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Die Bescheide der Wehrbereichsverwaltung West vom 12.12.2011 und vom 13.12.2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22.02.2012 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger den Familienzuschlag der Stufe 1 für die Zeit vom 07.10.2005 bis zum 31.12.2008 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger, der seit dem 07.10.2005 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, stand als Zeitsoldat mit einer Dienstzeit von acht Jahren bis zum 29.02.2008 im Dienst der Beklagten. Anschließend bezog er bis zum 30.11.2009 Übergangsgebührnisse, die wegen einer im Juni 2008 aufgenommenen Beschäftigung im öffentlichen Dienst der Ruhensregelung unterlagen. In der Besoldungsakte war der Kläger durchgängig mit dem Familienstand ledig geführt worden. Im Mai 2011 beantragte er, ihm rückwirkend ab Beginn der eingetragenen Lebenspartnerschaft Familienzuschlag der Stufe 1 zu gewähren. Die Beschränkung des Familienzuschlags auf Verheiratete verstoße gegen die Richtlinie 2000/78/EG. Die bisherige Sichtweise deutscher Gerichte, wonach die Situation verpartnerter und verheirateter Bediensteter nicht oder zumindest nicht normativ vergleichbar sei, sei inzwischen durch eine Entscheidung des EuGH vom 10.05.2011 überholt. Seit Ablauf der Umsetzungsfrist im Jahr 2003 könne sich ein Bediensteter unmittelbar auf die Richtlinie berufen. Der besoldungsrechtliche Gesetzesvorbehalt könne den Anwendungsvorrang von Unionsrecht nicht in Frage stellen. Die sich aus der Richtlinie ergebenden Ansprüche unterlägen keiner zeitlichen Begrenzung; insbesondere dürfe der Anspruch nicht von einer zeitnahen Geltendmachung abhängig gemacht werden. Ihm gehe es ausschließlich um den Familienzuschlag nach § 40 Abs.1 Nr.1 (nicht Nr.4) BBesG; Angaben zu Einkünften seines Lebenspartners wolle er daher nicht machen. Auf eine Verjährung seines Anspruchs könne sich die Beklagte nicht berufen, da er schon 2005 mitgeteilt habe, dass er eine Lebenspartnerschaft eingegangen sei. Die Beklagte hätte seinen Anspruch daher von Amts wegen prüfen müssen.
3Die Wehrbereichsverwaltung West wies den Kläger darauf hin, dass sie bislang nicht über seine Lebenspartnerschaft informiert gewesen sei. Für die Zeit vor dem 01.01.2008 mache sie die Einrede der Verjährung geltend. Nachdem durch das Gesetz zur Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften vom 14.11.2011 § 17 b rückwirkend zum 01.01.2009 in das BBesG eingefügt worden war, setzte die Wehrbereichsverwaltung West mit Bescheiden vom 12.12.2011 und 13.12.2011 die Übergangsgebührnisse des Klägers für die Zeit ab Januar 2009 unter Berücksichtigung des Familienzuschlags Stufe 1 fest und berechnete die ruhenden Versorgungsbezüge neu .
4Den gegen diese Bescheide erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, das Besoldungsrecht verstoße gegen die Richtlinie 2000/78/EG, wies die Wehrbereichsverwaltung West mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2012 zurück. § 40 Abs.1 Nr.1 in Verbindung mit § 17b BBesG biete eine gesetzliche Grundlage dafür, Bediensteten in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft den Familienzuschlag Stufe 1 für die Zeit ab dem 01.01.2009 zu gewähren, erlaube dies jedoch nicht für vorhergehende Zeiträume. An die gesetzliche Regelung, deren Rechtmäßigkeit nicht in Zweifel stehe, sei die Wehrverwaltung gebunden. Der Bescheid wurde dem Kläger am 25.02.2012 zugestellt.
5Der Kläger hat am 23.03.2012 Klage erhoben.
