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Für die Abgrenzung des Gemeingebrauchs zu einer Sondernutzung bedarf es nicht der Prüfung, ob eine (beabsichtigte) Nutzung den Gemeingebrauch Dritter stört. Diese Prüfung ist vielmehr Teil der Ermessensausübung bei der Entscheidung, ob eine Sondernutzungserlaubnis erteilt wird.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin ist ein Werbeunternehmen, das für Kölner Kunden bei der Beklagten mehrere Male die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für den Einsatz so genannter moving-boards, von Personen auf dem Rücken getragener Werbetafeln, beantragte. Die Beklagte erwiderte, dass Werbung nur für ortsansässige Gewerbetreibende aus einem besonderen Anlass unmittelbar an der eigenen Stätte der Leistung in Form eines Präsentationsstands sowie unter Berücksichtigung der erforderlichen platztechnischen Voraussetzungen genehmigungsfähig sei und jede andere Form der Werbung wie z.B. das Verteilen von Werbematerial jedweder Art oder Werbung im Umherziehen in Köln nicht gestattet sei.
3Die Klägerin hat am 14.9.2011 Klage erhoben, mit der sie in erster Linie die Feststellung begehrt, dass von ihr geplante Werbemaßnahmen mit Werbetafeln keiner Sondernutzungserlaubnis der Beklagten bedürften. Zur Begründung führt sie aus: Die Schilder seien rund 145 cm hoch und rund 59 cm breit und überstiegen damit nicht die Breite des Rückens samt Armen von Personen. Die Werbetafeln würden im Hochformat getragen und seien deshalb entgegen der Auffassung der Beklagten nicht sperrig. Mit ihnen bewegten die tragenden Personen sich störungsfrei ohne längeres Verweilen an einer Stelle, Ansprache, Musik oder Verteilung von Werbematerial zwischen den anderen Passanten. Als Passanten übten diese Personen beim Umhertragen der Werbetafeln deshalb allein den Gemeingebrauch aus, zumal die Werbung zum kommunikativen Gemeingebrauch gehöre, ohne den Gemeingebrauch Dritter zu stören. Der gewerbliche Zweck ändere daran nichts. Der äußere Eindruck habe nämlich den selben Charakter wie etwa ein Spaziergang, bei dem eine Tüte mit Werbeaufdruck getragen werde. Wenn von einer Sondernutzung auszugehen sein sollte, handle die Beklagte ermessensfehlerhaft. Wegen ihrer generellen Praxis, solche Anträge ungeprüft abzulehnen, übe sie kein Ermessen aus. Auf diese Weise wolle sie sich lediglich ihre Aufgaben erleichtern. Sie habe jedoch keine Rechtsgrundlage für ein pauschales Verbot umherziehender Werbung. Ihr Ermessen sei vielmehr zu Gunsten der Klägerin auf Null reduziert. Die Unterscheidung von Werbe-Kommunikation und anderer Kommunikation sei verfassungsrechtlich unzulässig, weil auch die Werbung durch die Grundrechte geschützt seien. Weil die Sondernutzungssatzung der Beklagten sogar den Verkauf von Zeitungen und Extrablättern im Umhergehen als erlaubnisfreie Sondernutzung ansehe, müsse das erst recht für das Tragen von Werbetafeln ohne Ansprache von Passanten gelten. Jedenfalls übe die Beklagte ihr Ermessen mangels sachlichen Bezugs ihrer Weigerung zur Straße fehlerhaft aus und müsse jeden Einzelfall gesondert prüfen. Ihre Befürchtungen hinsichtlich eines Nachahmungseffekts seien rein spekulativ. Sie habe außer entsprechenden anderen Anträgen der Klägerin keine weiteren Anträge benennen können. Die Beklagte müsse der Klägerin zumindest die Präsentation von belastungsreduzierenden Gegenmaßnahmen einräumen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin klargestellt, dass die Klageanträge sich ausschließlich auf einzeln laufende Promoter bezögen. Ein Nebeneinandergehen mehrerer mit Werbeschildern versehener Personen wiederspreche dem Werbekonzept der Klägerin.
