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Der Anspruch auf Verspätungsentschädigung von Bahnkunden nach Art. 17 der Verordnung (EG) Nr.1371/2007 richtet sich bei Beteiligung mehrerer Eisenbahnunternehmen an der Beförderung nicht nur gegen das Unternehmen, das die Verspätung verursacht hat. Vielmehr kann auch das Eisenbahnunternehmen von dem Fahrgast auf Verspätungsentschädigung in Anspruch genommen werden, dessen Fahrkarte der Fahrgast erworben hat.
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 16.1.2013 wird wiederhergestellt, soweit dieser Bescheid die Vorlage von Unterlagen über Vorgänge betrifft, bei denen nicht Fahrkarten der Antragstellerin bzw. DB-Streckenzeitfahrkarten des Fernverkehrs ausgestellt worden waren.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 4/5 und die Antragsgegnerin zu 1/5.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin
4gegen den Auskunftsbescheid der Antragsgegnerin vom 16.1.2013
5wiederherzustellen,
6ist ganz überwiegend unbegründet (I.) und hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (II.).
7I.
8Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs wiederherstellen, wenn das Interesse am vorläufigen Aufschub der Vollziehung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids überwiegt. Das ist der Fall, wenn sich der Bescheid bei der im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist, weil an der sofortigen Vollziehung rechtswidriger Bescheide ein öffentliches Interesse nicht bestehen kann. Die Frage der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes ist jedoch regelmäßig nur insoweit zu berücksichtigen, als sie schon bei summarischer Prüfung überschaubar ist. Eine abschließende Überprüfung des angefochtenen Bescheids ist nicht gefordert.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.8.2000 - 20 B 959/00 - m. w. N.
10Nach diesem Maßstab ist der Antrag zum ganz überwiegenden Teil, nämlich soweit er Vorgänge betrifft, bei denen Fahrkarten der Antragstellerin ausgestellt worden waren, abzulehnen, weil sich bei summarischer Prüfung diesbezüglich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids vom 16.1.2013 nicht feststellen lässt und auch die Interessenabwägung im Übrigen nicht eine Entscheidung zu Gunsten der Antragstellerin gebietet.
11Die in Ziffer 1 des Bescheides vom 16.1.2013 verfügte Anforderung der Vorgänge, die im Jahr 2012 mit einer Verspätung von 59 Minuten abgelehnt wurden und bei denen eine DB-Fernverkehr-Fahrkarte mit einem Beförderungsentgelt von mindestens 16,- Euro für die einfache Fahrt oder von 32,- Euro für die Hin- und Rückfahrt ausgestellt oder eine DB-Streckenzeitkarte des Fernverkehrs verwendet wurde, wird sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.
12Rechtsgrundlage für diese Verfügung ist § 5 a Abs. 2 i. V. m. Abs. 5 AEG. Nach § 5 a Abs. 2 AEG können die Eisenbahnaufsichtsbehörden in Wahrnehmung ihrer Aufgaben gegenüber denjenigen, die durch die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften verpflichtet werden, die Maßnahmen treffen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen die in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften erforderlich sind.
13Nach § 5 a Abs. 5 Satz 1 AEG haben die nach § 5 a Abs. 2 AEG Verpflichteten den Eisenbahnaufsichtsbehörden alle für die Durchführung der Eisenbahnaufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Nachweise zu erbringen.
14Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn die Antragsgegnerin benötigt von der Antragstellerin die angeforderten Unterlagen, um klären zu können, ob in der Bearbeitung der Entschädigungsanträge durch die DB Dialog GmbH ein Verstoß der Antragstellerin gegen Art. 17 der Verordnung (EG) 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr liegt. Diese Klärung dient jedenfalls dem Ziel, ggf. künftige Verstöße zu vermeiden.
15Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei der Antragstellerin um die nach § 5 a Abs. 2 AEG Verpflichtete. Denn es ist zu klären, ob die Antragstellerin ihrer Verpflichtung aus Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 auf Gewährung von Verspätungsentschädigungen ordnungsgemäß nachkommt. Nach dieser Vorschrift kann ein Fahrgast, ohne das Recht auf Beförderung zu verlieren, bei Verspätungen vom Eisenbahnunternehmen eine Fahrpreisentschädigung verlangen, wenn er zwischen dem auf der Fahrkarte angegebenen Abfahrts- und Zielort eine Verspätung erleidet, für die keine Fahrpreiserstattung nach Art. 16 der Verordnung erfolgt ist.