6Zur Klagebegründung führt er ergänzend aus, die zeitliche Begrenzung des Familienzuschlags erst ab dem 01.01.2009 stelle eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern dar. Dies stehe nunmehr durch die Entscheidung des BVerfG vom 19.06.2012 fest. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH sei das innerstaatliche Gericht bei der Anwendung von Unionsrecht gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen. Der Einwand der Verjährung sei als unzulässige zeitliche Anspruchsbegrenzung ausgeschlossen. Eine Verjährung könne schon deshalb nicht begonnen haben, weil es vor der Antragstellung noch keine ausdrückliche gesetzliche Anspruchsgrundlage gegeben habe. Soweit die Richtlinie 2000/78/EG einen Anspruch verleihe, beginne dessen Verjährung nach § 199 Abs.2 Nr.2 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem der Betroffene von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt habe oder hätte erlangen müssen. Hierzu gehöre, dass sich der Lebenspartner in einer Lage befinde, die mit der seiner verheirateten Kollegen vergleichbar sei. Diese durch wertende Betrachtung feststellbare Vergleichbarkeit sei in den vergangenen Jahren unter Juristen hoch streitig gewesen und von der Mehrzahl der Obergerichte verneint worden, bis das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 07.07.2009 bindend festgestellt habe, dass es nur darauf ankomme, ob es im Hinblick auf die streitigen Leistungen erhebliche Unterschiede zwischen den beiden Gruppen gebe. Die Verjährung habe daher frühestens mit Ablauf des Jahres 2009 zu laufen begonnen.
7Der Kläger beantragt,
8die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 12.12.2011 und 13.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2012 zu verurteilen, ihm den Familienzuschlag der Stufe 1 nach § 40 Abs.1 Nr.1 BBesG ab dem 07.10.2005 bis zum 31.12.2008 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie wiederholt den bisher vertretenen Standpunkt.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Die Klage ist zulässig und begründet.
15Die Bescheide der Wehrbereichsverwaltung West vom 12.12.2011 und 13.12.2011 in Gestalt ihres Widerspruchbescheids vom 22.02.2012 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 für den Zeitraum zwischen dem 07.10.2005 und dem 31.12.2008.
16Der Anspruch ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus §§ 40 Abs.1 Satz 1 Nr.1, 74 a Abs.3 BBesG in der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung. Danach erhalten Soldaten in Lebenspartnerschaft, die vor dem 01.01.2009 einen Anspruch auf Familienzuschlag geltend gemacht haben, über den noch nicht abschließend entschieden ist, rückwirkend Familienzuschlag und zwar ab Beginn des Haushaltsjahres, in dem der Anspruch geltend gemacht worden ist, frühestens ab dem Monat, in dem die Lebenspartnerschaft begründet wurde. Es gibt keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger vor 2009 einen Anspruch auf Familienzuschlag geltend gemacht oder auch nur die Eingehung der Lebenspartnerschaft angezeigt hat. In der Besoldungsakte ist er von Beginn seiner Dienstzeit an bis Mai 2011 als ledig geführt worden; weder eigene noch Mitteilungen der Stammdienststelle enthalten zum Familienstand etwas anderes als die Angabe „ledig“, so zuletzt die Mitteilungen über das Ausscheiden eines Soldaten auf Zeit von Oktober 2007 und Februar 2008.
17Ein Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 folgt für den vor 2009 liegenden Zeitraum jedoch aus §§ 40 Abs.1 Satz 1 Nr.1, 74 a Abs.3 BBesG in Verbindung mit Art.1, 2 Abs.1 der Richtlinie 2000/78/EG - Richtlinie -. Nach Art.1 Richtlinie ist deren Zweck die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung u.a. wegen der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet gem. Art.2 Abs.1 Richtlinie die unmittelbare und die mittelbare Diskriminierung. Dabei liegt gem. Art.2 Abs.2 a) Richtlinie eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Art.1 Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt. Die Prüfung der Vergleichbarkeit, die den innerstaatlichen Gerichten obliegt
18- vgl. EuGH, Urteil vom 01.04.2008 - C-267/06 -, juris -,
19ist auf die Situation Verheirateter und von Lebenspartnern im Hinblick auf die konkrete Leistung zu beziehen; sie muss deren nach den anwendbaren innerstaatlichen Bestimmungen bestehenden Rechte und Pflichten in den Blick nehmen, die in Bezug auf den Zweck und die Voraussetzungen der in Rede stehenden Leistung relevant sind.