4Die Klägerin beantragt,
5Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Zur Begründung trägt sie vor: Die Konkretisierung der Klageanträge in Richtung auf einzelne Personen stelle eine Klageänderung dar. Wirtschaftliche Tätigkeiten fielen nicht unter den Gemeingebrauch. Sondernutzungserlaubnisse für die von der Klägerin beabsichtigten Werbemaßnahmen erteile die Beklagte in Ausübung ihres durch § 18 StrWG NRW eingeräumten Ermessens grundsätzlich und bereits jahrelang und stadtweit nicht. Eine Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zöge nämlich angesichts der zu erzielenden Werbewirksamkeit insbesondere der innerstädtischen Straßen, Plätze und Fußgängerzonen und der darauf beruhenden Vielzahl von Anträgen unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten eine Vielzahl entsprechender Sondernutzungsgenehmigungen mit der Folge nach sich, dass die vorhandenen Flächen überfüllt wären, dadurch die Sicherheit und Leichtigkeit des Fußgängerverkehrs gefährdet und das Erscheinungsbild der innerstädtischen Straßen, Plätze und Fußgängerzonen beeinträchtigt würde. Bei Zulassung von Werbetafeln wie die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden sei ein Nachahmungseffekt auch dahin gehend zu befürchten, dass weitere Personen oder Unternehmen entsprechende Anträge stellten. Zahlenangaben zu Anträgen hinsichtlich auf dem Rücken getragener Werbetafeln könne sie nicht machen. Darüber hinaus seien die hier in Rede stehende Werbetafeln sperrig. Die Sondernutzungssatzung führe als erlaubnisfreie Sondernutzung u.a. das Verkaufen von Zeitungen und Extrablättern im Umhergehen auf, weil dies eine hergebrachte Vertriebsform sei und die Pressefreiheit stütze.
9E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
10Die Begrenzung der Klageanträge auf einzeln laufende Personen mit Werbetafeln ist entweder eine bloße Klarstellung und deshalb zulässig oder aber eine Klageänderung, die indes im Sinne des § 91 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ebenfalls zulässig, weil zumindest sachdienlich ist. Denn auch die so gefassten Klageanträge sind aufgrund der ausreichenden Möglichkeit der Beklagten, sich dazu zu äußern, entscheidungsreif, weshalb ihre Erfassung durch das vorliegende Verfahren ein überflüssiges weiteres Verfahren im Sinne der Prozessökonomie vermeidet. Die Klage hat jedoch keinen Erfolg.
11Die zulässige Feststellungsklage zu 1. ist unbegründet. Für das Umherlaufen mit Werbetafeln bedarf die Klägerin einer Sondernutzungserlaubnis gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NRW), weil diese geplante Tätigkeit eine Sondernutzung ist. Sondernutzung ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus unbeschadet des § 14a Abs. 1 StrWG, der den Straßenanliegergebrauch regelt.
12Die geplante Tätigkeit der Klägerin fällt indes nicht unter den Anliegergebrauch i. S. d. § 14a StrWG NRW, der Eigentümern und Besitzern von an einer öffentlichen Straße gelegenen Grundstücken eingeräumt ist, weil die Klägerin keine Straßenanliegerin ist. Es handelte sich im Übrigen nicht einmal um Anliegergebrauch von ansässigen Kunden der Klägerin, weil eine Werbung, wie sie von der Klägerin geplant ist, zur Nutzung der gewerblich genutzten Grundstücke zwar aus Sicht der Gewerbetreibenden möglicherweise wünschenswert, aber nicht, wie von § 14a Abs. 1 StrWG NRW vorausgesetzt, erforderlich ist. Anders als etwa von einem unter den Anliegergebrauch im Sinne des Kontakts nach außen fallenden, der Verkehrsfläche zugewandten Schaufenster, das den Passanten zum Betrachten und Verweilen veranlassen und letztlich auch geschäftliche Kontakte anbahnen soll, unterscheidet sich das Umhergehen von Personen mit Werbetafeln auf einer öffentlichen Verkehrsfläche nämlich durch einen weiteren Aktionsradius, der über den Kontakt (vom Ladenlokal aus) nach außen hinausgeht.
13Das Umherlaufen mit Werbetafeln fällt auch nicht mehr unter den Gemeingebrauch i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW. Denn Gemeingebrauch liegt gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 StrWG NRW dann nicht vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie (gemäß ihrer Widmung) zu dienen bestimmt ist. Weil die Widmung der innerstädtischen Straßen, Wege und Plätze der Beklagten allein dem Verkehr im üblichen, also im weiteren (auch kommunikativen) Sinne, dienen, fällt von vornherein jede Nutzung zu gewerblichen Zwecken nicht unter den Widmungszweck und unterfällt damit nicht dem Gemeingebrauch. Es ist bereits obergerichtlich entschieden, dass Tätigkeiten, die nicht überwiegend dem Verkehr dienen, sondern einer gewerblichen Betätigung zuzurechnen sind, nicht zum Gemeingebrauch gehören.
14Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 15.7.1999 - 23 B 334/99 -, juris.
15Selbst eine kurzfristige gewerbliche Tätigkeit im Straßenraum auf einer kleinen Fläche stellt eine den Gemeingebrauch überschreitende Sondernutzung dar.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.6.1997 - 23 A 3171/95 -, juris, m.w.N.
17Die Qualifizierung einer Straßenbenutzung kann entgegen der Meinung der Klägerin schon deshalb nicht davon abhängen, ob der Gemeingebrauch Dritter gestört wird, weil jeder Gemeingebrauch den Gemeingebrauch Dritter an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit ausschließt und damit stört. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, würde in dem Fall, dass Gemeingebrauch schon immer dann vorläge, wenn die in Rede stehenden Benutzung den Gemeingebrauch Dritter nicht stört, die Prüfung, ob und inwieweit gegenläufige Interessen bestehen und gegebenenfalls auszugleichen sind, auf der Tatbestandsebene erfolgen. Das entspricht aber nicht der Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW. Nach dieser Vorschrift ist die Frage, ob eine Benutzung öffentlicher Straßen Sondernutzungen sind, nämlich allein von der gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW für den Gemeingebrauch maßgeblichen Widmung abhängig, weil die "Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus ... Sondernutzung" ist. Demgemäß bestimmt § 14 Abs. 3 Satz 1 StrWG NRW, dass kein Gemeingebrauch vorliegt, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutz wird, dem sie zu dienen bestimmt ist. Eine weitere Abwägung etwaiger gegenläufiger Interesen ist danach für die Qualifizierung einer Benutzung als Gemeingebrauch nicht vorgesehen. Eine solche Abwägung findet vor allem im Falle zu erwartender Beeinträchtigungen des Gemeingebrauchs Dritter deshalb erst auf der Rechtsfolgenseite statt, nämlich im Rahmen der Ausübung des der Straßenbaubehörde zustehenden Ermessens,
18vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.8.2006 - 11 A 2642/04 -, NWVBl. 2007, 64 = VRS 111, 398,
19bei ihrer Entscheidung, ob und inwieweit die nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW erforderliche Sondernutzungserlaubnis erteilt wird.
20Anderenfalls käme es nur bei wenigen beabsichtigten besonderen Benutzungen nicht zur Prüfung einer Sondernutzungserlaubnis, was zwar dann, aber nur im Ergebnis systemgerecht wäre, wenn eine Sondernutzung verneint und damit der erlaubnisfreie Gemeingebrauch bejaht wird. Ein solches Vorgehen entspricht indes nicht der von § 18 Abs. 1 StrWG NRW vorgegebenen Verfahrensweise, weil der Gemeingebrauch erlaubnisfrei ist und deshalb keiner (Sondernutzungs-)Erlaubnis bedarf, weshalb auch eine Prüfung durch die Straßenbaubehörde nicht vorgesehen ist. Deswegen muss die Bestimmung des Gemeingebrauchs klar und einfach sein. Das wird gerade durch die einfache und handhabbare Abgrenzung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW und damit letztlich durch die Widmung sowie mittels § 14 Abs. 3 Satz 1 StrWG NRW gewährleistet, wonach kein Gemeingebrauch vorliegt, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist. Hinge dagegen die Qualifizierung einer beabsichtigten Straßennutzung als Gemeingebrauch davon ab, ob sie den Gemeingebrauch Dritter beeinträchtigt, müsste bei einer Vielzahl von beabsichtigten Straßennutzungen darüber hinaus dieselbe Frage, nämlich ob die beabsichtigte Straßennutzung den Gemeingebrauch Dritter beeinträchtigt, zweimal geprüft werden, nämlich einmal bei der Frage, ob es sich überhaupt um eine Sondernutzung handelt, und im selben Umfang nochmals bei der Entscheidung, ob im Fall der Bejahung einer Sondernutzung eine Sondernutzungserlaubnis erteilt wird. Abgesehen davon, dass dies der erläuterten Gesetzessystematik widerspräche, wäre eine solche - jedenfalls partiell - doppelte Prüfung wenig zweckdienlich und arbeitsökonomisch.
