab 01. 01. 2012 geltende Vereinfachung des Steuerrechts negative Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete hat. Es sei ausdrücklicher Wille des Gesetzgebers gewesen, durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 eine Besserstellung der Familien zu erreichen. Kommunales Recht in Form einer Beitragssatzung könne Bundesrecht nicht brechen.
9Die Kläger beantragen sinngemäß,
10die Beklagte unter teilweiser Abänderung des Festsetzungsbescheides vom 19. 11. 2012 zu verpflichten, den Elternbeitrag für das Jahr 2012 neu festzusetzen und in diesem Zusammenhang die steuerlich als Sonderausgaben anerkannten Kinderbetreuungskosten einkommensmindernd zu berücksichtigen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie führt unter anderem aus, die Rechtsprechung unterscheide regelmäßig zwischen dem steuerrechtlichen Einkommensbegriff und dem Einkommensbegriff im Elternbeitragsrecht. Die Beitragssatzung der Beklagten habe sich nicht an § 2 Abs. 5 a EStG zu messen, sondern an den gesonderten beitragsrechtlichen Vorgaben gemäß § 90 SGB VIII i. V. m. § 23 KiBiz. Der Landesgesetzgeber habe von seiner Gestaltungsfreiheit im KiBiz nur im Rahmen von § 23 KiBiz Gebrauch gemacht und es ansonsten den Gemeinden überlassen, die Bemessungsgrundlage des Beitrags durch Satzung festzulegen. Der Einkommensbegriff nach Beitragsrecht knüpfe nicht an den steuerlichen Einkommensbegriff an, sondern verwende ihn autonom.
14Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftsätzlich einverstanden erklärt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich insoweit vorab einverstanden erklärt haben, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
18Die Klage hat Erfolg.
19Sie ist als auf Erlass eines geänderten Beitragsbescheides gerichtete Verpflichtungsklage zulässig.
20Nach der zur Erhebung von Elternbeiträgen ergangenen Rechtsprechung stehen Elternbeitragsbescheide von vornherein unter dem Vorbehalt nachträglicher Überprüfung und Änderung, wenn das von der Behörde festgestellte oder das von den Beitragspflichtigen offenbarte Jahreseinkommen zu einer Änderung der Beitragsfestsetzung zwingt,
21vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.08.2008 - 12 A 1860/08 -, zur Vorgängervorschrift des § 17 Abs. 5 Satz 3 GTK, juris.
22Elternbeitragsbescheide stehen daher regelmäßig - unabhängig von einem in den Bescheid aufgenommenen Vorbehalt - von vornherein unter dem Vorbehalt nachträglicher Überprüfung und Änderung zur Gewährleistung der Beitragsgerechtigkeit und der Beitragserhebung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Grundsatz der Beitragserhebung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verpflichtet die Beklagte, zunächst erfolgte Beitragsfestsetzungen zu ändern, wenn die Beitragspflichtigen ihre tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch Vorlage aussagekräftige Einkommensnachweise belegen. Diese Verpflichtung zum Erlass eines Beitragsänderungsbescheides kann durch eine Verpflichtungsklage erreicht werden. Einer Anfechtung des ursprünglichen Beitragsbescheides bedarf es nicht. Deshalb kann dahinstehen, ob die Klagefrist für die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 19. 11. 2012 verstrichen ist.
23Die zulässige Verpflichtungsklage ist auch begründet. Die Kläger haben einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die mit Bescheid vom 19. 11. 2012 festgetzten Elternbeiträge für das Beitragsjahr 2012 ändert.
24Für das Beitragsjahr 2012 haben die Kläger durch Vorlage der Lohnsteuerbescheinigungen und insbesondere des Steuerbescheides 2012 aussagekräftige Angaben zur Höhe ihres tatsächlichen Einkommens im Jahr 2012 gemacht. Die Angaben ermöglichen eine abschließende Beurteilung des Beitragsjahres 2012 und gebieten eine Abänderung des Bescheides vom 19. 11. 2012, da das maßgebliche Einkommen der Kläger im Jahr 2012 unter 73.626,- € lag und sie daher für 2012 nicht der Einkommensstufe 7, sondern der Einkommensstufe 6 (über 61.355,- € bis 73.626,- €) zuzuordnen sind.
25Als maßgebliches Einkommen ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 der Beitragssatzung der Beklagten „die Summe der positiven Einkünfte der Eltern im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes“ anzusehen. Mit der Verweisung auf das Einkommensteuergesetz kann die jeweils aktuelle Fassung des Einkommensteuergesetzes nur dann gemeint sein, wenn es sich um eine sog. gleitende oder dynamische Verweisung handelt. Eine Verweisung wird regelmäßig durch den Formulierungssatz „in der jeweils geltenden Fassung“ zu einer gleitenden oder dynamischen Verweisung. An einer solchen ausdrücklichen Klarstellung, die deutlich macht, dass die jeweils aktuelle Fassung herangezogen werden soll, fehlt es hier. Es ist deshalb vom Vorliegen einer starren Verweisung, also einer Verweisung auf das Einkommensteuergesetz in der Fassung, die bei Inkrafttreten der Satzung galt, auszugehen. Diese Auslegung der Verweisungsnorm in der Satzung ist insbesondere auch deshalb geboten, da der Satzungsgeber die künftige Entwicklung der Bezugsnormen nicht bestimmen kann. Es handelt sich bei den Normen des Einkommensteuergesetzes um Normen eines anderen Normgebers. Im vorliegenden Fall hatte der kommunale Satzungsgeber keinen Einfluss auf die künftige Einordnung der Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben oder Werbungskosten durch den Bundesgesetzgeber. Der kommunale Satzungsgeber hat bei Erlass der Satzung auch nicht voraussehen können, dass der Bundesgesetzgeber Kinderbetreuungskosten künftig nicht mehr als Werbungskosten, sondern als Sonderausgaben einordnen würde. Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der kommunale Satzungsgeber seine Regelungsbefugnisse hinsichtlich des beitragsrechtlichen Einkommensbegriffes in nicht unerheblichem Umfang auf den für das Einkommensteuergesetz zuständigen Bundesgesetzgeber verlagern wollte.
26Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung - 01. 08. 2010 - waren Kinderbetreuungskosten noch als Werbungskosten gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG abzugsfähig. Auf diese Rechtslage ist wegen des Fehlens einer dynamischen Verweisung auch vorliegend abzustellen. Auf die Frage, ob die Satzung im Falle einer dynamischen Verweisung mit § 2 Abs. 5a EStG vereinbar wäre und ob § 2 Abs. 5a EStG seinerseits verfassungsgemäß ist, kommt wegen des Vorliegens einer starren Verweisung nicht an.
27Danach beläuft sich das maßgebliche Einkommen der Klägerin auf 18.293,- € (Bruttoarbeitslohn 21.501,- € abzüglich tatsächlicher Werbungskosten i.H.v. 1.945,- € abzüglich Sonderausgaben Kinderbetreuungskosten i.H.v. 2.926,- € zuzüglich 1.663,- € „Beamtenzuschlag“). Das maßgebliche Einkommen des Klägers beläuft sich auf 54.241,- € (Bruttoarbeitslohn 50.310,- € abzüglich 1.000,- € Werbungskostenpauschale zuzüglich 4.931,- € „Beamtenzuschlag“). Das maßgebliche Gesamteinkommen der Kläger in 2012 beläuft sich damit auf 72.534,- € und rechtfertigt die von der Beklagten vorgenommene Einstufung in die Einkommensgruppe über 73.626,- € nicht.
28Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
29Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.