20Vgl. EuGH, Urteil vom 10.05.2011 - C-147/08 -, juris.
21Der Ausschluss des Klägers von der Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 im hier maßgeblichen Zeitraum stellt eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art.2 Abs.2 a) Richtlinie dar. Er erfährt als Lebenspartner eine im Vergleich zum Ehepartner ungünstigere Behandlung, weil ihm der Familienzuschlag nicht gewährt wird, während er als Ehegatte einen solchen Zuschlag (auch ohne zeitnahe Geltendmachung) beanspruchen könnte. Die Benachteiligung durch die Regelung in §§ 40 Abs.1 Satz 1 Nr.1, 74 a Abs.3 BBesG erfolgt wegen der sexuellen Ausrichtung, denn die Entscheidung des Einzelnen für eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft ist kaum trennbar mit seiner sexuellen Orientierung verbunden.
22Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.06.2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris.
23Die unterschiedliche Behandlung der Lebenspartner im Vergleich zu Verheirateten hat diskriminierende Wirkung, weil sich beide Gruppen im hier maßgeblichen Zeitraum zwischen Oktober 2005 und Dezember 2008 im Hinblick auf die Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 in einer vergleichbaren Lage befanden. Das BVerfG hat in der Entscheidung vom 19.06.2012
24-2 BvR 1397/09 -, juris -,
25mit der es die Verfassungswidrigkeit von § 40 Abs.1 Satz 1 BBesG zwischen dem 01.08.2001 und dem 01.01.2009 festgestellt hat, ausgeführt:
26„In den Grundstrukturen der familienrechtlichen Institute der Ehe und der Lebenspartnerschaft bestehen bereits seit Einführung der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 nur wenige Unterschiede. Insbesondere sind der Grad der rechtlichen Bindung und die gegenseitigen Einstandspflichten bereits seit dem Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 in Ehe und Lebenspartnerschaft weitgehend angeglichen. So sind die Lebenspartner gemäß § 2 LPartG einander zu Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet und tragen füreinander Verantwortung. Die Begründung und Aufhebung der eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie die persönlichen und vermögensrechtlichen Rechtsbeziehungen und Unterhaltspflichten der Lebenspartner sind bereits seit 2001 in naher Anlehnung an die Ehe geregelt. Mit dem zum 01.01.2005 in Kraft getretenen Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 wurde das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft noch näher an das Eherecht angeglichen und auf die Normen zur Ehe in weitem Umfang ... Bezug genommen.“
27Weiter führt das BVerfG aus, dass sachliche Gründe für die Besserstellung des verheirateten Bediensteten fehlen, insbesondere der Gesetzeszweck, wonach faktische Mehrbedarfe des Verheirateten gegenüber Ledigen ausgeglichen werden sollen, dies nicht rechtfertigt, weil insoweit keine Unterschiede zwischen der Lebenssituation von Ehepartnern und Lebenspartnern bestehen.
28Danach befinden sich Lebenspartner und Ehepartner seit 2001 im Hinblick auf die Zahlung des Familienzuschlags der Stufe 1 auch unionsrechtlich in einer vergleichbaren Lage; insoweit gilt hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse nichts anderes.
