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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
2Die am 00.00.2006 geborene Tochter der Kläger K. besucht seit dem 01.08.2008 die Kindertageseinrichtung X.------- 00 in Bonn-C. .
3Unter dem 02.07.2008 gaben die Kläger an, dass ihr Jahreseinkommen über dem Betrag von 61.355,00 EUR liegt. Bei einem Jahreseinkommen von über 61.355,00 EUR war nach der bis zum 31.07.2010 geltenden Satzung der Beklagten über die Erhebung von Elternbeiträgen der höchste Elternbeitrag für die Betreuung in einer Kindertageseinrichtung (Kind über 3 Jahren bei 45 Wochenstunden) von monatlich 236,00 EUR zu zahlen.
4Mit Bescheid vom 05.02.2009 zog die Beklagte die Kläger für den Zeitraum von 03/2009 bis 07/2012 zu einem monatlichen Beitrag von 236,00 EUR heran.
5Mit der am 01.08.2010 in Kraft getretenen Elternbeitragssatzung vom 31.05.2010 (BS) - veröffentlicht im Amtsblatt der Beklagten Nr. 22 vom 16.06.2010, S. 308 - änderte die Beklagte die Höhe der Elternbeiträge und die für die Höhe der Beiträge maßgeblichen Einkommensgruppen. Bei einem Jahreseinkommen von 61.355,00 EUR bis zu 73.626,00 EUR beträgt der Beitrag für die 45-stündige Betreuung nach der neuen Satzung 260,00 EUR monatlich.
6Mit Bescheid vom 22.07.2010 setzte die Beklagte gegenüber den Klägern für die Zeit ab 08/2010 bis 07/2012 einen monatlichen Beitrag in Höhe von 260,00 EUR fest. Sie forderte die Kläger auf, bis zum 01.09.2010 einen Betrag von 284,00 EUR und von 10/2010 bis 07/2012 zum 1. Tag des jeweiligen Monats einen Betrag von jeweils 260,00 EUR zu zahlen. Der Beitragsfestsetzung lag eine Einstufung der Kläger in die Einkommensgruppe von über 61.355,00 EUR bis 73.626,00 EUR zugrunde. Mit dem Bescheid wies die Beklagte die Kläger auf die mit der neuen Beitragssatzung veränderten Einkommensgruppen hin. Von den Klägern lägen nur Einkommensangaben vor, die ein Einkommen der bisherigen höchsten Einkommensstufe auswiesen. Für die endgültige Festsetzung der neuen Elternbeiträge seien diese Angaben nicht ausreichend. Die Beklagte bat die Klägerin deshalb, bis zum 05.09.2010 aktuelle Einkommensangaben für das Jahr 2009 zu machen. Sollten sich die Kläger in die höchste Einkommensgruppe von über 85.897,00 EUR einstufen, sei ein Einkommensnachweis nicht erforderlich. Die Kläger wurden darauf hingewiesen, dass der höchste monatliche Beitragssatz festgesetzt werde, wenn sie keine Angaben zu ihrem letztjährigen oder aktuellen Einkommen machten. Damit bis zur endgültigen Festsetzung kein Nachzahlungsbetrag entstehe, seien die Elternbeiträge mit Bescheid vom 22.07.2010 ab August 2010 auf der Grundlage des bisher bekannten Einkommens vorläufig festgesetzt worden.
7Die Kläger haben am 20.08.2010 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, die neue ab dem 01.08.2010 geltende BS verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. Sie benachteilige Familien - wie sie - mit nur einem Kind gegenüber Familien mit mehreren Kindern, die zeitgleich in verschiedenen Einrichtungen der Beklagte betreut würden. Diese Familien würden ab dem 2. zeitgleich betreuten Kind von einer Beitragspflicht freigestellt. Wegen dieser Geschwisterfreistellung seien die Einkommensgruppen erweitert und die Beiträge unangemessen erhöht worden. Bei ihrem Jahreseinkommen müssten sie ab August 2010 einen monatlichen Beitrag von 388,00 EUR zahlen. Dieser Beitrag bedeute eine Erhöhung von 64,41 % gegenüber dem Beitrag von 236,00 EUR, den sie aufgrund der bis zum 31.07.2010 geltenden Satzung hätten zahlen müssen. Im übrigen sei fragwürdig, ob die Bemessungsgrundlage der Beklagte für die Berechnung der Elternbeiträge von den gesetzlichen Vorgaben des § 90 Abs. 1 SGB VIII und § 23 Abs. 4 KiBiz NRW gedeckt sei. § 23 Abs. 4 KiBiz NRW mache die Erhebung von Elternbeiträge von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern abhängig. Leistungsfähig seien die Eltern im Rahmen des ihnen zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens. Das Bruttoeinkommen, das die Beklagte der Bemessung der Beiträge zugrundelege, trage der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht hinreichend Rechnung. Schließlich sei nicht nachvollziehbar, dass andere Kommunen für identische Betreuungsleistungen geringere Beiträge als die Beklagte verlangten.