16Die zwischen den Beteiligten in erster Linie streitige Frage, wie der Begriff "Eisenbahnunternehmen" in Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 zu verstehen ist und vor allem, ob die Antragstellerin im Verhältnis zum Fahrgast auch dann zur Gewährung von Verspätungsentschädigungen verpflichtet ist und deshalb auch hier als Verpflichtete herangezogen werden kann, wenn der Kunde zwar eine Fahrkarte der Antragstellerin erworben hat, die Verspätung jedoch in einer Beförderungskette von einem nicht DB- eigenen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) verursacht wurde, ist bei summarischer Prüfung dahin zu beantworten, dass mehr dafür spricht, dass der Anspruch auf Verspätungsentschädigung nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 - jedenfalls auch - gegenüber demjenigen Eisenbahnverkehrsunternehmen besteht, mit dem der Beförderungsvertrag geschlossen wurde.
17Nach dem Verständnis der Kammer ist davon auszugehen, dass bei einer Beförderungskette ein einheitlicher Beförderungsvertrag geschlossen wird, mit der Folge, dass sich der Fahrgast mit seinem Antrag auf Verspätungsentschädigung jedenfalls auch an das Unternehmen wenden kann, dessen Fahrkarte er gekauft hat bzw. mit dem er den Beförderungsvertrag abgeschlossen hat.
18Für dieses Verständnis spricht zunächst die Definition in Art. 3 Nr. 2 der Verordnung (EG) 1371/2007, wonach als Beförderer das vertragliche Eisenbahnunternehmen bezeichnet wird, mit dem der Fahrgast den Beförderungsvertrag geschlossen hat, oder eine Reihe aufeinanderfolgender Eisenbahnunternehmen, die auf der Grundlage dieses Vertrages haften. Art. 3 Nr. 2 der genannten Verordnung geht also auch in dem Fall, dass eine Reihe von Eisenbahnunternehmen an einem Beförderungsvertrag beteiligt ist, von einem einheitlichen Beförderungsvertrag aus.
19Auch die Definition in Art. 3 Nr. 8 der Verordnung (EG) 1371/2007 bezeichnet als Beförderungsvertrag einen Vertrag über die entgeltliche oder unentgeltliche Beförderung zwischen einem Eisenbahnunternehmen oder einem Fahrkartenverkäufer und dem Fahrgast über die Durchführung einer oder mehrerer Beförderungsleistungen. Diese Definition geht ebenfalls davon aus, dass mehrere Beförderungsleistungen in einem Beförderungsvertrag zusammengefasst werden können.
20Noch deutlicher macht dies Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) 1371/2007, der als "Durchgangsfahrkarte" eine oder mehrere Fahrkarten bezeichnet, die einen Beförderungsvertrag für aufeinanderfolgende durch ein oder mehrere Eisenbahnunternehmen erbrachte Verkehrsleistungen belegen. Maßgeblich ist auch hier das Verständnis, dass hinsichtlich der Erbringung mehrerer Verkehrsleistungen durch mehrere Eisenbahnunternehmen ein Beförderungsvertrag abgeschlossen wird.
21Die in Art. 17 Abs. 1 Satz 6 der Verordnung (EG) 1371/2007 vorgesehene Art der Berechnung der Fahrpreisentschädigung, die eine anteilige Berechnung im Hinblick auf einen verspäteten Verkehrsdienst vorsieht, der im Rahmen eines sonstigen Beförderungsvertrages mit mehreren aufeinanderfolgenden Teilstrecken angeboten wird, zeigt ebenfalls, dass die Verordnung auch in diesem Fall von einem einheitlichen Beförderungsvertrag ausgeht.
22Das rechtliche Verständnis der Antragstellerin, dass im Falle einer Beförderungskette, also eines Reisewegs, bei dem mehrere Eisenbahnverkehrsunternehmen tätig werden, mehrere jeweils selbständige Beförderungsverträge abgeschlossen werden, steht mit den vorgenannten Bestimmungen der Verordnung (EG) 1371/2007 nicht im Einklang und findet auch im Übrigen in dieser Verordnung oder in dem sonstigen einschlägigen Regelwerk keine Stütze.