29Vgl. VGH Bad.-Württ, Urteil vom 06.11.2012 - 4 S 797/12 -, Hess VGH, Beschluss vom 09.04.2013 - 1 A 2436/11 -, VG Wiesbaden, Urteil vom 14.03.2013 - 3 K 1392/11.WI -, VG Ansbach, Urteil vom 30.04.2013 - AN 1 K 13.00448 -; schon vor der Entscheidung des BVerfG: VG Düsseldorf, Urteil vom 16.12.2011 - 13 K 3360709 -; VG Minden, Urteil vom 22.02.2010 - 4 K 2026/08 -, wohl auch VG Münster, Urteil vom 14.06.2010 - 4 K 901/09 -; a.A. noch BVerwG, Urteil vom 28.10.2010 - 2 C 10/09 -; wegen dieser Frage nun Revisionszulassung durch BVerwG, Beschluss vom 20.12.2012 - 2 B 144/11 -, sämtlich in juris.
30Der Kläger kann seinen Anspruch unmittelbar auf die Richtlinie stützen. Die in ständiger Rechtsprechung des EuGH
31- vgl. Urteil vom 01.10.2010 - C-194/08 -, juris -
32zur unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien entwickelten Anforderungen sind erfüllt. Die Umsetzungsfrist ist im Jahr 2003 und damit vor dem Zeitraum abgelaufen, für den der Kläger den Familienzuschlag beansprucht. Bezogen auf diesen Zeitraum gewährleisten die erfolgten Umsetzungsmaßnahmen eine vollständige Anwendung der Richtlinie nicht. Art. 1-3 Richtlinie sind inhaltlich unbedingt und hinreichend genau und damit geeignet, unmittelbare Rechtswirkungen zu entfalten.
33Vgl. VGH Bad.-Württ., Hess VGH, VG Wiesbaden, VG Ansbach jeweils a.a.O.
34Der Kläger muss nicht abwarten, dass der nationale Gesetzgeber seine Besoldungsregelungen mit dem Unionsrecht in Einklang bringt. Der besoldungsrechtliche Gesetzesvorbehalt nach § 2 Abs.1 BBesG steht dem nicht entgegen. Er nimmt nicht teil an den Verfassungsgrundsätzen, die den Anwendungsvorrang des Unionsrechts in Frage stellen könnten.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2009 - 2 C 10.09 -, juris; VGH Bad-Württ. a.a.O.
36Die Durchsetzung des unionsrechtlichen Anspruchs scheitert nicht daran, dass er nicht zeitnah geltend gemacht worden ist.
37Ebenso VGH Bad-Württ., VG Wiesbaden, VG Ansbach jeweils a.a.O.; a.A. LAG Köln, Urteil vom 12.12.2012 - 3 Sa 810/12 -; vgl. auch Vorabentscheidungsersuchen des VG Gießen mit Beschluss vom 29.11.2012 - 5 K 1487/12.GI - an den EuGH mit der Frage, ob es mit der Richtlinie in Einklang steht, entsprechend in der Bundesrepublik Deutschland geltenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen einen rückwirkenden besoldungsrechtlichen Anspruch erst ab Beginn des Haushaltsjahres zuzuerkennen, in dem der Beamte diesen Anspruch erstmals geltend gemacht hat
38Der Umstand, dass das BVerfG in seiner Entscheidung vom 19.06.2012 den Gesetzgeber zur rückwirkenden Beseitigung des Verfassungsverstoßes zum 01.08.2001 nur für die Bediensteten verpflichtet, die ihren Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlags zeitnah geltend gemacht haben, hat keinen Einfluss auf die Voraussetzungen, unter denen der unionsrechtliche Anspruch geltend gemacht werden kann.
39Ebenso VG Wiesbaden a.a.O. (mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 26.07.2012 - 2 C 29/11 -, juris zu den unterschiedlichen Voraussetzungen des unionsrechtlichen und beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruchs bei Zuvielarbeit).