21Aus diesen Gründen ist es zumindest missverständlich, wenn in
22Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 3. Aufl. (1989), § 18 Rdnr. 12,
23ausgeführt wird, dass die Sondernutzung der Erlaubnis bedarf, wenn durch die Benutzung der Straße der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann, und der Gemeingebrauch immer dann beeinträchtigt wird, wenn die Straße wegen der Art ihrer Benutzung durch einen Dritten dem gewöhnlichen Verkehrsbedürfnis und den Anforderungen an Sicherheit und Ordnung des Verkehrs nicht so genügen könnte, wie das ohne das (störende) Ereignis der Fall wäre. Weil nach der Gesetzessystematik eine vom Gemeingebrauch einfach abzugrenzende Sondernutzung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW stets einer Erlaubnis bedarf, spielen die genannten Gesichtspunkte erst im Rahmen der Entscheidung der Straßenbaubehörde, ob eine solche Sondernutzungserlaubnis erteilt wird, eine Rolle und sind deshalb erst im Rahmen der Ermessensausübung in die Erwägungen einzustellen.
24Ungeachtet der obigen Ausführungen, nach denen es auf die folgende Erwägung für die Frage, ob überhaupt eine Sondernutzung in Rede steht, gar nicht ankommt, reicht für die Qualifizierung der beabsichtigten Tätigkeit der Klägerin als genehmigungsbedürftige Sondernutzung, dass die Beeinträchtigung des so definierten Gemeingebrauchs Dritter durch das Umherlaufen mit Werbeschildern möglich wäre.
25Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.7.1999 a. a. O.
26Das ist hier im Übrigen nach allgemeiner Erfahrung sogar zu erwarten,
27zu diesem Prognosemaßstab: Fickert a. a. O. § 18 Rdnr. 12,
28weil der wuchtige Eindruck, den die Werbetafeln machen, Passanten zu einem großräumigeren Ausweichen veranlassen können als es der Fall wäre bei Personen, deren Rücken samt anliegenden Armen eine vergleichbare Breite aufweisen.
29Der erste Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet, weil ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung beantragter Sondernutzungserlaubnisse bereits mangels Bescheidungsfähigkeit ausscheidet. Mindestangaben zwecks Prüfung, ob und in wie weit gegenläufige Interessen miteinander kollidieren könnten, sind nämlich jeweils der konkrete Ort und die Zeit der geplanten Tätigkeit. Darüber hinaus ist das der Beklagten durch § 18 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW eingeräumte Ermessen,
30vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.8.2006 - 11 A 2642/04 - a. a. O.,
31nicht zugunsten der Klägerin auf Null reduziert. Letzteres folgt entgegen ihrer Auffassung auch nicht aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG), wobei offen bleiben kann, ob hier überhaupt ein "Eingriff" in dieses Grundrecht zu bejahen ist, oder aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil das Grundrecht aus Art. 12 GG hier in Form der Berufsausübung betroffen ist und nach der so genannten, vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Drei-Stufen-Theorie bereits Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit einen Eingriff in dieses Recht verfassungsrechtlich rechtfertigen und auch die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze findet. Beides trifft hier zu, weil § 18 StrWG NRW ein allgemeines Gesetz ist, dessen Intention mit dem Ausgleich gegenläufiger Interessen in einem der Kommune im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG überantworteten Organisationsbereich im Rahmen der Daseinsvorsorge zweckmäßig ist. Entgegen der Meinung der Klägerin folgt nichts anderes aus der nach der Sondernutzungssatzung der Beklagten erlaubnisfreien Sondernutzung in Form des Verkaufs von Zeitungen und Extrablättern. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen folgt nicht aus der Selbstbindung der Beklagten in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Privilegierung von Zeitungen und Extrablättern Druckerzeugnisse meint, die nicht allein werbewirtschaftliche Aussagen enthalten. Das folgt bereits aus dem Wortlaut der Satzungsregelung, weil reines Werbematerial nicht als Zeitung oder Extrablatt, sondern als Werbematerial, Werbung oder Anzeige bezeichnet wird und die Regelung auch nicht allgemein auf Druckerzeugnisse abstellt, was aber nahe gelegen hätte, wenn die Beklagte unter diese Privilegierung auch Werbung hätte fassen wollen.