23Gegen die Auffassung der Antragstellerin, dass es sich im Fall einer Beförderungskette rechtlich um eine Summe von verschiedenen Beförderungsverträgen mit verschiedenen Vertragspartnern handelt, spricht ferner auch die Tatsache, dass der Fahrgast, der eine Fahrkarte der Antragstellerin für eine Fahrt betreffend eine Beförderungskette erwirbt, möglicherweise gar nicht weiß oder wissen kann, wer sein Vertragspartner auf einem weiteren Teilstück ist. Auch werden regelmäßig beim Erwerb einer Fahrkarte der Antragstellerin betreffend eine Beförderungskette nicht die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aller beteiligten Eisenbahnverkehrsunternehmen zum Gegenstand des Beförderungsvertrages gemacht.
24Das die Verordnung (EG) 1371/2007 prägende und etwa in den Erwägungsgründen 1 und 3 genannte Ziel, die Fahrgastrechte zu schützen, würde nicht erreicht, wenn der Fahrgast im Fall einer Beförderungskette erst mühsam ermitteln müsste, mit welchen Eisenbahnverkehrsunternehmen er Beförderungsverträge geschlossen hat, wenn diese Eisenbahnverkehrsunternehmen ggf. aus der Fahrkarte gar nicht ersichtlich sind. Denn Erwägungsgrund 3 der Verordnung (EG) 1371/2007 sieht den Fahrgast ausdrücklich als die schwächere Partei eines Beförderungsvertrages und formuliert deshalb das Ziel, seine Rechte in dieser Hinsicht zu schützen.
25Desweiteren teilt die Kammer auch nicht das Verständnis der Antragstellerin, dass eine Verspätungsentschädigung nach Art. 17 der Verordnung (EG) 1371/2007 bei einer Beförderungskette nur von dem Eisenbahnunternehmen verlangt werden kann, das die Verspätung verursacht hat. Dem Wortlaut von Art. 17 der Verordnung (EG) 1371/2007 lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen. Vielmehr besteht ein Anspruch auf Entschädigung gegenüber dem Eisenbahnunternehmen, wenn eine Verspätung tatsächlich vorliegt. Maßgeblich ist auch hier der Beförderungsvertrag und die nach dem Beförderungsvertrag geschuldete Leistung. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, ist nach der Verordnung weder ein Verschulden noch ein Verursachungsbeitrag des Eisenbahnunternehmens erforderlich. Lediglich Verspätungen, für die das Eisenbahnunternehmen nachweisen kann, dass sie außerhalb des Geltungsbereichs des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eingetreten sind, werden bei der Berechnung der Verspätungsdauer gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 7 der Verordnung (EG) 1371/2007 nicht berücksichtigt. Der Verordnung ist nicht zu entnehmen, dass dem Fahrgast die Pflicht auferlegt werden sollte, etwa bei einer umfangreichen Beförderungskette im Einzelnen nachzuweisen, wer die Verspätung verursacht hat. Dabei sind vor allem auch die Fälle in den Blick zu nehmen, in denen mehrere Eisenbahnverkehrsunternehmen Verspätungen verursacht haben, die erst in der Summe zu einer Verspätung von mehr als 60 Minuten führen. Eine solche ggf. aufwändige Ermittlung von Verspätungsursachen, die dann erst die Frage klärt, gegen wen der Anspruch auf Fahrpreisentschädigung nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 überhaupt zu richten ist, wird dem Fahrgast nach den Bestimmungen der Fahrgastrichtlinie nicht zugemutet.
26Für dieses Verständnis, das - jedenfalls auch - eine Verantwortlichkeit der Antragstellerin für Verspätungsentschädigungen annimmt, dürfte schließlich auch Erwägungsgrund 14 der Verordnung (EG) 1371/2007 i. V. m. Art. 56 § 4 der Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen (Anhang A zum Übereinkommen in der Fassung des Protokolls von 1999), BGBl. II, 2002, 2140) (CIV) sprechen. Nach Erwägungsgrund 14 ist es wünschenswert, dass durch diese Verordnung ein System für die Entschädigung von Fahrgästen bei Verspätungen geschaffen wird, das mit der Haftung des Eisenbahnunternehmens verknüpft ist und auf der gleichen Grundlage beruht wie das internationale System, das im Rahmen des COTIF, insbesondere in dessen Anhang betreffend die Fahrgastrechte (CIV) besteht. Nach Art. 56 § 4 CIV können Ansprüche auf Erstattung von Beträgen, die auf Grund des Beförderungsvertrages gezahlt worden sind, gegen den Beförderer gerichtlich geltend gemacht werden, der den Betrag erhoben hat, oder gegen den Beförderer, zu dessen Gunsten der Betrag erhoben worden ist.