40Das BVerfG begründet die Einschränkung im Wesentlichen damit, dass es im Bereich der Beamtenbesoldung die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und den Umstand berücksichtige, dass die Alimentation die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs aus gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln darstelle. Diese Entscheidung verhält sich ausschließlich zum nationalen Verfassungsrecht, trifft keine Aussage zum unionsrechtlichen Anspruch und ist mit ihren Erwägungen auf diesen auch nicht übertragbar. Zum Einen geht es hier nicht um die Geltendmachung einer Unteralimentierung, sondern um das Vorenthalten eines zustehenden Bezügeanteils.
41Vgl. VGH Bad-Württ., VG Wiesbaden, VG Ansbach jeweils a.a.O.
42Die verfassungsgerichtliche Einschränkung ist lediglich eine an den Gesetzgeber gerichtete Maßgabe für die Ausgestaltung von positivem Recht, das der Gesetzgeber erst noch schaffen muss, um den besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt zu erfüllen. Dagegen kann sich der Kläger auf bereits existierende Ansprüche stützen, die wegen Verstoßes gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot jedoch nur in Teilen anwendbar sind.
43Vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 05.03.2013 - 9 K 4475/12.F - juris, zu einem Fall der Altersdiskriminierung mit der weiteren Überlegung, dass das beamtenrechtliche Treueverhältnis ein wechselseitiges sei; die Beklagte als Dienstherrin und Normgeberin habe diskriminierendes Recht unter Verstoß ihrer Verpflichtung zur Umsetzung des Diskriminierungsverbots weitergelten lassen; dass sie die diskriminierende Besoldungsgestaltung zunächst hingenommen habe, die Unvereinbarkeit aber zumindest hätte in Rechnung stellen müssen, verbiete es nach Treu und Glauben, dem diskriminierten Personenkreis nun vorzuhalten, er habe die Ansprüche nicht zeitnah geltend gemacht.
44Zudem ist es der Kammer als innerstaatlichem Gericht verwehrt, den vorrangigen unionsrechtlichen Anspruch aufgrund von nationalen Besonderheiten des Beamtenrechts einzuschränken. Es ist vielmehr nach der Rechtsprechung des EuGH
45- vgl. Urteil vom 10.05.2011 - C-147/08 - a.a.O. -
46gehalten, für die volle Wirksamkeit der unionsrechtlichen Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede – auch spätere – entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren zu beantragen oder abzuwarten hätte. Dem EuGH ist es vorbehalten, mit Rücksicht auf schwerwiegende Störungen, zu denen sein Urteil im Hinblick auf in der Vergangenheit liegende Vorgänge führen könnte, ausnahmsweise die Möglichkeit der Betroffenen, sich auf die Auslegung einer Bestimmung durch den Gerichtshof zu berufen, in zeitlicher Hinsicht zu beschränken.
47Vgl. EuGH, Urteil vom 01.04.2008 – C-267/06 – a.a.O.
48Dies ist in Bezug auf die Richtlinie bislang nicht geschehen. Insbesondere im Urteil vom 10.05.2011 - C 147/08 - a.a.O. hat der EuGH eine solche Beschränkung nicht vorgenommen und hatte die Bundesrepublik Deutschland auch kein entsprechendes Ersuchen gestellt. Der Anforderung einer zeitnahen Geltendmachung von Ansprüchen, die sich aus unzureichend umgesetzten Richtlinien ergeben, steht schließlich auch die Rechtsprechung des EuGH
49- vgl. Urteil vom 25.07.1991 - C 208/90 -, juris -
50entgegen, wonach die Mitgliedstaaten gehalten sind, tatsächlich für die vollständige Anwendung der Richtlinien in hinreichend bestimmter und klarer Weise Sorge zu tragen, damit die Einzelnen in die Lage versetzt werden, in vollem Umfang von daraus abzuleitenden Rechten Kenntnis zu erlangen und sie geltend zu machen. Soweit ein Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Durchführungsmaßnahmen getroffen hat und der Einzelne sich deshalb ausnahmsweise direkt auf die Richtlinie berufen kann, soll diese Mindestgarantie dem Mitgliedstaat nicht als Rechtfertigung dafür dienen, dass er rechtzeitige Durchführungsmaßnahmen unterlässt. Solange die Richtlinie nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt ist, ist der Einzelne nicht in die Lage versetzt, in vollem Umfang von seinen Rechten Kenntnis zu erlangen. Vom Einzelnen kann die Geltendmachung seiner Rechte erst verlangt werden, wenn durch die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie Rechtssicherheit geschaffen worden ist. Daher darf der säumige Mitgliedstaat sich bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen, vielmehr kann eine Klagefrist erst zu diesem Zeitpunkt beginnen.