8Die Klägerin beantragt sinngemäß,
9den Bescheid der Beklagten vom 22.07.2010 aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Ihrer Auffassung nach ist die ab dem 01.08.2010 geltende neue BS nicht zu beanstanden. Die satzungsrechtlichen Bestimmungen trügen den Forderungen des KiBiZ NRW nach einer sozialen Staffelung der Beiträge und einer systemübergreifenden Geschwistermäßigung Rechnung. Die Neustrukturierung der Elternbeiträge habe die Einkommensgruppe bis 15.000,00 EUR von einer Beitragsplicht freigestellt. In den mittleren Einkommensgruppen seien Beitragserhöhungen von 10 % vorgenommen worden. Ab der Einkommensgruppe von 73.600,00 EUR seien die Beiträge um mehr als 10 % erhöht worden. Schließlich sei eine systemübergreifende Geschwisterfreistellung eingeführt worden. Die Beitragserhöhung sei nicht unangemessen. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Beiträge in der Vergangenheit über 15 Jahre unverändert geblieben seien. Mit Blick auf die Angaben der Kläger zu ihren aktuellen Einkommensverhältnissen im vorliegenden Verfahren werde nach Abschluss des vorliegenden Klageverfahrens ein neuer Beitragsbescheid über einen monatlichen Beitrag von 388,00 EUR erstellt.
13Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
15Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 22.07.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
16Rechtsgrundlage für den angefochtenen Beitragsbescheid vom 22.07.2010 ist § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII i.V.m. § 23 Abs. 4 KIbiZ NRW i.V.m. der zum 01.08.2010 in Kraft getretenen Beitragssatzung (BS) vom 31.05.2010. Nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII können für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege nach den §§ 22 bis 24 SGB VIII Kostenbeiträge festgesetzt werden. Soweit Landesrecht nichts anderes bestimmt, sind Kostenbeiträge, die für die Inanspruchnahme von Tageseinrichtungen und von Kindertagespflege zu entrichten sind, zu staffeln. Als Kriterien können insbesondere das Einkommen, die Anzahl der kindergeldberechtigten Kinder in der Familie und die tägliche Betreuungszeit berücksichtigt werden. Das Landesrecht NRW sah im maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der BS vom 31.05.2010 am 01.08.2010 in § 23 Abs. 4 Kinderbildungsgesetz (KiBiz) NRW in der bis zum 31.07.2011 geltenden Fassung - jetzt § 23 Abs. 5 KiBiZ NRW n.F. - vor, dass bei der Erhebung von Elternbeiträgen eine soziale Staffelung vorzusehen ist und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern sowie die Betreuungszeit zu berücksichtigen ist. Die Beitragssatzung kann ermäßigte Beiträge oder eine Beitragsfreiheit für Geschwisterkinder vorsehen, auch wenn sie eine Ganztagsschule im Primarbereich besuchen.
17Die satzungsmäßige Bemessungsgrundlage der Beiträge für die Betreuung im Rahmen der Tageseinrichtungen und der Tagespflege und deren Staffelung genügt diesen gesetzlichen Vorgaben.
18Elternbeiträge sind nicht an den für die Eingriffsverwaltung geltenden strengen Rechtmäßigkeitsmaßstäben - wie etwa dem für andere öffentliche Abgaben geltenden Äquivalenzprinzip - zu messen. Bei den Elternbeiträgen steht die überwiegend staatlich finanzierte Leistungsgewährung nach §§ 22 und 23 SGB VIII, also die Zuteilung staatlicher Förderung im Vordergrund. Die Elternbeiträge sind als ein die staatliche Leistungsgewährung reduzierender Minderungsposten anzusehen. Sie sind keine Belastung, sondern haben ein Weniger an staatlicher Förderung zur Folge. Die Elternbeiträge sollen die Gesamtbetriebskosten der Betreuungseinrichtung nicht vollständig decken. Der überwiegende Anteil der Gesamtbetriebskosten wird durch staatliche Leistungsträger abgedeckt. Die Elternbeiträge werden nicht im Rahmen eines Umlageverfahrens erhoben, so dass Beitragsausfälle nicht zu einer Beitragserhöhung zu Lasten der verbleibenden Beitragspflichtigen führt. Finanzierungslücken gehen zu Lasten der anderen Finanzierungsträger,
19vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18.02.2011 - 12 A 266/10 -, m.w.N., juris
20So ist es auch im Falle der von der Beklagten erhobenen Beiträge für Kindertageseinrichtungen. Die Elternbeiträge zielen von vornherein nicht auf eine vollständige oder auch nur gegenüber den anderen Finanzierungsträgers gleichrangige Kostendeckung ab. Sie sind - auch unter Berücksichtigung der in der höchsten Einkommensstufe zu entrichtenden Beiträge - auf die Erreichung eines lediglich geringfügigen Deckungsgrades von 19 v.H. der Jahresbetriebskosten in der jeweiligen Einrichtungsart - ausgerichtet. Nach den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 26.03.2012 vorgelegten Unterlagen deckten die Elternbeiträge in den Jahren 2010 und 2011 nur 16,12 % bzw. 19,49 % der Gesamtaufwendungen für die städtischen Kindertageseinrichtungen ab. Die Aufwendungen für die Verwaltung der Einrichtungen und für die Erhebung der Elternbeiträge sind hier noch nicht berücksichtigt. Der geringe Grad der mit den Elternbeiträgen zu erreichenden Kostendeckung führt im Rahmen der hier gegebenen staatlichen Leistungsgewährung zu einer entscheidenden Bedeutung des Grundsatzes der Verwaltungspraktikabilität. Sollen die geringen Elternbeiträge ihrer Bestimmung gemäß tatsächlich in nennenswertem Umfang für den Betrieb der Tageseinrichtungen aufgewendet und nicht in einem ausgefeilten bürokratischen Prüfungsverfahren aufgezehrt werden, muss der Verwaltungsaufwand für die Festsetzung und die Einziehung der Beiträge so gering wie möglich gehalten werden.