27Wendete man diese Vorgabe vorliegend sinngemäß auch auf das Geltendmachen von Verspätungsentschädigungen an, wäre hier jedenfalls auch eine Verantwortlichkeit der Antragstellerin zu bejahen.
28Die Frage, wie ein interner Ausgleich zwischen den Eisenbahnverkehrsunternehmen, die an einer Beförderungskette beteiligt sind, zu erfolgen hat, ist grundsätzlich davon zu unterscheiden, welches Eisenbahnunternehmen der Fahrgast in Anspruch nehmen kann.
29Deshalb ist die Antragstellerin in den Fällen, hinsichtlich derer die Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Bescheid Unterlagen - betreffend Fahrkarten der Antragstellerin - angefordert hat, Vertragspartnerin des Beförderungsvertrages und deshalb - jedenfalls auch - Adressatin der Verpflichtung aus Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007. Die DB Dialog GmbH hat deshalb in diesen Fällen - auch - für die Antragstellerin gehandelt, mit der Folge, dass es in der Sache um Unterlagen der Antragstellerin geht, deren Herausgabe mit dem angefochtenen Bescheid verlangt wird.
30Die verfügte Verpflichtung dient im Ergebnis jedenfalls der Verhütung künftiger Verstöße gegen das Eisenbahnrecht i. S. d. § 5 a Abs. 2 AEG, denn es erfolgt damit eine rechtlich zulässige Prüfung, ob die Antragstellerin ihre Verpflichtung aus Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 ordnungsgemäß erfüllt.
31Die Frage, ob sich die Antragstellerin an die Vereinbarung mit der Antragsgegnerin hält, bei Verspätungen von 59 Minuten eine Entschädigung nicht mit Rücksicht auf die eine fehlende Minute zu versagen, stellt sich angesichts des hier vorliegenden Sachverhalts zugleich als die Frage danach dar, ob die Antragstellerin ihre Verpflichtungen aus Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 einhält. Angesichts der von der Antragstellerin festgestellten Ungenauigkeiten in dem Messverfahren bzw. dem Feststellungsverfahren (Abschneiden von Sekunden) hat sich die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin selbst dazu bereit erklärt, bei Verspätungen von 57 bis 59 Minuten eine Verspätungsentschädigung zu leisten. Da die Antragstellerin aufwändigere Messungen oder Prüfungen vermeiden wollte, die ggf. eine weitergehende Klarheit hinsichtlich der konkreten Dauer einer Verspätung hätten erbringen können, hat sie sich aus Praktikabilitätsgründen für dieses Verfahren entschieden. Dabei handelt es sich nach dem Verständnis der Kammer nicht um eine reine Kulanzregelung, deren Nichteinhaltung rechtlich nicht zu einem Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 führen könnte, weil dort ein Anspruch auf Verspätungsentschädigung erst ab einer Verspätung von 60 Minuten vorgesehen ist. Vielmehr handelt es sich - angesichts des Kontextes mit den Ungenauigkeiten der Feststellung - um eine Regelung, die sicherstellen soll, dass begründete Anträge auf Verspätungsentschädigung nicht unter Verstoß gegen Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/200 abgelehnt werden. Für die vorliegend angeforderten Unterlagen gilt dies umso mehr, weil hier nur Verspätungen von 59 Minuten in den Blick genommen wurden, auf die sich Messungenauigkeiten (Abschneiden von Sekunden) noch eher auswirken können als bei Verspätungen von 57 oder 58 Minuten.
32Vor diesem Hintergrund sind die von der Antragsgegnerin angeforderten Unterlagen auch erforderlich zur Durchführung der Aufgaben der Eisenbahnaufsicht. Denn sie dienen der Feststellung, ob die Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 eingehalten werden.