51Der danach entstandene Anspruch ist nicht verjährt.
52Besoldungsansprüche unterliegen gem. § 195 Bürgerliches Gesetzbuch in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung - BGB - einer Verjährungsfrist von drei Jahren. Sie beginnt nach § 199 Abs.1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Ein Gläubiger hat Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen i.S. dieser Norm, wenn er die Tatsachen kennt, die die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm erfüllen. Maßgebend ist dabei, ob der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person Klage erheben kann, d.h. dem Anspruchsberechtigten muss die Erhebung der Klage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich, mithin zumutbar sein.
53Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 10.03.2010 - 14 B 09.630 -; BGH, Urteil vom 23.09.2008 - XI ZR 262/07 - beide in juris.
54Ist es grundsätzlich nicht Voraussetzung für den Verjährungsbeginn, dass der Berechtigte die zutreffenden rechtlichen Schlüsse aus der Tatsachenkenntnis zieht, kann dies anders sein, wenn es sich um eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage handelt, so dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. Dann kann der Verjährungsbeginn bis zur objektiven Klärung der Rechtslage hinauszuschieben sein, denn es fehlt an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Vor-aussetzung für den Verjährungsbeginn.
55Bay VGH und BGH a.a.O.
56Nach diesen Maßstäben hat die dreijährige Verjährungsfrist nicht zu laufen begonnen. Bis heute besteht ein Zustand der Rechtsunsicherheit, denn die Richtlinie ist nach wie vor nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt, der streitige Anspruch dementsprechend für den Kläger dem BBesG nicht zu entnehmen. Dieses Verständnis trägt auch der genannten Rechtsprechung des EuGH Rechnung, wonach dem Betroffenen vor ordnungsgemäßer Umsetzung eine Geltendmachung nicht zumutbar ist. Die Antragstellung im Mai 2011 kam danach dem Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist zuvor.
57Die zehnjährige Verjährungsfrist, die gem. § 199 Abs.4 BGB ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis mit der Anspruchsentstehung beginnt, war bei Antragstellung noch nicht abgelaufen.
58Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
59Mit Rücksicht auf die Revisionszulassung durch das BVerwG mit Beschluss vom 20.12.2012 - 2 B 144/11 - und das Vorabentscheidungsersuchen des VG Gießen mit Beschluss vom 29.11.2012 - 5 K 1487/12.GI - lässt die Kammer die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu (§ 124 a Abs.1 VwGO in Verbindung mit § 124 Abs.2 Nr.3 VwGO).
60Rechtsmittelbelehrung
61Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte - ERVVO VG/FG - vom 7. November 2012, GV. NRW. S. 548) bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
62Die Berufung ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bei dem Oberverwaltungsgericht, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt; sie muss einen bestimmten Antrag und die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.
63Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
64Die Berufungsschrift sollte dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.
65Delfs Nagel Dr. Garloff
66Beschluss
67Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
68die Wertstufe bis zu 2.500,00 €
69festgesetzt.
70Gründe
71Mit Rücksicht auf die Bedeutung der Sache für den Kläger ist es angemessen, den Streitwert unter Anwendung der Grundsätze des sogenannten beamtenrechtlichen Teilstatus auf die festgesetzte Wertstufe zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung, vgl. § 71 Abs.1 GKG).