21Die Ausprägung des Grundsatzes der Verwaltungspraktikabilität rechtfertigt die Heranziehung eines stark vereinfachten Einkommensbegriffs als Bemessungsgrundlage und die Festlegung grobmaschiger Einkommensstufen. Dies macht umfangreiche steuerrechtliche Ermittlungen der für die Beitragserhebung zuständigen Stelle entbehrlich,
22vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.08.2008 - 12 A 2866/07 - zur gesetzlichen Regelung § 17 Abs. 4 GTK a.F., die als Bemessungsgrundlage ebenfalls auf die Summe der positiven Einkünfte der Eltern i.S.v. § 2 Abs. 1 und 2 EStG verwies.
23Die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Beiträge sind von den Bestimmungen der BS gedeckt. Nach § 3 Abs. 1 BS haben die Eltern für die Bereitstellung eines Platzes in einer Tageseinrichtung für Kinder entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit monatliche Beiträge zu entrichten. Nach § 5 Abs. 1 BS bestimmt sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch das Kalenderjahreseinkommen. Einkommen im Sinne des § 5 BS ist die Summe der positiven Einkünfte der Eltern im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG (§ 5 Abs. 1 Satz 2 BS). Nach der Einkommenstabelle in der Anlage zu § 3 BS ist für die Betreuungsart "Kinder über 3 Jahren bis zur Einschulung - 45 Stunden" bei einem Einkommen von über 85.897,00 EUR ein monatlicher Beitrag von 388,00 EUR zu zahlen. Nach den im gerichtlichen Verfahren gemachten Angaben der Kläger übersteigt ihr Jahreseinkommen den Höchstbetrag von 85.897,00 EUR, so dass die Festsetzung eines monatlichen Beitrages von 388,00 EUR von den Bestimmungen der BS wäre. Der mit dem angefochtenen Bescheid vom 22.07.2010 festgesetzte monatliche Beitrag von 260,00 EUR hält sich noch unter dem satzungsmäßig zulässigen Beitrag von 388,00 EUR.
24Die Beitragshöhe ist nicht unangemessen hoch. Die mit der BS vom 31.05.2010 erfolgte Erhöhung der Beiträge trägt der allgemeinen Einkommensentwicklung in den letzten 15 Jahren Rechnung. Die Beiträge waren vor der Erhöhung im Jahre 2010 für 15 Jahre unverändert geblieben. Der bei einem Jahreseinkommen von über 85.897,00 EUR vorgesehene monatliche Beitrag von 388,00 EUR ist nicht unverhältnismäßig hoch. Für diesen Beitrag erhalten die Kläger eine monatliche Betreuungsleistung von 180 Stunden zu einem nicht unangemessenem Entgelt von 2,16 EUR/Stunde für eine fachliche Betreuung ihrer Tochter.
25Die rückwirkende Erhöhung der Beiträge mit Bescheid vom 22.07.2010 ist ohne verfahrensrechtliche Beschränkungen zulässig. Der zuvor erlassene Beitragsbescheid vom 05.02.2009, der - auch - für den Zeitraum von 08/2010 bis 07/2012 einen monatlichen Beitrag von 236,00 EUR festsetzte, ist kein begünstigender Verwaltungsakt. Elternbeitragsbescheide beschränken sich als ausschließlich belastende Verwaltungsakte auf die Festsetzung der jeweiligen Beitragslast. Sie stellen keine begünstigenden Verwaltungsakte in dem Sinne dar, dass für den jeweiligen Beitragszeitraum zukünftig keine weiteren Elternbeiträge mehr verlangt werden,
26vgl. OVG NRW Urteil vom 19.08.2008 - 12 A 2866/07 - juris; VG Münster, Urteil vom 27.07.2011 - 3 K 576/11 -, juris.
27Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr.11, 711 ZPO.