32Schließlich ist auch der zweite Hilfsantrag unbegründet, weil die Beklagte weder von einem normierten Verbot des Umherlaufens mit Werbetafeln ausgeht noch ihre Versagung ohne Ermessensbetätigung angekündigt hat. Vielmehr ist die angekündigte generelle Versagung künftiger Anträge der Klägerin, Personen mit den beschriebenen Werbetafeln im innerstädtischen Bereich auf öffentlichen Straßen umherziehen zu lassen, das Ergebnis des von der Beklagten betätigten Ermessens, das keine Ermessensfehler aufweist. Das Gericht kann die Ermessensausübung der Behörde nur auf die Beachtung der Tatbestandsvoraussetzungen sowie gemäß § 114 Satz 1 VwGO darauf hin überprüfen, ob - entgegen § 40 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Daran gemessen ist die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Der gesetzliche Erlaubnisvorbehalt für eine straßenrechtliche Sondernutzung soll allein eine Nutzung der betroffenen Straßen und Wege sicherstellen, die den Widmungszweck, insbesondere den Gemeingebrauch, nicht wesentlich beeinträchtigt. Damit dient das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in erster Linie der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, so wie ihn die Widmung der öffentlichen Sache zulässt. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung die behördliche Ermessensausübung sich bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis daher an Gründen zu orientieren hat, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen Gründen können insbesondere zählen ein einwandfreier Straßenzustand (Schutz des Straßengrundes und des Zubehörs), die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger (etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen) oder Belange des Straßen- und Stadtbildes, d. h. baugestalterische oder städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße und auf Grund eines konkreten Gestaltungskonzepts (etwa Vermeidung einer "Übermöblierung" des öffentlichen Straßenraums, Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbildes).
33Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.8.2006 a. a. O.; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 19.2.2010 - 18 K 5729/08 -.
34Danach sind die von der Beklagten geltend gemachten Beeinträchtigungen der Leichtigkeit des Verkehrs und stadtgestalterischen Gründe vor dem Hintergrund des wegen einer Vielzahl von auf Werbemittel abzielenden Sondernutzungsanträgen zu beachtenden Gleichbehandlungsgebots und einer deswegen von der Klägerin erteilten Sondernutzungserlaubnissen ausgehenden Präjudizwirkung nicht zu beanstanden. Das gilt auch vor dem Hintergrund des von der Beklagten befürchteten Effekts, dass andere Unternehmen oder Einzelpersonen ebenfalls Anträge auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Umherziehen mit Werbetafeln stellen. Diese Erwägungen sind entgegen der Meinung der Klägerin nicht spekulativ, sondern liegen umgekehrt schon deshalb nahe, weil bislang zwar nur die Klägerin, aber bereits mehrfach Sondernutzungsanträge gestellt und damit zu erkennen gegeben hat, dass sie diese Tätigkeiten auf dem Gebiet der Beklagten ausweiten möchte. Entsprechende Anträge Dritter liegen ebenfalls nahe, weil die Beklagte für anderweitige Werbetätigkeiten nur Sondernutzungserlaubnisse erteilt, soweit die Werbung am jeweiligen Geschäftslokal stattfindet. Ein Ausweichen auf Werbung mittels tragbarer Werbetafeln böte sich im Fall von der Klägerin erteilten Sondernutzungserlaubnissen dann für Dritte geradezu an. Mit diesen Erwägungen übt die Beklagte die ihr gemäß Art. 28 Abs. 2 GG zustehende Planungshoheit in nicht zu beanstandender Weise aus. Diese Erwägungen der Beklagten machen zugleich deutlich, dass es ihr bei ihrer grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber Werbung mittels tragbarere Werbetafeln nicht, wie ihr die Klägerin vorwirft, um die Vermeidung einer Prüfung entsprechender Anträge auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen geht.
35Schließlich ist die Ablehnung der Beklagten, der Klägerin für das Umhertragen von Werbetafeln Sondernutzungserlaubnisse zu erteilen, nicht aufgrund einer Verletzung des Gleichheitsgebots aus Art. 3 Abs. 1 GG zu Lasten von Werbung wegen der nach der Sondernutzungssatzung der Beklagten erlaubnisfreien Sondernutzung in Form des Verkaufs von Zeitungen und Extrablättern ermessensfehlerhaft. Der sachliche Grund für die unterschiedliche Behandlung beider unter Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG fallender Sachverhalte folgt aus der straßenrechtlich relevanten und deshalb sachgerechten Unterscheidung, dass das Verteilen von Zeitungen als hergebrachte Tätigkeit zum Straßenbild gehört. Die insoweit erfolgte Privilegierung der Zeitungspresse gegenüber der Verteilung sonstiger Druckerzeugnisse ist wegen des Bezugs zum Straßenbild und der Maßgeblichkeit der Vorstellungen der Beklagten von dessen Gestaltung auch straßenrechtlich nicht zu beanstanden. Will die Beklagte Werbung auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen - auch stark - begrenzen, unterliegt auch das ihrer kommunalen Planungshoheit und ist straßenrechtlich nicht zu beanstanden und deshalb hinzunehmen.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37Die Berufungszulassungsgründe des § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor; auch wenn die Sache für die Klägerin grundsätzlich bedeutsam ist, ist sie es nicht im rechtlichen Sinne.