33Soweit die Antragstellerin geltend macht, es handele sich ausschließlich um Unterlagen bezüglich Verspätungen, die durch nicht DB-eigene Eisenbahnverkehrsunternehmen verursacht worden seien, bedarf diese Behauptung ggf. der Nachprüfung durch die Antragsgegnerin. Da die Antragstellerin - wie dargelegt - jedenfalls auch Adressatin des Fahrpreisentschädigungsanspruchs nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 ist, gilt ihre Zusage hinsichtlich der Behandlung von Anträgen mit einer Verspätung von 59 Minuten auch für diese Anträge. Das Argument der Antragstellerin, sie könne nicht rechtlich bindend für andere Eisenbahnverkehrsunternehmen eine Zusage hinsichtlich einer Entschädigungspraxis machen, greift insoweit nicht durch. Denn es geht hier um die Handhabung eines gegen die Antragstellerin gerichteten Entschädigungsanspruchs. Hinzu kommt, dass die Ungenauigkeiten in der Feststellung bei dem von der Antragstellerin angewandten Verfahren ggf. auch dann vorliegen können, wenn etwa am Beginn und Ende der Beförderungskette die Antragstellerin und lediglich dazwischen ein nicht DB-eigenes Eisenbahnverkehrsunternehmen tätig ist. Denn auch in diesem Fall wird die Frage, ob eine Verspätung über 60 Minuten vorlag, nach dem Mess- und Feststellungsverfahren der Antragstellerin geklärt. Es gibt deshalb keinen sachlichen Grund, in diesem Fall die Zusage hinsichtlich der Behandlung des 59-Minuten-Falles nicht einzuhalten.
34Für die Frage, wie die Antragstellerin ggf. im Innenverhältnis Rückgriff bei anderen EVU nehmen kann, kann es indessen von Belang sein, sich mit diesen Unternehmen auf einheitliche Standards im Umgang mit derartigen geringfügigen Unterschreitungen zu einigen. Das hier allein maßgebliche Außenverhältnis der Antragstellerin zu den Fahrgästen wird davon jedoch nicht berührt.
35Auch die von der Antragstellerin angesprochenen datenschutzrechtlichen Bedenken führen nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Denn die Anordnung der Antragsgegnerin ist nach Auffassung der Kammer auch unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes nicht zu beanstanden. Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 6.2.2013, S. 7 unten bis S. 8 zweiter Absatz Bezug genommen. Die Kammer hält auch die Anforderung der personenbezogenen Daten zur Erfüllung der Aufgabe für erforderlich. Angesichts der Tatsache, dass nach den vorliegenden Erkenntnissen hier von den 237 Vorgängen lediglich diejenigen vorzulegen sind, bei denen eine Fahrkarte der Antragstellerin ausgestellt worden war, die die Bagatellgrenze überschreiten und die eine Verspätung von 59 Minuten betreffen, dürfte es sich um eine Personenzahl handeln, die jedenfalls den niedrigen dreistelligen Bereich nicht überschreitet. Angesichts dieser Anzahl ist es auch denkbar, in diesen Fällen Zeugenbefragungen durchzuführen. Wegen des relativ überschaubaren Umfangs ist es unter Berücksichtigung der Belange des Datenschutzes nicht unverhältnismäßig, hier die Vorlage personenbezogener Daten zu verlangen. Dies gilt umso mehr, als die Ermittlungen der Antragsgegnerin ja gerade im Interesse der Personen erfolgen, deren Anträge - möglicherweise zu Unrecht - abgelehnt worden sind.
36Ferner bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Bestimmtheit des Bescheides vom 16.1.2013, soweit er Vorgänge betrifft, bei denen Fahrkarten der Antragstellerin und die Streckenzeitfahrkarten des Fernverkehrs ausgestellt worden waren.
37Die Antragsgegnerin hat von dem ihr eingeräumten Ermessen auch in sachgerechter Weise Gebrauch gemacht. Sie hat ihr Ermessen erkannt, was zum einen dadurch deutlich wird, dass sie ausführt, sie habe sich zu dieser Entscheidung entschlossen. Zum anderen wird dies durch die Darlegungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit belegt.
38Die angestellten Ermessenserwägungen sind hinreichend tragfähig. Die verfügte Anforderung der Unterlagen ist auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die Anforderung der Unterlagen ist geeignet, um zu überprüfen, ob die Antragstellerin ihre Verpflichtung aus Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 einhält. Ferner ist die Anforderung auch erforderlich. Denn es gibt kein milderes Mittel, mit dem die Antragsgegnerin in gleicher Weise eine derartige Überprüfung vornehmen könnte. Schließlich ist die Anforderung auch verhältnismäßig i. e. S., denn sie erzeugt für die Antragstellerin keinen übermäßigen Aufwand. Nach den Angaben der Antragstellerin müssen aus den 237 Vorgängen mit einer Verspätung von 57, 58 und 59 Minuten diejenigen Vorgänge ermittelt werden, die Fahrkarten der Antragstellerin und eine Verspätung von 59 Minuten betreffen und die nicht unterhalb der Bagatellgrenze von 16,- bzw. 32,- Euro liegen. Im Hinblick auf das von der Antragsgegnerin verfolgte Ziel ist der Antragstellerin eine in diesem Rahmen erforderliche Sichtung und entsprechende Vorlage der Unterlagen auch unter Berücksichtigung des für sie entstehenden Aufwands zumutbar. Die erfolgte Fristsetzung ist mit Rücksicht darauf, dass die Unterlagen bereits zuvor mit Schreiben vom 13.12.2012 erbeten worden waren, rechtlich nicht zu beanstanden.
39Ziffer 2 des Bescheides vom 16.1.2013 wird sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Die darin verfügte Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2000,- Euro ist angemessen.
40Auch die Anordnung des Sofortvollzuges in Ziffer 3 des genannten Bescheides begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die hierfür gegebene Begründung ist sachgerecht und tragfähig. Die Absicht der Antragsgegnerin, ggf. eine Zeugenvernehmung von Fahrgästen durchzuführen, macht es nachvollziehbar, dass ein Zuwarten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht sachdienlich ist. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin durch die Verpflichtung, die Unterlagen bereits vor der Rechtskraft des Bescheides vorlegen zu müssen, nur in geringem Umfang belastet wird. Denn letztlich geht es nur um den Verwaltungsaufwand der Antragstellerin, der - wie dargelegt - begrenzt ist.
41Spricht mithin mehr für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bezogen auf die Vorgänge, denen die Ausstellung einer Fahrkarte der Antragstellerin zugrunde lag, geht auch die Interessenabwägung im Übrigen nicht zugunsten der Antragstellerin aus. Die der Antragstellerin im Falle des Sofortvollzugs erwachsenden Belastungen beschränken sich letztlich auf den Verwaltungsaufwand, die jeweiligen Unterlagen zu sichten und vorzulegen. Weitere Ermittlungen sind von der Antragstellerin insoweit nicht anzustellen, weil die von der Antragsgegnerin angeforderten Unterlagen sich bereits bei den Vorgängen der DB Dialog GmbH befinden. Im Verhältnis zu diesen Belastungen überwiegt das öffentliche Interesse, das darauf gerichtet ist, zeitnah eine Feststellung treffen zu können, ob die Antragstellerin ihre Verpflichtung aus Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 ordnungsgemäß erfüllt, und im Fall der Feststellung eines Verstoßes für Abhilfe zu sorgen.
42II.
43Soweit sich der Bescheid vom 16.1.2013 auch auf die Vorlage von Unterlagen bezieht, denen ein Fahrschein eines anderen DB-Unternehmens als der Antragstellerin zugrunde lag ( siehe S. 7 Mitte des genannten Bescheides), erweist sich die Anforderung der Unterlagen demgegenüber bereits bei summarischer Prüfung als rechtswidrig. Denn nach dem Verständnis der Kammer handelt die DB Dialog GmbH jeweils für die einzelnen Unternehmen, mit denen der Fahrgast einen Beförderungsvertrag geschlossen hat. Besteht also ein Beförderungsvertrag etwa mit der DB Regio AG, handelt die DB Dialog GmbH für die DB Regio AG. Eine rechtliche Grundlage, die Antragstellerin zur Vorlage dieser Unterlagen zu verpflichten, besteht in diesen Fällen nicht. Denn die bei der DB Dialog GmbH diesbezüglich vorhandenen Unterlagen stellen sich rechtlich nicht als Unterlagen der Antragstellerin dar. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin ihre Verpflichtung aus Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) 1371/2007 nicht erfüllt haben könnte, wenn etwa die DB Regio AG Vertragspartner des Beförderungsvertrages ist. Mit Rücksicht auf die Rechtswidrigkeit des Bescheids war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs insoweit wiederherzustellen.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Kostenverteilung entspricht dem Maß des Obsiegens und Unterliegens. Dabei geht die Kammer davon aus, dass es sich in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle um Fahrkarten der Antragstellerin handeln wird.
45Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei legt die Kammer für das Verfahren in der Hauptsache unter Beachtung der Rechtsprechung des OVG NRW,
46vgl. Beschluss vom 5.10.2010 - 13 A 29/10 -
47pauschalierend einen Streitwert von 50.000,- Euro zugrunde, der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wird.